S. 196 / Nr. 41 Durchführung von Devisenabkommen (d)

BGE 62 I 196

41. Urteil des Kassationshofes vom 10. Juli 1936 i. S. Jawetz gegen
Schweizerische Verrechnungsstelle.

Regeste:
Verrechnungsverkehr mit Deutschland (Abkommen vom 26. Juli 1934 und 17. April
1935, BRB vom 27. Juli 1934 mit Ergänzungsbeschlüssen und BRB vom 28. Juni
1935):

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Dieser Verrechnungsverkehr erfasst auch den Bezug deutscher Waren durch
Vermittlung eines in einem Drittland wohnenden Lieferanten und gleichgültig
auf welchem Wege die Ware in die Schweiz gelangt ist (Erw. 1).
Die vorsätzliche wie auch die fahrlässige Widerhandlung ist strafbar (Erw. 2).
Die Pflicht zur Einzahlung des Kaufpreises an die Schweizerische Nationalbank
wird durch eine anderweitige Zahlung nicht hinfällig. Verurteilung zur
Einzahlung durch den Strafrichter von Amtes wegen. Stellung der
Schweizerischen Verrechnungsstelle im Strafverfahren (Erw. 3).
Der Strafanspruch aus der Widerhandlung besteht neben dem Anspruch auf
nachträgliche Erfüllung der Einzahlungspflicht (Erw. 4).

Der Kaufmann Samuel Jawetz in Basel ist von den Basler Strafgerichten (Urteil
des Polizeigerichts vom 25. Oktober, durch das Appellationsgericht bestätigt
am 25. November 1935) der vorsätzlichen und fahrlässigen Widerhandlung gegen
die Bestimmungen des Abkommens über den deutsch-schweizerischen
Verrechnungsverkehr schuldig erklärt und a) in Anwendung von Art. 11 des
Bundesratsbeschlusses vom 27. Juli 1934 über die Durchführung dieses Abkommens
und Art. 33 des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 zu 400 Fr. Busse
eventuell 40 Tagen Gefängnis, b) zu den Verfahrenskosten, und c) in Anwendung
von Art. 4 des erwähnten Bundesratsbeschlusses auf Begehren der
Schweizerischen Verrechnungsstelle zur Einzahlung von 726 Fr. 65 Cts. und dem
Gegenwert von 4616 RM 90 an die Schweizerische Nationalbank verurteilt worden.
Mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde beantragt er beim Kassationshof
des Bundesgerichts Aufhebung des kantonalen Urteils, Freispruch und Abweisung
des Einzahlungsbegehrens der Schweizerischen Verrechnungsstelle.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Nach den Feststellungen der kantonalen Gerichte, die den Akten nicht
widersprechen und daher für das Bundesgericht ohne weiteres verbindlich sind

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(Art. 275 BStrP), hat der Beschwerdeführer deutsche Waren, die er teils aus
Deutschland selbst bezog, teils sich durch einen in Wien ansässigen
Grosskaufmann liefern liess, in anderer Weise als durch Einzahlung des Preises
auf Verrechnungskonto der Schweizerischen Nationalbank beglichen. Darin liegt
ein Verstoss gegen das zwischen der Schweiz und Deutschland abgeschlossene
Verrechnungsabkommen vom 26. Juli 1934 bezw. das an dessen Stelle getretene,
seit dem 1. Mai 1935 in Kraft stehende neue Abkommen vom 17. April 1935, das
insoweit keine Änderung enthält und auf welches ebenfalls der
Bundesratsbeschluss vom 27. Juli 1934 mit den zugehörigen Änderungsbeschlüssen
Anwendung zu finden hat (Bundesratsbeschluss vom 28. Juni 1935). Hier fällt
namentlich auch in Betracht Art. 2 jenes Bundesratsbeschlusses, wonach auch
Zahlungen für Waren deutschen Ursprungs, welche über Drittländer in die
Schweiz eingeführt werden, den Vorschriften des Art. 1 unterliegen. Eine
Einfuhr aus Deutschland in diesem weiteren Sinne ist nicht nur dann gegeben,
wenn der Verkäufer in Deutschland wohnt und die Ware über ein Drittland nach
der Schweiz gehen lässt, sondern auch dann, wenn der Verkäufer selbst in einem
Drittlande wohnt und, wie es hier geschehen ist, seinerseits die Ware aus
Deutschland beschafft, um sie dann in die Schweiz gelangen zu lassen (vgl. BGE
60 I 171). Es kann dahingestellt bleiben, ob gegen diese Art des Warenbezuges
an und für sich etwas einzuwenden sei. Jedenfalls ist die Wahl einer
derartigen Geschäftsabwicklung nicht geeignet, die Preiszahlung dem
Verrechnungsverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland zu entziehen, sondern
der schweizerische Bezüger ist zur Einzahlung auf Verrechnungskonto
Deutschland der Schweizerischen Nationalbank gleich wie bei unmittelbarem
Bezug aus Deutschland verpflichtet, und eine andere Art der Zahlung stellt
eine Widerhandlung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 BRB dar.
2.- Dass der Beschwerdeführer die Widerhandlungen in den einen Fällen
vorsätzlich und in den andern fahrlässig

