S. 277 / Nr. 42 Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen (d)

BGE 67 I 277

42. Auszug aus dem Urteil vom 17. Juli 1941 i. S. Schweiz. Eidgenossenschaft
gegen Kanton Thurgau.


Seite: 277
Regeste:
1. Streitigkeiten zwischen dem Bunde und einem Kanton über vermögensrechtliche
Ansprüche aus dem öffentlichen Recht werden im direkten verwaltungsrechtlichen
Prozess nach Art. 17 ff. VDG beurteilt, auch in Fällen, in denen ausserdem die
Kompetenz des Bundesgerichts nach Art. 48 , Ziff. 1 OG gegeben wäre.
2. Die Vorschriften über die Teilung der Militärverwaltung zwischen Bund und
Kantonen (Art. 20
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
, Abs. 1, BV, MO und die einschlägigen Bestimmungen,
insbesondere auch diejenigen über die Rechte und Pflichten der Kantone) sind
zwingende Normen des öffentlichen Rechts. Die darin getroffene
Kompetenzausscheidung kann nicht durch Vereinbarungen zwischen dem Bund und
einem Kanton verschoben werden.
3. Es kann höchstens, aus Gründen administrativer Zweckmässigkeit, eine
Vertretung in der Durchführung der Aufgaben stattfinden, unter der
Voraussetzung, dass der gesetzlich verpflichtete Teil die Kosten ersetzt, die
dem Andern aus der Übernahme technischer Verrichtungen erwachsen, die nicht zu
dessen Aufgabenkreis gehören.
4. Verträge zwischen dem Bund und einem Kanton über die Teilung der
Militärverwaltung fallen dahin oder müssen der neuen Sachlage angepasst
werden, wenn sich die Verhältnisse in einer Weise ändern, dass die Vollziehung
des Vertrages nunmehr ganz oder teilweise gegen zwingende Vorschriften
verstossen würde oder schlechterdings nicht mehr durch das behördliche
Ermessen gedeckt wäre.
1. Les litiges entre la Confédération et un canton touchant des prétentions
pécuniaires de droit public sont déférés au juge par la voie du procès
administratif direct prévu aux art. 17 ss. JAD, même dans les cas où le
Tribunal fédéral serait aussi compétent de par l'art. 48 ch. 1 OJ.
2. Les dispositions qui répartissent les tâches de l'administration militaire
entre la Confédération et les cantons (art. 20 al. 1 CF, OM et les
dispositions applicables en la matière, notamment celles qui touchent aux
droits et aux devoirs des cantons) sont des règles impératives de droit
public. La Confédération et les cantons ne peuvent modifier
conventionnellement la répartition des pouvoirs qui en ressort.

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3. C'est tout au plus si, par des motifs tenant à l'économie administrative,
il peut y avoir une représentation pour l'exécution des tâches prescrites.
Encore faut-il que l'administration légalement compétente rembourse les frais
que cause à l'administration représentante l'exécution d'actes administratifs
étrangers à l'activité normale de cette dernière.
4. Les conventions conclues entre la Confédération et un canton sur la
répartition des tâches de l'administration militaire tombent en caducité ou
doivent être adaptées à la nouvelle situation lorsque les circonstances se
modifient de telle sorte que l'exécution des clauses conventionnelles
emporterait la violation de dispositions impératives ou ne serait plus en
aucune manière couverte par le pouvoir d'appréciation de l'autorité.
1. Le contestazioni tra la Confederazione e un Cantone relative a pretese
pecuniarie di diritto pubblico vanno promosse mediante il processo
amministrativo diretto ai sensi degli art. 17 e seg. GAD, anche nei casi in
cui il Tribunale federale fosse pure competente in virtù dell'art. 48 cifra 1
OGF.
2. Le disposizioni che ripartissono tra la Confederazione ed i Cantoni i
compiti dell'amministrazione militare (art. 20 cp. 1 CF, OM e le disposizioni
applicabili in materia, particolarmente quelle riguardanti i diritti e i
doveri dei Cantoni) sono regole imperative di diritto pubblico; la
Confederazione e i Cantoni non possono modificare per via convenzionale la
ripartizione delle competenze che ne risultano.
3. Tutt'al più, può aver luogo, per motivi d'opportunità amministrativa, una
rappresentanza per l'esecuzione dei compiti prescritti, a condizione però che
la parte legalmente tenuta rimborsi all'altra parte le spese che le derivano
dall'esecuzione di compiti tecnici che non entrano nella sua attività normale.
4. Le convenzioni concluse tra la Confederazione e un Cantone circa la
ripartizione dei compiti dell'amministrazione militare diventano caduche e
debbono essere riadattate alla nuova situazione di fatto, allorchè le
circostanze si modificano in modo tale che l'esecuzione delle clausole
convenzionali venga a violare in tutto o in parte disposizioni imperative o
non sia più coperta dal potere di apprezzamento dell'autorità.

A. - Nach Art. 158
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
MO beschafft der Bund die Korpsausrüstung aller, auch der
kantonalen Truppeneinheiten. Nach Art. 159 I MO verwalten und unterhalten aber
die Kantone die Korpsausrüstung ihrer Einheiten und Truppenkörper, während der
Bund das übrige Korpsmaterial verwaltet und unterhält. Desgleichen trägt der
Bund nach Art. 96 die Kosten der Wiederherstellung des kantonalen
Korpsmaterials nach eidgenössischen Diensten. Zur Verwaltung des
Korpsmaterials gehört die Aufbewahrung und Instandhaltung zwischen den
Diensten; hiezu müssen die für die Lagerung nötigen Räume zur Verfügung
stehen.

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B. - Der Kanton Thurgau war Eigentümer des Zeughausareals in Frauenfeld. Auf
diesem Land standen zwei Zeughäuser. Das eine war vom Bund gemietet für das
Artilleriekorpsmaterial. Im andern waren die Magazine für das Korpsmaterial
der kantonalen Einheiten.
Durch Kaufbrief vom 23. April 1912, eingetragen im Grundbuch des Kreises
Frauenfeld, trat der Kanton dem Bunde die Zeughausliegenschaft mit den beiden
Zeughäusern ab, wobei der Preis des Landes, 12515 m2, auf Fr. 6.- per m2 und
derjenige für die Gebäude auf Fr. 107567.-, total auf Fr. 182675.- bestimmt
war. Im gleichen Vertrag wurden ausserdem dem Bunde abgetreten ca. 2174 m2
Wiesland «in der Stelli» samt den darauf befindlichen zwei Munitionsmagazinen.
«Diese Abtretung geschieht gratis als Gegenleistung des Kantons Thurgau für
die vom Bunde gemäss Ziff. 3 der Vertragsbestimmungen übernommene Besorgung
der kantonalen Materialbestände.
Die Objekte werden gewertet zu Fr. 15579.-.»
Der Kaufbrief enthält «Fernere Bestimmungen», von denen die Ziffern 3 und 4
hier anzuführen sind:
«3. Mit dem Übergang des jetzigen kantonalen Zeughauses an den Bund übernimmt
die eidg. Kriegsmaterial-Verwaltung auf ihre Kosten die gesamte Verwaltung und
den Unterhalt des Korpsmaterials und der Munition der Kantonal-thurg.
Einheiten und Truppenkörper gemäss Art. 52 der Militärorganisation ohne
irgendwelche Entschädigung seitens des Kantons Thurgau und ohne
Beeinträchtigung des dem Kanton gemäss Gesetz zustehenden Verfügungsrechtes
für kantonale Bedürfnisse.»
«4. Der Bund erstellt auf seine Kosten alle notwendig werdenden Abänderungen,
Erweiterungen, Neueinrichtungen etc. die mit dem Unterhalt und der
kriegsgemässen Magazinierung des sämtlichen Korpsmaterials verbunden sind oder
in der Folge notwendig werden sollten, ohne dafür den Kanton Thurgau
finanziell in Anspruch zu nehmen.»
Durch BB vom 6. Oktober 1911 (GS 800) war der Bundesrat ermächtigt worden, das
fragliche Zeughausareal in Frauenfeld nebst den Munitionsmagazinen zu erwerben
und die Anlage nach den vorgelegten Plänen auszubauen. Der Vertragsentwurf mit
den Nebenbestimmungen lag den eidgenössischen Räten vor.

