S. 317 / Nr. 80 Markenschutz (d)
BGE 62 II 317
80. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. September 1936 i. S.
Waldeck-Rousseau u. Société d'Exploitation des Produits Botot, J. Brach & Cie,
gegen Maeder.
Regeste:
Markenrecht. Mundwassermarke «Eau de Botot».
1. Beschreibung der Zusammensetzung des Markenproduktes in Pharmakopoeen u.
dergl.; Einfluss auf den Bestand des Markenrechtes. Erw. 2.
2. Umwandlung eines Individualzeichens in ein Freizeichen und Rückbildung zum
Individualzeichen; massgebende
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Kriterien. Feststellung der in den beteiligten Verkehrskreisen herrschenden
Auffassung. Die Auffassung ausländischer Verkehrskreise. Erw. 3.
Berufung.
Die Nichtberücksichtigung eines an sich tauglichen Beweismittels verstösst im
Sinne von Art. 81 OG gegen Bundesrecht. Tatbestandsfeststellung durch das
Bundesgericht, Art. 82 Abs. 1 OG. Erw. 3.
Aus dem Tatbestand:
A. Im internationalen Markenregister wurde am 30. März 1908 unter Nr. 6800
die Wortmarke «Botot» für ein Mundwasser eingetragen und am 6. Februar 1928
unter Nr. 55900 erneuert. Am 20. April 1914 gelangte im gleichen Register und
für das gleiche Produkt unter Nr. 15733 eine kombinierte Wort- und Bildmarke
zur Eintragung, die am 5. März 1934 unter Nr. 85581 erneuert wurde. Die Marke
besteht in einer Etikette, die u. a. die Aufschrift «Seule véritable Eau
dentrifice de Botot» (das Wort «Botot» stark hervorgehoben) aufweist.
Das Mundwasser ist nach seinem Erfinder, M. J. Botot, Leibarzt König Ludwigs
XV., benannt. Es wurde unter dem Namen «Eau de Botot» von seinen
Rechtsnachfolgern vertrieben und hat sich unter diesem Namen beim Publikum
eingebürgert. Heutige Rechtsnachfolgerin Botot's und Inhaberin der Marken ist
die Erstklägerin, Witwe M. Th. Waldeck-Rousseau in Paris, die das Recht, Eau
de Botot herzustellen und zu vertreiben, vertraglich der Zweitklägerin,
Société d'Exploitation des Produits Botot, J. Brach & Cie, Paris, übertragen
hat.
B. Im 19. Jahrhundert fingen auch Apotheker, Drogisten und
Parfümeriefabrikanten an, Mundwasser nach der Botot'schen Formel herzustellen,
so ein A. Laurent, Fabrikant von Toilettenartikeln in Paris. Laurent
verwendete für seine Flaschen Etiketten mit der Aufschrift «Eau dite Botot»,
wobei «Eau» und «Botot» gegenüber dem kleiner und unauffällig geschriebenen
«dite» stark hervortraten.
Am 1. Juli 1883 verkaufte A Laurent sein
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Parfümeriegeschäft mit den zugehörigen Rezepten dem Vater des Beklagten, D.
Maeder, in Basel. Seither stellte der Käufer und nach ihm der Beklagte in
seinem Geschäfte «Eau de Botot» her und vertrieb es mit der oben
beschriebenen, seinerzeit vom Verkäufer A. Laurent verwendeten Etikette.
C. In der Verwendung des Namens Botot und der erwähnten Etikette erblicken
die Klägerinnen eine Verletzung ihrer Rechte. Sie stellten durch Klage vom 29.
März 1935 beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt gegen den Beklagten
die Rechtsbegehren:
«1. Es sei dem Beklagten zu verbieten, seine Produkte mit der Bezeichnung «Eau
de Botot», «Eau dite de Botot» oder mit einer andern, ähnlichen, den Namen
Botot enthaltenden Bezeichnung zu versehen und in Verkehr zu bringen.
