S. 32 / Nr. 8 Pfandnachlassverfahren (d)

BGE 59 III 32

8. Entscheid vom 4. Februar 1933 i. S. Häfliger.

Regeste:
Pfandnachlassverfahren (Bundesbeschluss vom 30. September 1932):
Art. 294
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 294 - 1 Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
1    Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
2    Der Schuldner und gegebenenfalls der antragstellende Gläubiger sind vorgängig zu einer Verhandlung vorzuladen. Der provisorische Sachwalter erstattet mündlich oder schriftlich Bericht. Das Gericht kann weitere Gläubiger anhören.
3    Besteht keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages, so eröffnet das Gericht von Amtes wegen den Konkurs.
SchKG: Anhörung des Schuldners (Erw. 3).
Art. 295
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 295 - 1 Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
1    Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
2    Dem Sachwalter stehen insbesondere folgende Aufgaben zu:
a  er entwirft den Nachlassvertrag, sofern dies erforderlich ist;
b  er überwacht die Handlungen des Schuldners;
c  er erfüllt die in den Artikeln 298-302 und 304 bezeichneten Aufgaben;
d  er erstattet auf Anordnung des Nachlassgerichts Zwischenberichte und orientiert die Gläubiger über den Verlauf der Stundung.
3    Das Nachlassgericht kann dem Sachwalter weitere Aufgaben zuweisen.
4    Auf die Geschäftsführung des Sachwalters sind die Artikel 8, 8a, 10, 11, 14, 17-19, 34 und 35 sinngemäss anwendbar.528
SchKG: Sachwalter, Wählbarkeitsvoraussetzungen (Erw. 4 e.).
Art. 1 zit. BBeschl.: Nachweis des Beitrittes zur paritätischen
Arbeitslosenkasse des Hotelgewerbes (Erw. 4 a). Objektive und subjektive
Voraussetzungen der Sanierbarbeit (Erw. 4 b-c).
Art. 1, 5, 29, zit. BBeschl.: Inwiefern kann von einem Nachlassvertrag mit den
Kurrentgläubigern abgesehen werden? (Erw. 4 d).
Art. 31 zit. BBeschl.: Rekurs an das Bundesgericht, Schranken der
Überprüfungsbefugnis (Erw. 1).
Procédure de concordat hypothécaire (Arrêté fédéral du 30 septembre 1932):
Art. 294 LP: Audition du débiteur (consid. 3).
Art. 296 LP: Choix du commissaire (consid. 4 e.).
Art. 1er de l'arrêté: Preuve de l'affiliation à la caisse paritaire
d'assurance chômage (consid. 4 a). Conditions dans lesquelles l'assainissement
financier peut être considéré comme réalisable, tant en ce qui concerne le
titulaire de l'entreprise qu'en ce qui concerne cette dernière elle-même
(consid. 4 b-c).
Art. 1er, 5, 29 de l'arrêté: Dans quelle mesure le débiteur peut-il se
dispenser de conclure un concordat avec les créanciers chirographaires?
(consid. 4 d).

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Art. 31 de l'arrêté: Recours au Tribunal fédéral; limites du pouvoir de
contrôle (consid. 1).
Procedura di concordato ipotecario (Decreto federale del 30 settembre 1932):
Art. 294 LEF: Interpellazione del debitore (consid. 3). Art. 295 LEF: Nomina
del commissario (consid. 4 e).
Art. 1 del decreto: Prova d'appartenenza alla cassa d'assicurazione contro la
disoccupazione (consid. 4 a). Condizioni alle quali il risanamento finanziario
può essere ritenuto conseguibile tanto in riguardo del titolare dell'azienda
che in riguardo dell'azienda stessa (consid. 4 b-c).
Art. 1, 5, 29 del decreto: In qual misura è lecito prescindere d'un concordato
coi creditori chirografari? (consid. 4 d).
Art. 31 del decreto: Ricorso al Tribunale federale; limiti della facoltà di
controllo (consid. 1).