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Anlass zum Abschluss des Vertrages gab der Platzmangel, der auf dem
Waffenplatz Frauenfeld seit Jahren herrschte bezüglich der Unterbringung
sowohl des Schulmaterials, als auch der Kasernen- und weitern
Instruktionsbedürfnisse (Botschaft des Bundesrates vom 12. September 1910, BBl
IV 584, Botschaft des Regierungsrates Thurgau an den Grossen Rat vom 4.
November 1911). Der Erwerb der Zeughausliegenschaft ermöglichte dem Bund,
darauf für jene Bedürfnisse ein neues Zeughaus, zwischen den beiden bereits
bestehenden, und andere Einrichtungen zu erstellen. Zur Übernahme der Leistung
für das kantonale Korpsmaterial durch den Bund bemerkt die Botschaft des
Bundesrates:
«Nach Art. 96 der Militärorganisation erfolgt die Instandstellung des
Materials, das infolge eidgenössischen Dienstes beschädigt wird, zu Lasten des
Bundes. Es ist nun für die Verwaltung des letztern vorteilhafter, diese Arbeit
selbst zu besorgen, als sie gegen Entschädigung durch die kantonalen
Verwaltungen vornehmen zu lassen. Einmal wieder in stand gestellt, erfordert
das Material seit Einführung der jährlichen Wiederholungskurse von einem
Dienst zum andern nur noch wenig Arbeit, sodass die Unterhaltskosten während
der Magazinierung gering sind.»
Nach der kantonalen Botschaft, S. 2, hatten die Organe des Bundes die
unentgeltliche Übernahme der Verwaltung und des Unterhalts des kantonalen
Korpsmaterials vorgeschlagen. Die Botschaft sagt hiezu noch:
«Handelt es sich auch beim Unterhalt des Korpsmaterials nur um den sog.
Zwischenunterhalt, so entstanden dem Kanton unter diesem Titel jährlich
Unkosten von mehreren hundert Franken. Die Unterbringung des Korpsmaterials
selber erforderte grössere Räumlichkeiten.
Durch die Übernahme des Korpsmaterials durch den Bund hat der Kanton nur noch
für Zeughausräumlichkeiten für die persönliche Ausrüstung zu sorgen.»
Die Übernahme der erwähnten Leistung durch den Bund stiess in der Kommission
des Ständerates auf Bedenken, wobei die Kommission Rückweisung der Vorlage
beantragte behufs neuer Unterhandlungen mit dem Regierungsrat von Thurgau.
«Bei diesen Verhandlungen soll darauf hingewirkt werden, dass das zur
Aufbewahrung des kantonalen Korpsmaterials bestimmte

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Zeughaus nebst einem entsprechenden Areal von der käuflichen Übernahme durch
den Bund entweder ausgeschlossen wird, oder dass der Kanton Thurgau für die
Magazinierung des Korpsmaterials und für den ihm obliegenden Unterhalt eine
entsprechende Entschädigung leiste, wogegen auf die (käufliche) Übernahme der
beiden Munitionsmagazine zu verzichten wäre. Für den Fall, dass der Kanton
Thurgau das Zeughaus seines Korpsmaterials zu Eigentum behalten würde, müsste
die gegenseitige Benützung der Durchfahrt zugesichert werden. Dem Kanton
Thurgau kann es natürlich freigestellt werden, den Unterhalt seines
Korpsmaterials selbst zu besorgen.»
Der Regierungsrat lehnte solche Änderungen ab und kündigte den Mietvertrag
über das Artilleriezeughaus; hiebei bemerkte er u. a.:
«Die Unterbringung des Korpsmaterials im Infanterie-Zeughaus ist bis jetzt
nach übereinstimmendem Urteil sehr zweckmässig gewesen, und es wird dem Kanton
niemals einfallen, die Räume mietweise weiter benutzen zu wollen, welche er
seinerzeit mit grossen Kosten erstellte. Ohne vertragliche Abtretung der
Magazinierung und des Unterhalts des Korpsmaterials an den Bund würde der
Kanton riskieren, dass ihm seinerzeit dieser Mietvertrag vom Bunde gekündigt
werden könnte und dass er sich wieder vor der Notwendigkeit befände,
Räumlichkeiten für die Unterbringung des Korpsmaterials schaffen zu müssen»
(Botsch. des RR, S. 4)
Der vom Bund für die Gebäude bezahlte Kaufpreis entspricht nach der kantonalen
Botschaft den Selbstkosten des Kantons und auch ungefähr dem damaligen
Bauwert. Das Land hatte der Kanton seinerzeit zu Fr. 2.55 bis Fr. 4.50 den m2
erworben.
Im Jahre 1912 hatte der Kanton Thurgau an kantonalen Truppeneinheiten 4 Füs.
Bataillone, eine Schützenkompagnie und 2 Dragonerschwadronen.
Aus dem Erlös für die Zeughausliegenschaft erstellte der Kanton ein neues
kantonales Zeughaus für die persönliche Ausrüstung seiner Einheiten
(Rechenschaftsbericht des Regierungsrates des Kts. Thurgau an den Grossen Rat
über das Jahr 1913, S. 328).
Gemäss Ziff. 3 der «Ferneren Bestimmungen» des Kaufbriefes hatte nach dem
Übergang der Zeughausliegenschaft an den Bund dieser dem Kanton (in dem einen
Zeughaus) den nötigen Raum für die Magazinierung des Korpsmaterials der
kantonalen Einheiten zur Verfügung zu

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stellen und dieses zu unterhalten und zu verwalten und zwar alles
«unentgeltlich». Der eidgenössische Zeugwart und sein Personal besorgen den
Unterhalt des kantonalen Korpsmaterials unter der Aufsicht des kantonalen
Zeughausverwalters, der in dieser Beziehung eidgenössische Funktionen ausübt.
Die Verwaltung besorgt der kantonale Zeughausverwalter. Die Vergütung für
diese Verrichtungen desselben ist inbegriffen in der Entschädigung, die der
Bund laut Zeughausvertrag an den Kanton bezahlt. Durch Vertrag vom 20. Juli/4.
August 1917 wurde diese Entschädigung auf Fr. 3000.- bestimmt, welcher Betrag
1936 um 12 1/2 % gekürzt wurde.
Im Jahre 1938 drohte der Kanton mit der Kündigung des Vertrages in Anbetracht
der durch die neue Truppenordnung und insbesondere die Organisation des
Grenzschutzes bedeutend vermehrten Arbeit der kantonalen Zeughausverwaltung
für den Bund. Der Bund offerierte dann eine Entschädigung von Fr. 6000.-,
womit sich der Kanton «für einmal» zufrieden erklärte. Bei diesem Anlass waren
von Seite der Organe des Bundes Vorbehalte inbezug auf die Rechtsbeständigkeit
der Ziffern 3 und 4 des Kaufvertrages von 1912 gemacht worden.
Die Selbstkosten des Bundes für Unterbringung, Verwaltung und Unterhalt des
Korpsmaterials der sog. Grenztruppen werden in der Klage auf ungefähr Fr.
4300.- (1939) angegeben, welcher Ansatz nicht bestritten wurde.
C. - Gestützt auf ein Rechtsgutachten der Justizabteilung des eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartementes regte die Kriegsmaterialverwaltung im Auftrag
des eidgenössischen Militärdepartementes mit Schreiben vom 23. März 1939 beim
kantonalen Militärdepartement die «Anpassung des Vertrages (von 1912) an die
Verhältnisse des Grenzschutzes» an, nachdem hierüber schon mündliche
Verhandlungen stattgefunden hatten; es handelte sich um die Ziffern 3 und 4
der «Ferneren Bestimmungen» dieses Vertrages. Der Regierungsrat lehnte die
Schlussfolgerungen des Rechtsgutachtens ab und wünschte, dass

