S. 264 / Nr. 54 Bundesrechtliche Agaben (d)

BGE 70 I 264

54. Urteil vom 6. Oktober 1344 i. S. London and Provincial Marine und General
Insurance Company Ltd. gegen Wehropfer Rekurskommission des Kantons Zürich.

Regeste:
1. Wehropfer: 1. Ausländische Versicherungsunternehmungen unterliegen für das
mit Generalagenturen betriebene Schweizergeschäft dem eidgenössischen
Wehropfer.
2. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Grossbritannien steht dieser Besteuerung
nicht entgegen.
3. Wehropferpflichtiges Vermögen solcher Unternehmungen.
II. Kosten des kantonalen Rekursverfahrens.
1. Sacrifice pour la défense nationale: 1. Pour leurs affaires suisses
conclues par des agences générales, les sociétés d'assurances étrangères sont
soumises au sacrifice pour la défense nationale.
2. Le traité conclu entre la Grande-Bretagne et la Suisse touchant la double
imposition ne s'oppose pas à cet assujettissement.
3. Calcul de la fortune sur laquelle ces entreprises doivent payer le
sacrifice pour la défense nationale.
II. Frais de la procédure cantonale de recours.
1. Sacrificio per la difesa nazionale: 1. Per i loro affari svizzeri conchiusi
dalle agenzie generali le società d'assicurazione

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straniere sono assoggettate al sacrificio per la difesa nazionale.
2. La convenzione conchiusa tra la Gran Bretagna e la Svizzera in materia di
doppia imposta non s'oppone a questa imposizione.
3. Calcolo della sostanza, sulla quale queste imprese debbono pagare il
sacrificio per la difesa nazionale.

II. Spese della, procedura cantonale di ricorso.
A. - Die London and Provincial Marine and General Insurance Company Ltd. mit
Sitz in London (im Folgenden London and Provincial) lässt ihren
Geschäftsbetrieb in der Schweiz durch die Versicherungsunternehmung J. Aebli &
Co. als Generalagentur ausüben. Nach der vorliegenden Vollmacht ist der
Generalvertreter zum selbständigen Abschluss der Versicherungsverträge im
Rahmen der von der Gesellschaft erlassenen allgemeinen und speziellen
Weisungen ermächtigt. Er macht von dieser Ermächtigung, jedenfalls seit
Eintritt der kriegsbedingten Erschwerung des Postverkehrs mit England,
regelmässig Gebrauch. Für die Erfüllung der der Gesellschaft aus der
Versicherungsaufsicht erwachsenden Pflichten und für den Verkehr mit den
Behörden ist ein besonderer Bevollmächtigter, Herr C. Sigrist in Zürich,
bestellt.
B. - Die London and Provincial ist im Hinblick auf ihren schweizerischen
Geschäftsbetrieb wehropferpflichtig erklärt worden. Als steuerbares Vermögen
wurde ein dem Verhältnis der schweizerischen Prämieneinnahme entsprechender
Teil des Gesamtvermögens in Anspruch genommen. Die London and Provincial hat
Steuerpflicht und Steuerberechnung bestritten, ist aber abgewiesen worden,
zuletzt durch Rekursentscheid der Wehropfer Rekurskommission des Kantons
Zürich vom 22. Dezember 1943.
C. - Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, den angefochtenen
Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass die London and Provincial der
Wehropferpflicht nicht unterliege; sämtliche Kosten seien dem Kanton Zürich
aufzuerlegen. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, nach der Praxis,
die das Bundesgericht auf dem Gebiete der interkantonalen

