BGE 66 I 286
49. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. November 1940 i. S. Gysi und Nüesch
gegen Zivilstandsamt Bern.
Regeste:
Einspruch gegen die Eheschliessung (Art. 108 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 108 - 1 Die Ungültigkeitsklage ist innerhalb von sechs Monaten seit Kenntnis des Ungültigkeitsgrundes oder seit dem Wegfall der Drohung einzureichen, in jedem Fall aber vor Ablauf von fünf Jahren seit der Eheschliessung. |
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1 | Die Ungültigkeitsklage ist innerhalb von sechs Monaten seit Kenntnis des Ungültigkeitsgrundes oder seit dem Wegfall der Drohung einzureichen, in jedem Fall aber vor Ablauf von fünf Jahren seit der Eheschliessung. |
2 | Das Klagerecht geht nicht auf die Erben über; ein Erbe kann jedoch an der bereits erhobenen Klage festhalten. |
eines gesetzlichen Einspruchsgrundes, während die Begründung erst vor dem
Richter vorgebracht zu werden braucht. - Über rechtzeitige Klaganhebung (Art.
111
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 111 - 1 Verlangen die Ehegatten gemeinsam die Scheidung und reichen sie eine vollständige Vereinbarung über die Scheidungsfolgen mit den nötigen Belegen und mit gemeinsamen Anträgen hinsichtlich der Kinder ein, so hört das Gericht sie getrennt und zusammen an. Die Anhörung kann aus mehreren Sitzungen bestehen. |
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1 | Verlangen die Ehegatten gemeinsam die Scheidung und reichen sie eine vollständige Vereinbarung über die Scheidungsfolgen mit den nötigen Belegen und mit gemeinsamen Anträgen hinsichtlich der Kinder ein, so hört das Gericht sie getrennt und zusammen an. Die Anhörung kann aus mehreren Sitzungen bestehen. |
2 | Hat sich das Gericht davon überzeugt, dass das Scheidungsbegehren und die Vereinbarung auf freiem Willen und reiflicher Überlegung beruhen und die Vereinbarung mit den Anträgen hinsichtlich der Kinder genehmigt werden kann, so spricht das Gericht die Scheidung aus. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 112 - 1 Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
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1 | Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
2 | Das Gericht hört sie wie bei der umfassenden Einigung zum Scheidungsbegehren, zu den Scheidungsfolgen, über die sie sich geeinigt haben, sowie zur Erklärung, dass die übrigen Folgen gerichtlich zu beurteilen sind, an. |
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Bescheinigung über die binnen der Klagefrist erfolgte Einleitung des amtlichen
Aussöhnungsverfahrens vorlegen. Der richterliche Entscheid darüber, ob wirksam
geklagt worden sei, bleibt vorbehalten.
Opposition au mariage (art. 108 ss. CC). Il suffit à l'opposant d'alléguer
l'une des causes d'opposition admises par la loi. La motivation concrète, en
revanche, peut n'avoir lieu que devant le juge. - Pour prouver qu'il a intenté
action en temps utile (art. 111-112 CC), l'opposant produit une pièce
attestant qu'il a ouvert la procédure en conciliation dans le délai fixé. Le
prononcé du juge demeure réservé en ce qui concerne la validité de l'ouverture
d'action.
Opposizione al matrimonio (art. 108 e seg. CC). Basta che l'opponente alleghi
una delle cause di opposizione ammesse dalla legge. La motivazione concreta
può invece aver luogo davanti al giudice. Per provare che la causa è stata
promossa tempestivamente (art. 111-112 CC), basta che l'opponente produca un
documento attestante ch'egli ha iniziato entro il
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termine stabilito la procedura di conciliazione. Resta riservata la decisione
del giudice per quanto concerne la validità dell'apertura dell'azione.
