S. 249 / Nr. 51 Obligationenrecht (d)

BGE 66 II 249

51. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Dezember 1940 i. S.
Marti & Cie gegen Steiger.

Regeste:
Kollektivgesellschaft, Art. 567 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 567 - 1 Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
1    Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
2    Diese Wirkung tritt auch dann ein, wenn die Absicht, für die Gesellschaft zu handeln, aus den Umständen hervorgeht.
3    Die Gesellschaft haftet für den Schaden aus unerlaubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen begeht.
und 563
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 563 - Enthält das Handelsregister keine entgegenstehenden Eintragungen, so sind gutgläubige Dritte zu der Annahme berechtigt, es sei jeder einzelne Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt.
OR.
1. Für den Schaden aus unerlaubten Handlungen, die ein nicht
vertretungsberechtigter Gesellschafter beim oder durch den Abschluss von
Rechtsgeschäften im Namen der Gesellschaft begeht, haftet diese nicht (Erw.
2).
2. Sobald mit Wissen aller Gesellschafter oder aus Fahrlässigkeit derselben
ein Zustand geschaffen wird, der bei Dritten den Eindruck erwecken muss, dass
tatsächlich eine andere, für sie günstigere Vertretungsordnung gehandhabt wird
als die im Handelsregister eingetragene, so muss die Gesellschaft diese gegen
sich gelten lassen und es ist der gute Glauben der Gegenpartei zu vermuten.
Société en nom collectif, art. 567 al. 3 et 563 CO.
1. Lorsqu'un sociétaire sans droit de représentation accomplit des actes
juridiques au nom de la société, celle-ci ne répond pas du dommage que des
tiers peuvent souffrir par ces actes ou leurs effets.

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2. La société répond, en revanche, et la bonne foi des tiers se présume dans
la mesure où il s'établit, au su de tous les sociétaires ou par leur
négligence, un état de fait tel que les tiers puissent se croire au bénéfice
d'un système de représentation plus favorable que celui porté au registre du
commerce.
Società in nome collettivo, art. 567 cp. 3 e 563 CO.
1. Se un socio senza diritto di rappresentanza compie atti giuridici in nome
della società, questa non risponde del danno che terzi ne possono subire.
2. La società è invece responsabile e la buona fede dei terzi si presume tosto
che si crea, a saputa di tutti i soci o per loro negligenza, uno stato di
fatto tale che i terzi possano ritenersi al beneficio di un sistema di
rappresentanza loro più favorevole di quello risultante dal registro di
commercio.

Aus dem Tatbestand:
Schwegler, kollektivzeichnungsberechtigter Teilhaber der beklagten
Kollektivgesellschaft Marti & Cie, ersuchte den Kläger, dem gegenüber er sich
als einzelzeichnungsberechtigt ausgab, namens der Beklagten um Beschaffung von
Geld gegen Abtretung von Forderungen. Die beiden Abtretungserklärungen vom 29.
Oktober und 12. November 1938 über Fr. 4000.- und Fr. 3000.- sind namens der
Beklagten nur von Schwegler unterschrieben. Der Kläger bezahlte für diese
Abtretungen Fr. 6800.-; Fr. 200.- verrechnete er als «Abtretungsgebühr». Da
die Beklagte wie auch der Schuldner der abgetretenen Forderungen die
Anerkennung der Zessionen verweigerte, reichte der Kläger die vorliegende
Klage ein mit dem Begehren, die Beklagte habe die Rechtsgültigkeit der
Abtretungen anzuerkennen, eventuell habe sie die Fr. 7000.- selbst zu bezahlen
aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus Haftung für unerlaubte Handlung.
Das Obergericht des Kantons Luzern anerkannte, unter Ablehnung aller andern
Standpunkte des Klägers, dessen Schadenersatzanspruch grundsätzlich als
begründet.
Das Bundesgericht hat die Berufung der Beklagten gutgeheissen und die Sache
zur Ergänzung der Beweisaufnahme und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

