S. 97 / Nr. 29 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 65 III 97

29. Entscheid vom 4. Oktober 1939 i. S. Fürst & Cie .


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Regeste:
Nichtigkeit einer Betreibung wegen nicht eindeutiger Gläubigerbezeichnung:
kann nicht mehr geltend gemacht werden, nachdem die Zweideutigkeit
nachträglich behoben wurde und der Betriebene durch Erhebung von
Rechtsvorschlag und Aberkennungsklage sich alle Einwendungen gewahrt hat (Art.
67 Ziff. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 67 - 1 Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben:
1    Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben:
1  der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal des Betreibungsamtes;
2  der Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung zu erfolgen hat;
3  die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuss und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird;
4  die Forderungsurkunde und deren Datum; in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung.
2    Für eine pfandgesicherte Forderung sind ausserdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen.
3    Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
SchKG).
Nullité d'une poursuite pour cause de désignation équivoque du créancier: Ce
moyen ne peut plus être invoqué lorsque l'équivoque a été dissipée par la
suite et que le débiteur poursuivi a pu se réserver toutes ses exceptions en
faisant opposition et en introduisant l'action en libération de dette (art. 67
ch. 1 LP).
La nullità di un'esecuzione a motivo di designazione equivoca del creditore
non può essere più invocata quando l'equivoco sia stato dissipato
ulteriormente ed il debitore escusso abbia potuto garantirsi tutte le sue
eccezioni sollevando opposizione e promovendo azione di disconoscimento di
debito (art. 67 cifra 1 LEF).

A. - Jules Hüni war seit 1933 Reisender der Kommanditgesellschaft Fürst & Cie
in Zürich, die infolge Todes des unbeschränkt haftenden Gesellschafters Louis
Fürst im Dezember 1935 in Liquidation trat. Das Geschäft wird durch die am 13.
Februar 1936 im Handelsregister eingetragene Kommanditgesellschaft «A. B.
Fürst & Cie» weitergeführt, deren unbeschränkt haftende Gesellschafterin die
Witwe des Louis Fürst ist.
Am 24. Mai 1938 wurde Hüni für Fr. 3579.80, Reisespesenvorschüsse und
eingelöste Akzepte, von der «Firma Fürst & Cie» betrieben; das
Betreibungsbegehren ist

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unterschrieben: Firma Fürst & Cie, A. B. Fürst. Der Betriebene erhob
Rechtsvorschlag. Auf Grund einer Schuldanerkennung vom 2. März 1934 verlangte
die Firma «A. B. Fürst & Cie» provisorische Rechtsöffnung; in dem diese
bewilligenden Entscheid vom 30. Juni 1938 ist die Gläubigerin wieder als
«Fürst & Cie» bezeichnet. Darauf erhob Hüni Aberkennungsklage unter
Geltendmachung der Verrechnung mit einer Gegenforderung von Fr. 6650.- für
Salär und Reisespesen von Juni 1933 bis März 1934, für welche Forderung er
bereits am 16. Juni 1938 seinerseits gegen «A. B. Fürst & Cie» Betreibung
angehoben hatte. Erstmals in der Hauptverhandlung im Aberkennungsprozesse am
21. Oktober 1938 machte Hüni die Nichtigkeit der gegen ihn gerichteten
Betreibung geltend, weil eine Firma «Fürst & Cie» gar nicht existiere, sondern
nur die Firmen «Fürst & Cie in Liq.» und «A. B. Fürst & Cie». Eventuell liess
er die Betreibung als von letzterer Firma angehoben gelten, wendete jedoch
ein, die gegen ihn in Betreibung gesetzte Forderung vom Jahre 1933/34 könnte
nur der ersteren Firma zustehen. Auf dem inzwischen gestellten
Verwertungsbegehren war der Gläubigerbezeichnung «Fürst & Cie» beigefügt:
«vertreten durch A. B. Fürst & Cie»
B. - Mit Beschwerde vom 31. Dezember 1938 verlangte Hüni Nichtigerklärung der
Betreibung wegen Nichtbestehens der betreibenden Firma «Fürst & Cie» bezw.
mangels klarer und unzweideutiger Gläubigerbezeichnung.
C. - Beide Aufsichtsbehörden haben die Beschwerde gutgeheissen. Die obere
führt zur Begründung aus, weder die Gläubigerbezeichnung noch der übrige
Inhalt des Zahlungsbefehls habe den Schuldner erkennen lassen, dass er von der
neuen Firma betrieben werde. Zu einer solchen Annahme habe er auch sonst
keinen Anlass gehabt, da das Schuldverhältnis sich auf die alte Firma bezogen
habe. Von einem Forderungsübergang auf die neue Firma sei ihm weder vor noch
bei der Einleitung der Betreibung Mitteilung gemacht, sondern erst im
Aberkennungsprozesse