2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die vom Beklagten verwendete
Etikette «Eau dite Botot» eine Nachahmung der von den Klägerinnen verwendeten
Etiketten darstelle.
3. Es sei dem Beklagten zu verbieten, die sub 2 hievor erwähnte Etikette
weiterhin zu verwenden.
4. Es sei die Zerstörung aller beim Beklagten vorhandenen, nachgemachten und
die Markenrechte der Klägerinnen verletzenden Etiketten anzuordnen.
5. Es sei der Beklagte zu verurteilen zur Zahlung von 10000 Fr. nebst Zins zu
5% seit Einreichung der Klage.
6. Es sei die Publikation des Urteils auf Kosten des Beklagten anzuordnen.»
Der Beklagte erklärte sich bereit, den Rechtsbegehren 1, 3 und 4 nachzukommen,
«ohne jedoch eine Rechtspflicht seinerseits oder einen rechtlichen Anspruch
der Klägerinnen anzuerkennen». Im übrigen beantragte er Abweisung der Klage.
D. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt behaftete in seinem
Urteil vom 6. März 1936 den Beklagten
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bei der Erklärung, dass er für seine Erzeugnisse die Bezeichnung Eau de Botot
oder ähnliche, den Namen Botot enthaltende Bezeichnungen und ebenso die
Etiketten mit der Bezeichnung Eau dite Botot nicht mehr verwenden, ferner,
dass er die bei ihm noch vorhandenen, diese Bezeichnung enthaltenden Etiketten
zerstören werde. Die weitergehenden Klagebegehren wurden abgewiesen, im
wesentlichen gestützt auf ein beim Präsidenten des baselstädtischen
Apothekerverbandes, H. Pfau, eingeholtes Gutachten und auf eine Auskunft des
schweizerischen Drogistenverbandes vom 5./ó. Dezember 1935.
E. Gegen dieses ihnen am 24. März 1936 zugestellte Urteil haben die
Klägerinnen am 7. April 1936 die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem
Antrag, die Klage sei in vollem Umfange gutzuheissen; eventuell sei die Sache
zur Beweisergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
In der Berufungserklärung werden zwei Aktenwidrigkeitsrügen erhoben.
In der heutigen Verhandlung haben die Klagerinnen die schriftlich gestellten
Anträge wiederholt, sich jedoch zum Verzicht auf Schadenersatz bereit erklärt,
sofern im übrigen die Klage geschützt werde.
Der Beklagte hat Abweisung der Berufung, eventuell Rückweisung der Sache an
die Vorinstanz zur Aktenvervollständigung beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Streitig ist nicht das Recht des Beklagten, Mundwasser nach der in
Fachkreisen jedenfalls zur Hauptsache allgemein bekannten und benützten
Botot'schen Formel herzustellen. Die Klage richtet sich, unter Berufung auf
die beiden internationalen Marken Nr. 55900 und Nr. 85581, lediglich dagegen,
dass der Beklagte für sein Mundwasser den Namen Botot und die bisherige
Etikette verwende.
2. Die Vorinstanz nimmt mit dem Beklagten an, der
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Name Botot habe bereits lange vor der am 30. März 1908 erfolgten Eintragung im
internationalen Markenregister seinen Charakter als Individualzeichen verloren
gehabt und sei zur generellen Sachbezeichnung für Mundwasser dieser Art
geworden. Sie stützt ihre Auffassung auf die Tatsache, dass die
Zusammensetzung des Eau de Botot im wesentlichen seit langer Zeit bekannt
gewesen sei. So habe der Rechtsvorgänger des Beklagten, A. Laurent, schon vor
dem Jahre 1863 ein solches Mundwasser unter der Bezeichnung Eau dite Botot
verkauft, und nach ihm dann die Firma des Beklagten, die diese Bezeichnung (im
Jahre 1883) von Laurent übernommen habe. Ferner sei nach dem Gutachten Pfau
der Name Botot bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in verschiedene
Manuale und Pharmakopoeen aufgenommen worden (Manuale der Apotheke Stooss in
Biel, Pharmacopoe Bernensis, Officine ou Répertoire général de Pharmacie
pratique von Dorvault, Pharmacopoeae Helveticae Supplementum, Schaffhausen).
