S. 16 / Nr. 4 Doppelbesteuerung (d)

BGE 71 I 16

4. Urteil vom 26. März 1945 i. S. X gegen Zürich und Waadt.

Regeste:
Ordnung des proportionalen, Schuldenabzugs, wenn ein Steuerpflichtiger der
Hoheit zweier Kantone untersteht, von denen der eine die allgemeine
Reineinkommenssteuer mit ergänzender Vermögenssteuer kennt, während der andere
mit der Vermögenssteuer auch den Vermögensertrag wirtschaftlich miterfasst und
der Einkommenssteuer nur andere Einkünfte unterwirft.
Défalcation proportionnelle des dettes, lorsque le contribuable ressortit aux
fiscs de deux cantons dont l'un a le système de l'imposition du revenu net
avec impôt complémentaire sur

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la fortune tandis que l'autre impose le revenu de la fortune avec la fortune
et ne soumet à l'impôt sur le revenu que d'autres ressources.
Diffalco proporzionale dei debita, allorquando il contribuente sia soggetto
alla sovranità fiscale di due cantoni, di cui l'uno conosca il sistema
dell'imposizione del reddito netto con imposta complementare sulla sostanza,
mentre l'altro assoggetta all'imposta sulla sostanza anche i proventi della
stessa, l'imposta sul reddito colpendo solo le altre entrate.

A. ­ Der Rekurrent besitzt Liegenschaften in den Kantonen Zürich und St.
Gallen. Vom November 1942 bis 27. Mai 1943 hatte er seinen Wohnsitz in
Lausanne.
B. ­ Im November 1943 wurde ihm die waadtländische Steuerrechnung für die Zeit
vom 1. Januar bis 15. Mai 1943 (4½ Monate) zugestellt. In dieser Rechnung wird
sein Gesamtvermögen mit Fr. 443,000.­, der dem Kanton Waadt hievon zur
Besteuerung zufallende Anteil mit Fr. 230,000. - und das Arbeitseinkommen mit
Fr. 5800. - angegeben.
Der Vermögenstaxation liegt, wie sich aus der Steuererklärung des Rekurrenten
ergibt, folgende Berechnung zu Grunde:
Wertschriften- und Mobiliarvermögen (51,8%)
Fr. 330,844.-
auswärtige Liegenschaften (48,2 %) » 307,000.-
Fr. 637,844.-
abzüglich Hypotheken auf diesen Liegenschaften
» 194,000.-
Gesamtreinvermögen Fr. 443,844.-
bezw. rund Fr. 443,000.-
Anteil des Kantons Waadt:
51,8% von Fr. 443,000.- = rund Fr. 230,000.-
C. ­ Am 6. Januar 1945 stellte die zürcherische Steuerkommission dem
Rekurrenten für die Zeit vom 1. Januar bis 27. Mai 1943 eine
Zwischeneinschätzung zu, lautend auf ein Einkommen von Fr. 29,500.­ und ein
Vermögen von Fr. 188,500.-.

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Diese Einschätzung beruht auf folgender Berechnung:
a) Vermögen:
Liegenschaftsvermögen im Kanton Zürich (45,1%)
Fr. 288000.-
Liegenschaftsvermögen im Kanton St.Gallen (3,1%).
» 19700.-
Wertschriftenvermögen (51,8%) » 330845.-
Fr. 638545.-
abzüglich Passiven » 220000.-
Gesamtvermögen Fr. 418545.-
Anteil des Kantons Zürich:
45,1% von Fr. 418,545 = rund Fr. 188500.-
b) Einkommen:
Netto-Einkommen aus den zürcherischen
Liegenschaften Fr. 36582.­
abzüglich 45,1% der auf Fr. 15512.50 sich
belaufenden Schuldenzinsen » 6,996.-
im Kanton Zürich steuerpflichtiges Einkommen
oder rund Fr. 29,500. - . Fr. 29.586.-
D. ­ Mit staatsrechtlichem Rekurs vom 2. Februar 1945 stellt der
Steuerpflichtige den Antrag:
Es seien der Kanton und die Gemeinde Zürich zu verpflichten, in der
Zwischentaxation für die Zeit vom 1. Januar bis 27. Mai 1943 bei der
Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens für Schuldenzinsen den Betrag von
Fr. 15,062.50, nicht nur den Betrag von Fr. 6996. -, in Abzug zu bringen.
Eventuell: Es seien der Kanton Waadt und die Gemeinde Lausanne zu
verpflichten, 51,8% der sich auf Fr. 15,512.50 belaufenden Schuldenzinsen,
also Fr. 8035.­, bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens
abzuziehen, so dass der bezahlte Betrag von Fr. 69.45 zurückzuerstatten sei.