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Doppelbesteuerung ständig angewandt habe, seien Versicherungsagenturen nach
der Art der hier in Frage stehenden nicht als Betriebsstätten anzusehen. Eine
Unterscheidung zwischen Generalagenturen schweizerischer und ausländischer
Versicherungsagenturen kenne das Bundesgericht im Rahmen der interkantonalen
Doppelbesteuerung nicht. Auf die staatsrechtliche Praxis in internationalen
Doppelbestenerungsfällen könne es nicht ankommen, da die Überprüfung hier auf
den Rahmen von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV beschränkt sei. Zudem stehe der Besteuerung der
Beschwerdeführerin in der Schweiz Art. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens mit
Grossbritannien entgegen. Schliesslich dürfe die London and Provincial dem
Wehropfer auch deshalb nicht unterworfen werden, weil es ihr an in der Schweiz
gelegenem Vermögen mangle.-Die Kosten des Verfahrens seien dem Kanton
aufzuerlegen, weil die Beschwerdeführerin zufolge ungenügender Begründung des
Einspracheentscheides den Rekursweg habe beschreiten müssen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1.- Die Beschwerdeführerin unterliegt als ausländische Handelsgesellschaft dem
eidgenössischen Wehropfer, wenn sie innert der Zeit vom 30. April 1940 bis 31.
Dezember 1942 in der Schweiz eine Betriebsstätte unterhalten hat (Art. 4,
Ziff. 3 d WOB), wobei als Betriebsstätte eine ständige Geschäftseinrichtung
gilt, in welcher ein qualitativ oder quantitativ wesentlicher Teil der
Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird (Art. 7 WOB). Dass es sich dabei um
eine Geschäftseinrichtung handeln müsse, die rechtlich einen Bestandteil der
steuerpflichtigen Unternehmung bildet, ist nicht vorgeschrieben und lässt sich
auch nicht aus allgemeinen Gesichtspunkten herleiten. Die Steuerpflicht ist
gegeben, sobald für Geschäftszwecke eine Betriebsstätte unterhalten wird, d.
h. die nötigen Vorkehrungen getroffen werden, damit ein wesentlicher Teil der
geschäftlichen Tätigkeit der Unternehmung in der Schweiz

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unter Inanspruchnahme ständiger Geschäftseinrichtungen vollzogen werden kann
und vollzogen wird. Auch auf die rechtliche Stellung der mit der
geschäftlichen Tätigkeit beauftragten Personen kommt es nicht an.
Die Beschwerdeführerin betreibt in der Schweiz das
Transportversicherungsgeschäft in der bei diesem Geschäftszweige üblichen Form
der Generalagentur für die Anwerbung, den Abschluss und die Durchführung von
Versicherungsverträgen. Für den Verkehr mit den Behörden und die Erfüllung der
sich aus der Versicherungsaufsicht ergebenden Pflichten ist ein besonderer
Vertreter bestellt. Damit ist eine Geschäftseinrichtung geschaffen, die den
Erfordernissen des Art. 7 WOB jedenfalls darin entspricht, dass sie der
Ausübung eines qualitativ wesentlichen Teils der Tätigkeit des Unternehmens
dient. Ob das Schweizergeschäft auch als quantitativ wesentlich anzusprechen
wäre, kann dahingestellt bleiben. Daraus, dass auf dem Boden von Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
, Abs.
2 BV im Verhältnis von Kanton zu Kanton einem Kanton, in welchem sich nur
Agenturen schweizerischer Versicherungsgesellschaften und keine eigentlichen
Geschäftsniederlassungen befinden, ein Besteuerungsrecht nicht zugesprochen
wird (BGE 45 I S. 213) kann nichts abgeleitet werden. Innerhalb des Landes
wird die Besteuerung der schweizerischen Versicherungsgesellschaft am Orte der
Agentur nur abgelehnt, um eine allzugrosse Zersplitterung der Steuerhoheit in
räumlich beschränktem Gebiet zu vermelden (Urteil vom 17. September 1925 i. S.
«La Suisse n Versicherungsgesellschaft in Lausanne, S. 16; nicht publiziert).
Bei der Frage, ob ausländische Unternehmungen für ihr Schweizergeschäft
überhaupt in der Schweiz steuerpflichtig sind, fällt dieser Gesichtspunkt
ausser Betracht. Die kantonalen Behörden haben denn auch zutreffend
festgestellt, dass über die Steuerpflicht ausländischer
Versicherungsunternehmen für das durch Generalagenturen betriebene
Schweizergeschäft nie Zweifel bestanden haben. Aus Art. 7 WOB lässt sich
nichts anderes ableiten.