Die Beschreibung des Mundwassers in den Pharmakopoeen habe jedem Fachmann die
Darstellung ermöglicht und damit das Individualzeichen Botot zur generellen
Sachbezeichnung gemacht.
Diese Auffassung der Vorinstanz über die Entwicklung eines Individualzeichens
zur Sachbezeichnung geht auf ältere markenrechtliche Entscheidungen des
Bundesgerichtes zurück, BGE 31 II 521 f. und 33 II 332, die im
vorinstanzlichen Urteil nicht ausdrücklich zitiert, deren Formulierungen aber
zum Teil wörtlich übernommen sind. Die erstere Entscheidung sprach den
Grundsatz aus, dass ein Individualzeichen durch die Aufnahme und Beschreibung
des Produktes in einer Pharmakopoee zur generellen Sachbezeichnung werde; in
der zweiten wurde ausgeführt, dass die Beziehung eines Warenzeichens zu einem
bestimmten Produzenten verschwinde, wenn auch andere Produzenten die gleiche
Ware herzustellen in der Lage seien.
Allein abgesehen davon, dass schon die ältere Praxis nicht einheitlich auf
diesem Boden stand (vgl. z. B.
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BGE 28 II 559), ist die erwähnte Auffassung auf jeden Fall durch die neuere
Rechtsprechung überholt. In keinem der beurteilten neuern Fälle, wo die
Zusammensetzung und Herstellungsweise eines Markenproduktes in Fachkreisen
bekannt geworden war, sei es durch wissenschaftliche Veröffentlichungen,
Pharmakopoeen, oder sonstwie, hat das Bundesgericht daraus für die Marke ohne
weiteres den Verlust des Individualzeichencharakters abgeleitet, vielmehr
wurden z. B. die Marken «Lysol» und «Bel Paese» trotz jenes Sachverhaltes
geschützt («Lysol»: BGE 57 II 605, sowie die nicht publizierte Erwägung 3 des
Urteils; «Bel Paese»: BGE 60 II 252 f.). In der Tat fällt eine Marke nicht
schon dadurch dem Gemeingebrauch anheim, dass auch noch andere Produzenten die
gleiche Waren herzustellen in der Lage sind oder tatsächlich herstellen; sonst
könnten konsequenterweise für solche Waren überhaupt keine Marken geführt
werden. Massgebend ist ausschliesslich, ob das bisherige Individualzeichen (in
Betracht kommen praktisch kaum andere als Wortmarken) im Verkehr nunmehr als
Gattungsbezeichnung gebraucht wird, gleichgültig von welchem Produzenten die
Ware stammt.
Damit soll nicht gesagt sein, dass das Offenkundigwerden der Zusammensetzung
und der Herstellungsweise eines Markenartikels für den Rechtsbestand der Marke
nicht von Bedeutung sein könne. Es ist ohne Zweifel geeignet, die Umwandlung
der Marke in eine generelle Sachbezeichnung zu begünstigen. Ebenso kann die
Tatsache, dass ein Warenzeichen in Druckwerken oder irgendwelchen andern
Veröffentlichungen ohne Hinweis auf seine Markenqualität erwähnt wird, unter
Umständen ein Indiz sein für die bereits erfolgte Umwandlung. Das gilt aber,
wie das Bundesgericht wiederholt erklärt hat, nicht bei Wörterbüchern und
wissenschaftlichen Abhandlungen; denn solchen Veröffentlichungen liegt der
Hinweis auf Individualrechte auch da, wo solche bestehen und in Fachkreisen
bekannt sind. ihrem Zwecke nach fern (BGE 57 II 608 und dortige
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Verweisungen; 60 II 255). Eher wird in dieser Hinsicht auf Pharmakopoeen
abgestellt werden dürfen. Nach der Feststellung der Vorinstanz ist Eau de
Botot in verschiedenen ältern Pharmakopoeen aufgeführt. Dabei handelt es sich
aber entweder um private Werke oder solche von örtlich beschränkter Bedeutung,
über deren Stellungnahme zu Markennamen ausserdem nichts Näheres bekannt ist.