A. - Die nicht im Handelsregister eingetragene Rekurrentin erwarb am 15. Juni
1929 auf einer Grundpfandverwertungssteigerung die Kurhausliegenschaft
Hinterlützelau in Weggis nebst Mobiliar um 81500 Fr., woran sie rund 70000 Fr.
an Grundpfandkapitalforderungen übernahm. Seither belastete sie die
Liegenschaft mit weitern 11/2 Dutzend Schuldbriefen im Gesamtbetrage von über
40000 Fr., die zum grösseren Teil verpfändet sind, teilweise für Forderungen
in geringerem Betrag als dem Nominalbetrage.
Anfangs 1932 wurde infolge Insolvenzerklärung der Konkurs über die Rekurrentin
eröffnet, der vom Konkursamt Weggis verwaltet wurde, jedoch mit einem am 6.
Oktober von der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern
bestätigten Nachlassvertrag der Kurrentgläubiger endigte, denen eine
Nachlassdividende von 20% ausgerichtet wurde.
B. - Am 29. November stellte die Rekurrentin das Gesuch um Eröffnung des
Pfandnachlassverfahrens, wobei sie als Sachwalter Louis Bannwart in Luzern
vorschlug. Sie brachte wesentlich vor: Sie sei infolge des Rückganges der
Fremdenfrequenz in Schwierigkeiten geraten und werde gegenwärtig von
verschiedenen Pfandgläubigern bedrängt. Gerade seit der Übernahme des
Unternehmens habe sich die Krise für das Gastgewerbe in wesentlich

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verschärfter Form geltend gemacht. Eine andere Existenz als durch den Betrieb
der Kurhausliegenschaft könne sie nicht finden. Nachdem durch den
gerichtlichen Nachlassvertrag die Sanierung mit den Lieferantenposten
durchgeführt sei, komme nur noch ein Pfandnachlassverfahren mit den
Grundpfandgläubigern in Frage, weshalb sich eine Nachlassstundung zur
Durchführung des Verfahrens erübrige.
Auf telephonisches Ersuchen der Nachlassbehörde hin erstattete das Konkursamt
Weggis am 2. Dezember einen Bericht, dem folgendes zu entnehmen ist: Bücher
wurden nicht geführt. Die Saison 1929 war für die Hotellerie von Weggis sehr
gut, die Saison 1930 normal. Trotzdem blieb die Rekurrentin schon pro 1930
Steuern und Wasserzins, sowie Hypothekarzinse zum grösseren Teile schuldig. Im
Konkurs wurden ausstehende Kurrentforderungen von rund 45000 Fr. zugelassen.
Als die Rekurrentin während des Konkursverfahrens den Kurhausbetrieb
weiterführte, vermochte sie trotz durchschnittlich guter Frequenz nichts für
Patentgebühren, Steuern, Kurtaxen oder Hypothekarzinsen herauszuwirtschaften.
Von dem neu aufgenommenen Kapital wurden etwelche tausend Franken in die
Wasseranlage investiert, die dem Geschäft allerdings kaum etwas nützen werden,
solange es von der Rekurrentin geführt werde. Aus all dem schliesst der
Konkursbeamte, dass die Rekurrentin nicht zufolge der Krise, sondern wegen
mangelnder Fähigkeit zu richtiger Geschäftsführung die Hypothekarzinse nicht
bezahlen könne.
D. - Der Amtsgerichtspräsident von Luzern-Land hat am 6. Januar 1933 das
Gesuch abgewiesen. Zur Begründung wurde zunächst angeführt, die Rekurrentin
habe weder bewiesen noch auch nur behauptet, dass sie irgendwelche Schritte
zwecks Beitrittes zur paritätischen Arbeitslosenkasse getan habe. Im weitern
wurde wesentlich auf den Bericht des Konkursbeamten abgestellt, auch bezüglich
der persönlichen Geschäftstüchtigkeit der Rekurrentin, und schliesslich der
Betrieb mit einer