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Der Besteuerung steht auch das Doppelbesteuerungsabkommen mit Grossbritannien
nicht entgegen. Es sieht die Besteuerung der mit ständigen Agenturen
betriebenen Geschäftstätigkeit ausdrücklich vor und macht lediglich einen
Vorbehalt hinsichtlich der Stellung der Agenten. Indessen ist unbestritten,
dass die Generalagentur Aebli & Co. jedenfalls in der hier massgebenden Zeit
auch die Voraussetzungen jenes Vorbehaltes erfüllte. Ob sich die Rekurrentin
unter normalen, nicht kriegsbedingten Verhältnissen gegenüber einer
Veranlagung für ihren schweizerischen Geschäftsbetrieb auf das Abkommen
berufen könnte, braucht nicht erörtert zu werden.
2.- Nach Art. 18, lit. d WOB haben die ausländischen Handelsgesellschaften,
die in der Schweiz Betriebsstätten unterhalten, das Wehropfer von dem darin
angelegten Vermögen zu entrichten. Was unter diesem Vermögen zu verstehen ist,
bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften über das wehropferpflichtige
Vermögen. Demgemäss wird die Steuer erhoben für das in diesen Betriebsstätten
angelegte Reinvermögen (Art. 14, Abs. 1) (BGE 70 I S. 191). Das in der
Betriebsstätte angelegte Reinvermögen besteht aber nicht allein in den Werten,
die die Unternehmung bei der Betriebsstätte belässt, sondern in der Gesamtheit
der Mittel, mit denen sie die Betriebsstätte führt (BGE 66 I S. 274).
Hier bildet das Schweizergeschäft einen integrierenden Bestandteil des
Gesamtgeschäftes. Unter diesen Umständen entspricht es der Vorschrift des
Gesetzes, dass bei Festsetzung des wehropferpflichtigen Vermögens vom Vermögen
der Gesamtunternehmung ausgegangen und ein dem Umfang des Schweizergeschäftes
entsprechender Teil desselben dem Wehropfer unterworfen wird. Dieser Teil darf
unter allen Umständen als in der schweizerischen Betriebsstätte «angelegt»
angesehen werden. Die Prämieneinnahme erscheint als angemessener Masstab für
die Bestimmung des der schweizerischen Betriebsstätte zuzuschreibenden
Vermögens.

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3.- Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbegründet ist, sind die Kosten des
Verfahrens vor Bundesgericht von der Beschwerdeführerin zu tragen.
Der kantonale Kostenentscheid kann mit der Beschwerde in der Sache selbst an
das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 5, Abs. 3 VDG). Indessen besteht
kein Anlass, die Kosten des kantonalen Rekursverfahrens anders zu verlegen,
als es geschehen ist. Dass die Begründung des Einspracheentscheides summarisch
gehalten wurde, entspricht der Vorschrift des Gesetzes (Art. 69, Abs. 2 WOB).
Im übrigen erstreckte sie sich auf die wesentlichen Punkte. Sie enthielt einen
Hinweis auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit Grossbritannien und auf die
rechtlichen Grundlagen für die Wahl der Prämieneinnahme als Massstab für die
Bestimmung des in der Schweiz steuerbaren Betriebsvermögens .
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 I 264
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 06. Oktober 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 I 264
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : 1. Wehropfer: 1. Ausländische Versicherungsunternehmungen unterliegen für das mit Generalagenturen...


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BGE Register
45-I-207 • 66-I-265 • 70-I-188 • 70-I-264
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • doppelbesteuerungsabkommen • handelsgesellschaft • versicherungsaufsicht • frage • bestandteil • weiler • einspracheentscheid • unternehmung • weisung • entscheid • begründung des entscheids • kantonales rechtsmittel • kostenentscheid • zweifel • kantonale behörde • erwachsener • steuerhoheit • postverkehr • wert
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