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Aus den Erwägungen:
1.- Der Kläger hat sich zur Begründung des Hauptantrages der Klage auf den
Standpunkt gestellt, die Beklagte müsse die nur von Schwegler unterzeichneten
Zessionen gegen sich gelten lassen, weil sie in Abweichung von der im
Handelsregister publizierten Vertretungsordnung Schwegler stillschweigend zur
Einzelvertretung ermächtigt habe. Die Vorinstanz hat diese Auffassung
abgelehnt, die Beklagte aber zur Zahlung von Schadenersatz gemäss Art. 567
Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 567 - 1 Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
1    Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
2    Diese Wirkung tritt auch dann ein, wenn die Absicht, für die Gesellschaft zu handeln, aus den Umständen hervorgeht.
3    Die Gesellschaft haftet für den Schaden aus unerlaubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen begeht.
OR verurteilt. Es ist daher zuerst mit der Vorinstanz davon auszugehen,
dass Schwegler nur kollektivzeichnungsberechtigt war, und zu prüfen, ob der
Schadenersatzanspruch des Klägers begründet ist.
2.- Nach Art. 567 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 567 - 1 Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
1    Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
2    Diese Wirkung tritt auch dann ein, wenn die Absicht, für die Gesellschaft zu handeln, aus den Umständen hervorgeht.
3    Die Gesellschaft haftet für den Schaden aus unerlaubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen begeht.
OR haftet die Kollektivgesellschaft für den Schaden
aus unerlaubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner
geschäftlichen Verrichtungen begeht. Diese Bestimmung des rev. OR entspricht
der bisherigen Rechtsprechung, wonach die gleichen Gründe, welche die Haftung
der juristischen Personen für unerlaubte Handlungen ihrer Organe (Art. 55
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 55 - 1 Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben.
1    Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben.
2    Sie verpflichten die juristische Person sowohl durch den Abschluss von Rechtsgeschäften als durch ihr sonstiges Verhalten.
3    Für ihr Verschulden sind die handelnden Personen ausserdem persönlich verantwortlich.
ZGB)
rechtfertigen, auch für die Kollektivgesellschaft zutreffen (Praxis 2 Nr. 8).
Im Wortlaut schliesst sich Art. 567 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 567 - 1 Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
1    Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
2    Diese Wirkung tritt auch dann ein, wenn die Absicht, für die Gesellschaft zu handeln, aus den Umständen hervorgeht.
3    Die Gesellschaft haftet für den Schaden aus unerlaubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen begeht.
OR an Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR (Haftung des
Geschäftsherrn) an, weshalb auch Lehre und Rechtsprechung zu dieser Bestimmung
für die Auslegung von Art. 567 von Bedeutung sind.
Im vorliegenden Fall hat der nach Annahme der Vorinstanz nicht
einzelzeichnungsberechtigte Schwegler den Kläger zur Auszahlung von Fr. 6800.-
veranlasst auf Grund zweier von ihm allein unterzeichneten Zessionen über
Forderungen der Gesellschaft. Der Schaden des Klägers ist gegeben, da die
Gesellschaft und auch der Schuldner die Gültigkeit der Zessionen mangels
gehöriger Unterschrift bestreiten, während von Schwegler, der zahlungsunfähig
sein soll, nichts zu erhalten ist.
Fraglich ist somit einzig, ob die Handlung des Gesellschafters

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Schwegler in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen im Sinne von Art.
567 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 567 - 1 Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
1    Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, die ein zu ihrer Vertretung befugter Gesellschafter in ihrem Namen schliesst, berechtigt und verpflichtet.
2    Diese Wirkung tritt auch dann ein, wenn die Absicht, für die Gesellschaft zu handeln, aus den Umständen hervorgeht.
3    Die Gesellschaft haftet für den Schaden aus unerlaubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen begeht.
OR erfolgte. Die Vorinstanz hat dies bejaht aus folgenden
Erwägungen: Dem Umstand, dass Schwegler seine Befugnisse überschritten habe,
komme keine Bedeutung zu, weil bei unerlaubten Handlungen, zu denen der
Gesellschafter nie berufen sei, stets eine Überschreitung der Befugnisse
vorliege. Es genüge, wenn die deliktische Handlung wenigstens der Gattung nach
zu den Geschäften gehöre, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen
könne und deren Vornahme daher in die Kompetenz des Gesellschafters falle
(Praxis 2 Nr. 8), was hier für die Beschaffung von Bargeld durch Abtretung
einer Forderung zutreffe.
Dieser Auffassung kann indessen nicht beigepflichtet werden. Richtig ist
allerdings, dass Baufirmen häufig während der Ausführung von Aufträgen nicht
über die notwendigen Barmittel zur Bezahlung von Material und Löhnen verfügen
und zur Geldbeschaffung sich der Abtretung ihrer schon bestehenden oder
zukünftigen Werklohnforderungen an Banken und Private bedienen. Im Vertrag
zwischen der Beklagten und der Einwohnergemeinde Luzern sind solche
Abtretungen denn auch vorgesehen. Allein dies besagt nur, dass es sich im
vorliegenden Fall um ein Rechtsgeschäft handelt, das der Zweck der
Gesellschaft mit sich bringt und zu dem deshalb die zur Vertretung befugten
Gesellschafter von Gesetzes wegen (Art. 564
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 564 - 1 Die zur Vertretung befugten Gesellschafter sind ermächtigt, im Namen der Gesellschaft alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann.
1    Die zur Vertretung befugten Gesellschafter sind ermächtigt, im Namen der Gesellschaft alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann.
2    Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis hat gegenüber gutgläubigen Dritten keine Wirkung.
OR) ermächtigt sind. Dagegen kann
daraus nicht geschlossen werden, dass die Gesellschaft aus Art. 567 Abs. 3
hafte, wenn ein nicht zur Vertretung befugter Gesellschafter dieses Geschäft
vornimmt. Nach Wortlaut und Sinn von Art. 567 Abs. 3 folgt vielmehr, dass für
den einzelnen Gesellschafter zu prüfen ist, ob die in Frage stehende Handlung
in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtung begangen worden ist, wie auch
nach Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR Voraussetzung für die Haftung des Geschäftsherrn ist, dass er
den Dienstpflichtigen mit einer bestimmten Aufgabe betraute und dass dieser im
Kreis der Massnahmen