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die Angelegenheit vom Bundesgericht entschieden werde.
D. - Mit Klage vom 19. Juni 1940 hat die Schweizerische Eidgenossenschaft,
vertreten durch das Militärdepartement gegen den Kanton Thurgau folgende
Rechtsbegehren beim Bundesgericht gestellt:
«1. Die Ziffern 3 und 4 der «Fernern Bestimmungen» des Kaufbriefes vom 23.
April 1912, abgeschlossen zwischen der Schweiz. Eidgenossenschaft als Käuferin
und dem Kanton Thurgau als Verkäufer betreffend die kantonale Zeughausanlage
in Frauenfeld seien nichtig zu erklären.
2. Es sei festzustellen, dass der Kanton Thurgau die Kosten für Verwaltung,
Magazinierung und Unterhalt des Materials seiner kantonalen Grenztruppen zu
tragen hat.
3. Eventuell, falls das Rechtsbegehren 1 nicht gutgeheissen würde, sei
festzustellen, dass die «Fernern Bestimmungen» des Kaufbriefes vom 23. April
1912 auf die Kosten für Verwaltung Magazinierung und Unterhalt des Materials
der kantonalen Grenztruppen des Kantons Thurgau nicht anwendbar sind, - unter
Kostenfolge.»
Für die Zuständigkeit des Bundesgerichts wird verwiesen auf VDG Art. 17,
eventuell 18 d .
In der Klage wird anerkannt, dass der Bund im Kaufvertrag von 1912 die
Verpflichtung nach Ziffer 3 und 4 ohne zeitliche Beschränkung übernommen habe,
welche Verpflichtung aber in Widerspruch stehe zu Art. 159
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
MO. Seit 1912
hätten die Verhältnisse sich stark verändert, was die Vertragspartner nicht
vorausgesehen hätten und auch nicht hätten voraussehen können. Andernfalls
hätte der Bund diese Klauseln nicht zugelassen; es sei ohnehin schon schwer
verständlich, dass er sie unter den damaligen Verhältnissen eingegangen sei.
Es wird die clausula rebus sic stantibus angerufen, und es werden Ausführungen
gemacht über die bundesgerichtliche Praxis in der Frage. Allerdings seien die
Voraussetzungen hier nicht gegeben, die das Bundesgericht inbezug auf die
Klausel bei privatrechtlichen Verträgen aufgestellt habe (BGE 48 II 247, 59 II
377
ff.), dass nämlich die Leistungspflicht für den Schuldner den
wirtschaftlichen Ruin bedeuten würde und das Beharren auf dem Vertrage durch
den Gläubiger eine wucherische Ausbeutung der

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Zwangslage des Schuldners sei. Aber diese Kriterien könnten auf das Verhältnis
zwischen den Partnern Bund und Kanton nicht bezogen werden. Wohl aber könne
der Bund sich auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen; denn ein Recht
dürfe nicht weiter ausgeübt werden, als diese Grundsätze es gestatten und
schon der rechtsbegründende Parteiwille sei nach ihnen auszulegen (38 II
462
/3). Und wenn ein Vertrag für ausserordentliche, nicht voraussehbare
Verhältnisse eine Normierung nicht vorsehe, so weise er eine Lücke auf, die
nach dem vermutlichen Parteiwillen zu ergänzen sei (47 II 317/8). Bei
Voraussicht der Entwicklung der Dinge hätte der Bund jene Verpflichtung
niemals eingegangen, und der Kanton hätte sie auch nicht verlangen können. Der
Kanton möge aus demselben Grunde für die Verwaltung der eidgenössischen
Zeughäuser besser entschädigt werden, wozu der Bund ja auch grundsätzlich
bereit sei; aber die Verwaltungskosten für sein kantonales, in den Zeughäusern
des Bundes eingelagertes Material habe er selber zu tragen, da er diese Last
auch hätte, wenn dieses Material im kantonalen Zeughaus läge.
Als ehrliche Parteien müssten sich Bund und Kanton sagen, dass es nicht Inhalt
der «Fernern Bestimmungen» sei, die heutigen Verhältnisse zu ordnen. Eine
Neuordnung und zwar eine vollständige, am besten unter förmlicher Aufhebung
der «Fernern Bestimmungen», sei am Platz. In diesem Sinne werde auf die
clausula rebus sic stantibus abgestellt.
Neben der Klausel wird folgender Gesichtspunkt geltend gemacht:
Zweck der verschiedenen seit 1912 getroffenen Abkommen könne nur die
Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit von Kanton und Bund in Erfüllung der
ihnen durch die Militärgesetzgebung überbundenen Aufgaben sein. Der Inhalt
dieser Aufgaben werde durch die öffentlichrechtlichen Bestimmungen der
Militärgesetzgebung zwingend vorgeschrieben. Diese Vorschriften über die

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Lastenverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen könnten gar nicht
Gegenstand vertraglicher Vereinbarung sein. Was vereinbart werden könne, sei
lediglich die Bewertung der Leistungen eines jeden Teils, insoweit eine
Leistung aus praktischen Gründen von dem gesetzlich nicht dazu verpflichteten
Teil auf Rechnung des verpflichteten Teils erbracht werde. Grundlegend bleibe
der Gesichtspunkt der amtlichen Verwirklichung einer zwingenden Norm
(BURCKHARDT, Die Organisation der Rechtsgemeinschaft, 50; ferner: Der Vertrag
im Privatrecht und im öffentlichen Recht, in Festgabe der juristischen
Fakultät der Universität Bern für das Bundesgericht, S. 36 und 46). Die vom
Gesetz (der MO) zwingend festgelegten Verpflichtungen könnten nicht verschoben
werden. Wenn nach Art. 159
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
MO die Kantone die Korpsausrüstung der kantonalen
Einheiten und Truppenkörper zu unterhalten haben, so könne nicht der Bund
durch «Vertrag» diese Pflicht auf seine Kosten übernehmen. Wenn die
Magazinierung der Korpsausrüstung und Munition der kantonalen Truppenkörper
und Einheiten Sache der Kantone sei, so gehe es nicht an, dass diese Aufgabe
dem Bund überbunden werde, ohne dass ihm der Kanton vollwertigen Ersatz
leiste, also unter Respektierung der prinzipiellen Verpflichtung. Und wenn der
Kanton dem Bund sein Zeughaus verwalte, so habe auch der Kanton Anspruch auf
volle Entschädigung. Darauf komme es an, ob die von Bund und Kanton
getroffenen Anordnungen dem Gesetz, in unserem Falle den zwingenden Normen der
Militärgesetzgebung, entsprechen (BURCKHARDT, Vertrag 47; Organisation 61).
Ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den Ersatzleistungen des einen
Teils und den vom andern Teil besorgten Aufgaben des von Gesetzes wegen
verpflichteten Teils könne nicht rechtmässig sein. Auf alle Fälle sei das
heute bestehende Missverhältnis nicht rechtmässig. Daher müssten die
«Verträge» aufgehoben werden, soweit sie sich als rechtswidrig herausstellen,
m.a.W. infolge der veränderten Umstände zu einem Missverhältnis geführt hätten
und

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dadurch rechtswidrig geworden seien (BURCKHARDT, Vertrag 51/52; Organisation
48). Die «Fernern Bestimmungen» von 1912 seien daher zum mindesten heute als
rechtswidrig zu betrachten. Das seien die Ergebnisse des Gutachtens des
eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes.
Zu Rechtsbegehren 2:
Die von den Kantonen zu stellenden Grenztruppen seien kantonale Truppen nach
MO Art. 153 (Wortlaut gemäss BG vom 22. Dezember 1938, GS 55, 345). Für diese
Qualifikation sei allein massgebend, ob Einheiten vom Kanton gestellt werden
oder nicht. Art. 153 unterscheide in dieser Hinsicht auch nicht zwischen
Feldarmee und Grenztruppen. Dann könne aber kein Zweifel darüber bestehen,
dass die Kantone auch aufzukommen haben für die Magazinierung, den Unterhalt
und die Verwaltung des Korpsmaterials der kantonalen Grenztruppen, das heisst
die Kosten der Grenzschutzmagazine. Die Kantone hätten denn auch nicht
bestritten, dass sie die Mehrkosten der Verwaltung und des Unterhalts für das
Kriegsmaterial der kantonalen Truppen der Feldarmee zu tragen hätten, die
durch die Modernisierung ihrer Bewaffnung und Ausrüstung entstanden sind,
obschon heute eine Infanteriekompagnie bedeutend mehr Material besitze als
früher, das dementsprechend auch mehr Raum beanspruche. Dass bei der Auswahl
der Grenzmagazine taktische Rücksichten genommen werden mussten, ändere nichts
an der rechtlichen Lage. Die Kantone könnten sich auch nicht mehr beklagen,
sie hätten sowohl für die Grenzschutzmagazine als auch für die
Verwaltungskosten des Materials der Stammbataillone aufzukommen, nachdem der
Bund ihnen durch die Verfügung des eidgenössischen Militärdepartementes vom
11. Januar 1939 bereits entgegengekommen sei. Wenn die negotiorum gestio des
Bundes bei der Auswahl der Grenzschutzmagazine und die Abschlüsse von
Mietverträgen anstelle der Kantone vom Rechtsstandpunkte betrachtet nicht
immer geschickt gewesen sei, so