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Pfandkapitalbelastung von rund 113000 Fr. als auch in guten Jahren nicht
lebensfähig bezeichnet, «wie es sich unzweideutig gezeigt hat».
E. - Diesen Entscheid hat die Rekurrentin an das Bundesgericht weitergezogen,
unter Erneuerung ihres Gesuches und unter Beilage einer (formularmässigen)
Bestätigung der paritätischen Arbeitslosenkasse für das Hotelgewerbe vom 2.
Januar über den erfolgten Beitritt. Dabei hat die Rekurrentin im wesentlichen
noch folgendes vorgebracht: Früher war der Betrieb alkoholfrei und
vegetarisch, jetzt aber, seit 1. Juli 1929, auf Alkoholausschank umgestellt,
was grosse Reklame zur Anwerbung einer neuen Kundschaft nötig machte - deren
anerkennende Schreiben vorgelegt werden -, weshalb in den allerersten Jahren
ohnehin nicht mit Gewinn gerechnet werden durfte. Enorme Aufwendungen wurden
für bauliche Zwecke gemacht, nämlich für die Beschaffung von Quellwasser und
Auffindung und Nutzbarmachung des früher einmal ausgenützten, seit langem
versiegten Heilwassers (hiefür allein mindestens 15000 Fr.), sodann zur
Ergänzung des Inventars zwecks Erhöhung der Bettenzahl von 25 auf 32, und
schliesslich für das Nachlassverfahren. Die bevorstehende Fertigstellung des
Ausbaues der Strasse Luzern-Vitznau wird neuen Verkehr bringen. Unfähigkeit
der Betriebsführung wird bestritten, dagegen zu rasche und hohe Investierung
eventuell zugegeben.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1.- Der Entscheid über die Eröffnung oder Nichteröffnung des
Pfandnachlassverfahrens kann «gemäss Art. 19
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
SchKG» au das Bundesgericht
weitergezogen werden (Art. 31 Abs. 2 des Bundesbeschlusses über das
Pfandnachlassverfahren für die Hotel- und die Stickereiindustrie vom 30.
September 1932, im folgenden «Bundesbeschluss» genannt). Hieraus folgt ohne
weiteres, dass

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bezw. nur wegen Bundesrechtsverletzung gutgeheissen werden können, dass das
Bundesgericht also im allgemeinen die Feststellungen der Nachlassbehörde über
tatsächliche Verhältnisse als richtig anzunehmen hat und insbesondere keine
neuen Behauptungen aufgestellt und keine neuen Beweisanträge gestellt werden
können (ausser von solchen Pfandgläubigern, welche keine Gelegenheit hatten,
sich im Verfahren vor der Nachlassbehörde zu beteiligen) (Art. 80 und 81 des
Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege).
2.- Das Pfandnachlassverfahren bildet einen Bestandteil des allgemeinen
Nachlassverfahrens; der Schuldner, der davon Gebrauch machen will, hat das
Gesuch um Eröffnung des Verfahrens gleichzeitig mit der Einreichung des
Nachlassvertragsentwurfes gemäss Art. 293
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 293 - Das Nachlassverfahren wird eingeleitet durch:
a  ein Gesuch des Schuldners mit folgenden Beilagen: eine aktuelle Bilanz, eine Erfolgsrechnung und eine Liquiditätsplanung oder entsprechende Unterlagen, aus denen die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners ersichtlich ist, sowie ein provisorischer Sanierungsplan;
b  ein Gesuch eines Gläubigers, der berechtigt wäre, ein Konkursbegehren zu stellen;
c  die Überweisung der Akten nach Artikel 173a Absatz 2.
SchKG zu stellen und zu begründen,
und die Nachlassbehörde entscheidet gleichzeitig über die Bewilligung der
Nachlasstundung gemäss Art. 295
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 295 - 1 Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
1    Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
2    Dem Sachwalter stehen insbesondere folgende Aufgaben zu:
a  er entwirft den Nachlassvertrag, sofern dies erforderlich ist;
b  er überwacht die Handlungen des Schuldners;
c  er erfüllt die in den Artikeln 298-302 und 304 bezeichneten Aufgaben;
d  er erstattet auf Anordnung des Nachlassgerichts Zwischenberichte und orientiert die Gläubiger über den Verlauf der Stundung.
3    Das Nachlassgericht kann dem Sachwalter weitere Aufgaben zuweisen.
4    Auf die Geschäftsführung des Sachwalters sind die Artikel 8, 8a, 10, 11, 14, 17-19, 34 und 35 sinngemäss anwendbar.528
SchKG und über die Eröffnung des
Pfandnachlassverfahrens («Bundesbeschluss» Art. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 1 - 1 Das Gebiet jedes Kantons bildet für die Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse einen oder mehrere Kreise.
1    Das Gebiet jedes Kantons bildet für die Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse einen oder mehrere Kreise.
2    Die Kantone bestimmen die Zahl und die Grösse dieser Kreise.
3    Ein Konkurskreis kann mehrere Betreibungskreise umfassen.
, 29
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 29
, 30
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 30 - 1 Dieses Gesetz gilt nicht für die Zwangsvollstreckung gegen Kantone, Bezirke und Gemeinden, soweit darüber besondere eidgenössische oder kantonale Vorschriften bestehen.
1    Dieses Gesetz gilt nicht für die Zwangsvollstreckung gegen Kantone, Bezirke und Gemeinden, soweit darüber besondere eidgenössische oder kantonale Vorschriften bestehen.
2    Vorbehalten bleiben ferner die Bestimmungen anderer Bundesgesetze über besondere Zwangsvollstreckungsverfahren.
). An der
grundsätzlichen Anwendbarkeit der Vorschriften des SchKG über die Eröffnung
des Nachlassverfahrens konnte natürlich im vorliegenden Falle der Umstand
nichts ändern, dass die Rekurrentin selbst beantragte, von einer
Nachlassstundung abzusehen. Dieser Antrag konnte von vorneherein nicht
wörtlich genommen werden, weil die Rekurrentin ja von Pfandgläubigern wegen
rückständigen Zinsen bedrängt wird und deshalb auf eine Nachlassstundung
angewiesen ist; nur des Abschlusses eines Nachlassvertrages mit den
Kurrentgläubigern will sie enthoben sein, weil keine solchen vorhanden sind.
Hievon abgesehen ist die Heranziehung jener Vorschriften des SchKG über die
Eröffnung des Nachlassverfahrens schon deswegen unerlässlich, weil keine
anderen Vorschriften über die Einleitung des Pfandnachlassverfahrens bestehen,
es also an jeglicher Anleitung fehlen würde, wie die Nachlassbehörde behufs
Eröffnung des Verfahrens vorzugehen habe.

