S. 163 / Nr. 50 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (Zivilabteilungen) (d)

BGE 62 III 163

60. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. November 1936 i. S. Banque Cantonale
Neuchâteloise und Kons. gegen Messer.

Regeste:
Weist die Konkursverwaltung eine angemeldete Konkursforderung im
Kollokationsplan ab als erloschen durch Verrechnung mit einer (nicht höheren)
Gegenforderung aus Anfechtung gemäss Art. 285 ff . SchKG, so kann sie ihr
Anfechtungsrecht nicht mehr anderswie ausüben oder gemäss Art. 260 SchKG
abtreten.
Lorsque l'administration de la faillite écarte de l'état de collocation une
créance produite parce qu'elle la considère comme éteinte par compensation
avec une créance de la masse (d'un montant non supérieur) dérivant des art.
285 ss LP, elle ne peut plus exercer d'une autre manière l'action révocatoire
qui lui compète ni céder celle-ci aux créanciers en conformité de l'art. 260
LP.
Quando l'amministrazione del fallimento non ammetta nella graduatoria un
credito insinuato perché compensato con un credito (non superiore) della massa
derivante dall'azione revocatoria dell'art. 285 segg. LEF, essa non può più
esercitare in seguito l'azione revocatoria né cederla a termini dell'art. 260.

A. - Anfangs 1933 schuldete A. Marbot dem Beklagten aus Warenlieferungen über
26000 Fr. Von da an begann

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der Beklagte umgekehrt von A. Marbot Waren zu beziehen, und zwar bis am 20.
Mai 1933 für 11497 Fr. 30 Cts., während er ihm nur noch einmal, nämlich am 24.
April 1933, solche lieferte, und zwar nur für 1141 Fr.
Am 14. Juli 1933 wurde über Marbot der Konkurs eröffnet. Der Beklagte meldete
seine Restforderung von 11181 Fr. 95 Cts. an. In dem am 17. März 1934
aufgelegten Kollokationsplan wies die Konkursverwaltung diese Forderung ab aus
dem Grunde:
«Cette créance est éteinte par compensation avec les prétentions que la Masse
en faillite est en droit de faire valoir en vertu des articles 285 et suivants
de la L.P.».
Der Kollokationsplan ist unangefochten geblieben.
Die zweite Gläubigerversammlung vom 5. April 1934 beschloss den Verzicht auf
«toutes les prétentions que la masse est en droit de faire valoir en vertu des
articles 285 et ss. L.P.» gegen den Beklagten und trat diese an die Kläger ab,
welche darauf folgende Anfechtungsklage erhoben: «Es seien die vom Beklagten
vorgenommenen, in der Klage näher umschriebenen Rechtshandlungen (d. h. die
eingangs angeführten) gemäss Art. 287 Ziff. 2 und 288 SchKG ungültig zu
erklären, und es sei demgemäss der Beklagte schuldig und zu verurteilen, den
Klägern als Abtretungsgläubigern gemäss Art. 260 SchKG das durch die
angefochtenen Rechtshandlungen erworbene Vermögen des Gemeinschuldners Marbot
zurückzugeben, eventuell für das nicht mehr vorhandene Vermögen auf
gerichtliche Bestimmung hin Ersatz zu leisten.»
B. - Der Appellationshof des Kantons Bern hat am 1. Juli 1936 die Klage
abgewiesen, zunächst aus dem Grunde, dass die Anfechtungsansprüche, wenn sie
überhaupt bestanden, auf jeden Fall durch die Verrechnung erledigt seien und
nicht ein zweites Mal geltend gemacht werden können.
C. - Gegen dieses Urteil haben die Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Bis zur Konkurseröffnung war der nachmalige Gemeinschuldner Gläubiger des
Beklagten für gut 11000 Fr., der Beklagte umgekehrt Gläubiger des nachmaligen
Gemeinschuldners für gut 27000 Fr., also unbestreitbar Gläubiger für gut 16000
Fr. Letztere vom Beklagten im Konkurs angemeldete Forderung konnte die
Konkursverwaltung im Kollokationsplan nur aus dem Grund (und auch dies
vorderhand nur teilweise) abweisen, weil durch die Konkurseröffnung eine
weitere Gegenforderung gegen den Beklagten entstanden sei, nämlich aus
Anfechtung der Lieferungsgeschäfte, aus denen der Beklagte Schuldner des
nachmaligen Gemeinschuldners geworden war. Als Subjekt dieser Gegenforderung
ist, gleichwie als Subjekt aller Konkursaktiven, einzig der Gemeinschuldner
selbst vorstellbar, wenn auch ohne die Konkurseröffnung keinerlei derartige
Forderung hätte entstehen können. Diese Gegenforderung hatte zunächst nicht
Geld, sondern die Rückerstattung der vom nachmaligen Gemeinschuldner
gelieferten Ware zum Gegenstand, konnte jedoch in eine Geldforderung
verwandelt werden, sei es dass die Rückgabe in natura wegen inzwischen
erfolgter Veräusserung oder Vermischung nicht mehr möglich oder auch sonstwie
(nach der Ausgestaltung des kantonalen Realvollstreckungsrechts) nicht
durchsetzbar war, sei es dass sich der Konkursverwalter und der Beklagte dahin
verständigten. Seine daherige Schuld von mutmasslich rund 11000 Fr. konnte der
Beklagte nicht etwa mit seiner unbestreitbaren Forderung (bezw. einem
entsprechenden Teilbetrag) verrechnen, weil er erst mit bezw. nach der
Konkurseröffnung Geldschuldner des Gemeinschuldners bezw. der Konkursmasse
geworden war (Art. 213 SchKG). Dagegen konnte die Konkursverwaltung, die im
eigenen Namen zum Einzug dieser Gegenforderung berechtigt war, mit ihr
verrechnen, und zwar sofort die Schuld des Gemeinschuldners laut
Konkurseingabe, oder allfällig später, nach