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bleibe zu bedenken, dass der Bund dabei wohl in den meisten Fällen einem Gebot
der Stunde gefolgt sei. Da nur kurzfristige Verträge abgeschlossen worden
seien, hätten es die Kantone inzwischen in der Hand gehabt, neue, ihnen besser
passende Verträge abzuschliessen. Für die grundsätzliche Frage der
Kostentragung sei irrelevant, wer tatsächlich zuerst für die Magazine gesorgt
habe. Aus diesen Erwägungen sei eindeutig der Schluss zu ziehen, dass die
Grenztruppen kantonale Truppen seien und dass die Kantone folglich auch die
Kosten für Verwaltung, Magazinierung und Unterhalt des Materials ihrer
kantonalen Grenztruppen zu tragen hätten.
E. - Der Kanton Thurgau, vertreten durch den Regierungsrat, hat die Abweisung
der Klage beantragt.
Die Ziffern 3 und 4 des Kaufvertrages von 1912 seien auf die Initiative der
Organe des Bundes vereinbart worden. Über deren Tragweite hätten sich diese
Organe volle Rechenschaft gegeben, wie aus den Bedenken der ständerätlichen
Kommission hervorgehe. Es handle sich dabei nicht um die blosse Gegenleistung
des Bundes für die unentgeltliche Abtretung der beiden Munitionsmagazine mit
Umgelände; vielmehr habe der Kanton zum Vertrag, wie dessen Vorgeschichte
zeige, überhaupt nur deswegen Hand geboten und in die Abtretung der kantonalen
Zeughäuser eingewilligt, weil in Verbindung damit der Bund die Verpflichtung
übernommen habe, das kantonale Korpsmaterial zu verwalten. Der Bund habe an
der getroffenen Lösung noch das grössere Interesse gehabt als der Kanton.
Unter diesem Gesamtaspekt seien die Ziffern 3 und 4 zu würdigen.
Der Vertrag enthalte keine Lücke, die nach den Grundsätzen der clausula rebus
sic stantibus auszufüllen wäre. Beim Abschluss seien sich beide Teile bewusst
gewesen, dass der Umfang des kantonalen Korpsmaterials sich nach oben und
unten verändern könnte; das ergebe sich klar aus Ziffer 4. Die sachkundigen
beidseitigen Organe hätten gewusst, dass das Korpsmaterial je nach dem Stande
der

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Militärtechnik starken Schwankungen unterworfen sei. Der Kanton habe den
Vertrag schon längst erfüllt. Die Klausel könne aber nur Anwendung finden auf
Vertragsverhältnisse, bei denen beide Teile noch Leistungen zu erbringen
hätten (50 II 488 4 , s. auch 485). Der Klausel stehe zudem das höhere Prinzip
pacta sunt servanda gegenüber.
Wären die Ziffern 3 und 4 nichtig, so wären sie es von Anfang an gewesen; eine
auf die Zukunft beschränkte Nichtigkeit, wie sie die Klage beanspruche, gebe
es nicht. Eine von Anfang an vorhandene Nichtigkeit der Ziffern 3 und 4 komme
ernstlich nicht in Betracht. Die Nichtigkeit müsste auch den ganzen Vertrag
umfassen, da feststehe, dass der Kanton ohne diese Bestimmungen ihn nicht
abgeschlossen hätte, welche Konsequenz die Klägerin selber nicht ziehe (62 II
45
).
Auch das klägerische Argument aus der zwingenden Natur des Art. 159
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
MO sei
nicht schlüssig. Die Kantone erscheinen zweifelsohne berechtigt, Verwaltung
und Unterhalt ihres Korpsmaterials durch eigene Organe oder durch vertraglich
gebundene Dritte vornehmen zu lassen. Es sei nicht einzusehen, wieso nicht der
Bund auch solch ein vertraglich gebundener Dritter sein könnte. Nach Art. 22
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 22 Versammlungsfreiheit - 1 Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
1    Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
2    Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben.

BV habe der Bund das Recht, die für militärische Zwecke bestimmten Gebäude der
Kantone gegen billige Entschädigung zur Benützung oder als Eigentum zu
übernehmen. Nach Art. 22 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 22 Versammlungsfreiheit - 1 Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
1    Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
2    Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben.
BV sollen die Normen für die daherige
Entschädigung durch die Bundesgesetzgebung geregelt werden. Der
Bundesgesetzgeber habe aber dieses Bundesgesetz nie erlassen, sondern es
vorgezogen, die Entschädigungen auf dem Vertragswege zu vereinbaren
(BURCKHARDT, Kommentar zur BV, 3. Aufl., 1931, S. 153). Der Bund habe also
hier, wo auch öffentlichrechtliche Momente mitspielen, vom Instrument des
Vertrages Gebrauch gemacht. Als unzulässig würde es wohl nur erscheinen, wenn
der Bund den Kanton durch Vertrag von einer gesetzlichen Pflicht entbinden
wollte. Es sei

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aber nicht dasselbe, wenn der Bund dem Kanton vertraglich und im Sinne einer
aus dem gesamten Vertrag heraus zu beurteilenden Gegenleistung die Erfüllung
einer kantonalen Verpflichtung abnehme. Gesetzlich bleibe zur Erbringung der
entsprechenden Leistung nach wie vor der Kanton verpflichtet, der aber
seinerseits diese Leistung vertraglich weitergeleitet habe. Auch die Klägerin
gehe davon aus, dass eine den Kantonen obliegende Aufgabe wieder dem Bunde
überbunden werden könne, dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die
Kantone vollwertigen Ersatz leisten. Dieser Ersatz sei aber hier von den
Parteien in denjenigen Verpflichtungen erblickt worden, die der Kanton im
Vertrage von 1912 zu erfüllen übernommen hatte und auch erfüllt habe.
Zu den Klagebegehren 2 und 3:
Die kantonalen Militärdirektoren der Grenzkantone hätten es wiederholt
abgelehnt, die Grenztruppen als kantonale Truppen behandeln zu lassen und für
sie die Leistungen aus Art. 159
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
MO zu erbringen. Im vorliegenden Falle sei
aber die Frage, ob die Grenztruppen des Kantons Thurgau kantonale oder
eidgenössische Truppen seien, wohl nicht zu entscheiden, da der Bund nach
Ziffer 3 und 4 des Vertrages für die Kosten des Unterhaltes, der Verwaltung
und Magazinierung ihres Korpsmaterials aufzukommen habe, auch wenn die
thurgauischen Grenztruppen kantonale Truppen sein sollten. Wo Verwaltung,
Magazinierung und Unterhalt der kantonalen Korpsausrüstungen vor sich zu gehen
hätten, bestimmten die Kantone. Hinsichtlich der Grenztruppen habe nun aber
der Bund verfügt, dass die Grenzschutzmagazine, in welchen die
Korpsausrüstungen der Grenztruppen aufbewahrt werden, in die Nähe der
Standorte der Grenztruppen, also gegen die Grenze hin, vorgeschoben werden
müssten. Der Bund habe auch entsprechend gehandelt, indem er solche
Grenzschutzmagazine an verschiedenen Orten gemietet habe. Dadurch sei ein
faktischer Zustand geschaffen worden, gegen den die Kantone nichts einzuwenden
hätten,

