S. 137 / Nr. 25 Familienrecht (d)

BGE 69 II 137

25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Juni 1943 i. S.
Steinemann gegen Franz.

Regeste:
Vaterschaftsklage. Erhebliche Zweifel nach Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB werden nicht
begründet durch Schwangerschaftsdauer von nur 244 Tagen, wenn das Kind nicht
ganz reif ist.
Recherche de paternité. Le fait que la grossesse présumée n'a duré que 244
jours ne permet pas d'élever des doutes sérieux selon l'art. 314, al. 2 CC
lorsque l'enfant n'est pas complètement développé.
Azione di paternità. Il fatto che la gravidanza ha durato soltanto 244 giorni
non è tale da far sorgere seri dubbi ai sensi dell'art. 314 op. 2 CC qualora
l'infante non sia completamente sviluppato.

1. ­ ....................................................
2. ­ Ausgehend von dem Beiwohnungsdatum vom 15. Mai 1941 ergibt sich eine
Schwangerschaftsdauer von 244 Tagen. Nach der ­ von der Vorinstanz zutreffend
zitierten ­ neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt es zur
Begründung erheblicher Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten, dass nach dem
Reifegrad des Neugebornen seine Zeugung an dem bestimmten Datum äusserst
unwahrscheinlich sei (BGE 68 II 279). Es kann dahingestellt bleiben, ob eine
Tragzeit von 244 Tagen bei einem vollkommen reif gebornen Kinde als äusserst
unwahrscheinlich zu betrachten wäre. In einem Falle, wo es sich um die
Beiwohnung mit einem Dritten handelte, wurde die sich ergebende
Schwangerschaftsdauer von ebenfalls 244 Tagen als für ein reifgebornes Kind
abnormal

Seite: 138
kurz bezeichnet und deshalb die Einrede des Mehrverkehrs verworfen (BGE 61 II
306
). Im vorliegenden Falle stellt jedoch die Vorinstanz gestützt auf das
Gutachten Dr. Böhi fest, dass es sich um ein nicht ganz reifes Kind (47 cm
Länge) handelte. Für ein ebenfalls um kurze Zeit (zwei Wochen?) zu früh
geborenes Kind (48 cm) bezeichnete kürzlich das Bundesgericht eine Tragzeit
von bloss 233 Tagen zwar als Seltenheit, jedoch als nicht derart abnorm, dass
mit dem ihr entsprechenden Zeugungsdatum nicht mehr zu rechnen wäre (BGE 68 II
341
). Umso mehr muss dies von einer Tragzeit von 244 Tagen gelten. Gestützt
auf das Gutachten Dr. Böhi nimmt die Vorinstanz für eine Konzeption des Kindes
Johanna Franz am festgestellten Beiwohnungstag, 15. Mai 1941 (bezw. nach dem
7. Mai) noch eine Wahrscheinlichkeit von 6 % an. Auf einer offenbar
irrtümlichen Interpretation des Gutachtens beruht es allerdings, wenn die
Vorinstanz diese Wahrscheinlichkeit für noch etwas grösser hält, weil Dr. Böhi
bei seiner Berechnung von einem normal ausgetragenen Kinde ausgehe. Dr. Böhi
berechnet seine Tabelle ausdrücklich für ein Mädchen von 47 cm Länge; und in
diesem Minus von 3 cm gegenüber der Normallänge (50 cm) bestand eben das
Merkmal der Unreife, weshalb ihre Berücksichtigung keine Erhöhung der
Wahrscheinlichkeit über den Tabellenwert (6 %) ergibt. Wohl aber ist dies, wie
die Vorinstanz zutreffend bemerkt, der Fall infolge der Möglichkeit, dass die
Zeugung einige Tage vor dem 15. Mai 1941 stattgefunden hat, welche Möglichkeit
die Vorinstanz angesichts der nur ungefähren Zeitangabe («Mitte Mai») bejaht.
Besteht aber eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 6 % für die Schwängerung
zu dem festgestellten Zeitpunkt, so kann diese nicht als «äusserst
unwahrscheinlich» bezeichnet werden. Individuelle Schwankungen, die sich wie
im vorliegenden Falle in der Grenze einer von der Wissenschaft als möglich
bezeichneten, ja nicht einmal sehr seltenen Schwangerschaftsdauer bewegen,
sind zur Rechtfertigung erheblicher Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten
nicht geeignet.

Seite: 139
Die Diagnose der Frau Dr. Lüthi vom 10. Juli 1941 über eine damals bestehende
Schwangerschaft der Klägerin am Anfang des 3. Monats fällt für das
Bundesgericht schon deshalb ausser Betracht, weil die Vorinstanz diese
Schätzung nach der Erfahrung nicht für zuverlässig hält, worüber nach Art. 81
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.

OG der kantonale Richter allein zu befinden hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 II 137
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 17. Juni 1943
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 II 137
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Vaterschaftsklage. Erhebliche Zweifel nach Art. 314 Abs. 2 ZGB werden nicht begründet durch...


Gesetzesregister
OG: 81
ZGB: 314
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
BGE Register
61-II-304 • 68-II-277 • 68-II-339 • 69-II-137
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
tag • vorinstanz • bundesgericht • zweifel • zahl • weiler • beklagter • zeugung • stichtag • voraussehbarkeit • dauer • monat • diagnose • schwangerschaft • vaterschaftsklage • serie