S. 85 / Nr. 22 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 66 III 85

22. Auszug aus dem Entscheid vom 13. November 1940 i. S. Dobler.

Regeste:
Lohnpfändung gegenüber einer Ehefrau (bei Gütertrennung): Der Pfändung
entzogen ist der von der Schuldnerin zu leistende Beitrag an die ehelichen
Lasten (Art. 192
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
und 246
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 246 - Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Teilung von Miteigentum und die Durchführung der Erbteilung sinngemäss.
ZGB), als was in der Regel die Deckung ihres eigenen
Notbedarfs gelten kann Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
SchKG.
Saisie de salaire au préjudice de la femme séparée de biens: Le montant à
concurrence duquel la débitrice est tenue de contribuer aux charges du mariage
(art. 192 et 246 CC) échappe à la saisie et l'on peut considérer) en règle
générale, comme constituant cette contribution le minimum nécessaire à la
femme pour subvenir à ses propres besoins. Art. 93 LP.
Pignoramento di salario a carico della moglie vivente sotto il regime della
separazione dei beni: L'importo, col quale la debitrice deve concorrere a
sopportare gli oneri del matrimonio (art. 192 e 246 CC), non soggiace al
pignoramento e, di regola, si può considerare come costituente tale contributo
il minimo necessario alla moglie per assicurare il suo proprio sostentamento.
Art. 93 LEF.


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A. ­ Die güterrechtlich getrennte Ehefrau des Handlangers Julius Dobler ist
für voreheliche Schulden betrieben. Das Betreibungsamt Bern hat von dem Lohn,
den sie als Falzerin in einer Buchdruckerei verdient, wöchentlich Fr. 20.-
gepfändet, und die von ihr angerufenen kantonalen Beschwerdeinstanzen haben
diese Pfändung bestätigt, die obere Instanz am 14. Oktober 1940 aus folgenden
Gründen: Pfändbar sei der Betrag, um den der Lohn der Schuldnerin zusammen mit
dem Lohn ihres Ehemannes den gemeinsamen Notbedarf beider Ehegatten
übersteige. Der Ehemann verdiene im Monat durchschnittlich Fr. 270.-, die
Schuldnerin selbst Fr. 192.-, beide zusammen also Fr. 462.-, während der
gemeinsame Notbedarf des kinderlosen Ehepaares Fr. 345.- betrage. Der
Überschuss von Fr. 117.- sei noch grösser als die gepfändeten Beträge von Fr.
20.- in der Woche.
B. ­ Diesen Entscheid zieht die Schuldnerin an das Bundesgericht mit dem
erneuten Antrag, die Lohnpfändung sei aufzuheben, eventuell, zumal wegen der
Unregelmässigkeit des Verdienstes, auf den Überschuss über einen bestimmten
Lohnbetrag zu beschränken.
Aus den Erwägungen:
Mit Unrecht stellen die Vorinstanzen das Lohneinkommen des Ehemannes der
Schuldnerin in ihre Berechnung ein, um ihn zu Leistungen an die Schuldnerin
heranzuziehen, und zwar unter blossem Vorbehalt seines Notbedarfs zu
Leistungen über den Notbedarf der Schuldnerin hinaus, einzig um den Überschuss
für deren Gläubiger pfändbar zu machen. Für diese Berechnungsweise bietet Art.
93 keine Grundlage, und sie lässt sich auch nicht auf die bei der Pfändung zu
beobachtenden zivilrechtlichen Ansprüche des einen Ehegatten an den andern
stützen. Die Pflicht des Ehemannes, für den Unterhalt von Weib

