S. 60 / Nr. 19 Rechtliche Schutzmassnahmen für die Hotelindustrie (d)

BGE 67 III 60

19. Entscheid vom 26. März 1941 i. S. Vassalli.


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Regeste:
Nachlass oder Stundung von Hotelpachtzinsen (Art. 55 ff. der Vo. vom 22.
Oktober 1940 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für die Hotel-
und die Stickereiindustrie) kann nur anbegehrt werden, solange das
Pachtverhältnis besteht, also nicht mehr nach unbenutztem Ablauf der vom
Verpächter gemäss Art. 293
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 293 - 1 Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Pachtzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Pachtverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Verpächter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
OR gesetzten Frist.
La remise ou le sursis au paiement de fermages hôtelière (art. 55 ss. de
l'ord. du 22 octobre 1940 instituant des mesures juridiques temporaires en
faveur de l'industrie de l'hôtellerie et de la broderie) ne peuvent être
requis qu'aussi longtemps que le contrat de bail demeure en vigueur, ils ne
peuvent plus l'être lorsque le fermier a laissé passer le délai fixé par le
bailleur conformément à l'art. 293 CO.
Il condono o la proroga del pagamento di fitti d'un albergo (art. 55 e seg.
dell'Ordinanza 22 ottobre 1940 che istituisce misure giuridiche temporanee a
favore dell'industria degli alberghi e di quella dei ricami) possono essere
domandati solamente finchè il contratto d'affitto è in vigore, non possono
adunque più essere domandati dopo che l'affittuario ha lasciato scadere
infruttuosamente il termine assegnatogli dal locatore giusta l'art. 293 CO.

Ubaldo Vassalli stellte am 17. Januar 1941 bei der kantonalen Nachlassbehörde
ein Gesuch um Stundung von Hotelpachtzinsen auf zwei Jahre im Sinne der Art.
55 ff. der Verordnung vom 22. Oktober 1940 über vorübergehende rechtliche
Schutzmassnahmen für die Hotel- und die Stickereiindustrie. Die
Nachlassbehörde trat am 28. Februar 1941 auf das Gesuch nicht ein, weil
Vassalli zufolge unbenutzten Ablaufs der ihm vom Vermieter oder Verpächter
gemäss Art. 265
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 265 - Der Vermieter und der Mieter können nicht im Voraus auf das Recht verzichten, Forderungen und Schulden aus dem Mietverhältnis zu verrechnen.
bezw. 293 OR gesetzten Frist bereits Ende November 1940
aufgehört habe, Hotelpächter zu sein, und daher zur Anrufung der erwähnten
Verordnung nicht mehr legitimiert erscheine. Mit dem vorliegenden Rekurs hält
Vassalli an der Zulässigkeit seines Gesuches fest. Er lässt nicht gelten, dass
das Vertragsverhältnis Ende November 1940 aufgehört habe, und folgert zudem
aus Art. 58 der Verordnung, dass der Pächter eines Hotels den Schutz der in
Frage stehenden Bestimmungen auch nach Auflösung des Pachtverhältnisses noch
in Anspruch nehmen könne.

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1. ­ Dass das Vertragsverhältnis, sei es Miete oder Pacht gewesen, Ende
November 1940 aufgelöst worden ist, steht ausser Zweifel. In Wirklichkeit
handelte es sich entgegen der vertraglichen Bezeichnung um eine Pacht, da mit
der Liegenschaft das Hotelmobiliar Gegenstand der vertraglichen Benutzung
bildete. Auf Mietverhältnisse wäre übrigens die Verordnung vom 22. Oktober
1940 ebenso wie der gleich benannte frühere Bundesbeschluss vom 21. Juni 1935
entsprechend anwendbar (BGE 60 III 130). Die vom Gläubiger gesetzte
Auflösungsfrist entsprach sowohl dem Art. 293
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 293 - 1 Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Pachtzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Pachtverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Verpächter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
OR wie auch den besondern
Bestimmungen des Vertrages. Dass sich der Gläubiger auf Art. 265 (Miete)
berief, verschlägt nichts, da er eben trotzdem die zutreffende längere Frist
gemäss Pachtrecht zur Anwendung brachte. Und wenn er gegen Ende September die
Androhung der Vertragsauflösung auf Ende November mit der Aufforderung zur
Zahlung bis Ende Oktober verband, so erstreckte sich diese letztere Frist
einfach von Gesetzes wegen (Art. 293 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 293 - 1 Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Pachtzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Pachtverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Verpächter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
OR) gleichfalls bis Ende November.
Der Rekurrent hätte somit die Vertragsauflösung durch Zahlung bis Ende
November 1940 vermeiden können, hat dies jedoch nicht getan.
2. ­ Zweck der für Hotelpächter vorgesehenen besondern Schutzmassnahmen der
neuen Verordnung ebenso wie der durch diese aufgehobenen Bestimmungen des
Bundesbeschlusses vom 21. Juni 1935 ist, dem notleidenden Pächter die
Fortführung der Pacht unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen. Das
kommt nicht mehr in Betracht, wenn einmal das Pachtverhältnis aufgelöst ist,
sei es zufolge dahingehender Parteivereinbarung, sei es zufolge Kündigung oder
auch unbenutzten Ablaufs einer im Sinne von Art. 293
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 293 - 1 Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Pachtzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Pachtverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Verpächter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
OR gesetzten Frist zu
nachträglicher Zahlung mit der Androhung der Vertragsauflösung. Für die
Anwendung des Bundesbeschlusses vom 21. Juni