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sofern sie nicht mit den bezüglichen Kosten belastet werden. Durch die
Magazinierung des Korpsmaterials der Grenztruppen in besonderen Grenzmagazinen
sei das Zeughaus Frauenfeld einigermassen entlastet worden. Ziffer 3 und 4 der
«Fernern Bestimmungen» des Kaufvertrages vom 23. April 1912 sagten nun nicht,
dass der Bund das Korpsmaterial der kantonalen Truppen nur im Zeughaus
Frauenfeld zu verwalten und zu unterhalten habe, sondern die Bestimmung sei
allgemein gefasst. Wo immer auch das Korpsmaterial kantonaler Truppen zu
verwalten und zu unterhalten sei, habe der Bund diese Arbeiten auf sich
genommen.
F. - In der Replik hat die Klägerin an ihren Begehren festgehalten.
Es wird bestritten, dass der Wortlaut speziell der Ziffer 4 des Vertrages auf
die Initiative der Organe des Bundes zurückgehe. Übrigens sei es unwesentlich,
welche Partei die streitigen Klauseln vorgeschlagen habe. Auch der Kanton sei
an der durch den Vertrag geschaffenen Neuordnung der Verhältnisse sehr
interessiert gewesen, wie die Botschaft des Regierungsrates zum Vertrag
deutlich zeige.
Wenn auch schon seit vielen Jahren seitens der Kriegsmaterialverwaltung die
Abmachungen des Kaufbriefes als ungerecht empfunden worden seien, so habe doch
bis zur Schaffung der kantonalen Grenztruppen keine direkte Veranlassung
vorgelegen, deren Aufhebung zu verlangen.
Es wird daran festgehalten, dass die Verpflichtungen nach Ziffer 3 und 4
Gegenleistungen seien für die unentgeltliche Abtretung der Munitionsmagazine
mit Umgelände seitens des Kantons.
Die Durchschnittsvergütung von Fr. 400.- für Verwaltung und Unterhalt des in
einem Zeughausfach liegenden Korpsmaterials sei schon für die Verhältnisse vor
dem Weltkrieg niedrig gewesen (Berechnung nach dem frühern Mietzins des
Artilleriezeughauses).
Der Bund könne sich auf die clausula rebus sic stantibus

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berufen, weil er aus dem Vertrag fortlaufend Leistungen zu machen habe.
Es handle sich nicht darum, dass der Bund getroffene Abmachungen nicht halten
wolle, sondern dass diese Abmachungen ihrem ursprünglichen Sinne gemäss
angewendet werden. Es widerspreche jeder Vernunft und sei daher vollständig
ausgeschlossen, dass derartige Bestimmungen unterzeichnet worden wären, wenn
die Möglichkeit einer Erweiterung der kantonalen Truppen im heutigen Ausmass
(Grenzschutz) auch nur geahnt worden wäre. Bund und Kanton müssten sich sagen,
dass es nicht Inhalt der «Fernern Bestimmungen» von 1912 sein könne, die
heutigen Verhältnisse zu ordnen. Da der Beklagte sich nicht dieser Auffassung
anschliessen könne, sei nichts anderes übrig geblieben, als die Nichtigkeit zu
erwirken. Es bleibe selbstverständlich dem Richter vorbehalten, nicht eine
Nichtigkeit ex tunc auszusprechen, sondern die angefochtenen Bestimmungen von
dem ihm gerecht erscheinenden Zeitpunkt an als aufgehoben, d. h. als nicht
mehr anwendbar, zu erklären. Die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen sei
jedenfalls auf den Zeitpunkt auszusprechen, auf welchen das Weiterbestehen der
betreffenden Bestimmungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr
verantwortet werden kann, spätestens aber auf den 1. Januar 1939, auf welches
Datum der Zeughausvertrag vom 20. Juli/4. August 1917 gekündigt worden sei.
Die Behauptung des Beklagten, dass der Kanton den Kaufvertrag ohne die Ziffern
3 und 4 der «Fernern Bestimmungen» gar nicht abgeschlossen hätte, sei aus der
Luft gegriffen und werde bestritten. Die Nichtigkeit bleibe auf die beiden
Ziffern beschränkt. Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR könne auch nicht zur Anwendung gelangen, weil
es sich materiell gar nicht um einen privatrechtlichen Vertrag, sondern um
eine Abmachung des öffentlichen Rechts handle.
Gewiss könne der Kanton seine Leistungen nach MO Art. 159 dem Bunde
übertragen, aber nur gegen vollwertigen

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Kostenersatz, wie er hier bei weitem nicht vorliege. Der Ort der Aufbewahrung
des kantonalen Korpsmaterials richte sich nach den Korpssammelplätzen, die
nach taktischen Gesichtspunkten durch die Generalstabsabteilung bestimmt
würden. Es sei also unrichtig, dass die Kantone jenen Ort bestimmen könnten.
Das habe schon für die Feldarmee gegolten und gelte nun auch für die
Grenztruppen.
G. - In der Duplik hält der Beklagte fest an seinem Abweisungsantrag.
Die Klage, so wird bemerkt, beschränke sich nicht darauf, die durch die
Schaffung der Grenztruppen verursachten Mehrleistungen abzulehnen, sondern
wolle auch die künftigen Leistungen im bisherigen Umfange beseitigen. Der
Beklagte mache eventuell geltend, dass zum mindesten die bisherigen Leistungen
weiter zu erbringen seien.
Zu beachten sei auch, dass der Wert des vom Kanton abgetretenen Landes seit
1912 ganz erheblich gestiegen sei. Das sei bei der Gegenüberstellung der
beidseitigen Leistungen zu berücksichtigen, wobei der Vertrag als ein Ganzes
zu würdigen sei.
Dass alle Kantone, die Grenztruppen zu stellen haben, vor der Miete der
Magazine für das Korpsmaterial derselben begrüsst worden seien, sei in dieser
allgemeinen Form unrichtig. Aus dem Schreiben der eidgenössischen
Kriegsmaterialverwaltung an das thurgauische Militärdepartement vom 22. April
1937 gehe hervor, dass die eidgenössische Verwaltung selber der Meinung
gewesen sei, der Bund trete als Mieter auf, andernfalls hätte es ihr ja
gleichgültig sein können, ob der Kanton baue oder miete. Tatsächlich seien
denn auch sämtliche Mietverträge von der eidgenössischen
Kriegsmaterialverwaltung abgeschlossen worden.
H. - .....
I. - Die in der Klageschrift erwähnte Verfügung des eidgenössischen
Militärdepartementes vom 11. Januar 1939 hat folgenden Wortlaut:

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«Das Korpsmaterial der Stammbataillone wird als allgemeine Materialreserve
erklärt. Es bleibt gelagert wie bisher, steht in erster Linie nach wie vor zur
Verfügung der Stammbataillone, wird aber in die Verwaltung des Bundes
übernommen.»
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der vorliegende Rechtsstreit ist im Verfahren des direkten
verwaltungsrechtlichen Prozesses vom Bundesgericht zu beurteilen (VDG Art. 17,
20/1). Aus den nachfolgenden Ausführungen wird sich ergeben, dass die
Ansprüche, die der Bund gegen den Kanton Thurgau erhebt, dem öffentlichen
Recht, und zwar demjenigen des Bundes, angehören. Sie könnten zwar wohl auch
als zivilrechtliche betrachtet werden in dem weiten Sinn, den dieser Begriff
in Art. 48 OG hat, sodass die Kompetenz des Bundesgerichts auch nach Art. 481
gegeben wäre. Aber VDG Art. 17 geht als besondere Zuständigkeitsnorm der
allgemeinern des Art. 48 vor (BGE 66 I S. 305, Erw. 2).
2.- Ein Zeughaus ist eine öffentliche Sache. Es dient unmittelbar einer
öffentlichen Aufgabe, der Verwaltung des Heerwesens. Es gehört zum sog.
Verwaltungsvermögen des Staates (FLIEDER, Institutionen des Verwaltungsrechts,
8. Aufl., 351 ff.). Soweit nicht dieser Zweckbestimmung wegen das öffentliche
Recht zur Anwendung kommt, untersteht aber auch ein Zeughaus der
Privatrechtsordnung. Es ist im Eigentum des Gemeinwesens. Verträge, welche die
privatrechtliche Seite der Sache betreffen, sind solche des Privatrechts. Das
gilt im allgemeinen auch von dem Kaufvertrag zwischen dem Kanton Thurgau und
dem Bund über die Zeughausliegenschaft in Frauenfeld vom Jahre 1912, durch
dessen Eintragung im Grundbuch der Bund Eigentümer geworden ist.
Bei dieser Feststellung über die rechtliche Natur des Geschäftes ist aber doch
nicht zu übersehen, dass man es nicht mit einem Vertrage zu tun hat, der auf
privatwirtschaftlichen Zwecken und Motiven beruht. Massgebend für dessen
Abschluss und den Inhalt konnte nicht, wie bei