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Ganz eventuell: Es seien die Schuldenzinsen bei der Besteuerung des Vermögens
im Kanton Waadt auf andere, dem Bundesgericht angemessen erscheinende Art zu
berücksichtigen.
Die Begründung lässt sich folgendermassen zusammenfassen: Da die
waadtländische Steuergesetzgebung den Vermögensertrag nicht separat besteuere,
sei es nicht möglich gewesen, im Kanton Waadt die Hypothekarzinsen bei der
Einkommensbesteuerung in Abzug zu bringen oder bei der Vermögenssteuer zu
berücksichtigen. Gleichwohl seien auch in Zürich die Schuldenzinsen der auf
dem dortigen Grundbesitz haftenden Hypotheken nicht vollständig, sondern nur
im Verhältnis der im Kanton Zürich gelegenen Aktiven zum Gesamtvermögen in
Abzug gebracht worden. Die bundesgerichtliche Praxis neige freilich in der
letzten Zeit dazu, dieses für die Vermögensbesteuerung angenommene Verhältnis
auch auf die Einkommensbesteuerung anzuwenden (BGE 66 I S. 42). Der Rekurrent
könne jedoch die Richtigkeit dieser Praxis nicht anerkennen. Er sei der
Ansicht, dass ihm das Recht zustehe, alle Schuldenzinsen, die er für die auf
den zürcherischen Liegenschaften haftenden Hypotheken zu bezahlen habe,
abzuziehen. Sein dahin gehender Hauptantrag rechtfertige sich sowohl deshalb,
weil der Kanton Waadt den Vermögensertrag nicht besonders besteuere, wie auch
deshalb, weil das allgemein anerkannte Recht der Besteuerung des ganzen
Grundstückertrages durch den Kanton der gelegenen Sache den Abzug der eng mit
diesem Ertrag verbundenen Zinsen für die auf den betreffenden Grundstücken
haftenden Lasten fordere, was keine unbillige Beschränkung des Rechts des
Grundstückkantons zur Ertragsbesteuerung mit sich bringe (BGE 63 I S. 72).
E. ­ Das Finanzdepartement des Kantons Waadt beantragt die Abweisung des
Rekurses, soweit sich dieser gegen den Kanton Waadt richte. Den entsprechenden
Antrag stellt der Regierungsrat des Kantons Zürich. ­
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen

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in Erwägung:
1. ­ Der Kanton Zürich steht auf dem Boden der allgemeinen
Reineinkommenssteuer mit ergänzender Vermögenssteuer, d. h. er unterwirft
grundsätzlich alle Einkünfte, unbekümmert um ihre Herkunft, also insbesondere
auch den Vermögensertrag, der Einkommenssteuer und sieht daneben eine
Vermögenssteuer lediglich noch vor, um das fundierte Einkommen durch
gleichzeitige Besteuerung seiner Quelle höher zu belasten und auch
ertragsloses Vermögen nicht vollständig steuerfrei zu lassen (§§ 8 ff. und §§
16 ff. des zürcherischen Steuergesetzes). Im Kanton Waadt wird hingegen mit
der Vermögenssteuer wirtschaftlich auch der Vermögensertrag erfasst und
daneben eine Einkommenssteuer nur erhoben von Einkünften, die mit dem Vermögen
in keiner direkten Verbindung stehen und daher von der Vermögenssteuer auch
wirtschaftlich nicht miterfasst werden, nämlich vom Arbeitseinkommen sowie von
den Pensionen und Renten, die aus einem frühern Dienstverhältnis oder aus
Haftpflicht herrühren (Art. 22 des waadtländischen Steuergesetzes; vgl. hiezu
BLUMENSTEIN, Schweiz. Steuerrecht, S. 185 /6).
Untersteht ein Steuerpflichtiger der Hoheit zweier Kantone, von denen der eine
die allgemeine Reineinkommenssteuer mit ergänzender Vermögenssteuer kennt,
während der andere mit der Vermögenssteuer auch den Vermögensertrag
wirtschaftlich miterfasst und der Einkommenssteuer nur andere Einkünfte
unterwirft, so erfolgt der von der bundesgerichtlichen
Doppelbesteuerungspraxis geforderte proportionale Schuldenabzug in der Weise,
dass der erste Kanton bei der Festsetzung der allgemeinen Einkommenssteuer die
Schuldenzinsen und bei der Festsetzung der ergänzenden Vermögenssteuer die
Schulden im Verhältnis der seiner Steuerhoheit unterstehenden Aktiven zu den
Gesamtaktiven in Abzug zu bringen hat, während der andere Kanton lediglich bei
der Berechnung der Vermögenssteuer den Schuldenabzug zu gewähren hat.