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1935 hat das Bundesgericht dies bereits klargestellt und demgemäss
insbesondere ausgesprochen, dass eine Einstellung der Wirkungen der vom
Verpächter gesetzten Frist nur während deren Laufes bei der Nachlassbehörde
nachgesucht werden könne (BGE 64 III 206). Gleiches muss bei Anwendung der
geltenden Verordnung vom 22. Oktober 1940 anerkannt werden; denn wenn die
Pacht einmal aufgelöst ist, fehlt es an der zivilrechtlichen Grundlage eines
noch bestehenden Pachtverhältnisses, dessen Fortsetzung dem Pächter ermöglicht
werden könnte. Mit andern Worten: Es kann nicht mehr verhindert werden, dass
die Pacht aufhört, wenn sie bereits aufgehört hat. Der vom Rekurrenten
angerufene Art. 58 der neuen Verordnung gibt keine abweichende Lösung. Und er
kann es nicht; es müsste denn der Nachlassbehörde zugestanden werden, eine
bereits eingetretene Vertragsauflösung nachträglich ungeschehen zu machen, was
jedoch die Verordnung nirgends vorsieht und auch gar nicht vorsehen könnte,
ohne in nicht zu rechtfertigender Weise in zivilrechtliche Verhältnisse
einzugreifen. Damit stimmt überein, dass Art. 58 der Verordnung nicht vom Fall
einer bereits eingetretenen Vertragsauflösung, sondern wie die frühern
Bestimmungen (Art. 62 Abs. 4 des BB vom 21. Juni 1935) nur vom Fall einer
bereits angedrohten Vertragsauflösung spricht. Er räumt allerdings dem
Hotelpächter ferner eine Frist von 14 Tagen ein, binnen deren er in einem
allfälligen Ausweisungsverfahren die Einreichung eines Gesuches um Stundung
oder Nachlass des Pachtzinses an die Nachlassbehörde nachweisen kann. Das darf
aber nicht dem Wortlaut und zudem dem Zivilrecht zum Trotz dahin ausgelegt
werden, mit der Einreichung des Gesuchs an die Nachlassbehörde selbst dürfte
nach Eintritt der Vertragsauflösung noch 14 Tage zugewartet werden. Vielmehr
bleibt es, mangels einer Befugnis der Nachlassbehörde zur Schaffung eines nach
Zivilrecht nicht bestehenden gegenwärtigen Pachtverhältnisses, dabei, dass das
Gesuch an die Nachlassbehörde

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vor Eintritt der Vertragsauflösung gestellt werden muss. (Das Gesuch hat
alsdann vorläufig aufschiebende Wirkung. Die Nachlassbehörde kann ihre
Einstellungsverfügung auch nach Ablauf der Auflösungsfrist treffen, auf den
Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches zurück. Gleiche Wirkung hat nach Art.
31 Abs. 1 der Verordnung vom 17. Oktober 1939 und jetzt nach Art. 37 Abs. 1
der Verordnung vom 24. Januar 1941 das Gesuch eines beliebigen Mieters oder
Pächters an die zuständige Behörde um Erstreckung der ihm gesetzten
Auflösungsfrist. Das Gesuch muss spätestens zwei Tage vor Ablauf der Frist
gestellt werden, wodurch der Eintritt der Vertragsauflösung vorläufig
verhindert wird, unter Vorbehalt des Entscheides der Behörde). Warum der
Hotelpächter 14 Tage brauche, um einem Ausweisungsbegehren des Verpächters
eine Bescheinigung über die Einreichung eines Gesuchs an die Nachlassbehörde
entgegenzuhalten, mag dahingestellt bleiben. Die Verordnung lässt den Grund
dieser Bestimmung nicht erkennen, ja sie lässt im Ungewissen, wann die Frist
von 14 Tagen zu laufen beginne. Darüber mag der mit einem Ausweisungsbegehren
befasste Richter ins reine zu kommen suchen, da er es ist, der sich über die
Wahrung dieser Frist als Voraussetzung einer Sistierung zu vergewissern hat.
Für die Nachlassbehörde ist nach dem Gesagten massgebend, ob bei Einreichung
des Gesuches um Stundung oder Nachlass des Pachtzinses ein Pachtverhältnis
überhaupt noch bestand. Hier war dies nicht der Fall, so dass die Vorinstanz
mit Recht auf das Gesuch nicht eingetreten ist. Für das Ausweisungsverfahren
wird dies zur Folge haben, dass ein wirksam bei der Nachlassbehörde
angebrachtes Gesuch auch nicht mehr nachgewiesen werden kann, weder sogleich
noch binnen einer von irgendeinem Zeitpunkt an laufenden 14-tägigen Frist.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 67 III 60
Datum : 31. Dezember 1941
Publiziert : 25. März 1941
Quelle : Bundesgericht
Status : 67 III 60
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Nachlass oder Stundung von Hotelpachtzinsen (Art. 55 ff. der Vo. vom 22. Oktober 1940 über...


Gesetzesregister
OR: 265 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 265 - Der Vermieter und der Mieter können nicht im Voraus auf das Recht verzichten, Forderungen und Schulden aus dem Mietverhältnis zu verrechnen.
293
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 293 - 1 Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Pächter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter nur befreit, wenn er einen für den Verpächter zumutbaren neuen Pächter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Pachtzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Pachtverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Verpächter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
BGE Register
60-III-130 • 64-III-206 • 67-III-60
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
frist • pacht • tag • schutzmassnahme • verlängerung • bescheinigung • provisorisch • zahl • beendigung • einstellung der untersuchung • treffen • vorinstanz • bundesgericht • benutzung • zweifel • weiler • beginn • orden • aufschiebende wirkung • frage
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