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Geschäften unter Privaten, das persönliche Belieben der Parteien sein. Für die
beidseitigen Organe waren die Vorbereitung und die Gestaltung des Vertrages
eine amtliche Tätigkeit, wobei sie an allfällig bestehende Vorschriften
gebunden waren und im übrigen nach pflichtgemässem administrativem Ermessen zu
handeln hatten. Das Ziel des Vertrages, die Verwaltung des Heerwesens, die
eine gemeinschaftliche Angelegenheit des Bundes und der Kantone ist, zu
fördern, musste wegleitend sein auch für dessen Modalitäten. Wenn der
Kaufvertrag auch ein solcher des Privatrechts ist, so wurden hier doch in
dieser Form Aufgaben der Verwaltung verfolgt.
3.- Nach den «Fernern Bestimmungen» des Vertrages übernimmt der Bund auf seine
Kosten dem Kanton gegenüber die gesamte Verwaltung und den Unterhalt des
Korpsmaterials und der Munition der kantonalen Einheiten und Truppenkörper
«ohne irgendwelche Entschädigung seitens des Kantons» (Ziff. 3) und wird er,
wiederum auf seine Kosten, alle Anlagen erstellen, die hiefür notwendig sind
oder es werden sollten (Ziff. 4). Hierin liegt eine Abmachung zwischen zwei
Körperschaften des öffentlichen Rechts, dem Bunde und einem Gliedstaat, die
unmittelbar die Erfüllung einer Obliegenheit der öffentlichen Verwaltung
betrifft. Das ist ohne Frage ein Gegenstand rein des öffentlichen Rechts. Es
wird dadurch ein publizistisches Rechtsverhältnis unter den Beteiligten direkt
begründet. Der Vertrag enthält in den Ziffern 3 und 4 ein Element des
öffentlichen Rechts, und er ist insofern ein gemischter Vertrag.
Freilich besteht auch noch ein besonderer innerer Zusammenhang der Ziffern 3
und 4 mit dem privatrechtlichen Teil des Vertrages: Die Abtretung der beiden
Munitionsmagazine mit Umgelände wird als Gegenleistung für die vom Bunde
übernommene Besorgung des kantonalen Korpsmaterials bezeichnet. Statt den im
Vertrag angegebenen Wert dieser Objekte, Fr. 15,579.- als Preis zu bezahlen,
hätte danach der Bund jene Leistung auf sich

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genommen. Die Vergütung des Kantons hiefür läge im Verzicht auf die genannte
Summe, und wenn man beachtet, dass es sich um eine fortlaufende Leistung ohne
zeitliche Grenzen handelt, so erschiene als jährliche Vergütung der Zins des
Betrages (zu 5 % jährlich Fr. 779.-, zu 4 % Fr. 623.-). Mindestens in diesem
Umfang ist die Leistung entgeltlich; unentgeltlich ist sie höchstens, soweit
die Selbstkosten des Bundes höher sind.
4.- Die Militärverwaltung ist zwischen Bund und Kantonen geteilt nach BV Art.
20 I und der MO. Die einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch diejenigen
über die Rechte und Pflichten der Kantone, sind zwingende Normen des
öffentlichen Rechts. Eine solche Kompetenzausscheidung kann nicht durch
Vereinbarungen zwischen dem Bund und einem Kanton verschoben werden. Eine
Befugnis der Behörden, nach ihrem Ermessen von der rechtlichen Ordnung
abzusehen, besteht hier nicht. Das wurde festgestellt, als einige Kantone
einen Teil ihrer militärischen Kompetenzen, wenigstens der «Ausübung nach»,
vertraglich an den Bund abtreten wollten (SALIS III Nr. 1236, LEO WEBER, ZbJV
25 45, FLIEDER, Bundesstaatsrecht 42, 607, SCHINDLER, Die Rechtsbeziehungen
zwischen Bund und Kantonen im Wehrwesen 145).
Das Gesagte trifft zu sowohl für die verfassungsmässige Zuständigkeitsordnung
im Wehrwesen, wie auch für die gesetzliche. Die letztere bindet die
beidseitigen Behörden nicht weniger als die erstere. Auch die obersten Organe
des Bundes, die eidgenössischen Räte, haben sich an die Bundesgesetze zu
halten und dürfen keiner Vereinbarung zustimmen, deren Inhalt gesetzwidrig
ist.
5.- Nach Art. 159
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
MO verwalten und unterhalten die Kantone die
Korpsausrüstungen der kantonalen Einheiten und Truppenkörper und zwar auf
eigene Kosten (abgesehen von der Wiederherstellung dieses Materials nach
eidgenössischen Diensten, die nach Art. 96 dem Bunde obliegt), während der
Bund das übrige Korpsmaterial verwaltet. Mit der genannten Bestimmung steht
ein Abkommen

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in Widerspruch, nach dem der Bund anstelle eines Kantons das kantonale
Korpsmaterial unentgeltlich verwaltet und unterhält.
Aus Gründen administrativer Zweckmässigkeit wird es angezeigt sein können,
dass kantonales Korpsmaterial durch Personal des Bundes besorgt wird oder
umgekehrt, wenn besondere Umstände vorliegen z. B. am Orte der Aufbewahrung
das eine Material im Verhältnis zum andern zu wenig umfangreich ist, um eine
getrennte Verwaltung zu rechtfertigen. Hier mag eine Vertretung nach der
technischen Seite stattfinden, wobei die ausführenden Organe des einen Teils
in einem gewissen Sinn auch zu solchen des andern werden. Aber mit der Ordnung
des MO steht eine solche Vertretung doch nur in Einklang unter der
Voraussetzung, dass der gesetzlich verpflichtete Teil die Kosten ersetzt, die
dem andern daraus erwachsen, dass er jene technischen Verrichtungen übernimmt.
Es bestehen in der Tat Zeughausverträge dieser Art zwischen dem Bund und
verschiedenen Kantonen (SCHINDLER, bereits zitierte Schrift, 127 ff., der
derartige Verträge als allgemein rechtswidrig betrachtet), und gerade in
Frauenfeld lässt ja der Bund sein Material durch den Kanton gegen
Entschädigung verwalten.
Bei derartigen Verträgen über gegenseitige Aushilfe in der Besorgung des
Korpsmaterials wird man es noch als angängig ansehen können, dass die
Entschädigung nicht nach dem jeweiligen genauen Betrag der Selbstkosten,
sondern in einer Pauschalsumme bestimmt wird, die diese Kosten
durchschnittlich ungefähr deckt, oder dass, wenn die beidseitigen Leistungen
sich im grossen und ganzen die Wage halten, die Vergütungen wettgeschlagen
werden (so ein Vertrag mit St. Gallen im BBl 1913 IV 285 f.).
6.- Hält man sich an den Wortlaut des Vertrages von 1912, so hätte der Bund in
Ziffern 3 und 4 die gesetzlich dem Kanton Thurgau obliegende Besorgung des
kantonalen Korpsmaterials übernommen, ohne dass der Kanton die Kosten auch nur
ungefähr vergüten würde. Diese

