S. 24 / Nr. 7 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 55 III 24

7. Entscheid vom 20. März 1929 i. S. Lanz.


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Regeste:
Zuständig zur Entgegennahme eines Rechtsvorschlages sind auch die
Zustellungsorgane (Angestellte oder Beamte des Amtes, Weibel, Postbote),
jedoch nur, wenn der Rechtsvorschlag im Moment der Zustellung des
Zahlungsbefehles erhoben wird. Sch.K.G. Art. 74.
Les agents chargés de la notification (employés de l'office, huissiers,
facteurs postaux) ont qualité pour recevoir l'opposition au commandement de
payer, mais seulement lorsque l'opposition est formée au moment de la
notification (art. 74 LP).
Gli agenti incaricati della notifica del precetto (impiegati dell'Ufficio,
uscieri, fattorini postali), sono legittimati a ricevere la dichiarazione di
opposizione soltanto quando l'opposizione à fatta al momento stesso della
notifica. (Art. 74 LEF.)

A. - Der Beschwerdeführer wird von einem Albert Ritter für einen Betrag von
3100 Fr. 10 Cts. betrieben. Der Zahlungsbefehl Nr. 3073 des Betreibungsamtes
Aarwangen wurde ihm bezw. einem seiner Angehörigen am 15. Dezember 1928 durch
den Betreibungsgehülfen Iff zugestellt.
Am 11. Januar 1929 wurde ihm die Pfändung angekündigt. Hiegegen führte er
rechtzeitig Beschwerde mit der Begründung, er habe den Zahlungsbefehl, auf dem
er schriftlich den Rechtsvorschlag vermerkt habe, am 17. Dezember 1928 durch
seinen Lehrling dem Weibel Iff überbringen lassen, der ihn an das
Betreibungsamt weitergeleitet habe. Er legte auch eine diesbezügliche
Bescheinigung des Iff vor.
B. - Mit Entscheid vom 1. Februar 1929 hat die Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern die Beschwerde abgewiesen,
nachdem seitens des Betreibungsamtes erklärt worden war, dass ein
Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 3073 bei ihm nie eingegangen sei.
C. - Diesen ihm am 6. März 1929 zugestellten Entscheid zog der
Beschwerdeführer rechtzeitig an das Bundesgericht weiter mit dem Antrag, die
ergangene Pfändungsankündigung aufzuheben.

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Gemäss Art. 74
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 74 - 1 Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
1    Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
2    Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben; unterlässt er dies, so gilt die ganze Forderung als bestritten.141
3    Die Erklärung des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
SchKG ist der Rechtsvorschlag «dem Betreibungsamt»
gegenüber zu erklären. Diese Vorschrift will eine Garantie dafür schaffen,
dass der Rechtsvorschlag sofort im Betreibungsbuch eingetragen und damit jede
Diskussion darüber, ob und wann ein Rechtsvorschlag erfolgt sei,
ausgeschlossen werde. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn die Erklärung
entweder mündlich gegenüber dem Beamten im Amtslokal abgegeben oder ihm
schriftlich durch die Post zugestellt wird. Darüber hinaus hat die Praxis
(vgl. BGE 32 I S. 737 = Sep.-Ausg. 9 S. 319) auch die Zustellungsorgane
(Angestellte oder Beamte des Amtes, Weibel, Postbote) als zur Entgegennahme
des Rechtsvorschlages zu Handen des Amtes zuständig erklärt, sofern der
Schuldner denselben im Moment der Zustellung selbst erhebt; denn auch in
diesem letztern Fall ist für die sofortige Eintragung des Rechtsvorschlages
auf dem Amt dadurch gesorgt, dass das Zustellungsorgan das Gläubigerdoppel des
Zahlungsbefehls mit dem Vermerk über die Zustellung und einen allfälligen
Rechtsvorschlag unverzüglich an das Amt zurückzuleiten hat. Dementsprechend
ist auch der Text des Zahlungsbefehlformulars gefasst und lautet auch § 31
Ziff. 3 der bundesrätlichen Vollziehungsverordnung vom 8. Juni 1926 zum
Postgesetz vom 2. Oktober 1924.
2.- Nun will aber der Rekurrent auch einen Rechtsvorschlag, der beim
Zustellungsorgan nach bereits erfolgter Zustellung und ausserhalb des
Amtslokals abgegeben wird, als gegenüber dem Betreibungsamt im Sinne von Art.
74 erfolgt betrachten. Allein dem kann nicht zugestimmt werden. Nachdem die
Zustellung einmal erledigt ist, hat der Betreibungsgehülfe in dieser
Betreibung ohne einen ausdrücklichen Auftrag des Betreibungsbeamten nichts
mehr vorzukehren und kann er daher auch nicht mehr als Organ des Amtes
fungieren. Er ist deshalb auch

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nicht verpflichtet, derartige nachträgliche Erklärungen entgegenzunehmen und
an das Amt weiterzuleiten, sodass keinerlei Gewähr dafür besteht, dass er
diese Weiterleitung unverzüglich besorgt.
Die Vorinstanz hat daher mit Recht angenommen, dass im vorliegenden Fall der
Weibel Iff den Rechtsvorschlag des Rekurrenten lediglich aus freien Stücken
und als Bote des Rekurrenten entgegengenommen hat und dass der letztere daher
die Gefahr dafür trug, dass die Übermittlung nicht rechtzeitig erfolgt. Da
kein Beweis dafür vorliegt, dass der Rechtsvorschlag dem Betreibungsamt
wirklich zugekommen ist - der Vermerk des Iff auf dem bei den Akten liegenden
Couvert, demzufolge er den Rechtsvorschlag am 18. Dezember 1928 an das
Betreibungsamt Aarwangen versandt und hiefür 20 Cts. an Porto ausgelegt habe,
genügt nicht -, war das Betreibungsamt verpflichtet, dem Fortsetzungsbegehren
des Gläubigers zu entsprechen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer: Der Rekurs wird
abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 III 24
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 20. März 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 III 24
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Zuständig zur Entgegennahme eines Rechtsvorschlages sind auch die Zustellungsorgane (Angestellte...


Gesetzesregister
SchKG: 74
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 74 - 1 Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
1    Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
2    Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben; unterlässt er dies, so gilt die ganze Forderung als bestritten.141
3    Die Erklärung des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
BGE Register
32-I-735 • 55-III-24
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
rechtsvorschlag • betreibungsamt • zahlungsbefehl • weibel • wille • begründung des entscheids • lehrling • mais • bundesgericht • vorinstanz • ausserhalb • betreibungsbeamter • schuldner • fortsetzungsbegehren • bescheinigung • schuldbetreibungs- und konkursrecht • die post