S. 269 / Nr. 42 Erbrecht (d)

BGE 60 II 269

42. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Juni 1934 i. S. Schwarz gegen Wwe
Schwarz-Blocherer und Genossen, sowie Gassmann.

Regeste:
Erbvertrag (Erbverzicht). Art. 499 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 499 - Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind.
., 512 ZGB.
Entsprechend den Vorschriften über das öffentliche Testament ist beim
Erbvertrag eine ausdrückliche an die Urkundszeugen gerichtete
Rekognitionserklärung der Parteien erforderlich.
Belanglos ist, ob diese Erklärung vor oder nach der Unterzeichnung des
Vertrages abgegeben wird.

A. - Der am 12. Januar 1931 verstorbene Fridolin Schwarz, der seine zweite
Ehefrau, einen Sohn aus erster Ehe sowie zwei Söhne aus der zweiten Ehe
hinterlässt, hatte am 18. Januar 1929 mit dem Sohn aus erster Ehe, Fritz
Schwarz, auf dem Notariat Aussersihl in Zürich vor Notar Gassmann folgenden
«Erbverzichtsvertrag» abgeschlossen:
«Vor mir dem unterzeichneten öffentlichen Notar des
Kreises Aussersihl-Zürich ... sind heute erschienen die mir persönlich
bekannten ... (folgen die Namen der Vertragsparteien) und erklärten, sie
wünschen die Beurkundung des nachstehenden Erbverzichtsvertrages.
Erbverzichtsvertrag.
1. Fritz Schwarz, Sohn, wohnhaft in Thalwil verzichtet hiemit für sich und
seine Nachkommen auf alle

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erbrechtlichen Ansprüche am Nachlasse seines Vaters Friedolin Schwarz,
Dienerstrasse 58 in Zürich.
2. Als Auskaufsumme für diesen Erbverzicht erhält der Verzichtende von seinem
Vater eine einmalige Entschädigung von 13000 Fr. Dreizehntausend Franken und
erklärt dieselben bar erhalten zu haben.
3. Wenn demnach Friedolin Schwarz stirbt, so fällt Fritz Schwarz als Erbe weg
und geht der Nachlass an die übrigen gesetzlichen Erben über.
4. Auf die amtliche Eröffnung des Vertrages wird verzichtet.
Zürich, den 18. Januar 1929.
L. S. (Folgen die Unterschriften der Vertragsparteien und des Notars.)
Erklärung der Zeugen:
Wir die unterzeichneten erbetenen Zeugen:
1. Alfred Kunz... Stadtpolizist...
2. Hermann Müller... Polizeimann... bestätigen hiemit gemäss Art. 501 und 502
des Zivilgesetzbuches, dass Friedolin Schwarz und sein Sohn Fritz Schwarz vor
uns in Gegenwart des Urkundsbeamten H. Gassmann, Notar, die Erklärung
abgegeben, sie haben die vorliegende unmittelbar vorher aufgesetzte Urkunde
gelesen und sie enthalte ihre übereinstimmende Willensmeinung.
Ferner bestätigen wir, dass die genannten vertragsschliessenden Personen die
Urkunde vor uns und dem Urkundsbeamten unterzeichnet und sich nach unserer
Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden haben.
(Folgen die Unterschriften der Zeugen.)»
Diesen Vertrag ficht Fritz Schwarz mit der am 4. März 1931 gegen die
Stiefmutter und die beiden Halbbrüder eingeleiteten Klage als ungültig an: der
Vertrag sei simuliert, eventuell wegen Willensmängeln für ihn nicht
verbindlich. Später machte der Kläger Überdies geltend,

