S. 118 / Nr. 34 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 61 III 118

34. Entscheid vom 18. September 1935 i. S. Einwohnergemeinde Köniz.


Seite: 118
Regeste:
Zwangsversteigerung von Liegenschaften:
Fällige Forderungen mit gesetzlichem, jedoch allen übrigen Pfandrechten
nachgehendem Grundpfandrecht dürfen nicht dem Ersteigerer ohne Abrechnung am
Zuschlagspreis überbunden werden.
Vente aux enchères d'immeubles:
Les dettes échues garanties par hypothèque légale postérieure en rang à toutes
les autres garanties hypothécaires ne peuvent être mises à la charge de
l'adjudicataire sans imputation sur le prix de vente.
Vendita di fondi all'asta:
I debiti scaduti garantiti da ipoteca legale posteriore in rango a tutti gli
altri diritti garantiti da pegno immobiliare non possono essere accollati
all'aggiudicatario senza imputazione sul prezzo di vendita.

Art. 109 Ziff. 6 des EG zum ZGB für den Kanton Bern bestimmt: «Ein
gesetzliches Grundpfandrecht besteht ohne Eintragung in das Grundbuch
zugunsten der Gemeinde, allen übrigen Pfandrechten nachgehend, für die durch
Reglement geordneten Beiträge der Grundeigentümer an den Kosten der Erstellung
und des Unterhaltes von Strassen, Trottoirs, Abzugskanälen, Beleuchtungs- und
Wasserleitungsanlagen u. dgl. auf den betreffenden Grundstücken».
Dementsprechend stellte das Betreibungsamt Bern im Lastenverzeichnis für die
Versteigerung des Grundstückes Nr. 3946 in Köniz zugunsten dieser Gemeinde als
letzte grundversicherte Forderungen ein die in den letzten Jahren verfallenen
Kanalisationseinkaufssumme, Stationsstrassenbeitrag und Vermessungsbeitrag.
Die gleichen Forderungen stellte das Betreibungsamt aber auch in Ziff. 8 litt.
b der Steigerungsbedingungen ein, also in die Rubrik: «Ohne Abrechnung an der
Kaufsumme hat der Ersteigerer zu übernehmen bezw. bar zu bezahlen: die im
Zeitpunkt der Versteigerung noch nicht fälligen und deshalb im
Lastenverzeichnis nicht aufgeführten Forderungen