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Kosten beliefen sich jährlich auf Fr. 2400.- und die in der Überlassung der
Munitionsmagazine liegende Entschädigung deckt nur einen kleinen Teil davon.
Der Kanton Thurgau macht indessen geltend, seine Gegenleistung sei auch darin
zu finden, dass er die Zeughausliegenschaft überhaupt dem Bunde abgetreten
habe, was er nicht getan haben würde, wenn dieser ihm die fragliche Last nicht
abgenommen hätte.
Bei einem jährlichen Aufwand des Bundes für das kantonale Korpsmaterial von
ca. Fr. 2400.- sind ungefähr Fr. 1600.- nicht gedeckt durch die Abtretung der
Munitionsmagazine, was etwa dem Zins von einem Kapital von Fr. 40000.-
entsprechen mag. Hätte ohne die Ziffern 3 und 4 des Vertrages der Preis umso
viel höher angesetzt werden können? Nach dem was in Ziffer 2 über die
sachliche, administrative Seite des Kaufvertrages bemerkt wurde, handelt es
sich darum, ob nach richtigen Verwaltungsgrundsätzen ein solcher höherer Preis
zu verantworten, ob er für die beidseitigen Behörden noch Ausdruck
pflichtgemässen Ermessens gewesen wäre.
Der Kaufpreis (Fr. 182675.-), der bei den Gebäuden die Kosten deckt und beim
Land über dem Erwerbspreis, den der Kanton früher ausgelegt hat, steht, kann
nicht als unangemessen tief bezeichnet werden. Es darf indessen nicht
übersehen werden, dass Umstände vorlagen, die, wenn der Vertrag die Ziffern 3
und 4 nicht enthalten würde, einen höhern Preis gerechtfertigt hätten. Das
eine Zeughaus war vom Kanton als Magazin für das kantonale Korpsmaterial
erstellt worden, und dies war seine bestimmungsgemässe Verwendung. Die Widmung
für einen kantonalen Zweck stand der Abtretung an den Bund entgegen. Der
Kanton bedurfte des Zeughauses, um seiner Pflicht nach Art. 159 I MO
nachzukommen, die er nach der Abtretung nur noch erfüllen konnte, wenn der
Bund ihm das Gebäude, soweit notwendig, zur Verfügung stellte (der Bau eines
neuen kantonalen Zeughauses für jenen Zweck kam nicht in Frage und der Bund
wollte auch gar nicht die

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fraglichen Räume für eigene Bedürfnisse erwerben). Wenn schliesslich trotzdem
und entgegen den Bedenken der ständerätlichen Kommission auch das
Infanteriezeughaus an den Bund überging, so geschah es offenbar deshalb, weil
die Zeughausliegenschaft sich als eine Einheit darstellte, die nicht wohl dem
Eigentum nach unter Bund und Kanton aufgeteilt werden konnte. Für den Kanton
war aber der Verlust dieses Zeughauses eine sehr unbefriedigende Sache; seine
Stellung war erheblich verschlechtert, wenn er darauf angewiesen war, die für
seine Bedürfnisse unentbehrlichen Magazine nunmehr vom Bunde zu mieten. Es
leuchtet ein, dass unter solchen Umständen ein Gemeinwesen sich nur sehr
ungern eines Objektes entäussert, das es für seine Zwecke geschaffen hat und
das ihm hiefür nach wie vor notwendig ist. War andererseits die Übernahme der,
Gesamtliegenschaft, namentlich vom Standpunkt des Bundes aus, sehr erwünscht,
so ist es doch begreiflich und lässt sich vom administrativen Gesichtspunkt
aus sehr wohl begründen, der eine entschiedene Wahrung der finanziellen
Interessen der Kantone in angemessenen Grenzen bei Vereinbarungen mit dem
Bunde nicht ausschliesst, dass der Kanton für den Nachteil einen Ausgleich
beanspruchte und zwar in der Weise, dass, statt eines höhern Kaufpreises, der
Bund die Last aus Art. 159 I MO, welcher der Kanton nicht mehr mit eigenen
räumlichen Mitteln nachkommen konnte, diesem abnahm. Wenn die massgebenden
eidgenössischen Stellen dem zustimmten, dieser Ausweg vielleicht sogar von
seiten des Bundes vorgeschlagen wurde, so war es gewiss nicht, um dem Kanton
ein Geschenk zu machen. Die Erklärung kann nur darin gefunden werden, dass der
Gegenwert, soweit er nicht schon in der Überlassung der Munitionsmagazine lag,
in dem Vertrag im übrigen erblickt wurde, das heisst in dem Opfer, das der
Kanton durch die Abtretung der ganzen Liegenschaft, einschliesslich der
Infanteriekaserne, brachte und in den Vorteilen, die der Vertrag dem Bunde
bot, Momente die in ihrem Zusammenhang einen höhern Kaufpreis

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gerechtfertigt hätten, falls es zu einem Vertrag ohne die Ziffern 3 und 4
gekommen wäre. Deshalb kann man nicht sagen, jene Leistung des Bundes sei, von
den Munitionsmagazinen abgesehen, eine unentgeltliche. Es ist eine
Gegenleistung des Kantons vorhanden, von der angenommen werden darf, sie
entspreche ungefähr der Leistung. Wenn es in Ziffer 3 heisst: «Ohne
irgendwelche Entschädigung seitens des Kantons Thurgau», so will damit nur
klargestellt werden, dass der Kanton nicht noch eine weitere Vergütung in Form
einer jährlichen Entschädigung zu erbringen habe, wie sie in Zeughausverträgen
zwischen Bund und Kantonen vorgesehen zu sein pflegen.
Hat danach der Bund für seine Leistungen nach Ziffern 3 und 4 des Vertrages
ein einmaliges Äquivalent (neben den Munitionsmagazinen) erhalten, das einer
angemessenen jährlichen Entschädigung im grossen und ganzen gleichkommen
dürfte, so fehlt das Missverhältnis, das dazu führen würde, die Übernahme der
kantonalen Obliegenheit durch den Bund als mit Art. 159 I MO unvereinbar zu
erklären. Es wäre gewiss besser gewesen, wenn man, worauf die Anregung der
ständerätlichen Kommission wohl im Grunde ging, durch eine andere Regelung
auch den Schein eines solchen Widerspruchs vermieden hätte. Würdigt man aber
die Umstände zur Zeit des Abschlusses des Vertrages nach ihrer wirklichen
sachlichen Tragweite, so wird man, trotz der ungewohnten Form des vom Kanton
gegebenen Gegenwerts anerkennen müssen, dass die Ziffern 3 und 4 nicht etwa in
dem Sinn zu beanstanden sind, dass sie von Anfang an rechtswidrig und nichtig
gewesen wären. Insoweit erscheint das Klagebegehren 1 als nicht begründet.
7.- Die Klage behauptet aber, dass dann jedenfalls später ein Missverhältnis
zwischen Leistung des Bundes und Gegenleistung des Kantons eingetreten sei,
das die Parteien nicht hätten voraussehen können und nicht gewollt haben
würden. In dieser Hinsicht wird die clausula rebus sic stantibus angerufen.
Ein solches Missverhältnis

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kann indessen nur in Betracht kommen von der Schaffung der Grenztruppen im
Kanton Thurgau an, deren Korpsmaterial für Unterhalt und Verwaltung dem Bund
jährliche Kosten von ungefähr Fr. 4300.- (1939) verursacht. Vorher haben sich
seine Aufwendungen nicht wesentlich über das erhöht, womit beim
Vertragsabschluss gerechnet werden musste, zumal von den sachverständigen
Organen des Bundes.
Ob jene Kosten für Grenztruppen unter die Regel des Art. 159 I fallen würden,
ist unter den Parteien streitig. Hier sei vorweg genommen, dass es zu bejahen
ist (für diejenigen Grenztruppen, die sich aus Wehrmännern desselben Kantons
zusammensetzen; die gemischten Truppenkörper sind anerkanntermassen keine
kantonalen Einheiten). Für die von ihm gestellten Grenztruppen hätte also nach
der gesetzlichen Ordnung der Kanton Thurgau das Korpsmaterial zu unterhalten
und zu verwalten, wovon ihn der Bund entlastet haben würde, wenn der Vertrag
von 1912 für diesen Punkt massgebend ist. Nur hierauf kann die Berufung auf
die Klausel Bezug haben.
Stellt man ab auf den klaren Wortlaut der Ziffern 3 und 4 des Vertrages, so
kann kein Zweifel sein, dass diese Bestimmungen auch das Korpsmaterial der
Grenztruppen betreffen, soweit es kantonale Truppen sind. Der Bund hat ja
danach die gesamte Verwaltung und den Unterhalt des Korpsmaterials der
kantonalen Einheiten auf seine Kosten übernommen und sich verpflichtet,
gleichfalls auf seine Kosten, alle Erweiterungen und Neueinrichtungen zu
erstellen, die in der Folge hiezu notwendig sein sollten.
Die Voraussetzungen der Anwendung der Klausel auf privatrechtliche Verträge
treffen hier, wie auch in der Klage zugegeben wird, nicht zu. Es ist auf das
grundsätzliche, die frühere Praxis zusammenfassende und etwas berichtigende
Urteil BGE 59 II 374 ff. hinzuweisen, nach welchem Urteil die Störung des
Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung infolge der eingetretenen
Veränderung der Umstände dann als Auflösungs- oder Änderungsgrund