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der Vertrag leide an Formmängeln. Der Vater habe ihm die Ausrichtung der 13000
Fr. nicht als Erbauskaufsumme, sondern lediglich als Vorschuss für die
Übernahme eines Coiffeurgeschäftes zugesichert und ihn dann auch zur
Verschreibung auf das Notariat bestellt, ohne dass von einem Erbverzicht die
Rede gewesen wäre. Dort habe nun der Notar ein bereits fertig vorliegendes
Schriftstück, den Erbverzichtsvertrag, verlesen, sich im übrigen darauf
beschränkt, den Parteien zu zeigen, wo sie zu unterschreiben hätten, und,
während sie unterschrieben, sich weggewendet und in der Kanzlei andere
Geschäfte besorgt. Sodann hätten die Parteien weder dem Notar noch den Zeugen
erklärt, sie hätten die Urkunde gelesen und sie enthalte ihren Willen. Den
Vorschriften von Art. 512
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 512 - 1 Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
1    Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
2    Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig dem Beamten ihren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben.
ZGB sei somit in verschiedener Hinsicht nicht
nachgelebt worden. Den Einwand der Simulation, welcher sich auf die anlässlich
der Verschreibung zwischen Vater und Sohn (angeblich) geführte Unterredung
stützte, liess der Kläger in der Folge fallen. Dagegen hielt er an der
Täuschungs- und der Irrtumseinrede fest. Der Vater habe ihn mit der Erklärung,
es handle sich um eine blosse Formalität, über seine wahre Absicht getäuscht,
die dann namentlich in dem schon einen Monat später errichteten Testament, in
dem er den Kläger nicht bedacht hat, zum Ausdruck genommen sei. Jedenfalls
aber liege Irrtum vor: «Es muss ohne weiteres angenommen werden, dass niemand
auf sein Erbrecht verzichten würde, wenn er wüsste, dass er dies durch
Unterzeichnung eines solchen Vertrages machte.» Der Kläger sei überrumpelt und
zur Unterzeichnung eines Vertrages und damit zur Abgabe einer Erklärung
veranlasst worden, die er «bewusst» nie abgegeben hätte.
Die Beklagten sowie Notar Gassmann, dem sie den Streit verkündet hatten und
der neben ihnen zur Abwehr der Klage dem Streit beigetreten war, beantragten
Abweisung der Klage.
B. - Die Ungültigkeitsklage wurde vom Bezirksgericht

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Zürich aus dem Gesichtspunkte der Formwidrigkeit des Erbverzichtsvertrages
geschützt, vom Obergericht dagegen, das sowohl die Beanstandung der
Vertragsform wie auch die auf Willensmängel gegründete Anfechtung als
unbegründet erachtete, am 27. März 1934 abgewiesen.
C. - Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag auf Gutheissung der Ungültigkeitsklage.
Die Beklagten und der Litisdenunziat beantragen Bestätigung des
obergerichtlichen Urteils.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Art. 512
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 512 - 1 Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
1    Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
2    Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig dem Beamten ihren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben.
ZGB bestimmt:
«Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen
letztwilligen Verfügung.
Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig dem Beamten ihren Willen zu
erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben.»
Wie das Bundesgericht bereits ausgesprochen hat, wird der in Abs. 1 enthaltene
Hinweis auf die Vorschriften betreffend die Errichtung öffentlicher Testamente
(speziell Art. 500 und 501) durch Abs. 2 in keiner Weise eingeschränkt.
Insbesondere will das Gesetz die Vertragschliessenden nicht von der nach Art.
501 beim Testament erforderlichen Erklärung gegenüber den Zeugen entbinden und
es bei der Willensmitteilung an den Notar genügen lassen. Vielmehr stellt Art.
512 in Abs. 2 weitere Erfordernisse auf, die zu denen des Art. 501
hinzuzutreten haben. Wenn dabei von der Erklärung des Willens an den Beamten
die Rede ist, so liegt der Nachdruck auf dem Worte «gleichzeitig»; damit ist
zunächst gesagt, dass - entsprechend der vertraglichen Natur des Geschäftes -
im Unterschied zum Testament nicht nur der Erblasser, sondern beide Parteien
dem Notar ihren Willen zu erklären haben, und ferner, dass dies in
unmittelbarer Folge zu geschehen habe, das Erfordernis der Einheit des Aktes
sich also auch auf diese Willensmitteilung