Seite: 119
mit gesetzlichem Pfandrecht (Brandassekuranzsteuern, Liegenschaftssteuern),
ferner die laufenden öffentlich-rechtlichen Abgaben für Wasser, Elektrizität,
Abfuhrwesen usf.»
Gegen letzteres führte der Grundpfandgläubiger Baumgartner Beschwerde.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 29. August die angefochtene Verfügung
aufgehoben.
Diesen Entscheid hat die Einwohnergemeinde Köniz an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Antrag, die Aufnahme der Kanalisationseinkaufssumme in
den Steigerungsbedingungen sei mit der Einschränkung zu schützen, dass sie
nicht Schuldübernahme-Charakter haben, sondern zur Orientierung des
Ersteigerers dienen soll in dem Sinne, dass, soweit der Steigerungserlös die
Kanalisations-Einkaufssumme nicht deckt, die Gemeinde den Ausfall gegenüber
dem Erwerber als neuem Eigentümer geltend machen kann.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Die angeführte Rubrik Ziff. 8 litt. b der Steigerungsbedingungen entspricht
dem Art. 49 der Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken, der
lautet: «Ohne Abrechnung am Zuschlagspreis sind dem Ersteigerer durch die
Steigerungsbedingungen zu überbinden: a) die Verwertungskosten usw., b) die im
Zeitpunkt der Versteigerung noch nicht fälligen und daher im Lastenverzeichnis
nicht aufgeführten Forderungen mit gesetzlichem Pfandrecht (Art. 836
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 836 - 1 Räumt das kantonale Recht dem Gläubiger für Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen, einen Anspruch auf ein Pfandrecht ein, so entsteht dieses mit der Eintragung in das Grundbuch.
1    Räumt das kantonale Recht dem Gläubiger für Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen, einen Anspruch auf ein Pfandrecht ein, so entsteht dieses mit der Eintragung in das Grundbuch.
2    Entstehen gesetzliche Pfandrechte im Betrag von über 1000 Franken aufgrund des kantonalen Rechts ohne Eintragung im Grundbuch und werden sie nicht innert vier Monaten nach der Fälligkeit der zugrunde liegenden Forderung, spätestens jedoch innert zwei Jahren seit der Entstehung der Forderung in das Grundbuch eingetragen, so können sie nach Ablauf der Eintragungsfrist Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht mehr entgegengehalten werden.
3    Einschränkendere Regelungen des kantonalen Rechts bleiben vorbehalten.
ZGB,
Brandassekuranzsteuern, Liegenschaftssteuern usw.), ferner die laufenden
Abgaben für Gas, Wasser, Elektrizität und dergleichen. Zu weiteren Zahlungen
über den Zuschlagspreis hinaus kann der Ersteigerer nicht verpflichtet
werden.» Diese Vorschrift ist das Gegenstück der Art. 46
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 46 - 1 Auf Abrechnung am Zuschlagspreis ist in den Steigerungsbedingungen vom Ersteigerer Barzahlung zu verlangen für die fälligen, durch vertragliches oder gesetzliches Pfandrecht gesicherten Kapitalforderungen, die fälligen Kapitalzinse, inbegriffen Verzugszinse und Betreibungskosten, die Verwaltungskosten, soweit sie nicht aus den eingegangenen Erträgnissen Deckung finden, die Verwertungskosten und für den allfälligen, den Gesamtbetrag der pfandgesicherten Forderungen übersteigenden Mehrerlös.71
1    Auf Abrechnung am Zuschlagspreis ist in den Steigerungsbedingungen vom Ersteigerer Barzahlung zu verlangen für die fälligen, durch vertragliches oder gesetzliches Pfandrecht gesicherten Kapitalforderungen, die fälligen Kapitalzinse, inbegriffen Verzugszinse und Betreibungskosten, die Verwaltungskosten, soweit sie nicht aus den eingegangenen Erträgnissen Deckung finden, die Verwertungskosten und für den allfälligen, den Gesamtbetrag der pfandgesicherten Forderungen übersteigenden Mehrerlös.71
2    Als fällig sind diejenigen Kapital- und Zinsforderungen zu behandeln, die nach den Angaben im rechtskräftigen Lastenverzeichnis im Zeitpunkt der Versteigerung fällig sind, inbegriffen solche mit gesetzlichem Pfandrecht, sowie in Betreibung gesetzte Pfandforderungen, wenn ein Rechtsvorschlag nicht erfolgt oder gerichtlich aufgehoben worden ist.
3    Pfandforderungen, die nicht fällig sind, müssen dem Ersteigerer stets überbunden werden (Art. 45 Abs. 1 Buchst. a hiervor).
und 68
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 68 - 1 Gleichzeitig mit der Anmeldung des Eigentumsübergangs zur Eintragung im Grundbuch hat das Betreibungsamt zur Löschung anzumelden:
1    Gleichzeitig mit der Anmeldung des Eigentumsübergangs zur Eintragung im Grundbuch hat das Betreibungsamt zur Löschung anzumelden:
a  leere Pfandstellen sowie Eigentümerpfandtitel, über die der Schuldner nicht verfügt hat (Art. 815 ZGB95). Sind solche Titel verpfändet und ist die Faustpfandforderung fällig und deshalb dem Ersteigerer die entsprechende Pfandschuld nicht überbunden worden, so sind die Titel ebenfalls zu entkräften oder insoweit abzuschreiben, als sie durch den Zuschlagspreis nicht gedeckt sind;
b  die Pfandrechte und sonstigen Lasten, die nicht überbunden werden konnten;
c  die infolge der Pfändung des Grundstückes vorgemerkte Verfügungsbeschränkung (Art. 15 Abs. 1 Buchst. a hiervor).
2    Ferner sind allfällige, im Lastenbereinigungsverfahren festgestellte, noch nicht im Grundbuch eingetragene Lasten (Dienstbarkeiten u.dgl.) zur Eintragung anzumelden.
VZG, wonach
der Ersteigerer für die im Lastenverzeichnis als fällig angegebenen
Forderungen mit gesetzlichem Pfandrecht

Seite: 120
auf Abrechnung am Zuschlagspreis Barzahlung zu leisten hat (die zwar allfällig
durch Schuldübernahme u. dergl. ersetzt werden kann, aber natürlich wiederum
nur auf Abrechnung am Zuschlagspreise), und dass die Pfandrechte, welche nicht
auf Abrechnung am Zuschlagspreis überbunden werden konnten, als infolge der
Zwangsversteigerung untergegangen im Grundbuch zu löschen sind. Damit ist
ausgeschlossen, dass der Ersteigerer irgendwie für den Ausfall einer im
Lastenverzeichnis als fällig angegebenen Forderung mit gesetzlichem Pfandrecht
nach der Steigerung noch in Anspruch genommen werden könnte. Kann die
Steigerung somit zur Folge haben, dass die Rekurrentin ihre Forderung auf
Beitrag an die Kanalisation und dergl. verliert, so ist dies der ihr vom
kantonalen Recht zuerkannten schlechten Rangstellung zuzuschreiben. Diese
Folge könnte nur durch Einräumung eines wirklichen Vorzugspfandrechtes (im
Vorrang) abgewendet werden, dagegen nicht auf dem eingeschlagenen Schleichweg,
weil dieser von den angeführten bundesrechtlichen Bestimmungen durchkreuzt
wird. Ebensowenig kann der in der Rechtsprechung des kantonalen
Verwaltungsgerichtes aufgestellte Satz, dass die Abgabe für
Kanalisationsanschluss bei einem späteren Eigentümer des Gebäudes eingefordert
werden kann, noch durchgreifen, sobald einmal eine Zwangsverwertung
stattgefunden hat. Vielmehr ist kein anderer als der von BLUMENSTEIN in seiner
Zeitschrift 32 S. 276 vorgeschlagene Behelf zur Sicherung vor Verlust der
Forderung ersichtlich, nämlich den Anschluss von einer Kostenvorschussleistung
abhängig zu machen, die gegebenenfalls zum voraus zwangsweise eingetrieben
werden könnte.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 III 118
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 18. September 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 III 118
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Zwangsversteigerung von Liegenschaften:Fällige Forderungen mit gesetzlichem, jedoch allen übrigen...