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3.- Zu diesen Vorschriften gehört nun vor allem Art. 294
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 294 - 1 Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
1    Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
2    Der Schuldner und gegebenenfalls der antragstellende Gläubiger sind vorgängig zu einer Verhandlung vorzuladen. Der provisorische Sachwalter erstattet mündlich oder schriftlich Bericht. Das Gericht kann weitere Gläubiger anhören.
3    Besteht keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages, so eröffnet das Gericht von Amtes wegen den Konkurs.
SchKG, wonach die
Nachlassbehörde «nach Anhörung des Schuldners» entscheidet, ob auf das
Begehren einzutreten sei. Damit ist nicht etwa bloss das Gesuch des Schuldners
um Eröffnung des Verfahrens gemeint; denn dass es eines solchen Gesuches
bedarf, damit die Nachlassbehörde überhaupt erst Veranlassung erhält, sich mit
einer Sache zu befassen, ist selbstverständlich und wird schon im
vorausgehenden Art. 293
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 293 - Das Nachlassverfahren wird eingeleitet durch:
a  ein Gesuch des Schuldners mit folgenden Beilagen: eine aktuelle Bilanz, eine Erfolgsrechnung und eine Liquiditätsplanung oder entsprechende Unterlagen, aus denen die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners ersichtlich ist, sowie ein provisorischer Sanierungsplan;
b  ein Gesuch eines Gläubigers, der berechtigt wäre, ein Konkursbegehren zu stellen;
c  die Überweisung der Akten nach Artikel 173a Absatz 2.
SchKG vorausgesetzt, der des nähern ordnet, was dieses
Gesuch enthalten muss (nämlich einen Nachlassvertragsentwurf) und was ihm
beigelegt werden muss. Ebensowenig kann damit bloss gemeint sein, dass es dem
Schuldner gestattet sein solle; sein Gesuch auch noch mündlich vorzutragen.
Denn nachdem der Schuldner schon ein schriftliches Gesuch hat stellen müssen,
so würde ein anschliessender einseitiger mündlicher Vortrag kaum viel mehr zur
Förderung des Verfahrens beitragen. Vielmehr muss der erste Satz des Art. 294
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 294 - 1 Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
1    Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
2    Der Schuldner und gegebenenfalls der antragstellende Gläubiger sind vorgängig zu einer Verhandlung vorzuladen. Der provisorische Sachwalter erstattet mündlich oder schriftlich Bericht. Das Gericht kann weitere Gläubiger anhören.
3    Besteht keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages, so eröffnet das Gericht von Amtes wegen den Konkurs.