In der schweizerischen Pharmakopoe, von der feststeht, dass bei ihrer
Redaktion die Aufnahme von Wortmarken grundsätzlich vermieden wurde (BGE 57 II
608), und die wegen ihres offiziellen Charakters für schweizerische
Verhältnisse in erster Linie massgebend ist, figuriert hingegen der Name Eau
de Botot gerade nicht. Als Ganzes genommen spricht daher die Sachlage bei den
Pharmakopoeen nicht nur nicht gegen, sondern sogar für den Fortbestand des
Markenrechtes.
Noch weniger ist Eau de Botot dadurch zum Freizeichen geworden, dass Name und
Rezept schon verhältnismässig frühe Aufnahme in Apothekermanuale gefunden
haben. Das beweist nur, dass den betreffenden Apothekern die Zusammensetzung
des Eau de Botot bereits bekannt war, wobei nichts näher lag, als das (freie)
Rezept mit dem Namen des Erfinders in den Manualen aufzuzeichnen; deswegen
brauchen die Apotheker das so hergestellte Mundwasser keineswegs auch unter
diesem Namen verkauft zu haben. Und hätten sie es getan, so bliebe noch immer
die Frage offen, ob sie sich dabei nicht bewusst geblieben sind, dass der Name
Eau de Botot eigentlich zum Produkt der Rechtsnachfolger Botots gehöre und
dass sie ihrerseits mit der Verwendung des Namens einen Missbrauch begehen.
Anders scheint es sich freilich beim Rechtsvorgänger des Beklagten, A.
Laurent, zu verhalten, der das Mundwasser schon vor 1863 unter dem Namen Eau
de Botot vertrieb und sich auf die Vorstellungen des Rechtsvorgängers der
Erstklägerin, V. C. Laurent-Richard, lediglich verpflichtete, nicht mehr die
bisherigen Flaschen und Etiketten zu
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verwenden, den Namen an sich aber für das Mundwasser beibehalten konnte und
ihn dann mit dem Rezepte an den Vater des Beklagten weitergab. Allein wie die
Vorinstanz anerkennt, genügte dieser vereinzelte Fall freier Verwendung des
Namens Botot nicht, um ihn in eine Sachbezeichnung umzuwandeln.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat somit der Beklagte nicht darzutun
vermocht, dass der Name Eau de Botot zur Zeit der Eintragung im
internationalen Markenregister bereits generelle Sachbezeichnung gewesen ist.
3. Entscheidend ist daher, ob sich dieser Umwandlungsprozess seit der
Eintragung vollzogen hat. Dabei darf die Umwandlung nicht leichthin angenommen
werden. Schon in den Anfängen des modernen Markenrechtes hat sich die
Literatur, gefolgt von der Gerichtspraxis, auf den Standpunkt gestellt, dass
ein Verzicht des Markeninhabers auf die Führung der Marke nicht zu vermuten
ist und dass ein blosses Tolerieren fremder Eingriffe nicht notwendig einem
Verzichte gleichkommt (vgl. z. B. DE MAILLARD DE MARAFY, Grand dictionnaire
international de la propriété industrielle, I S. 9 Nr. 3 und S. 20 ff. Nr. 31
ff.). Selbst bei verhältnismässig langer Untätigkeit des Berechtigten
gegenüber Verletzungshandlungen ist nach dieser Auffassung nicht ohne weiteres
auf Verzicht und Verfall an die Allgemeinheit zu schliessen. Eine andere
Einstellung würde zu Unbilligkeiten führen, indem es, insbesondere bei
Weltmarken, naturgemäss ausgeschlossen ist, dass der Inhaber überall und zu
gleicher Zeit Nachforschungen anstellen und sich gegen Verletzungen zur Wehr
setzen kann. Das wird für ihn umso schwerer sein, je besser die Marke ist und
je grösser infolgedessen der Anreiz, sie nachzumachen (DE MAILLARD DE MARAFY
a.a.O. spez. I S. 23 Nr. 37; BRUN, Les marques de fabrique et de commerce,
droit comparatif et droit international, S. 76 Nr. 57).