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handelte, welche die ihm zugewiesenen Verrichtungen ausmachen.
Wenn die unerlaubte Handlung beim oder durch den Abschluss von
Rechtsgeschäften erfolgt, so kann nur vom vertretungsberechtigten
Gesellschafter gesagt werden, er handle in Ausübung seiner geschäftlichen
Verrichtungen; denn der nach Gesellschaftsvertrag und Eintrag im
Handelsregister nicht vertretungsberechtigte Gesellschafter ist von der
Vornahme von Rechtsgeschäften für die Gesellschaft ausgeschlossen und handelt
daher, wenn er doch solche Geschäfte abschliesst, nicht in Ausübung seiner
geschäftlichen Verrichtungen. Von der Vertretungsmacht kann nur bei solchen
unerlaubten Handlungen abgesehen werden, die rein tatsächliche Verrichtungen
darstellen, also etwa bei Patentverletzungen oder körperlichen Schädigungen
durch den von einem nicht vertretungsberechtigten Teilhaber geführten
Gewerbebetrieb der Gesellschaft (vgl. DÜRINGER-HACHENBURG HGB § 126 Anm. 16).
Die Auffassung der Vorinstanz würde zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Die
Gesellschaft würde danach für Schäden haften, die ein von der Vertretung
ausdrücklich ausgeschlossener Gesellschafter dadurch stiftet, dass er ein
Rechtsgeschäft abschliesst und dabei ausdrücklich oder stillschweigend
vorgibt, er sei vertretungsberechtigt. Es würde also die Haftung der
Gesellschaft angeordnet für Rechtsgeschäfte, durch welche sie auf Grund des
Gesellschaftsvertrages und Handelsregistereintrages gerade nicht verpflichtet
werden will, und es wäre der Schutz, den das Gesetz der Gesellschaft durch die
Möglichkeit der Beschränkung und des Ausschlusses der Vertretungsmacht
einzelner Gesellschafter gewähren will, weitgehend illusorisch.
Die Berufung der Vorinstanz auf den Entscheid Praxis 2 Nr. 8 und dessen
angeblichen Widerspruch mit BGE 35 II S. 615 ist abwegig. In Praxis 2 Nr. 8
stellte sich die Frage gar nicht, ob die Gesellschaft auch bei Fehlen der