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beziehe (BGE 48 II S. 67). Daraus kann aber nicht etwa geschlossen werden, ein
Erbvertrag sei ungültig, wenn der Notar schon vorher, gegebenenfalls nur durch
die eine Vertragspartei, über den gewünschten Inhalt des zu verurkundenden
Vertrages unterrichtet worden ist, mag ihm jene Partei auch einen
Vertragsentwurf als Vorlage unterbreitet haben. Art. 512 verlangt nur, dass
dann jedenfalls bei der Verurkundung beide Parteien anwesend seien und dem
Notar ihren übereinstimmenden Willen äussern. Der Notar hat sich also bei der
Verurkundung in allen Fällen darüber zu vergewissern, dass die Parteien über
den Abschluss des Vertrages und den Inhalt der einzelnen Bestimmungen einig
sind.
Dass es hiefür einer förmlichen, ausdrücklichen Erklärung an den
Urkundsbeamten bedürfe, ist der Vorschrift von Art. 512 Abs. 2 nicht zu
entnehmen. Es handelt sich um nichts anderes als die Willensmitteilung im
Sinne von Art. 500, mit der erwähnten Besonderheit, dass beim Erbvertrag die
Willenseinigung zweier (oder mehrerer) Parteien vorliegen muss. Naturgemäss
wird sich zunächst die eine oder andere Partei über den gewünschten
Vertragsinhalt wenigstens dem Grundsatze nach auszusprechen haben, worauf dann
das Nähere durch Besprechung mit dem Urkundsbeamten festgelegt werden mag. Es
ist aber für die in Frage stehende Willenserklärung oder -mitteilung nicht
erforderlich, dass die Beteiligten den fertigen, allenfalls bereinigten
Vertragstext hersagen (ablesen) oder überhaupt ihr Einverständnis damit
ausdrücklich, etwa durch Bejahung einer bezüglichen Frage des Urkundsbeamten,
erklären; vielmehr ist lediglich eine eindeutige Bekundung des
übereinstimmenden Willens notwendig, wie sie auch durch beredtes
Stillschweigen erfolgen kann und in der Regel in der vorbehaltlosen
Unterzeichnung des gelesenen Vertrages zu erblicken sein wird.
Insoweit ist dem Art. 512 Abs. 2 hier genügt worden, und es steht ferner fest.
dass die Parteien in Gegenwart

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der beiden Zeugen unterzeichnet haben. Freilich behauptet der Kläger, die
Unterzeichnung habe nicht auch vor dem Urkundsbeamten stattgefunden, da sich
dieser andern Geschäften zugewendet habe. Allein die Vorinstanz stellt fest,
dass der Notar sich andauernd im Verurkundungsraum befunden und die
Unterzeichnung tatsächlich Überwacht hat. Diese Feststellung wird vom Kläger
mit Unrecht als aktenwidrig angefochten. Sie stützt sich auf die der
Vorinstanz bekannten räumlichen Verhältnisse auf dem Notariat Aussersihl in
Verbindung mit der Zeugenbescheinigung, welche die Vorinstanz als
zuverlässiger erachtet als die Aussagen der Urkundszeugen im vorliegenden
Prozesse; an diese Art der Beweiswürdigung ist das Bundesgericht gebunden. Von
irgendwelchem Verstoss gegen Art. 512 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 512 - 1 Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
1    Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
2    Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig dem Beamten ihren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben.
ZGB kann somit nicht die Rede
sein.
Es steht nichts entgegen, dass die Urkunde, die unterzeichnet werden soll, von
der Urkundsperson bereits vor dem Verurkundungsverfahren erstellt werde (BGE
53 II 442; 55 II 235, wo das als selbstverständlich vorausgesetzt ist). Hier
ist dies übrigens nicht geschehen, sondern nach der Feststellung der
Vorinstanz ist die Urkunde vor den Parteien aufgesetzt worden. Die Vorinstanz
schliesst dies aus der äusseren Erscheinung der mit Maschine geschriebenen
Urkunde selbst, die keine nachträglichen Einschaltungen erkennen lässt, also
wohl samt der Angabe der Personalien der Urkundszeugen, die dem Urkundsbeamten
vorher noch gar nicht bekannt sein konnten, erst anlässlich der Verurkundung
angefertigt worden sein muss. Diese Annahme ist mit den Akten, speziell mit
der Originalurkunde, sehr wohl verträglich. Der Hinweis des Klägers auf die
Aussagen des Notars geht fehl; dann dessen Erklärung, er glaube nicht, dass er
den Vertrag «abgefasst» habe, bezieht sich nach dem Zusammenhang
offensichtlich auf die Frage nach einer allfälligen vorherigen
Vertragsredaktion. Und die Würdigung der Aussagen der Urkundszeugen