Gesetzesregister
VZG: 46 
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 46 - 1 Auf Abrechnung am Zuschlagspreis ist in den Steigerungsbedingungen vom Ersteigerer Barzahlung zu verlangen für die fälligen, durch vertragliches oder gesetzliches Pfandrecht gesicherten Kapitalforderungen, die fälligen Kapitalzinse, inbegriffen Verzugszinse und Betreibungskosten, die Verwaltungskosten, soweit sie nicht aus den eingegangenen Erträgnissen Deckung finden, die Verwertungskosten und für den allfälligen, den Gesamtbetrag der pfandgesicherten Forderungen übersteigenden Mehrerlös.71
1    Auf Abrechnung am Zuschlagspreis ist in den Steigerungsbedingungen vom Ersteigerer Barzahlung zu verlangen für die fälligen, durch vertragliches oder gesetzliches Pfandrecht gesicherten Kapitalforderungen, die fälligen Kapitalzinse, inbegriffen Verzugszinse und Betreibungskosten, die Verwaltungskosten, soweit sie nicht aus den eingegangenen Erträgnissen Deckung finden, die Verwertungskosten und für den allfälligen, den Gesamtbetrag der pfandgesicherten Forderungen übersteigenden Mehrerlös.71
2    Als fällig sind diejenigen Kapital- und Zinsforderungen zu behandeln, die nach den Angaben im rechtskräftigen Lastenverzeichnis im Zeitpunkt der Versteigerung fällig sind, inbegriffen solche mit gesetzlichem Pfandrecht, sowie in Betreibung gesetzte Pfandforderungen, wenn ein Rechtsvorschlag nicht erfolgt oder gerichtlich aufgehoben worden ist.
3    Pfandforderungen, die nicht fällig sind, müssen dem Ersteigerer stets überbunden werden (Art. 45 Abs. 1 Buchst. a hiervor).
68
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 68 - 1 Gleichzeitig mit der Anmeldung des Eigentumsübergangs zur Eintragung im Grundbuch hat das Betreibungsamt zur Löschung anzumelden:
1    Gleichzeitig mit der Anmeldung des Eigentumsübergangs zur Eintragung im Grundbuch hat das Betreibungsamt zur Löschung anzumelden:
a  leere Pfandstellen sowie Eigentümerpfandtitel, über die der Schuldner nicht verfügt hat (Art. 815 ZGB95). Sind solche Titel verpfändet und ist die Faustpfandforderung fällig und deshalb dem Ersteigerer die entsprechende Pfandschuld nicht überbunden worden, so sind die Titel ebenfalls zu entkräften oder insoweit abzuschreiben, als sie durch den Zuschlagspreis nicht gedeckt sind;
b  die Pfandrechte und sonstigen Lasten, die nicht überbunden werden konnten;
c  die infolge der Pfändung des Grundstückes vorgemerkte Verfügungsbeschränkung (Art. 15 Abs. 1 Buchst. a hiervor).
2    Ferner sind allfällige, im Lastenbereinigungsverfahren festgestellte, noch nicht im Grundbuch eingetragene Lasten (Dienstbarkeiten u.dgl.) zur Eintragung anzumelden.
ZGB: 836
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 836 - 1 Räumt das kantonale Recht dem Gläubiger für Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen, einen Anspruch auf ein Pfandrecht ein, so entsteht dieses mit der Eintragung in das Grundbuch.
1    Räumt das kantonale Recht dem Gläubiger für Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen, einen Anspruch auf ein Pfandrecht ein, so entsteht dieses mit der Eintragung in das Grundbuch.
2    Entstehen gesetzliche Pfandrechte im Betrag von über 1000 Franken aufgrund des kantonalen Rechts ohne Eintragung im Grundbuch und werden sie nicht innert vier Monaten nach der Fälligkeit der zugrunde liegenden Forderung, spätestens jedoch innert zwei Jahren seit der Entstehung der Forderung in das Grundbuch eingetragen, so können sie nach Ablauf der Eintragungsfrist Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht mehr entgegengehalten werden.
3    Einschränkendere Regelungen des kantonalen Rechts bleiben vorbehalten.
BGE Register
61-III-118
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ersteigerer • lastenverzeichnis • steigerungsbedingungen • versteigerung • gemeinde • betreibungsamt • liegenschaftssteuer • grundbuch • zwangsversteigerung • wasser • entscheid • eintragung • aufhebung • trottoir • kantonales recht • schuldbetreibungs- und konkursrecht • charakter • gesetzliches grundpfandrecht • barzahlung • einkaufssumme
... Alle anzeigen