S. 48 / Nr. 11 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 69 I 48

11. Auszug ans dem Urteil vom 12. April 1943 i. S. Bürgschaftsgenossenschaft
des Verbandes schweizerischer Darlehenskassen gegen eidg. Steuerverwaltung.


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Regeste:
Die Stammkapitalanteile einer Bürgschaftsgenossenschaft von Spar- und
Darlehenskassen, die der Förderung des von diesen Kassen betriebenen
Darlehensgeschäftes dient, sind von der eidg. Stempelabgabe nicht befreit.
Ne sont pas exonérées du droit de timbre les parts au capital social d'une
coopérative de cautionnement fondée par des caisses d'épargne et de prêts et
destinée à faciliter les prêts faits par les caisses.
Non sono esentate dalla tassa federale di bollo le quote del capitale sociale
d'una cooperativa di fideiussioni costituita da casse di risparmio e di
prestito e destinata a facilitare la concessione di mutui da parte di queste
casse.

A. ­ Die Bürgschaftsgenossenschaft des Verbandes schweizerischer
Darlehenskassen bezweckt die Verbürgung von Darlehen, welche die dem Verbande
angegliederten Kassen ihren Mitgliedern gewähren (Art. 2 der Statuten).
Mitglied der Genossenschaft können werden der Verband, sowie die ihm
angeschlossenen Kassen und deren Mitglieder (Art. 3). Die Mitglieder haben
wenigstens einen Anteilschein von Fr. 100.- zu übernehmen (Art. 4). Die
Anteilscheine erhalten aus dem Jahresergebnis eine Verzinsung von höchstens
4%. Der Überschuss fällt in den Reservefonds (Art. 34). Die Bürgschaften, die
die Genossenschaft übernimmt, erstrecken sich im Einzelfall auf Fr. 2000.-,
wenn keine, oder bis auf Fr. 10000.-, wenn neben der Bürgschaft der
Genossenschaft noch andere Sicherheiten geboten werden (Art. 22). Sie sind an
die Voraussetzung gebunden, dass Bürgschaftsnehmer und Kasse sich an der
Bürgschaftsgenossenschaft beteiligen, und zwar die Kasse mit wenigstens einem
Anteilschein pro volle oder angefangene Fr. 100000.- der Bilanzsumme, der
Bürgschaftsnehmer mit 8% der verbürgten Summe, sofern sie mehr als Fr. 2000.-
beträgt (Art. 25).
B. ­ Die Bürgschaftsgenossenschaft hat am 17. Oktober 1942 um Befreiung ihrer
Anteilscheine von der eidgenössischen

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Stempelabgabe auf Stammkapitalanteilen gemäss Art. 17 Abs. 2
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 17 Regel - 1 Abgabepflichtig ist der Effektenhändler.
1    Abgabepflichtig ist der Effektenhändler.
2    Er schuldet eine halbe Abgabe:
a  wenn er vermittelt: für jede Vertragspartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist;
b  wenn er Vertragspartei ist: für sich selbst und die Gegenpartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist.103
3    Der Effektenhändler gilt als Vermittler, wenn er
a  mit seinem Auftraggeber zu den Originalbedingungen des mit der Gegenpartei abgeschlossenen Geschäftes abrechnet;
b  lediglich Gelegenheit zum Geschäftsabschluss nachweist;
c  die Urkunden am Tage ihres Erwerbs weiterveräussert.
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StG nachgesucht.
Die eidgenössische Steuerverwaltung hat das Begehren abgewiesen, zuletzt durch
Einspracheentscheid vom 27. November 1942.
Hiegegen richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrage auf
Abgabebefreiung. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt: Die
Bürgschaftsgenossenschaft des Verbandes schweizerischer Darlehenskassen sei
errichtet worden im Hinblick auf die Erschwerung der Bürgschaft natürlicher
Personen im neuen Bürgschaftsrecht. Das einbezahlte Genossenschaftskapital
betrage zur Zeit Fr. 520000.-, gebildet aus den Beteiligungen des Verbandes
(Fr. 260000.-) und von mehr als 300 angeschlossenen Kassen.
Die Bürgschaftsgenossenschaft verfolge einen ausgesprochen gemeinnützigen
Zweck. Kollektive Bürgschaft sei gemeinnützig. Die Beteiligung an der
Genossenschaft sei für den Anteilscheinzeichner mit erheblichen Opfern
verbunden, da für die ersten Jahre mit einer Dividende nicht zu rechnen sei.
Sie sei eine ausgesprochene Solidaritäts- und Hilfsaktion des Zentralverbandes
und der angeschlossenen Kassen, von denen ein grosser Teil sich im Moment der
Gründung angeschlossen habe ohne die Absicht, die Dienste der Genossenschaft
zu beanspruchen. Man habe es zu tun mit einer gemeinnützigen
Selbsthilfeinstitution.
Aus den Erwägungen:
1. ­ Ob die Rekurrentin Anspruch auf Befreiung von der Stempelabgabe auf ihren
Anteilscheinen erheben kann, hängt, da die übrigen Voraussetzungen dafür
erfüllt wären, einzig davon ab, dass ihre Tätigkeit gemeinnützigen Zwecken
unter Ausschluss jeden Erwerbszweckes zu dienen bestimmt ist (Art. 17
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 17 Regel - 1 Abgabepflichtig ist der Effektenhändler.
1    Abgabepflichtig ist der Effektenhändler.
2    Er schuldet eine halbe Abgabe:
a  wenn er vermittelt: für jede Vertragspartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist;
b  wenn er Vertragspartei ist: für sich selbst und die Gegenpartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist.103
3    Der Effektenhändler gilt als Vermittler, wenn er
a  mit seinem Auftraggeber zu den Originalbedingungen des mit der Gegenpartei abgeschlossenen Geschäftes abrechnet;
b  lediglich Gelegenheit zum Geschäftsabschluss nachweist;
c  die Urkunden am Tage ihres Erwerbs weiterveräussert.
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, Abs. 2
und 3 StG).
Die schweizerischen Raiffeisenkassen, die zusammen mit ihrem Verbande und
unter dessen Führung die Rekurrentin errichtet haben, sind Spar- und
Darlehenskassen,