A. - Die Beschwerdeführer liessen am 5. April 1940 ihr Ehevorhaben durch das
Zivilstandsamt Bern verkünden. Am 11. April erhoben die Eltern der Braut
schriftlich Einspruch mit der Angabe, der Bräutigam sei nicht urteils- und
damit nicht ehefähig. Der Einspruch wurde nicht anerkannt und die
Nichtanerkennung den Einsprechern am 23. April mitgeteilt. Diese liessen
innert zehn Tagen zum Aussöhnungsversuch vorladen über das Begehren, der
Eheabschluss sei den Brautleuten richterlich zu untersagen. Am 3. Mai 1940
erliess der Richter die Ladung zum Aussöhnungsversuch. Mit Rücksicht hierauf
verweigerte der Zivilstandsbeamte die Ausstellung des von den Brautleuten
verlangten Verkündscheins. Deren Beschwerde gegen diese Verfügung wurde von
beiden kantonalen Aufsichtsbehörden über das Zivilstandswesen abgewiesen.
B. - Gegen den Entscheid der obern Instanz vom 16. August 1940 führen die
Brautleute verwaltungsgerichtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie
beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei das Zivilstandsamt
anzuweisen, ihnen den Verkündschein gemäss Art. 113
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 113 |
Begründung wird ausgeführt: Der auf eine leere Behauptung gestützte Einspruch
hätte von vornherein nicht beachtet werden sollen. Jedenfalls sei er mangels
rechtzeitiger Klageführung (Art. 112
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 112 - 1 Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
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1 | Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
2 | Das Gericht hört sie wie bei der umfassenden Einigung zum Scheidungsbegehren, zu den Scheidungsfolgen, über die sie sich geeinigt haben, sowie zur Erklärung, dass die übrigen Folgen gerichtlich zu beurteilen sind, an. |
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Zivilstandsamt die Anrufung des Aussöhnungsrichters einer Klaganhebung
gleichgestellt. Zu einer solchen Entscheidung wäre höchstens der Richter
befugt; es liege aber keine richterliche Verfügung oder Bescheinigung solcher
Art vor. Wollte man aber die Zulässigkeit solcher Gleichstellung in diesem
Verfahren prüfen, so wäre sie zu verneinen. Nach Art. 144
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 144 Erstreckung - 1 Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden. |
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1 | Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden. |
2 | Gerichtliche Fristen können aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn das Gericht vor Fristablauf darum ersucht wird. |
sei ein Aussöhnungsversuch gerade mit Rücksicht auf die
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bundesrechtliche Klagefrist gar nicht notwendig; somit hätte die Klage ohne
weiteres beim erkennenden Gericht eingereicht werden können und, um die
Klagefrist zu wahren. auch müssen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Dass der vorliegende Eheeinspruch, mangels genügender Begründung hätte von
der Hand gewiesen werden sollen, kann den Beschwerdeführern nicht zugegeben
werden. Sowohl das ZGB (Art. 108) wie auch die Verordnung über den
Zivilstandsdienst vom 18. Mai 1928 (Art. 164) verlangen bloss die Angabe des
Einspruchsgrundes; die Verordnung fügt noch bei, dass der Einspruch nicht
belegt zu werden braucht. Als Einspruchsgründe fallen in Betracht der Mangel
der Ehefähigkeit eines der Verlobten und die gesetzlichen Ehehindernisse. Mit
der Angabe, der Bräutigam sei nicht urteilsfähig, war einer dieser Gründe
(Art. 97
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 97 - 1 Die Ehe wird nach dem Vorbereitungsverfahren vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten geschlossen. |
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1 | Die Ehe wird nach dem Vorbereitungsverfahren vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten geschlossen. |
2 | Die Verlobten können sich im Zivilstandskreis ihrer Wahl trauen lassen. |
3 | Eine religiöse Eheschliessung darf vor der Ziviltrauung nicht durchgeführt werden. |
zum Einspruch legitimiert. Übrigens kann der Zivilstandsbeamte einem
Einsprecher die Legitimation nicht schon dann absprechen, wenn gewisse
Bedenken bestehen, sondern nur dann, wenn die betreffende Person
augenscheinlich kein Interesse hat.