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stand, wie bereits bemerkt, im Ermessen der Vorinstanz, die über die Tatfragen
zu entscheiden berufen war. In der fraglichen Beziehung lag es übrigens, zumal
angesichts des Urkundstextes, nahe, nicht auf die Aussagen der Zeugen
abzustellen; denn sie mussten zuerst eine Weile ausserhalb des
Verurkundungsraumes warten, und während dieser Zeit konnte die Urkunde
errichtet werden.
Wenn die Vorinstanz ferner vom Vorlesen der Urkunde durch den Notar spricht,
so hat mit Rücksicht auf ihre Erklärung, sich an die Zeugenbescheinigung
halten zu wollen, ausserdem als festgestellt zu gelten, dass die Parteien die
Urkunde, bevor sie unterschrieben, auch noch gelesen haben. Die Frage stellt
sich daher nicht, ob eine unrichtige Beurkundung, die Parteien hätten gelesen,
anstatt der Notar habe vorgelesen, rechtserheblich wäre.
Dagegen hat die Vorinstanz, wie es scheint, übersehen, dass es neben der
Willenserklärung an den Urkundsbeamten (gemäss Art. 500 und 512 Abs. 2) einer
förmlichen Bestätigung des verurkundeten Geschäftes gegenüber den zwei Zeugen
bedarf; Art. 501
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 501 - 1 Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
1    Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
2    Die Zeugen haben auf der Urkunde mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe.
3    Es ist nicht erforderlich, dass die Zeugen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten.
ZGB. Nach dieser Bestimmung handelt es sich um einen
Bestätigungsakt, der nur durch eine ausdrückliche an die Zeugen gerichtete
Erklärung vollzogen werden kann. Dass die in der Unterzeichnung des Vertrages
gipfelnde Willenseinigung nicht genügt, erhellt schon daraus, dass die
Erklärung unmittelbar «nach der Datierung und Unterzeichnung» abgegeben werden
soll, also zur Vertragsunterzeichnung hinzuzutreten hat. Freilich hat Art. 501
zunächst den Fall im Auge, dass die Zeugen erst nach der Datierung und
Unterzeichnung hereingerufen werden. Daraus möchte vielleicht geschlossen
werden, es bedürfe keiner ausdrücklichen Rekognitionserklärung, wenn die
Zeugen schon bei der Unterzeichnung der Urkunde zugegen waren (wie es für den
Erbvertrag nach Art. 512 Abs. 2 vorgeschrieben ist und hier tatsächlich
zutraf). Allein diese einschränkende Auslegung wird der Bestimmung

