S. 254 / Nr. 57 Obligationenrecht (d)

BGE 61 II 254

57. Auszug aus dem Urteil der 1. Zivilabteilung vom 15. Oktober 1935 i. S.
Oberhänsli gegen Zürcher Ziegeleien A.-G.

Regeste:
Inwieweit ist eine Lehmgrube ein Werk im Sinne von Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
1    Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.
OR?

Die erste Instanz hat die Anwendbarkeit des Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
1    Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.
OR verneint mit der
Begründung, eine Lehmgrube sei kein Werk, weil sie nicht erst erstellt zu
werden brauche. Diese Auffassung wird jedoch dem Rechtsbegriff des Werkes, wie
er sich in der Praxis des Bundesgerichtes herausgebildet

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hat, nicht gerecht. Wenn auch der Erdboden in seiner natürlichen Gestalt kein
Werk ist, so gilt er doch als solches, sobald er durch die Hand des Menschen
so umgewandelt worden ist, dass er in seiner neuen Gestalt zu einer Quelle
ähnlicher Gefahren für Dritte werden kann, wie sie einem Gebäude innewohnen
(BGE 44 II S. 189). In Anwendung dieses Grundsatzes hat das Bundesgericht denn
auch schon wiederholt Gräben, die bei Tiefbauarbeiten ausgehoben wurden, als
Werke bezeichnet (BGE 25 II S. 111; 42 II S. 256). Danach müssen aber auch die
Gräben, die sich im Verlaufe der Ausbeutung einer Lehmgrube bilden, als Werke
betrachtet werden. Dass die Gräben nicht Selbstzweck, sondern nur die
natürliche, sogar unerwünschte Folge der Gewinnung von Material zum Zwecke der
industriellen Verwertung sind, ist nicht von entscheidender Bedeutung, wie
gerade das Beispiel der Gräben bei Tiefbauarbeiten beweist, die ja ebenfalls
nicht Selbstzweck sind.
Wenn daher in BGE 32 II S. 557, auf welchen Entscheid sich die erste Instanz
gestützt hat, beiläufig bemerkt wird, dass eine Lehmgrube kein Werk sei, so
hält diese Auffassung, soweit darunter auch eine durch menschliche Tätigkeit
bewirkte Umgestaltung des Erdbodens verstanden wird, einer erneuten Prüfung
nicht stand.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 II 254
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 15. Oktober 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 II 254
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Inwieweit ist eine Lehmgrube ein Werk im Sinne von Art. 58 OR?


Gesetzesregister
OR: 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
1    Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.
BGE Register
25-II-105 • 32-II-555 • 44-II-187 • 61-II-254
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • erste instanz • entscheid • weiler