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die, auf dem Boden genossenschaftlicher Selbsthilfe, der Landwirtschaft und
dem Kleingewerbe Betriebs- und Anlagekredite vermitteln (§ 2 der
Normalstatuten der schweizerischen Raiffeisenkassen; KELLER: Raiffeisenkassen
in Handbuch der schweizerischen Volkswirtschaft II S. 284). Die Rekurrentin
dient nach ihrem Zwecke (§ 2 ihrer Statuten) und nach ihren
Geschäftsbestimmungen (§ 21 ff. der Statuten) der Förderung des von diesen
Kassen betriebenen Darlehensgeschäfts, speziell der durch Bürgschaft
sichergestellten Kreditgewährung, wie sie in Art. 34 lit. e der zitierten
Normalstatuten vorgesehen ist. Sie ist eine Hilfsunternehmung zur
Unterstützung und Durchführung der Aufgaben der Raiffeisenkassen und wird im
wesentlichen von diesen Kassen und ihrem Zentralverbande finanziert. Derartige
Hilfsunternehmungen eines Zweiges der Erwerbswirtschaft sind keine
gemeinnützigen Unternehmungen, sie sind es ebensowenig wie die Unternehmungen
der Mitglieder der Wirtschaftsgruppe selbst, die sie im Rahmen ihres
Geschäftsbetriebes und für ihre Geschäftszwecke in Anspruch nehmen.
Darauf, ob der Darlehensgeber, die einzelne Kasse, zur Zeit des Beitrittes die
Dienste der Genossenschaft in Anspruch nehmen will, kommt es nicht an. Auch
wenn es nicht der Fall ist, beteiligt sie sich an der
Bürgschaftsgenossenschaft doch nur unter dem Gesichtspunkte der Förderung
einer allen angeschlossenen Kassen gemeinsamen Aufgabe, verfolgt also mit ihre
eigenen, nicht gemeinnützige Zwecke. Die Förderung einer allgemein in den
Interessen der Verbandsmitglieder liegenden Aufgabe ist auch der
Gesichtspunkt, unter dem allein der Verband sich der Sache annehmen und die
Kassen zum Anschluss einladen und ermuntern kann. Dass der Darlehensnehmer die
Mitgliedschaft aus eigennützigen Gründen erwirbt, bedarf keiner Begründung.
Es läge auch kein Widerspruch darin, wenn der Bund Steuerbefreiungen für
Bürgschaftsgenossenschaften nicht

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vorsehen, die Tätigkeit bestimmter Unternehmungen dieser Art aber aus
öffentlichen Mitteln unterstützen sollte (vgl. dazu GEERING: Gemeinnützigkeit
als Steuerbefreiungsgrund, in VSA VIII S. 303)....
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 I 48
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 11. April 1943
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 I 48
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Die Stammkapitalanteile einer Bürgschaftsgenossenschaft von Spar- und Darlehenskassen, die der...


Gesetzesregister
StG: 17
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 17 Regel - 1 Abgabepflichtig ist der Effektenhändler.
1    Abgabepflichtig ist der Effektenhändler.
2    Er schuldet eine halbe Abgabe:
a  wenn er vermittelt: für jede Vertragspartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist;
b  wenn er Vertragspartei ist: für sich selbst und die Gegenpartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist.103
3    Der Effektenhändler gilt als Vermittler, wenn er
a  mit seinem Auftraggeber zu den Originalbedingungen des mit der Gegenpartei abgeschlossenen Geschäftes abrechnet;
b  lediglich Gelegenheit zum Geschäftsabschluss nachweist;
c  die Urkunden am Tage ihres Erwerbs weiterveräussert.
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BGE Register
69-I-48
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
genossenschaft • stempelabgabe • unternehmung • abgabefreiheit • steuererlass • bruchteil • öffentlicher zweck • begründung des entscheids • konkursdividende • opfer • darlehen • mitgliedschaft • einladung • selbsthilfe • wille • einspracheentscheid • natürliche person • reservefonds