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begangen hat, wie in den kantonalen Urteilen ausgeführt ist, lässt sich
angesichts der aktenmässigen Feststellungen nicht ernstlich bestreiten.
Indessen macht der Beschwerdeführer ferner geltend, bloss fahrlässige
Widerhandlungen seien gar nicht strafbar. Es ist richtig, dass Art. 11 BRB die
fahrlässige Begehung nicht ausdrücklich unter Strafe stellt. Die vom Bundesrat
ausgesprochenen Strafdrohungen beruhen jedoch auf Art. 6 des Bundesbeschlusses
vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland,
der in Abs. 2 bestimmt, dass auch die fahrlässige Begehung strafbar sei. Diese
Norm kommt zur, Anwendung, obwohl sie (ungeschickterweise) im ausführenden
Bundesratsbeschluss nicht wiederholt worden ist.
Die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Strafsentenz erweist sich damit als
unbegründet.
3.- Die (durch Bundesratsbeschluss vom, 2. Oktober 1934 als offizielles Organ
zur Durchführung des Verrechnungsverkehrs mit dem Auslande gegründete)
Schweizerische Verrechnungsstelle ist von den kantonalen Gerichten auch mit
dem Begehren, den Beschuldigten zur Einzahlung der dem Verrechnungsverkehr
vorenthaltenen Beträge an die Schweizerische Nationalbank zu verurteilen,
geschützt worden. Die Zuständigkeit zur Beurteilung dieses Begehrens wird aus
§ 8 der kantonalen Strafprozessordnung hergeleitet, wonach der Geschädigte im
Strafverfahren Ansprüche aus der strafbaren Handlung geltend machen kann; es
rechtfertige sich, diese Bestimmung auch Ansprüchen zugute kommen zu lassen,
die aus der besonderen Causa des Clearingrechtes erhoben werden. An und für
sich ist es nun eine der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogene Frage
des kantonalen Prozessrechtes, ob und inwieweit im Strafverfahren Ansprüche
auf Entschädigung usw., sei es aus Zivil- oder aus öffentlichem Recht, zum
Gegenstand des Urteils gemacht werden können. Dagegen umfasst die dem
Bundesgericht obliegende Beurteilung des Anspruches selbst, wenn er auf
Bundesrecht

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gestützt wird (Art. 271 BStrP), auch die Prüfung der Frage, ob eine
gerichtlich verfolgbare Verpflichtung, wie die Verrechnungsstelle sie in
Anspruch nimmt, überhaupt besteht.
Die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 27. Juli 1934 enthalten in
dieser Hinsicht ein öffentlich-rechtliches Gebot, das sich jedoch nicht auf
eine öffentlich-rechtliche Abgabe, sondern auf eine zivilrechtliche
Verbindlichkeit bezieht. Mit Rücksicht auf die Interessen, denen das
kollektive Verrechnungssystem dienen will, werden nicht nur die bei der
Nationalbank eingegangenen Zahlungen zugunsten der Destinatäre verwaltet und
verwendet, sondern es wird bereits der Anspruch auf Einzahlung in gewisser
Hinsicht der privaten Willkür von Gläubiger und Schuldner entrückt, indem im
besondern eine Tilgung der Zahlungsschuld durch Verrechnung mit einer
Gegenforderung nicht uneingeschränkt nach Massgabe des Zivilrechts zulässig
ist; auch ist die Arrestierung und Pfändung solcher dem Verrechnungsverkehr
unterworfener Zahlungsforderungen ausgeschlossen (Kreisschreiben des
Bundesgerichts Nr. 25 und 26, BGE 62 III 1 und 49), da eben die Zahlung, die
der Schuldner zu leisten hat, gar nicht dem deutschen Gläubiger, sondern der
Nationalbank zu Handen der darauf berechtigten inländischen Destinatäre
zukommen soll. Ob sich aus dieser öffentlich-rechtlichen Beschlagnahme (BGE 61
III 207
) ohne weiteres ableiten liesse, die Pflicht zur Einzahlung an die
Nationalbank werde durch eine vorschriftswidrig in anderer Weise geleistete
Zahlung nicht berührt, mag fraglich erscheinen. Für den
deutsch-schweizerischen Verrechnungsverkehr schreibt indessen Art. 4 BRB vom
27. Juli 1934 ausdrücklich vor: «Zahlungen, die an deutsche bezw. in
Deutschland ansässige Gläubiger entgegen den Bestimmungen dieses
Bundesratsbeschlusses geleistet werden, entbinden nicht von der
Einzahlungspflicht an die Nationalbank». Der Schuldner, der einen andern als
den vorgeschriebenen Weg der Erfüllung seiner Zahlungsschuld eingeschlagen
hat,

