S. 183 / Nr. 51 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 68 III 183

51. Entscheid vom 19. Dezember 1942 i. S. Häuselmann.

Regeste:
Widerspruchsverfahren. Der Ansprecher einer beim Schuldner gepfändeten Sache
verwirkt die Anmeldung seines Anspruchs nur, wenn er sie arglistig verzögert
(Bestätigung der neuern Rechtsprechung). Ob er durch die Pfändungsurkunde oder
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andere Weise (sichere) Kenntnis von der Pfändung erhält ist gleichgültig.
Tierce opposition. Celui qui revendique un droit de propriété ou de gage sur
une chose saisie chez le débiteur n'est déchu de son droit de faire opposition
que si c'est malicieusement qu'il a tardé à annoncer sa prétention
(confirmation de la nouvelle jurisprudence). Peu importe qu'il ait eu
connaissance de la saisie par le procès-verbal de saisie ou autrement.
Procedura di rivendicazione. Chi rivendica un diritto di proprietà o di pegno
su una cosa pignorata presso il debitore perde il suo diritto di opposizione
soltanto se tarda dolosamente ad annunciarlo (conferma della nuova
giurisprudenza). E' irrilevante ch'egli abbia avuto certa conoscenza del
pignoramento mediante il verbale del pignoramento o in altro modo.

A. ­ Alfred Häuselmann betrieb die Wirtin Julie Strasser in Zürich für
rückständige Raten des Kaufpreises für eine Registrierkasse und einen
Radioapparat im Betrage von Fr. 1100.­. Er wurde mit Fr. Siegenthaler,
Gläubiger für zwei Forderungen von zusammen rund Fr. 190.­, zu einer Gruppe
vereinigt, für die unter zahlreichen andern Gegenständen die Registrierkasse
im Schätzungswert von Fr. 400.­ und der auf Fr. 50.­ geschätzte Radioapparat
gepfändet wurden. Die Pfändungsurkunde wurde am 28. Februar 1942 an die
Gläubiger versandt. Durch Zuschrift vom 21. April 1942 an das Betreibungsamt
meldete Häuselmann an der Registrierkasse und am Radioapparat einen
Eigentumsvorbehalt für seine Kaufpreisforderung an. Das Betreibungsamt gab
Siegenthaler den Anspruch bekannt und setzte ihm eine Frist von 10 Tagen zur
Bestreitung an.
Dieser führte Beschwerde gegen die Fristsetzung, indem er unentschuldbare
Verspätung der Anmeldung des Eigentumsvorbehalts geltend machte. In einer
andern Betreibung der gleichen Schuldnerin habe Häuselmann am 12. März 1942
vom Betreibungsamt die Pfändung des Anspruchs derselben gegenüber einer Witwe
Rickenbacher auf käufliche Übernahme der Registrierkasse und des
Radioapparates verlangt, worauf das Amt am 17. März 1942 eine Forderung der
Pfändungsschuldnerin an Witwe Rickenbacher von Fr. 1560.­ aus diesem Kauf
gepfändet

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habe. Häuselmann habe also damals auf den Eigentumsvorbehalt verzichtet, um
einen Verkauf der beiden Gegenstände durch die betriebene Schuldnerin zu
ermöglichen und die daraus entstehende Kaufpreisforderung für sich pfänden zu
lassen.
B. ­ Die obere Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich hiess am 17. November 1942
in Bestätigung des Entscheides der untern Instanz die Beschwerde gut.
C. ­ Hiegegen rekurrierte der Beschwerdegegner Häuselmann an das
Bundesgericht.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Ob der Rekurrent dadurch auf sein vorbehaltenes Eigentum verzichtet hat, dass
er die Pfändung der dem Vorbehalt unterworfenen Sache für seine eigene
Forderung zunächst hingenommen, ja sogar in einer gleichzeitig laufenden
andern Betreibung die Forderung aus dem Verkauf seines Eigentums seitens der
Schuldnerin an eine Drittperson zur Pfändung angegeben hat, ist eine
materiellrechtliche Frage, über die nur der Richter im Widerspruchsprozess
entscheiden kann (BGE 52 III 163).
Dagegen ist es Sache des Betreibungsamtes und der mit Beschwerde befassten
Aufsichtsbehörden, darüber zu befinden, ob Häuselmann das Recht verwirkt hat,
das als noch bestehend in Anspruch genommene Eigentum nötigenfalls im
Widerspruchsverfahren gerichtlich feststellen zu lassen mit der Folge, dass
der Gegenstand desselben aus der Betreibung ausscheide.
Die Vorinstanz will die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 67 III
65
), wonach der Ansprecher einer beim Schuldner gepfändeten Sache die
Anmeldung seines Anspruchs nur verwirkt, wenn er sie arglistig verzögert, d.h.
mit seiner Säumnis darauf ausgeht, das Betreibungsverfahren zu stören, für den
vorliegenden Fall nicht gelten lassen, wo der Ansprecher, zugleich
Pfändungsgläubiger für eine Forderung, die sich mit der durch den

