S. 48 / Nr. 13 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 70 III 48

13. Entscheid vom 5. Juli 1944 i. S. Bratter.

Regeste:
Rechtsvorschlag. Art. 74 SchKG. Der Rechtsvorschlag ist bei dem Amte zu
erklären, das die Betreibung durchführt. Hat dieses jedoch den Zahlungsbefehl
durch ein anderes Betreibungsamt zustellen lassen, so kann der Rechtsvorschlag
auch bei diesem

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Amte statt unmittelbar bei jenem erklärt werden. (Änderung der
Rechtsprechung).
Opposition. Art. 74 LP. La déclaration d'opposition doit être faite à l'office
sous l'autorité duquel la poursuite est exécutée. S'il a fait notifier le
commandement de payer par un autre office, la déclaration peut être faite à ce
dernier aussi bien qu'au premier (Changement de jurisprudence).
Opposizione. Art. 74 LEF. La dichiarazione d'opposizione dev'essere fatta
all'ufficio che conduce l'esecuzione. S'esso ha fatto notificare il precetto
esecutivo da un altro ufficio, la dichiarazione può essere fatta anche a
quest'ultimo invece che direttamente a quello. (Cambiamento di
giurisprudenza.)

A. - In der vorliegenden beim Betreibungsamt Zürich 4 hängigen
Arrestbetreibung wurde der Zahlungsbefehl am 11. Februar 1944 dem im Kreis 2
wohnenden Schuldner requisitionsweise durch das Betreibungsamt Zürich 2
zugestellt. Er erhob bei diesem Amt am 21. Februar 1944 Rechtsvorschlag; doch
wurde ihm die Erklärung tags darauf zurückgesandt, «da wir für die
Entgegennahme des Rechtsvorschlages nicht die zuständige Amtsstelle sind»; der
Rechtsvorschlag hätte vielmehr bei dem die Betreibung durchführenden
Betreibungsamte Zürich 4 erklärt werden müssen.
B. - Auf Beschwerde des Schuldners erklärte die untere Aufsichtsbehörde den
Rechtsvorschlag als rechtzeitig erfolgt. Der Gläubiger rekurrierte an die
obere kantonale Instanz. Von dieser am 6. Juni 1944 abgewiesen, zieht er die
Sache an das Bundesgericht weiter.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Der Rechtsvorschlag ist «dem Betreibungsamte» zu erklären (Art. 74
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 74 - 1 Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
1    Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
2    Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben; unterlässt er dies, so gilt die ganze Forderung als bestritten.141
3    Die Erklärung des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
SchKG).
Damit ist gesagt: nicht jedem beliebigen, sondern demjenigen Betreibungsamte,
das mit der betreffenden Betreibung zu tun hat. In erster Linie fällt
dasjenige Amt in Betracht, bei dem die Betreibung hängig ist. Lässt dieses
aber den Zahlungsbefehl durch ein anderes Amt zustellen, so ist auch das
letztere mit einer Amtsverrichtung befasst, an die sich eben die