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gilt, wenn das Beharren des Gegners auf dem Vertrag, so wie er abgeschlossen
wurde, geradezu eine wucherische Ausbeutung des Missverhältnisses darstellt.
Es ist klar, dass nicht von wucherischer Ausbeutung des Bundes die Rede sein
kann, wenn der Kanton darauf besteht, dass auch die Besorgung des
Korpsmaterials der Grenztruppen nach dem Vertrag Sache des Bundes ist.
Bei publizistischen Abkommen, insbesondere solchen zwischen öffentlichen
Körperschaften, stellt sich aber die Frage, ob und wie weit sie trotz
veränderter Umstände in Kraft bleiben, anders als bei Verträgen des
bürgerlichen Rechts. Das hängt wiederum damit zusammen, dass die Behörden
rechtlich viel stärker gebunden sind als private Vertragsparteien nach
Zivilrecht. Sie haben sich ja beim Abschluss solcher Vereinbarungen an die
bestehenden Vorschriften des öffentlichen Rechts zu halten und sollen im
übrigen nach pflichtgemässem administrativem Ermessen handeln. Ändern sich die
Verhältnisse in einer Weise, dass die Vollziehung des Vertrages nunmehr ganz
oder teilweise gegen zwingende Vorschriften verstossen würde oder
schlechterdings nicht mehr durch das behördliche Ermessen gedeckt wäre, so
muss der Vertrag, soweit es der Fall ist, dahinfallen oder der neuen Sachlage
angepasst werden. Dies gilt namentlich für Verträge, welche die Verhältnisse
auf längere Zeit regeln; andernfalls würde sich ein Zustand rechtlicher
Beziehungen und wiederkehrender Leistungen ergeben, der vom Standpunkt des
öffentlichen Rechts aus nicht haltbar wäre.
Wenn der Vertrag der Parteien in seinen Ziffern 3 und 4, wie ausgeführt wurde,
noch in Einklang gebracht werden kann mit der Bestimmung von Art. 159 I MO, so
nur deshalb, weil angenommen werden darf, für die vom Bund übernommene
Leistung sei ein einigermassen hinlänglicher Entgelt des Kantons im Vertrag in
seiner Gesamtheit enthalten. Diese Überlegung trifft aber nur zu, was die
gewöhnlichen kantonalen Einheiten, nicht aber was die neuen Grenztruppen
anlangt. Durch die letztern sind die

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Aufwendungen des Bundes für Verwaltung und Unterhalt des Korpsmaterials in
einem Masse gewachsen, dass ein starkes Missverhältnis zu jener Gegenleistung
des Kantons eingetreten ist dergestalt, dass für die durch die Grenztruppen
bedingten Mehrkosten die Regelung des Vertrages aufgehört hat, mit Art. 159 I
MO übereinzustimmen und in diesem Umfang die Anwendung des Vertrages gegen
zwingendes Recht verstossen würde. Der Bund würde für die gesetzlich dem
Kanton obliegende Verwaltung und Instandhaltung des Korpsmaterials der
Grenztruppen aufzukommen haben, ohne vom Kanton die angemessene Vergütung zu
erhalten oder erhalten zu haben, die allein eine solche Verschiebung der
gesetzlichen Pflicht als statthaft erscheinen lässt. Das entscheidende Moment
ist hiebei der objektive Widerspruch des Vertrages zum Gesetz, der infolge der
neuen Sachlage sich herausgestellt hat, und nicht etwa die Vorstellung, welche
die beidseitigen Behörden über die finanzielle Bedeutung von Ziffer 3 und 4
des Vertrages gehabt haben. Darum ist hier auch unbehelflich der Hinwels des
Kantons auf die Verpflichtung des Bundes aus Ziffer 4, alle künftig für die
kriegsmässige Magazinierung des Korpsmaterials notwendig werdenden
Einrichtungen zu erstellen, sofern man hieraus folgern möchte, dass doch an
die Möglichkeit wichtiger Änderungen der Truppenordnung, wie die Aufstellung
der Grenztruppen eine ist, gedacht worden sei.
Ziffer 3 und 4 des Vertrages können aber doch nicht ganz allgemein als
rechtlich unwirksam erklärt werden in Hinsicht auf die durch die Besorgung des
Korpsmaterials der kantonalen Grenztruppen erwachsenden Kosten. Es ist ja
nicht der Charakter der Truppen als Grenztruppen, der diese Unverbindlichkeit
zur Folge hat, sondern das erwähnte quantitative Missverhältnis, das zwischen
Leistung und Gegenleistung eingetreten ist. Soweit trotz des Hinzukommens der
Grenztruppen ein solches Missverhältnis der vertraglichen Leistungen nicht
entsteht, ist auch keine Nichtigkeit des Vertrages vorhanden. Es muss

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daher berücksichtigt werden, dass im Zusammenhang mit der Schaffung der
Grenztruppen zufolge der Verfügung des eidgenössischen Militärdepartementes
vom 11. Januar 1939 für den Bund auf dem Boden des Vertrages eine Entlastung
in der Weise sich ergeben hat, dass das Korpsmaterial der kantonalen
Stammeinheiten aufgehört hat, kantonales Korpsmaterial zu sein. Die
Nichtigkeit der Ziffern 3 und 4 ist nur in dem Masse auszusprechen, in dem
Aufwendungen auf das kantonale Korpsmaterial, inbegriffen dasjenige der
Grenztruppen, die Kosten übersteigen würden, die der Bund hätte, wenn es keine
Grenztruppen gäbe, das heisst, wenn das Korpsmaterial der Stammeinheiten
kantonales Material verblieben wäre.
Nur in diesem Sinne sind die Klagebegehren 1 und 3 teilweise gutzuheissen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 67 I 277
Datum : 31. Dezember 1941
Publiziert : 17. Juli 1941
Quelle : Bundesgericht
Status : 67 I 277
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : 1. Streitigkeiten zwischen dem Bunde und einem Kanton über vermögensrechtliche Ansprüche aus dem...


Gesetzesregister
BV: 20 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
22
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 22 Versammlungsfreiheit - 1 Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
1    Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
2    Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben.
MO: 158  159
OG: 48
OR: 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
BGE Register
38-II-459 • 47-II-314 • 48-II-242 • 50-II-481 • 59-II-372 • 62-II-42 • 66-I-299 • 67-I-277
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
thurgau • gegenleistung • nichtigkeit • bundesgericht • frauenfeld • regierungsrat • obliegenheit • frage • ermessen • weiler • clausula rebus sic stantibus • kaufpreis • beklagter • eigentum • rechtsbegehren • munition • eidgenossenschaft • erwachsener • stelle • wert • vertragspartei • benutzung • änderung • vertragsabschluss • umfang • militärische anlage • zins • grundbuch • persönliche ausrüstung • mass • rechtsgutachten • zweifel • kriegsmaterial • schuldner • verwaltungskosten • treu und glauben • initiative • minderheit • entscheid • verhältnis zwischen • widerrechtlichkeit • ausgabe • zwingendes recht • richtigkeit • unkosten • ausmass der baute • vorteil • bataillon • weisung • richtlinie • abstimmungsbotschaft • staatsorganisation und verwaltung • bewilligung oder genehmigung • stichtag • kosten • unterhaltskosten • beendigung • wirksamkeit • gesetzmässigkeit • baute und anlage • grundstück • finanzielles interesse • angemessenheit • dauer • form und inhalt • begründung des entscheids • begünstigung • aufhebung • berechnung • personalbeurteilung • zimmer • angabe • lagerhalter • öffentlichrechtliche körperschaft • sachlicher geltungsbereich • zweck • gegenstand • planungsziel • geschäftsbericht • ausführung • widmung • bundesrat • klageschrift • funktion • angewiesener • kreis • duplik • opfer • amtliche tätigkeit • ex tunc • charakter • treffen • vermutung • bezogener • nachkomme • sorte • infanterie • wille • gemischter vertrag • norm • replik • privatwirtschaft • luft
... Nicht alle anzeigen
BBl
1913/IV/285