Gleiche Tendenzen beherrschen die neuzeitliche Auffassung,
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so geht die ganze neuere bundesgerichtliche Praxis von dem Grundsatze aus, die
Umwandlung einer geschützten Marke in ein Freizeichen stelle etwas
Aussergewöhnliches dar und trete nur unter ganz besondern Umständen ein,
nämlich dann, wenn die Erinnerung an die Zugehörigkeit der Marke zur Ware
eines bestimmten Produzenten oder Händlers sämtlichen beteiligten
Verkehrskreisen entschwunden sei, sodass sie nicht mehr als Herkunfts-,
sondern als Sachbezeichnung genommen werde und sich einer Rückwandlung trotz
darauf gerichteten Bemühungen als unzugänglich erweise (BGE 42 II 171; 55 II
347; 57 II 606 f.; 60 II 254). Diese Praxis wird unterstützt durch das auch in
internationalen Beziehungen immer mehr zu Tage tretende Bestreben, auf dem
Gebiete des Markenrechtes über die Beobachtung von Treu und Glauben zu wachen,
ein Bestreben, das ganz speziell in den neuesten Verträgen betreffend die
Herkunftsbezeichnungen seinen Ausdruck findet (BGE 55 II 347).
Um die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise in zuverlässiger Weise zu
ermitteln, ist regelmässig erforderlich, dass in allen diesen Kreisen
gerichtliche Erhebungen angestellt und dabei nach Möglichkeit verschiedene
Landesgegenden berücksichtigt werden. Das ist im vorliegenden Falle nicht in
hinlänglichem Masse geschehen. Die Vorinstanz hat sich darauf beschränkt, ein
Gutachten des Präsidenten des baselstädtischen Apothekerverbandes, Pfau, und
einen Bericht des Sekretariates des Schweizerischen Drogistenverbandes
einzuholen, die sich über die bei den Apothekern, den Drogisten und beim
Publikum herrschenden Auffassungen aussprechen. Grossisten sowie
wissenschaftliche Berufsarten, die sich mit Mundwassern zu befassen haben,
Chemiker, Ärzte und insbesondere Zahnärzte, sind überhaupt nicht zu Wort
gekommen. Ihre Anhörung wäre aber umso notwendiger gewesen, als Apotheker und
Drogisten Konkurrenten der Klägerinnen sind und daher leicht geneigt sein
werden, sich der Zugehörigkeit der Marke zum Botot'schen Originalprodukt
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nicht mehr zu erinnern (vgl. BGE 55 II 347; 60 II 254). Aus dem gleichen
Grunde hätte es sich aufgedrängt, die Auffassung des kaufenden Publikums durch
direkte Erhebungen zu ermitteln was wenigstens bei Grossverbrauchern, wie
Spitälern, Anstalten u. dergl. unschwer möglich gewesen wäre oder darüber
den Bericht eines unbefangenen, im Gegensatz zu Apothekern und Drogisten am
Prozessausgang nicht interessierten Experten einzuholen.