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allfällige Rechtsvorschlagserklärung zu knüpfen hat. Kein Zweifel ist, dass
auch in einem solchen Falle der Rechtsvorschlag schliesslich an das die
Betreibung durchführende Amt gehört. War doch das ersuchte Amt lediglich
beauftragt, den Zahlungsbefehl zuzustellen und das Gläubigerdoppel an das
ersuchende Amt zurückzuleiten. Diesem, nicht jenem liegt ob, das Vorliegen
eines gültigen Rechtsvorschlages, wie dann auch, wenn der Gläubiger
Fortsetzung der Betreibung verlangt, die allfällige Beseitigung des
Rechtsvorschlages festzustellen. Die Frage geht jedoch dahin, ob der
Rechtsvorschlag statt unmittelbar dem hauptsächlich mit der Betreibung
befassten auch dem andern Amte, das in dessen Auftrag den Zahlungsbefehl
zugestellt hat, eingereicht werden könne. Das wurde seinerzeit verneint, weil
damit der Rahmen der durch den Auftrag begrenzten Obliegenheiten des ersuchten
Amtes überschritten würde und auch Unzukömmlichkeiten in der Amtsbesorgung des
ersuchenden Amtes entstünden. Dieses wäre nämlich nach Ablauf der
Rechtsvorschlagsfrist jeweilen noch im Ungewissen, ob nicht allenfalls beim
ersuchten Amt ein Rechtsvorschlag eingereicht worden sei, und diese
Ungewissheit könnte andauern, da mit Verzögerungen in der Übermittlung des
Rechtsvorschlages wegen eines Versäumnisses oder eines Hindernisses zu rechnen
wäre. Nur anlässlich der Zustellung des Zahlungsbefehls sei unbedenklich die
Erklärung des Rechtsvorschlages an das diesen Akt der Betreibung vornehmende
Organ zuzulassen, gleichgültig ob dabei kraft Auftrages ein anderes als das
die Betreibung durchführende Amt handelt (BGE 32 I 735 = Sep.-Ausg. 9, 317).
Diese Entscheidung wurde als zu formell kritisiert (siehe die Bemerkungen von
Brand im Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs, Band 11, zu Nr. 17; ihm
zustimmend JAEGER, zu Art. 74 Note 7, auch in der entsprechenden Note des 1.
Ergänzungsbandes). Es ist in der Tat gerechtfertigt, davon abzugehen. Darin
kann zwar der Vorinstanz nicht Recht gegeben werden, dass sich

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die Zuständigkeit des ersuchten Amtes zur Entgegennahme eines
Rechtsvorschlages nicht im Sinne der erwähnten Entscheidung «aufteilen» lasse.
Es handelt sich nicht um die Aufteilung einer an sich gegebenen Zuständigkeit,
sondern um die Begrenzung der Obliegenheiten des eben nur mit einer bestimmten
Verrichtung beauftragten Amtes. Wenn seinerzeit gefunden wurde, dieses habe
sich mit nichts weiterem abzugeben, als was notwendig mit der Zustellung des
Zahlungsbefehles und der Rückleitung des Gläubigerdoppels an das ersuchende
Amt verbunden sei, also einen Rechtsvorschlag nur dann entgegenzunehmen, wenn
er anlässlich der Zustellung erklärt werde, so war das durchaus folgerichtig.
Allein mit jener Entscheidung wurde die in Erörterung stehende Frage zu sehr
aus dem Gesichtspunkt der reibungslosen Durchführung der Betreibung
betrachtet, und es wurde nicht auf den Schuldner Rücksicht genommen, der die
rechtlichen Zusammenhänge unter Umständen nicht zu erkennen, insbesondere sich
über Sinn und Tragweite des dem ersuchten Amte erteilten Auftrages nicht
Rechenschaft zu geben vermag. Ist also zwar die Einschaltung des ersuchten
Amtes zur Entgegennahme eines nicht bei der Zustellung des Zahlungsbefehles
abgegebenen Rechtsvorschlages eigentlich ein überflüssiger Umweg, so sprechen
nun doch überwiegende Gründe dafür, dem Schuldner entgegenzukommen. Das
Verfahren der requisitionsweisen Zustellung des Zahlungsbefehls lässt leicht
die Meinung aufkommen, das diese Verrichtung besorgende Amt, gewöhnlich
dasjenige des Wohnortes des Schuldners, habe auch zur Aufgabe, einen
Rechtsvorschlag in dieser Betreibung entgegenzunehmen. Dieser
Betrachtungsweise ist, wie die Erfahrung lehrt, nicht wirksam vorgebeugt durch
die Angaben des Zahlungsbefehls, der vom ersuchenden Amt ausgeht, von ihm
unterzeichnet ist und im Formulartext die Anweisung enthält, einen
Rechtsvorschlag beim «unterzeichneten Betreibungsamte» zu erklären. Das
unterzeichnende Amt ist in der Regel auch das bei