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Eigentumsvorbehalt gesicherten decke, von der Pfändung durch eine Abschrift
der Pfändungsurkunde erfahren habe. Hier müsse er den Eigentumsanspruch
entsprechend der früheren bundesgerichtlichen Praxis binnen 10 Tagen seit
Kenntnis von der Pfändung anmelden.
Allein dies wäre eine willkürliche Ausnahme vom Grundsatz des BGE 67 III 65,
wovon abzugehen kein Anlass vorliegt. Ob der Drittansprecher durch die
Pfändungsurkunde oder auf andere Weise (sichere) Kenntnis von der Pfändung
erhält, ist gleichgültig. Vielmehr bleibt hier wie dort die einzige Frage, ob
er arglistig, in der Absicht der Verzögerung der Betreibung, gehandelt habe
und darum dulden müsse, dass sich der (andere) Gläubiger auf seine Kosten,
statt auf Kosten des Schuldners, bezahlt mache.
Der Rekurrent wusste um einen Kaufvertrag seiner Schuldnerin mit einer Witwe
Rickenbacher über die beiden in seinem Eigentum stehenden
Pfändungsgegenstände. Er liess nun (vorsorglich) in einer weitern Betreibung
gegen die Pfändungsschuldnerin deren Kaufpreisforderung pfänden, was ihm für
den Fall des Vollzugs des Kaufs besser als der Eigentumsvorbehalt diente, da
er auf diese Weise für seine eigene ganze Saldoforderung vollständige Deckung
erhoffen konnte. Für den Verkauf der Registrierkasse und des Radioapparates an
Witwe Richenbacher bildete die Pfändung der beiden Gegenstände für seine
Gruppe praktisch kein Hindernis, wären sie doch durch Zurückziehung seiner
Gruppenbetreibung frei geworden, da die beiden kleinen Betreibungen des andern
Gruppengläubigers durch die verbleibenden Pfändungsgegenstände volle Deckung
gefunden hätten. Um den Vorteil, zum vollen Kaufpreis zu kommen, ohne die
Kaufgegenstände von seiner Käuferin zurücknehmen zu müssen, nicht zu
verlieren, wartete er offenbar ab, wie sich das Kaufgeschäft zwischen seiner
Schuldnerin und Witwe Rickenbacher entwickeln werde; erst als es nicht perfekt
wurde, meldete er den Eigentumsvorbehalt an. Dieses unentschiedene Verhalten
ist nicht Arglist im Sinne der bundesgerichtlichen

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Praxis, sondern erlaubte Wahrnehmung seiner Interessen durch denjenigen, den
das Gesetz mit Absicht nicht dazu verhält, in der Wahrung seiner Rechte am
Pfändungsgegenstand mit für den (andern) pfändenden Gläubiger rücksichtsvoller
Beschleunigung vorzugehen. Häuselmann brauchte übrigens gar nicht zu erkennen,
dass durch sein Zuwarten sein Mitgläubiger geschädigt werden könnte; denn eine
Ergänzung der Pfändung zu dessen Gunsten nach Ausscheiden der Gegenstände des
Vorbehalts kam überhaupt nicht in Frage, da nach den Akten bereits alles
Pfändbare erfasst war.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und die Beschwerde des Gläubigers Siegenthaler
abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 68 III 183
Datum : 31. Dezember 1942
Publiziert : 19. Dezember 1942
Quelle : Bundesgericht
Status : 68 III 183
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Widerspruchsverfahren. Der Ansprecher einer beim Schuldner gepfändeten Sache verwirkt die Anmeldung...


BGE Register
52-III-161 • 67-III-65 • 68-III-183
Stichwortregister
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