S. 170 / Nr. 49 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (Zivilabteilungen) (d)

BGE 61 III 170

49. Beschluss der I. Zivilabteilung vom 13. November 1935 i. S. Affolter,
Christen & Cie A.G. gegen Winkler und Langguth.

Regeste:
Einer Konkursmasse kann das Armenrecht nicht gewährt werden.
Kann die Masse die Prozesskosten nicht aufbringen und werden diese von den
Gläubigern nicht vorgeschossen, oder will die

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Masse den Prozess nicht führen, so ist den Gläubigern die Abtretung des
Prozessführungsrechtes anzubieten.
Art. 212 Og. Art. 207 , 260 SchKG. Art. 63 KV.
Le bénéfice de l'assistance judiciaire gratuite ne saurait être accordé à une
masse en faillite.
Si la masse ne peut payer les frais du procès et que les créanciers n'en
fassent pas l'avance ou si la masse ne veut pas poursuivre l'instance, la
cession du droit de faire le procès doit être offerte aux créanciers. Art. 212
OG; 207, 260 LP; 63 ord. faillite.
Ad una massa fallimentare non può essere concesso il beneficio del patrocinio
gratuito.
Se la massa non può sottostare alle spese o se i creditori non le anticipano o
se la massa intende rinunciare alla causa, essa offrirà ai creditori la
cessione del diritto di promuoverla. Art. 212 OGF; 207, 260 LEF; 63
regolamento sull'amministrazione dei fallimenti.

A. - Die Klägerin hat die Beklagten Winkler und Langguth als Solidarschuldner
aus Wechselbürgschaft auf die Bezahlung von 13113 Fr. nebst Zinsen und Kosten
belangt. Die Klage ist von beiden kantonalen Instanzen abgewiesen worden. Mit
der vorliegenden Berufung beantragt die Klägerin erneut die Gutheissung der
Klage.
B. - Über den Beklagten Winkler war schon am 9. Mai 1935, also schon vor dem
Erlass des Appellationsentscheides, jedoch ohne dass das Gericht davon
Kenntnis hatte, der Konkurs eröffnet worden, der im summarischen Verfahren
(Art. 231 SchKG) durchgeführt wird.
Das Konkursamt von Basel-Stadt hat, auf die Aufforderung hin, sich darüber zu
erklären, ob die Konkursmasse des Johann Winkler den Prozess weiterführen
wolle oder nicht, mit Zuschrift vom 26. Oktober 1935 das Gesuch um Gewährung
des Armenrechtes für die Masse gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass
die Aktiven der Masse ausschliesslich aus Liegenschaften bestehen. Der Erlös
aus deren Verwertung werde höchstwahrscheinlich die hypothekarische Belastung
nicht übersteigen. Für den Fall der Verweigerung des Armenrechtes erklärt das
Konkursamt, auf die Weiterführung des Prozesses zu verzichten.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Prozess der Klägerin gegen den Beklagten Winkler dreht sich um die
Frage, ob der Klägerin gegen Winkler ein schuldrechtlicher Anspruch aus
Wechselbürgschaft zustehe; wird diese Frage bejaht, so ist die Klägerin mit
ihrem Anspruch im Konkurs Winklers zu kollozieren. Es handelt sich also um
einen Prozess, der gemäss Art. 207 Abs. 1 SchKG einzustellen ist und in dem
somit ausschliesslich die Konkursverwaltung an Stelle des Gemeinschuldners
handeln kann. Führt die Masse den Prozess weiter, so gelten die Prozesskosten,
die ihr im Falle des Unterliegens auferlegt werden, sofern und soweit nicht
bereits vor der Konkurseröffnung über ihre Tragung rechtskräftig entschieden
worden ist, als Massaschulden, also nicht als persönliche Schulden des
Gemeinschuldners (JAEGER, Kommentar zum SchKG, Band II Anm. 9 zu Art. 207, S.
70). Bei einem Passivprozess, bei dem eine Schuld des Gemeinschuldners im
Streite liegt, kann bei einem Verzicht der Masse auf die Fortführung des
Prozesses der Gemeinschuldner ihn nicht auf eigene Rechnung weiterführen. Er
kann lediglich gegenüber einer späteren Geltendmachung des Verlustscheines für
die fragliche Forderung die Einrede der Nichtschuld erheben, wie aus Art. 265
Abs. 1 SchKG abzuleiten ist (JAEGER, 1. c. S. 69; BGE 18 S. 932).
2.- Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich, dass eine Erteilung des
Armenrechtes an die Masse im Hinblick auf die Vermögenslage des
Gemeinschuldners nicht in Frage kommen kann. In gleicher Weise, wie die
Gläubiger bei Leistung eines Kostenvorschusses die Durchführung des Konkurses
(Art. 169 SchKG) und die Durchführung des ordentlichen statt des summarischen
Verfahrens (Art. 231 Abs. 2 SchKG) verlangen können, so können sie auch die
Fortführung eines Prozesses durch die Masse ermöglichen, wenn sie der
Konkursverwaltung die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen (BGE 24 I S.
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).
Auch nach dem deutschen Recht ist die Frage, ob der

