S. 94 / Nr. 22 Strafgesetzbuch (d)

BGE 71 IV 94

22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Mai 1945 i.S. Brüderlin
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.


Seite: 94
Regeste:
Art. 198 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 198 - 1 Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
1    Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
2    Die zuständige Behörde kann die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichten. Absolviert diese das angeordnete Lernprogramm, wird das Verfahren eingestellt.
3    Die zuständige Behörde entscheidet über die Kosten des Verfahrens und über allfällig geltend gemachte Forderungen der Zivilpartei.
StGB.
Kuppelei begeht nicht nur, wer ausserehelichem Beischlaf oder widernatürlicher
Unzucht, sondern auch, wer anderen die Grenzen des geschlechtlichen Anstandes
überschreitenden Handlungen aus Gewinnsucht Vorschub leistet.
Art. 198 al. 1 CP.
Se rend coupable de proxénétisme non seulement celui qui, dans un dessein de
lucre, favorise les relations sexuelles extraconjugales et la débauche contre
nature, mais aussi celui qui favorise d'autres actes qui dépassent les limites
de la bienséance en matière sexuelle.
Art. 198 cp. 1 CP.
Si rende colpevole di lenocinio ai sensi dell'art. 198 cp. 1 CP non solo chi,
per fine di lucro, favorisce i rapporti sessuali extraconiugali o la libidine
contro natura, ma altresì chi agevola altri atti che eccedono i limiti della
decenza sessuale.

Aus den Erwägungen:
Nach Art. 198
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 198 - 1 Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
1    Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
2    Die zuständige Behörde kann die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichten. Absolviert diese das angeordnete Lernprogramm, wird das Verfahren eingestellt.
3    Die zuständige Behörde entscheidet über die Kosten des Verfahrens und über allfällig geltend gemachte Forderungen der Zivilpartei.
StGB wird wegen Kuppelei bestraft, wer aus Gewinnsucht der
Unzucht Vorschub leistet. Der Vorentwurf von 1908, Art. 129, verstand unter
Kuppelei nur die gewinnsüchtige Ausbeutung gewerbsmässiger Unzucht, und die
Erläuterungen zu dieser Bestimmung sowie. das Protokoll der zweiten
Expertenkommission erwähnen die gewinnsüchtige Ausbeutung weiblicher und
homosexueller männlicher Prostitution (vgl. ZÜRCHER, Erläuterungen zum VE S.
234 ff.; Protokoll II. ExpK 214 ff.). Nichts aus der Entstehungsgeschichte des
Gesetzes lässt jedoch schliessen, dass man die Hingabe zur Befriedigung des
Geschlechtstriebes durch ausserehelichen Beischlaf oder Verkehr mit
Gleichgeschlechtigen als die einzigen Fälle der Unzucht verstanden habe. Diese
Einschränkung des Begriffs der Unzucht im Tatbestand der Kuppelei vertrüge
sich nicht mit dem Zwecke, den die Bestimmung verfolgt. Menschliche Schwächen
in geschlechtlichen Dingen sollen von Dritten nicht zur Befriedigung ihrer
Gewinnsucht benutzt werden. Ob der Verkuppelte den ausserehelichen

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Beischlaf ausübt, sich mit einem Gleichgeschlechtigen vereinigt oder eine
andere die Grenzen des geschlechtlichen Anstandes überschreitende Verbindung
eingeht, kommt auf das gleiche heraus; im einen wie im anderen Falle zieht der
Kuppler daraus zum Schaden der menschlichen Gesellschaft den Gewinn. Es würde
nicht verstanden, wenn gerade die Ausbeutung der abstossendsten Auswüchse des
Geschlechtstriebes, die das sittliche und soziale Wohl des Volkes ganz
besonders gefährden, straflos bliebe. Wollte das Gesetz mit Strafe nur
bedrohen, wer dem ausserehelichen Beischlaf oder der widernatürlichen Unzucht
Vorschub leistet, so würde es dies ausdrücklich sagen, sind ihm doch die
beiden Begriffe nicht fremd (vgl. z.B. Art. 187
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt,
1    Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt,
2    Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt.
3    Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266
4    Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
5    ...267
6    ...268
, 191 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
, 194
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 194 - 1 Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
1    Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
2    In schweren Fällen ist die Strafe Geldstrafe. Die Tat wird auf Antrag verfolgt.
3    Unterzieht sich die beschuldigte Person gemäss Anordnung der zuständigen Behörde einer ärztlichen Behandlung, so wird das Verfahren eingestellt.
StGB). Wo es
von Unzucht schlechthin spricht, meint es grundsätzlich alle Handlungen,
welche die Grenzen des geschlechtlichen Anstandes überschreiten (BGE 70 IV
209
). In den Randtiteln der Art. 190, 191, 192 und 193 fasst es den Beischlaf,
die beischlafsähnlichen und die «anderen» unzüchtigen Handlungen gerade unter
dem Gattungsbegriff «Unzucht» zusammen. In Art. 198 hat das Wort den gleichen
Sinn.
Sache des Richters ist es, in der Anwendung dieser Bestimmung auf den
einzelnen Fall Mass zu halten, wie der französische Text («débauche») sowie
das Empfinden des Volkes es verlangen. Nicht jede noch so leichte
Überschreitung des geschlechtlichen Anstandes, welcher ein Dritter aus
Gewinnsucht Vorschub leistet, genügt zum Tatbestand der Kuppelei. Namentlich
wenn der Täter aus dem unanständigen Verhalten nur indirekt Gewinn zieht, ist
Zurückhaltung am Platze, so z. B. wenn der Wirt zur Hebung des
Geschäftsumsatzes geringfügigen Zudringlichkeiten der Gäste gegenüber dem
Bedienungspersonal Vorschub leistet.
Die Handlungen des Fräulein J., das den Kunden des Beschwerdeführers das
Geschlechtsglied bis zum Samenerguss gerieben hat, sind eindeutig unzüchtig.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 71 IV 94
Date : 01. Januar 1945
Published : 17. Mai 1945
Source : Bundesgericht
Status : 71 IV 94
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 198 Abs. 1 StGB.Kuppelei begeht nicht nur, wer ausserehelichem Beischlaf oder widernatürlicher...


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StGB: 187  191  194  198
BGE-register
70-IV-209 • 71-IV-94
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