Nichtsdestoweniger ist die Feststellung der Vorinstanz, bei Drogisten und
Apothekern sowie beim Publikum sei das Bewusstsein der Zugehörigkeit des
Namens Botot zu einem bestimmten Produzenten geschwunden, für das
Bundesgericht gemäss Art. 81 OG verbindlich, sofern sie nicht mit den Akten im
Widerspruch steht oder auf einer Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften beruht. Tatsächlich haftet aber der Feststellung ein
solcher Mangel an. Die Klägerinnen haben 27 schriftliche Erklärungen von
Apothekern, Drogerien, Parfümerie- und andern Detailgeschäften zu den Akten
gegeben, in denen diese Firmen die Markenqualität des Namens Botot anerkennen
und sich verpflichten, den Namen für die von ihnen selbst hergestellten
Mundwasser nicht, bezw. nicht mehr zu verwenden. Über diese Erklärungen ist
die Vorinstanz vollständig hinweggegangen, ohne sie auch nur mit einem Worte
zu erwähnen und vor allem, ohne etwa ihre Echtheit in Zweifel zu ziehen, die
übrigens der Beklagte seinerseits auch gar nicht bestritten hat. In der
Nichtberücksichtigung an sich tauglicher Beweismittel liegt aber nach
ständiger Praxis eine Verletzung von Bundesrecht; denn damit wird die
betreffende Partei effektiv um ihr Recht zum Beweis (oder Gegenbeweis)
gebracht, das ihr als notwendiger Ausfluss des materiellen Anspruches von
bundesrechtswegen zustehen muss.
Ob die Feststellung der Vorinstanz auch als aktenwidrig anzusehen wäre, wie
die Klägerinnen geltend machen, kann unter diesen Umständen dahingestellt
bleiben. Sie ist auf
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jeden Fall unter Verletzung einer bundesrechtlichen Beweisvorschrift
zustandegekommen und erweist sich für das Bundesgericht schon aus diesem
Grunde als unverbindlich. Dabei kann von einer Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz Umgang genommen werden; das Bundesgericht ist im Sinne von Art. 82
Abs. 1 OG auf Grund der vorhandenen Akten selber in der Lage, den Tatbestand
festzustellen.
In den von den Klägerinnen eingelegten Bescheinigungen anerkennen ihre
Aussteller unzweideutig, sich bewusst geblieben zu sein, dass der Name Eau de
Botot als markenmässiges Attribut zum Produkt der Klägerinnen gehöre und daher
von andern Produzenten nicht verwendet werden dürfe. Dabei verteilen sich
diese Firmen auf verschiedene Landesgegenden und sowohl auf das deutsche wie
französische und .italienische Sprachgebiet; aus Basel, dem Geschäftssitz des
Beklagten, liegen allein sechs Erklärungen vor. Auch befinden sich neben
kleinern eine Reihe grösserer Geschäfte darunter, so die Drogueries Réunies S.
A. und Manuel & Cie in Lausanne, Innovation S. A., Pharmacies Populaires und
Tolédo frères S. A., Pharmacie Principale in Genf. Letztere Firma hat ihre
Erklärung vor der Cour de Justice Civile de Genève in einem von den heutigen
Klägerinnen gegen sie angestrengten Prozess abgegeben und sich für die
bisherige, missbräuchliche Verwendung des Namens Botot zur Bezahlung einer
Entschädigung von 1000 Fr. verpflichtet. Gegen diese ausdrücklichen
Anerkennungen von 27 einzelnen Firmen vermögen die generellen abweichenden
Äusserungen des Apotheker-Experten und des Drogistensekretariates nicht
aufzukommen. Sie zeigen lediglich, dass der Experte und das Sekretariat
entweder über die in ihren Branchen herrschenden Auffassungen nicht genügend
orientiert sind oder dass das Standes- bezw. Verbandsinteresse die unbefangene
Beurteilung der Verhältnisse beeinträchtigt hat. Die Äusserung des
Drogistensekretariates steht ausserdem in offenem Widerspruch zu einem
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Schreiben derselben Stelle vom 28. Juni 1933 an den damaligen Anwalt der
Klägerinnen, wo die Markenqualität des Namens Botot unmissverständlich
anerkannt und gegen allfälligen Missbrauch durch Verbandsmitglieder Vorkehren
seitens des Sekretariates zugesichert worden sind. Hiezu kommt, dass die von
den Klägerinnen vorgelegten Bescheinigungen aus verschiedenen Zweigen des
Detailhandels stammen, während sich das Gutachten und der Bericht des
Drogistensekretariates überhaupt nur auf Apotheken und Drogerien beziehen.