SchKG dahin aufgefasst werden, dass er die Offizialmaxime anordnet. Gerade der
vorliegende Fall bietet ein lehrreiches Beispiel dafür, dass es dem Schuldner
nicht möglich wäre, ohne rechtskundigen Beistand ein Gesuch um Eröffnung des
Pfandnachlassverfahrens zu stellen, wenn die Verhandlungsmaxime angewendet
würde; ist doch das Gesuch der Rekurrentin in erster Linie aus dem Grunde
zurückgewiesen worden, dass sie nicht einmal behauptet, geschweige denn
bewiesen habe, der paritätischen Arbeitslosenkasse für das Hotelgewerbe
beigetreten zu sein. Eine Vorschrift, dass der bezügliche Nachweis schon dem
Gesuch selbst beigegeben werden müsse, ist aber nirgends aufgestellt, weshalb
der Schuldner auch gar keine Veranlassung hat, die Erwähnung dieser Tatsache
und die Beweisantretung dafür als ein Essentiale seines Gesuches anzusehen,
deren Unterbleiben ihm einen Rechtsnachteil eintragen könnte. Erachtet die
Nachlassbehörde den Nachweis als unerlässlich - wobei ihr nur zugestimmt
werden kann -, so ist dann

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eben die vom Gesetze vorgeschriebene Anhörung des Schuldners dazu zu benutzen,
um ihn darauf hinzuweisen, dass seinem Gesuche nicht entsprochen werden könne,
sofern er diese Voraussetzung des Pfandnachlassverfahrens nicht nachweise.
Nach anderer Richtung hat denn auch die Vorinstanz selbst eingesehen, dass mit
der Verhandlungsmaxime nicht auszukommen sei, indem sie von sich aus einen
amtlichen Bericht des früheren Konkursverwalters der Rekurrentin einholte. Die
Vorschrift der Anhörung des Schuldners machte es auch dem Nachlassrichter zur
Pflicht, der Rekurrentin von dem im Bericht des Konkursamtes enthaltenen
Einwendungen gegen ihr Gesuch, sofern er sie nicht etwa von vorneherein als
unbegründet erachtete, irgendwie, in der ihm gutscheinenden Weise, Kenntnis
und ausserdem Gelegenheit zu geben, das anzubringen, was ihr zur Widerlegung
jener Einwendungen tauglich erschien. Was die Vorschrift der Anhörung im
einzelnen bedeutet, ist vom Bundesgericht im Kreisschreiben vom 18. Mai 1914
über das Entmündigungsverfahren (BGE 40 II 182) näher dargelegt worden und
motatis mutandis, also entsprechend, auch bei der Eröffnung des
Nachlassverfahrens zu befolgen. Ja bei Berücksichtigung des Unterschiedes, der
darin besteht, dass im Nachlassverfahren derjenige anzuhören ist, der ein
Gesuch gestellt hat, nicht wie im Entmündigungsverfahren derjenige, gegen
welchen es gestellt worden ist, wird die Anhörungspflicht sogar weitergehend
dahin ausgelegt werden müssen, dass der Nachlassrichter die Gründe, aus denen
er von sich aus glaubt, dem Gesuche nicht entsprechen zu können, zunächst
einmal mit dem Schuldner erörtern muss, um ihm Gelegenheit zu geben,
nachträglich noch vorzubringen, was er für geeignet erachtet, um die Bedenken
des Nachlassrichters zu zerstreuen. Vorliegend hat aber nach Ausweis der Akten
überhaupt keine derartige Anhörung der Rekurrentin stattgefunden, indem sich
den Akten nicht entnehmen lässt, dass die Nachlassbehörde seit dem Eingang des
Berichtes des frühern