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und Kind in gebührender Weise Sorge zu tragen (Art. 160 II ZGB), hat mit den
vorehelichen Schulden der Ehefrau, wofür der Ehemann speziell bei
Gütertrennung nach Art. 243 II ZGB nicht haftet, nichts zu tun, und anderseits
ist die Beitragspflicht der Ehefrau nach Art. 192
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
und 246
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 246 - Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Teilung von Miteigentum und die Durchführung der Erbteilung sinngemäss.
ZGB nicht auf einen
Beitrag an die dem Notbedarf der Familie entsprechenden Minimallasten
beschränkt. Nach dem Entscheid der Vorinstanzen wäre der Ehemann gezwungen,
wegen der gegen die Ehefrau hängigen Betreibung, die ihn nichts angeht, sich
samt ihr mit dem Notbedarf zu begnügen, obschon er für sich allein mit seinem
Lohn über den Notbedarf leben und die Ehefrau ihren Notbedarf aus eigenen
Mitteln decken könnte. Das läuft auf eine ungerechtfertigte Begünstigung der
Gläubiger der Ehefrau auf Kosten des Ehemannes hinaus. Für den Fall einer
gegen den Ehemann gerichteten Betreibung hat das Bundesgericht bereits
ausgesprochen, dass die Ehefrau nicht mit höhern Beiträgen im Sinne von Art.
192
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
und gegebenenfalls Art. 246
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 246 - Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Teilung von Miteigentum und die Durchführung der Erbteilung sinngemäss.
ZGB belastet werden dürfe aus dem Grunde, dass
der Ehemann Schulden hat, also zu Gunsten von dessen Gläubigern (BGE 63 III
111
). Ebenso ist die Pfändbarkeit des doch den Eltern zufallenden
Arbeitserwerbes unmündiger und in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern
lebender Kinder (Art. 295
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1    Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1  für die Entbindungskosten;
2  für die Kosten des Unterhaltes während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt;
3  für andere infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung notwendig gewordene Auslagen unter Einschluss der ersten Ausstattung des Kindes.
2    Aus Billigkeit kann das Gericht teilweisen oder vollständigen Ersatz der entsprechenden Kosten zusprechen, wenn die Schwangerschaft vorzeitig beendigt wird.
3    Leistungen Dritter, auf welche die Mutter nach Gesetz oder Vertrag Anspruch hat, sind anzurechnen, soweit es die Umstände rechtfertigen.
ZGB) für die Gläubiger eines der Eltern verneint
worden, soweit dieser Arbeitsverdienst den Kindern und dem nicht betriebenen
Elternteil zur Bestreitung des in den betreffenden Kreisen üblichen
Lebensaufwandes, nicht etwa nur des minimalen, zu dienen hat (BGE 62 III 116).
Dementsprechend ist in dem vorliegenden Fall einer gegen die Ehefrau
gerichteten Betreibung der Anspruch des Ehemannes auf einen angemessenen
Beitrag der Ehefrau an die ehelichen Lasten zu wahren. Wenn die Ehefrau, die
sich nicht auf die Führung des Haushalts beschränkt, sondern mit Willen des
Mannes oder aus Notwendigkeit dem Verdienste nachgeht, bereit ist, als ihren
Beitrag an die ehelichen Lasten ihren Notbedarf selbst zu decken

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und den Ehemann nur den darüber hinausgehenden, dem Aufwand der Familie
entsprechenden Unterhalt tragen zu lassen, so haben ihre Gläubiger das
hinzunehmen; muss doch auch sonst der Gläubiger sich damit abfinden, dass
seinem vermögenslosen Schuldner vom Arbeitserwerb so viel verbleibt, als er
notwendig zum Leben braucht, und ist doch die Verpflichtung des Ehemannes zum
Unterhalt der Ehefrau ausschliesslich im Interesse der Ehefrau und der Familie
und keineswegs zum Vorteil der Gläubiger der Ehefrau aufgestellt. Übersteigt
aber der Lohn der Ehefrau ihren Notbedarf, und ist der Ehemann nicht auf
Leistungen aus diesem Überschuss angewiesen, so ist eine Lohnpfändung in
entsprechendem Betrage gerechtfertigt. ....
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 III 85
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 12. November 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 III 85
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Lohnpfändung gegenüber einer Ehefrau (bei Gütertrennung): Der Pfändung entzogen ist der von der...


Gesetzesregister
SchKG: 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
ZGB: 192 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
246 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 246 - Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Teilung von Miteigentum und die Durchführung der Erbteilung sinngemäss.
295
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1    Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1  für die Entbindungskosten;
2  für die Kosten des Unterhaltes während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt;
3  für andere infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung notwendig gewordene Auslagen unter Einschluss der ersten Ausstattung des Kindes.
2    Aus Billigkeit kann das Gericht teilweisen oder vollständigen Ersatz der entsprechenden Kosten zusprechen, wenn die Schwangerschaft vorzeitig beendigt wird.
3    Leistungen Dritter, auf welche die Mutter nach Gesetz oder Vertrag Anspruch hat, sind anzurechnen, soweit es die Umstände rechtfertigen.
BGE Register
62-III-116 • 63-III-105 • 66-III-85
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
lohn • ehegatte • familie • bundesgericht • vorinstanz • leben • kosten • eltern • schuldbetreibungs- und konkursrecht • wille • deckung • mann • biene • stelle • vorteil • betreibungsamt • kreis • monat • buchdruckerei • zufall
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