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Damit wird von diesem letztern Kanton der Abzug auch bezüglich des
Vermögensertrages gewährt, da dieser, wie ausgeführt wurde, von der
Vermögenssteuer miterfasst wird (nicht publizierte Entscheide des
Bundesgerichtes i. S. Häusermann vom 22. März 1934, S. 7 ff.; i. S. Begert vom
4. November 1938, S. 10). Der Rekurrent kann daher weder verlangen, dass ihm
der Kanton Zürich mehr als den proportionalen Schuldenzinsenabzug gestatte,
noch dass der Kanton Waadt ­ neben dem proportionalen Schuldenabzug bei der
Vermögenssteuer ­ auch noch einen Teil der Schuldenzinsen von dem der
Einkommenssteuer unterliegenden Arbeitseinkommen in Abzug bringe. Aus den
bundesgerichtlichen Entscheiden vom 30. April 1937 i. S. Ruf und vom 23.
Februar 1940 i. S. Koch (BGE 63 I S. 70 ff.; 66 I S. 41 ff.) lässt sich nichts
Gegenteiliges ableiten. In beiden Fällen war die Steuerausscheidung zwischen
zwei Kantonen streitig, die beide auf dem Boden der allgemeinen
Reineinkommenssteuer standen. Daraus, dass in einem solchen Falle beide
Kantone den proportionalen Schuldenzinsenabzug zu gewähren haben, kann nicht
gefolgert werden, dass ein Kanton, der den Vermögensertrag mit der
Vermögenssteuer wirtschaftlich miterfasst und daher der Einkommenssteuer
lediglich die mit dem Vermögen in keinem Zusammenhang stehenden Einkünfte
unterwirft, von diesen Einkünften Schuldenzinsen in Abzug zu bringen hat, oder
gar, dass der andere ­ auf dem Boden der allgemeinen Reineinkommenssteuer
stehende ­ Kanton die Schuldenzinsen nicht nur proportional, d. h. im
Verhältnis der seiner Steuerhoheit unterworfenen Aktiven zu den Gesamtaktiven,
sondern vollständig zum Abzug zu bringen habe. Ob der für die
Steuerausscheidung zwischen mehreren Kantonen mit allgemeiner
Reineinkommenssteuer aufgestellte Grundsatz, dass die Passivzinsen, soweit sie
im ganzen die Vermögenserträgnisse übersteigen, auf die andern Einkünfte
(Arbeitseinkommen usw.) zu verlegen sind, auch auf Kantone, die den
Vermögensertrag mit der Vermögenssteuer wirtschaftlich

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erfassen und nur andere Einkünfte der Einkommenssteuer unterwerfen, in der
Weise analog anzuwenden ist, dass die Zinse der durch das Vermögen nicht
gedeckten Schulden auf den Erwerb (Arbeitseinkommen usw.) zu verlegen sind,
kann dahingestellt bleiben, da das Vermögen des Rekurrenten seine Schulden
weit übersteigt. Übrigens wäre diese Frage zu verneinen, da ein solcher
Schuldenzinsenabzug vom Arbeitseinkommen dem waadtländischen Steuersystem
widersprechen würde und daher auch nicht zulässig wäre, wenn der Rekurrent
ausschliesslich der waadtländischen Steuerhoheit unterstände (BGE 55 I S. 31).
Somit steht sowohl die zürcherische wie auch die waadtländische
Steuerveranlagung mit den bundesgerichtlichen Doppelbesteuerungsgrundsätzen im
Einklang. Es liegt keine Doppelbesteuerung vor.
2. ­ Zwischen der zürcherischen und der waadtländischen Steuerveranlagung
besteht insofern eine Differenz, als der Kanton Zürich die Passiven mit Fr.
220,000.­, der Kanton Waadt aber nur mit Fr. 194,000.­ in Abzug gebracht hat.
Doch erhebt der Rekurrent deswegen keine Einwendung. Er hätte sich übrigens
hierüber, da es sich hiebei nicht um die Steuerausscheidung zwischen den
beiden Kantonen, sondern um die Festsetzung des steuerpflichtigen
Gesamtvermögens handelt, nur wegen Willkür im Anschluss an die für ihn
ungünstigere waadtländische Veranlagung, und zwar erst nach Erschöpfung der
kantonalen Instanzen, beschweren können. Die waadtländische Festsetzung der
Gesamtpassiven entspricht zudem der Steuererklärung des Rekurrenten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 I 16
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 26. März 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 I 16
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Ordnung des proportionalen, Schuldenabzugs, wenn ein Steuerpflichtiger der Hoheit zweier Kantone...


BGE Register
55-I-26 • 63-I-69 • 66-I-37 • 71-I-16
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
waadt • bundesgericht • steuerhoheit • doppelbesteuerung • weiler • lausanne • gemeinde • berechnung • entscheid • bilanz • grundstück • bruchteil • begründung des entscheids • konkursdividende • einkommen • veranlagungsverfahren • veranlagungsverfügung • richtigkeit • regierungsrat • monat
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