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kann also die Einzahlung an die Nationalbank nicht mit Berufung darauf
verweigern. Es liegt auf der Hand, dass sich aus dieser Ordnung für den
Schuldner Unzukömmlichkeiten ergeben können, die, soweit der
Verrechnungsverkehr dadurch nicht beeinträchtigt wird, auch im Interesse der
Allgemeinheit gemildert zu werden verdienen. Gelingt es ihm, die
vorschriftswidrig ausserhalb des Verrechnungsverkehrs geleistete Zahlung
zurückzuerhalten (wozu die deutschen Amtsstellen nach den vorliegenden Akten
Hand bieten, sofern wenigstens der Zahlungsempfänger selbst dazu bereit ist),
so kann sich alles in der normalen Bahn abwickeln. Ist dagegen die
Rückerstattung nicht zu erwirken, so erhebt sich vor allem die Frage, ob nicht
schweizerischerseits eine entsprechende Korrektur durch Kürzung der an
Deutschland zu erteilenden Gutschrift vorgenommen werden dürfe, auf Grund
einer mit den deutschen Behörden in dem Sinne zu treffenden Verständigung,
dass der dergestalt befriedigte deutsche Gläubiger als Clearingsansprecher für
die betreffende Forderung ausgeschaltet und dass für den dadurch ausfallenden
Anspruch an die deutsche Clearingszahlstelle auf Gutschrift bei der
Schweizerischen Nationalbank verzichtet werde. Die Entlastung, die sich auf
solche Weise mittelbar aus der vorschriftswidrigen Zahlung für die
Schweizerische Nationalbank ergeben mag, allenfalls erst bei der
Schlussabrechnung, könnte dann eine entsprechende Rückvergütung an den
Schuldner rechtfertigen, sofern er gemäss der angeführten Bestimmung den
Schuldbetrag auch noch an die Nationalbank bezahlt hatte. Daraus, dass
vielleicht mit einer derartigen späteren Rückvergütung gerechnet werden kann,
lässt sich aber für den Übertreter kein Recht herleiten, die
Einzahlungspflicht gemäss Art. 4 BRB zum vornherein abzulehnen. Die
Verrechnungsstelle darf prompte Einzahlung verlangen, damit die Nationalbank
in der Auszahlung an die Destinatäre nicht gehindert sei. Die aus der Pflicht,
in dieser Weise unter Umständen doppelt zu leisten. entspringenden
Widerwärtigkeiten