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gesprochen worden. Entscheidend sei überhaupt einzig der Umstand, dass die
Bezeichnung «Fürst & Cie» jedenfalls unzutreffend und zweideutig gewesen sei.
D. - Mit dem vorliegenden Rekurse hält die «Firma Fürst & Cie» an ihrem
Antrag, die Betreibung sei als zu Recht bestehend zu erklären, samt Begründung
fest.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1.- Dem vorliegenden Rekurse - wie übrigens schon demjenigen an die Vorinstanz
- haftet der gleiche Mangel wie dem Betreibungsbegehren und dem Zahlungsbefehl
an, dass er auf die nicht existierende «Firma Fürst & Cie» lautet. Indessen
wird er einfach das Schicksal der Betreibung teilen, d. h. allenfalls
derjenigen Firma anzurechnen sein, von der die Betreibung als angehoben zu
erachten ist.
2.- Der letzte Entscheid des Bundesgerichtes bezüglich der
Gläubigerbezeichnung in Betreibungsurkunden fasst die geltende Rechtsprechung
dahin zusammen, dass eine Betreibung nichtig sei und deren Nichtigkeit
jederzeit von Amtes wegen ausgesprochen werden könne, wenn sie im Namen einer
nicht existierenden Person erhoben werde, oder wenn sie die Person des
Gläubigers nicht in klarer, unzweideutiger, jeden Zweifel über die Identität
desselben ausschliessender Weise angebe. Denn der Schuldner habe ein
wesentliches Interesse, über die Person des betreibenden Gläubigers im Klaren
zu sein, um zu wissen, ob er gegen ihn Einwendungen zu erheben habe. Und zwar
müsse für diese Beurteilung der Eindeutigkeit der Bezeichnung auf den
Zeitpunkt der Zustellung der Betreibungsurkunde abgestellt werden (BGE 62 III
134
).
Den dergestalt umschriebenen Anforderungen wird in der Tat die
Gläubigerbezeichnung in der vorliegenden Betreibung nicht gerecht. Es muss
jedoch bei der zit. Rechtsprechung berücksichtigt werden, dass sie sich
ausschliesslich auf Betreibungen bezog, wo eine Mehrheit von in einer
Kollektivbezeichnung zusammengefassten,