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Konkursverwalters der Rekurrentin am 3. Dezember bis zur Fällung des
Nichteintretensentscheides am 6. Januar noch irgendetwas anderes zur weitern
Instruktion des Verfahrens getan habe, als einen Kostenvorschuss einzufordern
und eine vorsorgliche Verfügung zu erlassen. Unter diesen Umständen fallen die
im Rekurs an das Bundesgericht enthaltenen neuen Vorbringen indirekt doch noch
in Betracht, indem anzunehmen ist, dass die Rekurrentin bei richtiger Anhörung
allermindestens alles das, was sie im Rekurs an das Bundesgericht neu
vorgebracht und als Belege beigefügt hat, schon der Nachlassbehörde selbst
vorgetragen haben würde, wobei durch geeignete Fristansetzungen unschwer hätte
erzielt werden können, dass das Verfahren vor der Nachlassbehörde nicht länger
gedauert hätte, als es ohnehin bereits der Fall war. Diese Vorbringen
verdienen aber gewiss geprüft zu werden. Da jedoch nach dem eingangs Gesagten
die Prüfung neuer Vorbringen dem Bundesgerichte nicht zusteht, so bleibt
nichts anderes übrig, als den Entscheid der Vorinstanz wegen Verletzung des
Art. 294
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 294 - 1 Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
1    Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung.
2    Der Schuldner und gegebenenfalls der antragstellende Gläubiger sind vorgängig zu einer Verhandlung vorzuladen. Der provisorische Sachwalter erstattet mündlich oder schriftlich Bericht. Das Gericht kann weitere Gläubiger anhören.
3    Besteht keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages, so eröffnet das Gericht von Amtes wegen den Konkurs.
Satz 1 SchKG aufzuheben und die Sache zur Nachholung der Anhörung der
Rekurrentin und dann allfällig notwendig erscheinenden weiteren Instruktion an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
4.- Ohne der vom Nachlassrichter unter eigener Verantwortlichkeit
vorzunehmenden neuen Beurteilung vorgreifen zu wollen, mag bezüglich einzelner
Fragen doch noch beigefügt werden:
a) Sollte sich auch ergeben, dass die Rekurrentin erst nach Einreichung ihres
Gesuches vom 29. November 1932 der paritätischen Arbeitslosenkasse beigetreten
ist, so könnte dies noch nicht ohne weiteres rechtfertigen, dass auf ihr
Gesuch nicht eingetreten werde. Denn es ist bei der Rekursinstanz
gerichtsnotorisch, dass die Gründung dieser Kasse erst nach längerer
Verzögerung zustandekam, in einem Zeitpunkt, der eigentlich nie genau in
Erfahrung gebracht werden konnte, weshalb dahinsteht, ob der Beitritt schon
vor dem 29. November möglich war, oder

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mindestens leicht begreiflich wäre, dass die Rekurrentin noch nichts davon
wusste, dass sie jetzt beitreten könne.
b) Das von der Vorinstanz ihrem Entscheide zugrunde gelegte Ergebnis der
Prüfung der objektiven Voraussetzungen der Sanierbarkeit beruht offensichtlich
auf einer irrtümlichen Bezifferung der Kapitalschuldenlast der Rekurrentin,
indem auch die verpfändeten Schuldbriefe mit ihrem vollen Nominalbetrag
eingestellt sind, während die Beträge der faustpfandversicherten Forderungen
in einigen Fällen niedriger sind, ohne dass den vorliegenden Akten im
einzelnen entnommen werden könnte, welches die abzuziehenden Mehrbeträge sind.
Genaueres hierüber dürfte nur unter Beiziehung eines Auszuges des
Kollokationsplanes des eben abgeschlossenen Konkurses über die
faustpfandversicherten Forderungen festgestellt werden können, auf den das
vorliegende Lastenverzeichnis mehrfach verweist. Im Verhältnis zu einer etwas
reduzierten Pfandschuldenlast erschiene dann der vom Privatexperten der
Rekurrentin angegebene normale Ertrag von 5500 Fr. weniger gering, als die
Vorinstanz angenommen hat.
c) Erst wenn der Gesamtbetrag der neu aufgenommenen Gelder einmal genau
ermittelt worden ist, wird sich auch ein zuverlässiger Rückschluss auf die
subjektive Voraussetzung der Sanierbarkeit, die Sanierungswürdigkeit der
Rekurrentin, machen lassen, indem ihr anlässlich der Anhörung unter Ansetzung
einer kurzen, aber doch angemessenen Frist aufzugeben sein wird, sich über die
Art und Weise der Verwendung der neu aufgenommenen Gelder im einzelnen
auszuweisen. Der Schluss auf mangelnde Fähigkeit zur Betriebsführung wird nur
dann als begründet erscheinen, wenn es der Rekurrentin nicht gelingt, sich
über entsprechende Investierungen auszuweisen, oder wenn ihr nicht
zugutegehalten werden muss, dass die Umstellung des Betriebes natürlicherweise
in den Anfangsjahren Betriebsausfälle zur Folge haben musste.