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nicht gerecht, die eben in jedem Falle eine förmliche, d. h. ausdrückliche
Erklärung gegenüber den Zeugen verlangt. Einzuräumen ist nur, dass die
Reihenfolge der Verurkundungsphasen nicht als derart wesentlich erscheint,
dass nicht auch eine unmittelbar nach dem Lesen der Urkunde, vor der
Unterzeichnung, oder bei Anlass der Unterzeichnung abgegebene Erklärung, die
im übrigen dem Art. 501
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 501 - 1 Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
1    Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
2    Die Zeugen haben auf der Urkunde mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe.
3    Es ist nicht erforderlich, dass die Zeugen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten.
ZGB genügt, als hinreichend erachtet werden könnte. Es
ist auch nicht notwendig, dass die Parteien zwei getrennte Erklärungen
abgeben, die eine an den Urkundsbeamten und die andere an die Zeugen. Vielmehr
ist eine vor der Unterzeichnung der Urkunde an die Zeugen gerichtete
Erklärung, die ja nach Art. 501 in Gegenwart des Urkundsbeamten erfolgen muss,
zugleich als Willenserklärung im Sinne von Art. 500 bezw. 512 Abs. 2 zu
berücksichtigen, sofern es in diesem Stadium des Verfahrens zur Ergänzung der
vorausgegangenen Besprechung noch einer solchen bedarf. Einmal aber, sei es
vor, während oder nach der Unterzeichnung, muss eine dem Art. 501 genügende
Rekognitionserklärung erfolgen. Geschieht es nicht, so fehlt der Verurkundung
ein wesentliches Formerfordernis.
Durch die Feststellungen der Vorinstanz ist dieser Punkt nicht genügend
abgeklärt. Die Vorinstanz zieht neben der Zeugenbescheinigung die Aussagen des
Urkundsbeamten in Betracht, aus denen sie folgert, er habe, wie er das
allgemein zu tun pflege, auch hier, als er den Parteien die Urkunde zum Lesen
und Unterzeichnen unterbreitete, die Frage gestellt, ob die Urkunde richtig
oder in Ordnung sei. Mit der Aussage des Notars, er glaube selber nicht, dass
er auf seine Frage ein ausdrückliches Ja bekommen habe, hat sich die
Vorinstanz nicht auseinandergesetzt, offenbar eben auf Grund der unrichtigen
Annahme, es genüge irgendeine Art der Zustimmung. Aus der weiteren Aussage des
Notars: «Wenn die Parteien nichts sagen und unterschreiben, so sollte das
genügen», erhellt übrigens, dass er ebenfalls dieser Ansicht

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war, und daraus möchte weiter geschlossen werden, er habe die Parteien auch
nicht zur Abgabe einer solchen, für die Zeugen bestimmten Erklärung
angehalten, m. a. W. nicht für die Einhaltung der in Rede stehenden
Solemnitätsform gesorgt. Die Vorinstanz hat sich nicht darüber ausgesprochen,
ob sie in vollem Umfang auf die Aussagen des Urkundsbeamten abstellen will
oder nicht bezw. ob sie trotz diesen Aussagen die Zeugenbescheinigung dahin
verstehen und würdigen will, es sei tatsächlich eine ausdrückliche Erklärung,
die dem Art. 501 genügt, abgegeben worden. Die Sache ist zur näheren Abklärung
an die Vorinstanz zurückzuweisen, die, sei es lediglich auf Grund der
vorliegenden Akten, sei es, wenn sie es für angezeigt hält, nach Durchführung
weiterer Beweismassnahmen, ein neues Urteil auszufällen hat.
2.- (Ablehnung der aus Willensmängeln hergeleiteten Anfechtungsgründe).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich vom 27. März 1934 aufgehoben und die Sache zu neuer
Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 II 269
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 22. Juni 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 II 269
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Erbvertrag (Erbverzicht). Art. 499 ff., 512 ZGB.Entsprechend den Vorschriften über das öffentliche...


Gesetzesregister
ZGB: 499 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 499 - Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind.
501 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 501 - 1 Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
1    Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
2    Die Zeugen haben auf der Urkunde mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe.
3    Es ist nicht erforderlich, dass die Zeugen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten.
512
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 512 - 1 Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
1    Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
2    Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig dem Beamten ihren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben.
BGE Register
48-II-63 • 53-II-442 • 55-II-235 • 60-II-269
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
notar • zeuge • vorinstanz • wille • erbvertrag • frage • testament • bundesgericht • erbverzichtsvertrag • vater • vertragspartei • erbverzicht • ehe • erbrecht • bewilligung oder genehmigung • unterschrift • beklagter • form und inhalt • zivilgesetzbuch • richtigkeit
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