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hat der Schuldner seinem eigenen vorschriftswidrigen Vorgehen zuzuschreiben.
Die Pflicht zur Einzahlung der in ihrer Höhe nicht bestrittenen
Kaufpreisbeträge an die Nationalbank gemäss den erwähnten Vorschriften ist
ohne Zweifel eine Rechtspflicht. Sie muss daher auch rechtskräftig und
vollstreckbar festgestellt werden können. Dafür fiel einmal der Weg einer (an
die vorgesetzten Behörden weiterziehbaren) Verwaltungsverfügung in Betracht,
daneben aber auch ein Antrag an den mit der Beurteilung der Übertretungen
befassten Strafrichter. Es stand zwar der Verrechnungsstelle nicht zu, im
Strafverfahren als Partei aufzutreten; sie ist lediglich antragstellende
Behörde. Die Einzahlungspflicht hat denn auch nicht den Ersatz eines Schadens
zum Gegenstand, den die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch die
Verrechnungsstelle, als Klägerin vor dem Richter einzufordern hätte. Es
handelt sich überhaupt nicht um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung,
sondern um eine kraft öffentlichen Rechts aus dem Warenbezug entstandene
Verpflichtung, die trotz der strafbaren anderweitigen Bezahlung fortbesteht
und vom Strafrichter von Amtes wegen auszusprechen ist, gerade so, wie der
Strafrichter im Verfahren betreffend Hinterziehung einer Handelsreisendentaxe
von Amtes wegen auf Nachzahlung der Taxe neben der Strafe zu erkennen hat
(Art. 14, letzter Absatz, des Bundesgesetzes über die Handelsreisenden vom 4.
Oktober 1930; vgl. ferner BGE 56 I 412). Daraus folgt übrigens, dass der
Verrechnungsstelle auch im Verfahren vor dem Kassationshof nicht eigentlich
Parteistellung zukommt und wohl die Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen die
Einzahlungspflicht nicht aussprechenden kantonalen Entscheid gleich wie im
Strafpunkt nicht von der Verrechnungsstelle, sondern von der
Bundesanwaltschaft ergriffen werden müsste (Art. 270 Abs. 2 BStrP in
Verbindung mit Art. 12 BRB vom 27. Juli 1934; vgl. auch BGE 62 I 55 ff.).
4.- Die Verurteilung zu Busse und zugleich zur Einzahlung

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an die Nationalbank ist also zu schützen. Dass beide Ansprüche miteinander
bestehen und nicht etwa der eine den andern ausschliesst, erhellt aus der
Bestimmung von Art. 4 neben den Strafbestimmungen des Art. 11 BRB. Eine
ähnliche Ordnung findet sich noch in andern Erlassen. Auf das
Handelsreisendengesetz ist bereits hingewiesen worden. Ebenso sieht Art. 1
Abs. 5 des ergänzenden Bundesgesetzes vom 29. März 1901 über den
Militärpflichtersatz vor, dass die Bestrafung wegen schuldhafter
Nichterfüllung die Verbindlichkeit zur Bezahlung des Pflichtersatzes nicht
aufhebe, und so war auch nach den Bundesratsbeschlüssen betreffend
Ausfuhrverbote vom 11. August 1916 (Art. 1) und 30. Juni 1917 (Art. 3) neben
der Bestrafung die Einziehung der Ware auszusprechen. Die kumulative
Verurteilung zu Nacherfüllung und Strafe entspricht hier aber nicht nur den
anzuwendenden Bestimmungen, sie widerspricht anderseits auch nicht der Logik,
entgegen der von W. BURCKHARDT in der Zeitschrift des bern. Juristenvereins
67, Seite 366, geäusserten Auffassung, es gehe nicht an, jemanden wegen
Ausübung einer Reisendentätigkeit ohne Bewilligung zu bestrafen und von ihm
zugleich die Nachzahlung der vorenthaltenen Bewilligungsgebühr zu verlangen.
Es lässt sich vielmehr sehr wohl rechtfertigen, den Übertreter solcher Gebote
neben der nachträglichen Erfüllung, wie sie auch der die Vorschriften
befolgende Bürger ohne weiteres zu leisten hat, zu Strafe für die Übertretung
zu verurteilen, die eben, auch wenn dem Gebot hinterher Nachachtung verschafft
werden kann, als begangene Rechtsverletzung zu sühnen ist.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 62 I 196
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 10. Juli 1936
Quelle : Bundesgericht
Status : 62 I 196
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Verrechnungsverkehr mit Deutschland (Abkommen vom 26. Juli 1934 und 17. April 1935, BRB vom 27...


BGE Register
56-I-409 • 60-I-168 • 61-III-204 • 62-I-196 • 62-I-55 • 62-III-1
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
nationalbank • deutschland • schuldner • verurteilung • kassationshof • bundesgericht • von amtes wegen • frage • nachzahlung • busse • zahlung • strafgericht • entscheid • erfüllung der obligation • lieferung • richterliche behörde • beschlagnahme • verfahrenspartei • ermässigung • beurteilung
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