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d) Der Antrag der Rekurrentin, das Verfahren nicht auf die Kurrentforderungen
auszudehnen, erscheint auf den ersten Blick dem «Bundesbeschluss» zu
widersprechen, kann aber angesichts der ganz besonderen Umstände des Falles
doch nicht von vorneherein als unzulässig bezeichnet werden. Da nämlich im
letzten Jahre das Konkursverfahren über die Rekurrentin durchgeführt wurde,
sie während dessen Dauer für Rechnung der Konkursmasse gearbeitet hat, und
schliesslich erst einen Monat vor der Stellung des vorliegenden Gesuches ein
Nachlassvertrag (Prozentvergleich) zustandegekommen und erfüllt worden ist,
wird mit Sicherheit darauf geschlossen werden dürfen, dass die Rekurrentin
gegenwärtig keine Kurrentschulden hat, ausser vielleicht solche aus
Kreditgewährung zwecks Durchführung des Nachlassvertrages. Bei dieser Sachlage
steht nichts entgegen, den unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Vorschriften
über die Zulässigkeit der Ausdehnung des Nachlassvertrages auf die
Pfandschulden mit den Kurrentgläubigern geschlossenen Nachlassvertrag als
antizipierten Bestandteil des Pfandnachlassverfahrens anzusehen, und darf
daher der Schuldenruf, sowie das weitere Verfahren, füglich auf die
Pfandschulden beschränkt werden, wobei in der Bekanntmachung der Grund dieses
aussergewöhnlichen Vorgehens kurz anzugeben ist. Insbesondere erschiene es
unbillig, den Kreditgeber, welcher der Rekurrentin den Nachlassvertrag
ermöglicht haben mag, sofort einem Nachlass zu unterwerfen, obwohl er seinen
Kredit zur Durchführung eines Nachlassvertrages gewährt hat, welcher der Sache
nach, wenn zwar auch nicht formell, in unmittelbarem Zusammenhange mit dem
Pfandnachlassverfahren steht, indem doch erst jener Nachlassvertrag den Weg
für das Pfandnachlassverfahren geebnet hat, als dieses durch den
Bundesbeschluss vom 30. September 1932 möglich wurde. Dementsprechend wird
dann aber auch die auf die ungedeckten Pfandzinsforderungen (und
gegebenenfalls auch auf ungedeckte Pfandkapitalforderungen) nach Art. 5 des

Seite: 42
Bundesbeschlusses auszurichtende Nachlassdividende ebenfalls 20% betragen
müssen. e) Die von der Rekurrentin als Sachwalter vorgeschlagene Person war
ihr Vertreter im Nachlassvertragsbestätigungsverfahren, weshalb sie zu diesem
Amte nicht tauglich erscheint (vgl. BGE 46 III S. 77).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass der Entscheid des
Amtsgerichtspräsidenten von Luzern-Land vom 6. Januar 1933 aufgehoben und die
Sache zur Aktenvervollständigung und neuen Beurteilung zurückgewiesen wird.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 59 III 32
Date : 01. Januar 1932
Published : 04. Februar 1933
Source : Bundesgericht
Status : 59 III 32
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Pfandnachlassverfahren (Bundesbeschluss vom 30. September 1932):Art. 294 SchKG: Anhörung des...


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SchKG: 1  19  29  30  293  294  295
BGE-register
40-II-182 • 46-III-77 • 59-III-32
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
debtor • federal court • lower instance • unemployment insurance fund • opening of proceedings • position • [noenglish] • prosecution office • hamlet • correctness • use • question • component • money • receivership • crisis • intention • bankruptcy proceeding • principle of party presentation • objection
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