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Aufstellung der Verteilungsliste, die dann fällige Konkursdividendenschuld der
Konkursmasse, oder sie konnte auch Anfechtungsklage auf Rückerstattung der dem
nachmaligen Gemeinschuldner gelieferten Ware oder Geldersatz erheben oder
durch Zessionare gemäss Art. 260 SchKG erheben lassen, wogegen sie jedoch
nicht nur die vom Beklagten eingegebene, sondern von Amtes wegen für den Fall
erfolgreicher Anfechtung der Warenlieferungen an den Beklagten auch die
wiederauflebende, anfechtbar getilgte Forderung, zusammen bis zum
ursprünglichen Betrag von über 27000 Fr. im Kollokationsplan zulassen musste
(BGE 41 III 240). Nicht nur tat die Konkursverwaltung das letztere nicht,
sondern sie schritt schon bei der Auflage des Kollokationsplanes, also lange
vor der Fälligkeit der Konkursdividende, zur Verrechnung, indem sie die vom
Beklagten eingegebene Konkursforderung im Kollokationsplan abwies, was auf die
Verrechnung derselben hinausläuft. Eigentlich hätte sie damals auf diese Art
nur einen Teil der Konkursforderung des Beklagten im Umfange des
zurückzuerstattenden Geldersatzes für die beim nachmaligen Gemeinschuldner
bezogenen Waren verrechnen können. Allein hierauf kommt nichts mehr an,
nachdem sich der Beklagte die Abweisung seiner ganzen Konkursforderung hat
gefallen lassen. Insofern er selbst zahlungsfähig und nicht etwa eine
Konkursdividende von weit mehr als 50% zu erwarten war, lag diese Art der
Erledigung des Anfechtungsanspruches natürlich durchaus in seinem Interesse.
Zweifelhafter erscheint, ob dabei auch die Rechte der Konkursmasse richtig
gewahrt wurden, die sich einer bloss dividendenberechtigten Konkursforderung
(freilich in höherem Betrag) entledigte, aber anderseits eine unbeschränkt
einziehbare Forderung aufgab. Allein für die Gültigkeit der derart erfolgten
Verrechnung ist dies nicht von Belang, zumal nachdem kein anderer
Konkursgläubiger gegen diese aus dem Kollokationsplan ersichtliche Operation
Beschwerde geführt hat. Damit war das Anfechtungsrecht konsumiert; es bestand
also im Zeitpunkt

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der zweiten Gläubigerversammlung gar nicht mehr; diese konnte auf dessen
Geltendmachung nicht mehr verzichten, und die im Anschluss daran vorgenommene
Abtretung gemäss Art. 260 SchKG bezog sich auf einen damals gar nicht mehr
existierenden Rechtsanspruch und entbehrt daher jeglicher Wirksamkeit. Nur
dann sind einzelne Konkursgläubiger zur Anstellung der Anfechtungsklage
berechtigt, wenn nicht die Konkursverwaltung die Anfechtungsklage selbst
anstellt oder auf andere Weise den Anfechtungsanspruch zur Geltung bringt, wie
es hier durch ihre Verrechnung geschehen ist. Dass die Konkursverwaltung hiezu
befugt war, ergibt sich nicht nur aus Art. 285 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG, sondern
auch aus ihren Befugnissen im Kollokationsverfahren, die sie selbständig und
endgültig ausübt, unter Vorbehalt der den Konkursgläubigern zustehenden
Rechtsbehelfe, von denen hier nicht Gebrauch gemacht worden ist, und nichts
Gegenteiliges ergibt sich aus Art. 260 SchKG, da die Verrechnung mit der
Gegenforderung aus Anfechtung eben nicht etwa ein Verzicht auf deren
Geltendmachung ist. Dem Versuch, das Anfechtungsrecht ein zweites Mal
gegenüber dem Beklagten zur Geltung zu bringen, nachdem gestützt darauf
bereits dessen Konkursforderung (von über 27000 Fr.) im Kollokationsverfahren
rechtskräftig, also mit Urteilswirkung, abgewiesen worden ist, ist die
Vorinstanz mit Recht durch Abweisung der Klage entgegengetreten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons
Bern vom 1. Juli 1936 bestätigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 62 III 163
Date : 01. Januar 1936
Published : 19. November 1936
Source : Bundesgericht
Status : 62 III 163
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Weist die Konkursverwaltung eine angemeldete Konkursforderung im Kollokationsplan ab als erloschen...


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SchKG: 213  260  285  287  288
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41-III-240 • 62-III-163
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