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einzeln nicht namentlich genannten Personen als Gläubiger erschien (Erben des
X; Erbengemeinschaft...; Gemeinderschaft ...; Präsident und Mitglieder des
Gemeinderates ..., usw., vgl. BGE 41 III 246, 43 III 176, 48 III 96, 51 III
57
; Kreisschreiben Nr. 16 des Bundesgerichtes, 51 III 98). Im Unterschied dazu
handelt es sich vorliegend um die Frage, ob auch unheilbar nichtig sei die
Betreibung mit einer Gläubigerbezeichnung, welche nur die eine oder andere von
zwei Kommanditgesellschaften - einer in Liquidation befindlichen und einer
aktiven - meinen kann. Dabei darf nun nicht übersehen werden, dass in casu
einerseits die Zweideutigkeit im Zahlungsbefehl nachträglich, wenn auch erst
nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist. behoben worden ist, indem der Vertreter
der Gläubigerin wiederholt, nämlich im Aberkennungsprozess sowie vor allen
Beschwerdeinstanzen, erklärt hat, die Betreibung sei für die neue
Kommanditgesellschaft A. B. Fürst & Cie gemeint, und dass anderseits der
Betriebene Rechtsvorschlag und sogar Aberkennungsklage erhoben hat. Mit diesen
- gegen die richtige Gläubigerin gerichteten - Rechtsvorkehren hat sich der
Betriebene alle Einwendungen gewahrt, und zwar kann er gegenüber der neuen
Firma nicht nur einwenden, die in Betreibung gesetzte Forderung stehe nach wie
vor der alten Kommanditgesellschaft zu, d. h. die neue habe sie nicht
erworben, sondern er kann auch verrechnen sowohl mit Gegenforderungen, die ihm
gegen die neue Gesellschaft zustehen, als mit solchen, die ihm gegen die alte
zustanden in dem Zeitpunkte, da er vom Rechtsübergang erfuhr. Soweit liegt
aber die Entstehung der Gegenforderung gegenüber der alten Firma auf alle
Fälle zurück; anderseits ergibt sich aus der Gegenbetreibung des Hüni gegen
die neue Firma, dass er die Gegenforderung gerade gegen diese zu haben
behauptet. Der Betriebene wird mithin durch die erst nachträgliche Beseitigung
der Zweideutigkeit in der Gläubigerbezeichnung in keiner Weise benachteiligt.
Übrigens bildete zur Zeit, da die nachträgliche Klarstellung erfolgte,
überhaupt

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nicht mehr der Zahlungsbefehl, sondern - in Verbindung mit dem
Rechtsöffnungsentscheid - das künftige Urteil über die Aberkennungsklage den
Vollstreckungstitel. Bei dieser Lage gebietet schon die Verfahrensökonomie,
dass der Betriebene nicht mehr die Nichtigkeit der einleitenden
Betreibungshandlung geltend machen könne, insbesondere auch in seinem eigenen
Interesse, da er, im Falle der Nichtigerklärung, kaum auf vollen Ersatz seiner
vergeblich aufgewendeten Prozesskosten rechnen dürfte.
Die Vorschrift genauer Gläubigerbezeichnung bezweckt freilich nicht nur, dass
der Betriebene, sondern ebenso dass das Betreibungsamt im Hinblick auf die
Auszahlung des Erlöses über die Person des Betreibenden orientiert sein muss.
Hierauf kommt jedoch vorliegend nichts an, weil Frau A. B. Fürst nicht nur
unbeschränkt haftende Gesellschafterin der neuen, sondern auch die
Liquidatorin der alten Kommanditgesellschaft ist.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die
Beschwerde des Schuldners abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 III 97
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 04. Oktober 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 III 97
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Nichtigkeit einer Betreibung wegen nicht eindeutiger Gläubigerbezeichnung: kann nicht mehr geltend...


Gesetzesregister
SchKG: 67
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 67 - 1 Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben:
1    Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben:
1  der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal des Betreibungsamtes;
2  der Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung zu erfolgen hat;
3  die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuss und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird;
4  die Forderungsurkunde und deren Datum; in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung.
2    Für eine pfandgesicherte Forderung sind ausserdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen.
3    Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
BGE Register
41-III-246 • 43-III-176 • 48-III-96 • 51-III-57 • 51-III-98 • 62-III-134 • 65-III-97
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
nichtigkeit • kommanditgesellschaft • aberkennungsklage • einwendung • zahlungsbefehl • rechtsvorschlag • schuldner • weiler • bezogener • betreibungsbegehren • bundesgericht • betreibungsurkunde • unternehmung • entscheid • bewilligung oder genehmigung • begründung des entscheids • annahme des antrags • schuldanerkennung • vollstreckungstitel • provisorische rechtsöffnung
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