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Konkursverwalter einen Rechtsstreit der Masse im Armenrecht führen könne, vom
Reichsgericht verneint worden (Entscheide des Reichsgerichtes in Zivilsachen
33 S. 366 ff.; 81 S. 292 f.).
3.- Für das schweizerische Recht folgt die Richtigkeit der vorstehenden Lösung
zudem aus der dem deutschen Recht unbekannten Bestimmung des Art. 260 SchKG in
seiner durch Art. 63 der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter
von 1911 (KV) ausgedehnten Bedeutung. Danach hat die streitige Forderung der
Klägerin pro memoria im Kollokationsplan des Konkurses Winkler vorgemerkt
werden müssen (Art. 63 Abs. 1 KV). Will das Konkursamt den Prozess nicht
fortsetzen, weil er nach seiner Auffassung für die Masse kein Interesse
bietet, so muss es nach der Vorschrift von Art. 260 SchKG den Gläubigern
Gelegenheit geben, dies an Stelle der Masse zu tun. Macht kein Gläubiger von
diesem Angebot Gebrauch, so wird die Forderung als anerkannt betrachtet, und
die Gläubiger haben kein Recht mehr, deren Kollokation nach Art. 250 SchKG
anzufechten (Art. 63 Abs. 2 KV). Wird dagegen der Prozess von einem oder
mehreren Gläubigern fortgeführt, so wird je nach dessen Ausgang die Forderung
entweder gestrichen oder endgültig kolloziert; im letzteren Fall kann die
Kollokation von den Gläubigern wiederum nicht angefochten werden (Art. 63 Abs.
3 KV). Wird die Klägerin mit ihrer Forderung im Prozess abgewiesen, so kommt
die Konkursdividende, die zufolge des Verzichtes der Masse und der darin
liegenden Klageanerkennung auf die Klägerin entfallen wäre, den in den Prozess
eingetretenen Gläubigern zu gut bis zum Betrage ihrer Forderung
einschliesslich der Prozesskosten, und der Überschuss ist gemäss dem
berichtigten Kollokationsplan zu verteilen (Art. 250 Abs. 2 bezw. Art. 260
Abs. 2 SchKG).
Die für die Gläubiger der Konkursmasse Winkler bestehende Möglichkeit, an
Stelle der Masse den Prozess weiterzuführen, schliesst es daher unter allen
Umständen

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aus, dass der Masse das Armenrecht deshalb gewährt werden könnte, weil ihre
Passiven die Aktiven übersteigen, wie dies in sozusagen allen Konkursen der
Fall ist.
Demnach beschliesst das Bundesgericht:
1. Das Armenrechtsgesuch der Konkursmasse Winkler wird abgewiesen.
2. Vom Verzicht der Masse auf die Weiterführung des Prozesses wird Vormerk
genommen.
3. Das Konkursamt Basel-Stadt wird aufgefordert, innert der Frist von einem
Monat von der Zustellung des vorliegenden Entscheides an dem Bundesgericht
mitzuteilen, ob einer oder mehrere Gläubiger den Prozess namens der
Konkursmasse Winkler weiterführen wollen.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 61 III 170
Data : 01. gennaio 1935
Pubblicato : 13. novembre 1935
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 61 III 170
Ramo giuridico : DTF - Diritto delle esecuzioni e del fallimento
Oggetto : Einer Konkursmasse kann das Armenrecht nicht gewährt werden.Kann die Masse die Prozesskosten nicht...


Registro di legislazione
LEF: 169  207  212  231  250  260  265
OG: 212
Registro DTF
24-I-494 • 61-III-170
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
misura • massa fallimentare • am • posto • ufficio dei fallimenti • quesito • amministrazione del fallimento • convenuto • tribunale federale • graduatoria • procedura sommaria • basilea città • volontà • casale • decisione • dividendi del fallimento • proposta di contratto • bilancio • prolungamento • motivazione della decisione • calcolo • esattezza • termine • regolamento concernente l'amministrazione degli uffici dei fallimenti • affare civile • attestato di carenza beni • annotazione • conoscenza • diritto delle esecuzioni e del fallimento • indebito • anticipo delle spese • mese • diritto svizzero • ordine religioso
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