2.- Fraglich ist somit nur noch, ob der als gültig zu erachtende Einspruch,
nachdem die Brautleute ihn nicht anerkannt hatten, in wirksamer Weise durch
Klage auf Untersagung des Eheabschlusses prosequiert worden sei. Die
Einsprecher hatten sich beim Zivilstandsamt durch eine richterliche
Bescheinigung über die rechtzeitige Klaganhebung auszuweisen (Art. 166
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 97 - 1 Die Ehe wird nach dem Vorbereitungsverfahren vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten geschlossen. |
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1 | Die Ehe wird nach dem Vorbereitungsverfahren vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten geschlossen. |
2 | Die Verlobten können sich im Zivilstandskreis ihrer Wahl trauen lassen. |
3 | Eine religiöse Eheschliessung darf vor der Ziviltrauung nicht durchgeführt werden. |
Entsprechend ihrem Vorgehen lautet die vorliegende Bescheinigung dahin, es sei
während der Frist ein Gesuch um Ansetzung eines Aussöhnungsversuches über das
Untersagungsbegehren angebracht worden. Mit Recht hat der Zivilstandsbeamte
diese Bescheinigung genügen lassen. Nach einem gerade auch für Klagen solcher
Art vom Bundesgericht ausgesprochenen Grundsatz hat bei
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bundesrechtlichen Klagefristen als Klaganhebung zu gelten «diejenige
prozesseinleitende oder vorbereitende Handlung des Klägers, mit der er zum
ersten Mal in bestimmter Form für den von ihm erhobenen Anspruch den Schutz
des Richters anruft» (BGE 42 II 333); diesem Erfordernis genügt die Anrufung
des Aussöhnungsrichters, auch wo das Aussöhnungsverfahren nicht derart mit dem
Prozessverfahren verbunden ist, dass die Unterlassung der Klageeinreichung
beim entscheidenden Richter innert bestimmter Frist den Rechtsverlust zur
Folge haben müsste (BGE 42 II 103). Wenn Art. 113
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 113 |
der Klage beim Richter spricht, so ist damit nur mit andern Worten die
«Erhebung der Klage» gemäss Art. 112 umschrieben. Der Zivilstandsbeamte war
befugt, ja verpflichtet, jenen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz
zu beachten. Auf eine Kritik desselben hatte er sich nicht einzulassen, und
das steht auch den Aufsichtsbehörden im Beschwerdeverfahren nicht zu. Den
Beschwerdeführern bleibt unbenommen, vor dem Richter geltend zu machen, die
Klage der Einsprecher sei verspätet, weil richtigerweise die Einleitung des
Aussöhnungsverfahrens nicht als Klaganhebung betrachtet zu werden verdiene und
die eigentliche Klage dann nicht mehr innert der gesetzlichen Frist
eingereicht worden sei. Die richterliche Entscheidung wird dann für die
Zivilstandsbehörden verbindlich sein. Die Verweigerung des Verkündscheins ist
demnach ohnehin nur eine vorläufige.
Entsprechend der Stellung der Zivilstandsbehörden ist auch zu der weitern
Einwendung der Beschwerdeführer, nach Art. 144
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 144 Erstreckung - 1 Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden. |
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1 | Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden. |
2 | Gerichtliche Fristen können aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn das Gericht vor Fristablauf darum ersucht wird. |
Aussöhnungsversuch bei Klagen der vorliegenden Art gar nicht notwendig und
daher zur Wahrung der Klagefrist nicht geeignet, nicht Stellung zu nehmen. Wie
es sich damit verhält, ist durch die angerufene Bestimmung, zumal angesichts
der erwähnten Rechtsprechung, nicht hinreichend abgeklärt. Ebenso muss dem
Urteil des Richters vorbehalten bleiben, ob die Einsprecher jedenfalls binnen
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weiterer zehn Tage nach dem Aussöhnungsversuch an das erkennende Gericht zu
gelangen hatten, wie die Beschwerdeführer annehmen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.