Dass die Klägerinnen nicht von allen Firmen, die bisher eigene Produkte unter
der Bezeichnung Eau de Botot verkauft haben, eine Anerkennung ihres
Markenrechtes beibringen konnten, verschlägt demgegenüber nichts. Sache des
Beklagten wäre es gewesen, den Nachweis dafür zu leisten, dass die
vorliegenden Firmen nur einen geringen Bruchteil der Gesamtheit ausmachen und
dass die grosse Mehrzahl der übrigen den Namen Botot als generelle
Sachbezeichnung gebrauchen. Diesen Nachweis hat er nicht erbracht und hätte
ihn offenbar auch nicht erbringen können; denn es ist wenig wahrscheinlich,
dass sich die vorliegenden Firmen, zumal die grössern, zur Anerkennung der
Marke (und die Tolédo frères S. A. sogar zur Bezahlung einer Entschädigung von
1000 Fr.) bereit gefunden hätten, wenn in andern Kreisen der betreffenden
Branche gutgläubigerweise eine gegenteilige Auffassung über die Bedeutung des
Namens Botot vertreten würde.
Unstichhaltig ist auch der Hinweis der Vorinstanz auf die Eidg. Arzneitaxe für
Lieferungen an die Militärverwaltung. Einwal steht nicht fest, dass dort unter
Eau de Botot nicht das Originalprodukt der Klägerinnen verstanden ist. Sodann
ergäbe sich daraus nur die Auffassung der Militärverwaltung, der die viel
gewichtigere Tatsache gegenübersteht, dass Eau de Botot auch in der letzten
Ausgabe der schweizerischen Pharmakopoe noch nicht figuriert.
Wenn auch der Name Botot unverkennbar im Begriffe
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war, sich zur generellen Sachbezeichnung zu entwickeln, so ist demnach diese
Entwicklung immerhin nicht zum Abschluss gekommen; ja es müsste, wenn die
Umwandlung seinerzeit entgegen dem vorliegenden Beweisergebnis tatsächlich
eingetreten wäre, angenommen werden, dass sich der Name dank der Bemühungen
der Klägerinnen seither jedenfalls im Detailhandel wieder zum
Individualzeichen zurückgebildet hätte. Welche Auffassung bei den Grossisten,
bei Ärzten und Zahnärzten herrscht, ist bei dieser Sachlage unerheblich. Für
den Bestand der Marke genügt es nach der oben angeführten Rechtsprechung, dass
sie auch nur in einem der beteiligten Verkehrskreise noch, bezw. wieder als
Individualzeichen angesehen wird (für die Rückbildung eines Freizeichens zum
Individualzeichen vgl. FINGER, Das Reichsgesetz zum Schutze der
Warenbezeichnungen, 3. Aufl. S. 115, PINZGER u. HEINEMANN, Das deutsche
Warenzeichenrecht, S. 71).
Schliesslich fällt zu Gunsten des streitigen Markenrechts in Betracht, dass
die Bezeichnung Eau de Botot auch in Frankreich und Deutschland weiterhin als
Marke geschützt ist. Freilich gilt für die Frage, welche Bedeutung der
Bezeichnung im Verkehr beigelegt werde, das Territorialprinzip, d. h.
massgebend ist die schweizerische Verkehrsauffassung. Wie das Bundesgericht
schon wiederholt ausgesprochen hat, liegt aber auf der Hand, dass bei einem
Erzeugnis von Weltruf die Anschauung der interessierten ausländischen
Verkehrskreise diejenige des Inlandes beeinflusst (BGE 55 II 347; 57 II 605).