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der Zustellung handelnde; jedenfalls verlangt es die Billigkeit, den
Schuldner, der sich einfach an das handelnde Amt wendet und nicht weiter
denkt, wohin der Rechtsvorschlag schliesslich gelangen muss, zu schützen und
die Einreichung eines Rechtsvorschlages beim ersuchten Amt gleicherweise wie
beim ersuchenden als wirksam anzuerkennen. Diese weitherzige Auffassung ist
durch den Wortlaut von Art. 74
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 74 - 1 Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
1    Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
2    Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben; unterlässt er dies, so gilt die ganze Forderung als bestritten.141
3    Die Erklärung des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
SchKG nicht ausgeschlossen. Und angesichts der
Wirkung als Vollstreckungstitel, die dem rechtskräftigen Zahlungsbefehl nach
der eigenartigen Gestaltung des schweizerischen Betreibungsverfahrens zukommt,
ist bei der Beurteilung der Gültigkeit eines Rechtsvorschlages jede nicht
unbedingt gebotene formale Strenge zu vermeiden. Also mag das Amt, welches den
Zahlungsbefehl requisitionsweise zustellt, auch im weitern Verlaufe der Frist
als zur Wahl stehende Einreichungsstelle für den Rechtsvorschlag gelten, nicht
etwa wie ein Angestellter des Amtes nur als Bote des Schuldners, wobei dieser
die Gefahr einer nicht mehr binnen der Frist erfolgten Weitergabe an das Amt
selbst zu tragen hätte (BGE 55 III 24).
Wird aber diese Lösung einmal anerkannt, so kann dann nichts darauf ankommen,
aus welchem Grunde der Schuldner im einzelnen Falle den Rechtsvorschlag dem
ersuchten Amt eingereicht hat: ob aus der erwähnten Überlegung oder in der
irrtümlichen Annahme, er könne sich überhaupt immer an das Betreibungsamt
seines Wohnortes wenden, oder nur aus Bequemlichkeit. Wie es sich damit im
vorliegenden Falle verhält, ist somit ohne Belang.
Die mit dieser Erleichterung der Rechtsvorschlagserklärung verbundenen
Gefahren lassen sich durch sachentsprechendes Handeln bannen. Das ersuchte Amt
hat für unverzügliche Weiterleitung an das ersuchende besorgt zu sein. Und
dieses soll gegebenenfalls damit rechnen, dass erst am letzten Tage der Frist
ein Rechtsvorschlag an das ersuchte Amt zur Post gegeben werden mag. Es kann
sich darnach beim ersuchten Amt erkundigen oder noch einige Tage nach Ablauf
der Frist zuwarten, bevor

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es das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls ohne Rechtsvorschlagsvermerk oder
mit dem Vermerk «kein Rechtsvorschlag» an den Gläubiger weiterleitet.
Natürlich lässt sich die Mitteilung des Rechtsvorschlages an den Gläubiger
immer noch nachholen, wenn sie bei der Übermittlung des Zahlungsbefehlsdoppels
aus irgendeinem Grunde unterblieben war.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 III 48
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 04. Juli 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 III 48
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Rechtsvorschlag. Art. 74 SchKG. Der Rechtsvorschlag ist bei dem Amte zu erklären, das die...
Einordnung : Änderung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
SchKG: 74
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 74 - 1 Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
1    Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
2    Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben; unterlässt er dies, so gilt die ganze Forderung als bestritten.141
3    Die Erklärung des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
BGE Register
32-I-735 • 55-III-24 • 70-III-48
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
rechtsvorschlag • zahlungsbefehl • schuldner • betreibungsamt • frist • tag • obliegenheit • frage • not • schuldbetreibungs- und konkursrecht • schuldbetreibung • bewilligung oder genehmigung • auskunftspflicht • vorinstanz • zweifel • bundesgericht • untere aufsichtsbehörde • archiv • kreis • weiler
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