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Vertretungsmacht eines Teilhabers hafte; der fehlbare Gesellschafter war dort
vertretungsberechtigt. Übrigens sprechen die Erwägungen ausdrücklich von der
Haftung der Gesellschaft für unerlaubte Handlungen der geschäftsführenden
Teilhaber. Im Falle BGE 35 II S. 615 dagegen, wo die Haftung nach Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR
in Frage kam, fehlte die Vertretungsbefugnis des fehlbaren Angestellten,
weshalb die Haftung des Geschäftsherrn abgelehnt wurde.
Geht man im vorliegenden Falle von der Annahme der Vorinstanz aus, dass
Schwegler nur kollektivzeichnungsberechtigt war, so folgt, dass er zum
Abschluss der in Frage stehenden Zessionen nicht befugt war und dass eine
Haftung der Beklagten nach Art. 567 Abs. 3 darnach entfällt. Wäre somit
lediglich auf die Begründung der Vorinstanz abzustellen, die sich als
unhaltbar erweist, so müsste die Berufung gutgeheissen und die Klage
abgewiesen werden. Die Vorinstanz ist indessen, wie übrigens schon das
Amtsgericht, über die andern Standpunkte des Klägers zu Unrecht als
unstichhaltig hinweggegangen.
3.- Wenn die streitigen Abtretungen für die Beklagte wirksam sein sollen, so
müsste der Gesellschafter Schwegler im Besitze einer über den
Handelsregistereintrag hinausgehenden besondern Vollmacht gewesen sein. Die
Übertragung einer solchen Spezialvollmacht an einen Gesellschafter ist
zweifellos zulässig und kommt nicht selten vor. Voraussetzung dafür ist die
Zustimmung der andern Gesellschafter. Sie kann eine ausdrückliche oder nur
eine stillschweigende sein; ja, es genügt schon ein blosses Dulden. Sobald mit
Wissen aller Gesellschafter oder aber aus Fahrlässigkeit derselben ein Zustand
geschaffen wird, der bei Dritten den Eindruck erwecken muss, dass tatsächlich
eine andere, für sie günstigere Vertretungsordnung gehandhabt wird als die im
Handelsregister eingetragene, so muss die Gesellschaft diese gegen sich gelten
lassen (vgl. BGE 49 II 214; 50 II 184; SIEGWART Art. 563 N. 4; STAUB HGB § 125
Anm. 10 und 27).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger schon vor der

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ersten Instanz ausgeführt und Beweise dafür angetragen, dass die Teilhaber der
Beklagten Schwegler auf dem Platz Luzern als Einzelvertreter schalten und
walten liessen.
Beide kantonalen Instanzen haben diese Ausführungen als unwesentlich abgetan.
Das Amtsgericht hat dies damit begründet, dass der Kläger nicht als
gutgläubiger Dritter zu betrachten sei; das Obergericht ging davon aus, dass
der Kläger nicht durch das Verhalten der Beklagten, sondern durch die Angaben
Schweglers veranlasst worden sei, an dessen Vertretungsmacht zu glauben. Auf
diese subjektive Seite, den Glauben und die Veranlassung dazu, kommt es
indessen zunächst gar nicht an. Vielmehr fragt es sich, ob aus dem -
gegebenenfalls passiven - Verhalten der übrigen Teilhaber und aus den
sonstigen Umständen zu schliessen ist, Schwegler sei
einzelzeichnungsberechtigt gewesen. Ist dies der Fall, so verpflichtete er die
Beklagte unbekümmert darum, ob der Kläger sich über die Frage der
Vertretungsordnung Gedanken machte oder nicht. Wenn festgestellt wird, dass
ein Dritter annehmen konnte, Schwegler habe für den Platz Luzern allgemein
oder wenigstens für Geschäfte der Geldbeschaffung wie das vorliegende
Einzelvertretungsmacht gehabt, so ist auch der gute Glaube des Klägers zu
vermuten, und es läge an der Beklagten, diese Vermutung zu zerstören und durch
den Nachweis besonderer Umstände darzutun, dass trotz allem der Kläger nicht
im Glauben war oder sein konnte, Schwegler sei zum Abschluss des
Abtretungsgeschäftes berechtigt gewesen. Ob Schwegler tatsächlich als
Einzelzeichnungsberechtigter zu betrachten war, lässt sich auf Grund der Akten
nicht entscheiden. Da der Kläger aber für seine dahingehenden bestrittenen
Ausführungen Beweisanträge gestellt hat, denen von der Vorinstanz nicht
stattgegeben worden ist, so ist die Sache zur Durchführung des
Beweisverfahrens an sie zurückzuweisen. Diese hat dann auf Grund des
Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob die Beklagte ausdrücklich oder
mit sie verpflichtendem

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Stillschweigen die Geschäftsführung und Vertretungsmacht so weitgehend
Schwegler überlassen hat, dass die Zessionen als rechtsgültig zu betrachten
sind.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 66 II 249
Date : 01. Januar 1940
Published : 01. Dezember 1940
Source : Bundesgericht
Status : 66 II 249
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Kollektivgesellschaft, Art. 567 Abs. 3 und 563 OR.1. Für den Schaden aus unerlaubten Handlungen...


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OR: 55  563  564  567
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35-II-608 • 49-II-208 • 50-II-168 • 66-II-249
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Pra
2 Nr. 8