Ein derartiger Einfluss aus den beiden der Schweiz benachbarten Ländern
Frankreich und Deutschland hat sich daher ohne Zweifel auch im vorliegenden
Falle geltend gemacht. Das wird insbesondere für Frankreich als Ursprungsland
zutreffen, aus dem das Botot'sche Originalprodukt heute noch eingeführt wird.
Anderseits dürfte auch dem Beispiel Deutschlands umso unbedenklicher gefolgt
werden, als dort die Eintragung im Jahre 1920 nach einlässlicher Vorprüfung
gegen den starken Widerstand des deutschen Apothekervereins
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und des deutschen Drogistenverbandes bewilligt worden ist.
4. Verstösst demnach die Verwendung des Namens Botot für die eigenen
Produkte des Beklagten gegen die im internationalen Register unter Nr. 55900
eingetragene Wortmarke, so ist sie ihm gemäss Klagebegehren 1 zu untersagen.
Davon wird ohne weiteres auch die Verwendung der bisherigen Etikette mit der
Aufschrift Eau dite Botot betroffen (Klagebegehren 3 und 4), ohne dass zu
untersuchen wäre, ob diese Etikette ausserdem die kombinierte Wort- und
Bildmarke Nr. 85581 verletzt. Einer besondern Feststellung im
Urteilsdispositiv, dass die vom Beklagten bisher verwendete Etikette
unzulässig sei (Klagebegehren 2), bedarf es indessen nicht; die Feststellung
bildet lediglich das Motiv für das Verbot der weitern Verwendung der Etikette
und gegebenenfalls für die Urteilspublikation.
Nun hat allerdings der Beklagte sich schon im kantonalen Verfahren bereit
erklärt, den Rechtsbegehren 1, 3 und 4 nachzukommen, «jedoch ohne eine
Rechtspflicht seinerseits oder einen Rechtsanspruch der Klägerinnen
anzuerkennen». Allein mit einer derart verklausulierten Anerkennung müssen
sich die Klägerinnen nicht begnügen. Die Pflicht des Beklagten, die
klägerische Marke zu respektieren, ist in Wirklichkeit eine rechtlich gegebene
und beruht nicht bloss auf einem freiwilligen Zugeständnis seinerseits, das
als solches eventuell später nach den Vorschriften des kantonalen
Prozessrechtes wieder anfechtbar wäre; deshalb haben die Klägerinnen einen
bundesrechtlichen Anspruch darauf, dass ihre Begehren urteilsmässig im
Dispositiv gutgeheissen werden.
Mit Rücksicht auf die langandauernde Verletzung ihrer Rechte durch den
Beklagten besteht bei den Klägerinnen auch ein schutzwürdiges Interesse an der
Publikation des Urteilsdispositivs in der Schweizerischen Apotheker- und in
der Schweizerischen Drogistenzeitung (Klagebegehren 6).
Ebenso wäre der Beklagte grundsätzlich zum Ersatze
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des den Klägerinnen durch die Markenrechtsverletzungen verursachten Schadens
verpflichtet (Klagebegehren 5). Die Klägerinnen haben jedoch vor Bundesgericht
darauf verzichtet für den nunmehr eingetretenen Fall, dass die Klage im
übrigen geschützt werde.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass
a) dem Beklagten verboten wird, seine Produkte unter der Bezeichnung «Eau de
Botot», «Eau dite Botot» oder unter einer andern den Namen Botot enthaltenden
Bezeichnung in den Verkehr zu bringen;
b) die Zerstörung aller beim Beklagten liegenden Etiketten angeordnet wird,
die die Aufschrift «Eau de Botot», «Eau dite Botot» oder eine andere den Namen
Botot enthaltende Aufschrift tragen;
c) den Klägerinnen das Recht eingeräumt wird, das Urteilsdispositiv auf Kosten
des Beklagten je einmal in der Schweizerischen Apotheker- und in der
Schweizerischen Drogistenzeitung zu veröffentlichen.