S. 184 / Nr. 44 Pfandnachlassverfahren (d)

BGE 59 III 184

44. Entscheid vom 13. Juli 1933 i. S. Plattner und Kons.

Regeste:
Wer behaupten will, er sei zu Unrecht nicht in die Lage versetzt worden, seine
Drittansprache im Widerspruchsverfahren geltend zu machen, kann nach erfolgter
Verteilung des Erlöses nicht auf dem Beschwerdeweg den entsprechenden Betrag
ersetzt verlangen, sondern nur noch eine Verantwortlichkeitsklage gegen den
Betreibungsbeamten erheben.
Celui qui prétend que, à tort, il n'a pas été mis en mesure de faire valoir sa
revendication suivant la procédure fixée aux art. 106 et suiv. LP. n'est plus
fondé, une fois le produit de la réalisation distribué, à conclure par voie de
plainte au payement de la somme qui lui serait revenue, mais doit agir par
voie d'action en dommages-intérêts contre les fonctionnaires de l'office des
poursuites.
Chi afferma che a torto non è stato posto in grado di far valere una sua
rivendicazione a sensi degli art. 106 e seg. LEF., non è legittimato, una
volta ripartito il ricado, della vendita, di chiedere, a mezzo di ricorso alle
Autorità di Vigilanza il versamento della somma che gli sarebbe spetitta: glì
resta aperta soltanto la via dell'azione civile di indennizzo contro i
funzionari dell' ufficio.

A. - In der Betreibung der Einwohnergemeinde Münchenstein gegen E.
Walther-Nebel pfändete das Betreibungsamt des Kantons Basel-Stadt am 11. April
1932 einen Kleiderschrank und ein Buffet. Am 21. April schloss sich die
Ehefrau des Schuldners für 3000 Fr. dieser Pfändung an. Auf das
Verwertungsbegehren des pfändenden Gläubigers hin wurden die gepfändeten
Gegenstände am 13. Dezember versteigert. Der Nettoerlös von 53 Fr. 86 Cts.
wurde durch Kollokations- und Verteilungsplan vom 26. Februar/3. März 1933 der
Ehefrau

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des Schuldners an ihre privilegierte Frauengutshälfte zugeteilt und hernach
ausbezahlt.
Inzwischen waren die gepfändeten Gegenstände am 10. November 1932 in der auf
Verlangen der Rekurrenten aufgenommenen Retentionsurkunde verzeichnet worden.
Auf das am 24. Dezember eingegangene Verwertungsbegehren der Rekurrenten
schrieb ihnen das Betreibungsamt am 21. März 1933, dass die Retentionsobjekte
bereits am 13. Dezember 1932 zugunsten einer vorgängigen Pfandungsgruppe
versteigert worden seien und der Nettoerlös von 53 Fr. 85 Cts. der Ehefrau
zugefallen sei. Laut einer Aktennotiz war dies am 17. Januar von der
Gantbeamtung entdeckt worden.
B. - Mit der vorliegenden Beschwerde haben die Rekurrenten die Anträge
gestellt, das Betreibungsamt sei anzuweisen, ihnen 53 Fr. 85 Cts.
auszubezahlen, eventuell den der Ehefrau des Schuldners fälschlicherweise
zugeteilten Ganterlös von dieser zurückzufordern, weiter eventuell das
Widerspruchsverfahren einzuleiten und einen neuen Kollokationsplan
aufzustellen, nach dem der Ganterlös den Rekurrenten zugeteilt wird,
C. - Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 24. Juni 1933 die Beschwerde
abgewiesen.
D. - Diesen Entscheid haben die Rekurrenten an das Bundesgericht weitergezogen
und dabei ihre Beschwerdeanträge erneuert.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1 - Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, das Betreibungsamt habe keine klare
Gesetzesvorschrift verletzt, hat deshalb den Ersatzanspruch der Rekurrenten
als zum mindesten sehr zweifelhaft bezeichnet und sich daher nicht veranlasst
gesehen, dem Betreibungsamt die Ersatzleistung an die Rekurrenten
vorzuschreiben. «Wollen die Rekurrenten auf ihrem Anspruch bestehen», fährt
sie fort, «so müssen sie gegen das Betreibungsamt» (richtig:

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den Betreibungsbeamten) «beim zuständigen Richter klagen». Diese Entscheidung
könnte vom Bundesgericht nur dann aufgehoben werden, wenn sie gesetzwidrig
wäre (Art. 19
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
SchKG), was jedoch nicht der Fall ist. Wer geltend machen will,
ein Betreibungsbeamter oder von der öffentlichen Gewalt ernannter Angestellter
des Betreibungsamtes sei für Schaden verantwortlich, den er (oder ein vom
Betreibungsbeamten selbst ernannter Angestellter) angerichtet hat, kann ihn
dafür (nur) gerichtlich belangen (Art. 5
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 5 - 1 Der Kanton haftet für den Schaden, den die Beamten und Angestellten, ihre Hilfspersonen, die ausseramtlichen Konkursverwaltungen, die Sachwalter, die Liquidatoren, die Aufsichts- und Gerichtsbehörden sowie die Polizei bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen dieses Gesetz zuweist, widerrechtlich verursachen.
1    Der Kanton haftet für den Schaden, den die Beamten und Angestellten, ihre Hilfspersonen, die ausseramtlichen Konkursverwaltungen, die Sachwalter, die Liquidatoren, die Aufsichts- und Gerichtsbehörden sowie die Polizei bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen dieses Gesetz zuweist, widerrechtlich verursachen.
2    Der Geschädigte hat gegenüber dem Fehlbaren keinen Anspruch.
3    Für den Rückgriff des Kantons auf die Personen, die den Schaden verursacht haben, ist das kantonale Recht massgebend.
4    Wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, besteht zudem Anspruch auf Genugtuung.
SchKG). Durch Beschwerde verfolgbar
ist einzig der Anspruch darauf, dass die von den Betreibungsämtern
eingenommenen Gelder an diejenigen Personen herausgegeben werden, welche nach
Massgabe des durchgeführten Betreibungsverfahrens darauf berechtigt sind,
ungeachtet des Umstandes, dass das Amt das eingenommene Geld schon abgeliefert
hat, jedoch an andere, zum Bezuge gar nicht berechtigte Personen, und
gleichgültig, ob es dasselbe wieder zurückerhalte (BGE 35 I S. 480= Sep.-Ausg.
12 S. 100; 44 III S. 89). Der vorliegende Rekurs betrifft jedoch nicht einen
derartigen Anspruch. Auf den Erlös aus den gepfändeten und auf ihr Begehren
verwerteten Gegenständen waren die pfändenden Gläubiger ohne weiteres
berechtigt. Dieses ihr Recht hätte demjenigen der Rekurrenten nur dann weichen
müssen, wenn deren Retentionerecht im Widerspruchsverfahren, eventuell
-prozess festgestellt worden wäre. Ein Widerspruchsverfahren ist jedoch gar
nicht eingeleitet worden, im Gegenteil werfen die Rekurrenten dem
Betreibungsamt gerade vor, die Einleitung des Widerspruchsverfahrens versäumt
zu haben. Nachgeholt werden kann es nicht mehr, weil es nur bis zur Verteilung
des Erlöses zulässig ist (Art. 107 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1    Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1  eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners;
2  eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten;
3  ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt.
2    Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen.
3    Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss.
4    Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt.
5    Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht.
SchKG). Somit konnte das
Betreibungsverfahren, wie es durchgeführt worden ist, keinesfalls Anlass zur
Zuteilung des Verwertungserlöses an die Rekurrenten geben. Wollen diese aber
geltend machen, sie seien aus Verschulden des Betreibungsbeamten oder eines
Angestellten des Betreibungsamtes nicht in die Lage gesetzt

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worden, gegen die Pfändung bezw. die Verwertung der gepfändeten Gegenstände
zugunsten der Pfändungsgläubiger «Widerspruch» zu erheben und allfällig
Widerspruchsklage durchzuführen, und sie seien aus diesem Grund um den Erlös
aus den betreffenden Gegenständen gekommen, so handelt es sich um den Anspruch
auf Ersatz des Schadens, den die Rekurrenten infolge Nichteinleitung des
Widerspruchsverfahrens erlitten haben, und nicht um den Anspruch auf
eingezogenen Verwertungserlös, der nach Massgabe des durchgeführten Verfahrens
den Rekurrenten zuzuteilen gewesen wäre; denn diese Zuteilung hätte ja eben
die (erfolgreiche) Durchführung des Widerspruchsverfahrens vorausgesetzt.
Hätte somit der Vorinstanz selbst dann keine Gesetzesverletzung zur Last
gelegt werden können, wenn sie gar nicht in die Prüfung der Begründetheit des
von den Rekurrenten erhobenen Anspruches eingetreten wäre, so lässt sich
umsoweniger etwas dagegen einwenden, dass sie ihn dieser Prüfung unterzogen
hat unter dem Gesichtspunkt, ob er vom beamtenhaftpflichtigen Justizfiskus
freiwillig zu erfüllen sei, und hiebei zur Verneinung gelangt ist.
Insbesondere ist es von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden, dass die
Vorinstanz unabgeklärt gelassen hat, warum das Betreibungsamt im vorliegenden
Fall ausnahmsweise nicht nach der sonst gehandhabten Gepflogenheit gehandelt
hat, «den Retentionsanspruch des Vermieters dann in der Pfändung von Amtes
wegen durch Einleitung des Widerspruchsverfahrens zu berücksichtigen, wenn in
der Retention das Verwertungsbegehren gestellt war», welch' letzteres hier ja
lange vor der Verteilung des Erlöses geschah, die dann erst viel später die
Eröffnung des Widerspruchsverfahrens verunmöglichte.
2.- Das erste Eventualbegehren erledigt sich damit, dass kein Rechtsgrund
ersichtlich ist, um das von der Ehefrau des Schuldners in Gemässheit eines
abgeschlossenen Betreibungsverfahrens Bezogene wieder zurückzufordern.
Infolgedessen ist es nach dem bereits Ausgeführten

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ausgeschlossen, nachträglich ein Widerspruchsverfahren, als Voraussetzung für
ein neues Kollokationsverfahren, zu eröffnen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 59 III 184
Datum : 01. Januar 1932
Publiziert : 13. Juli 1933
Quelle : Bundesgericht
Status : 59 III 184
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Wer behaupten will, er sei zu Unrecht nicht in die Lage versetzt worden, seine Drittansprache im...


Gesetzesregister
SchKG: 5 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 5 - 1 Der Kanton haftet für den Schaden, den die Beamten und Angestellten, ihre Hilfspersonen, die ausseramtlichen Konkursverwaltungen, die Sachwalter, die Liquidatoren, die Aufsichts- und Gerichtsbehörden sowie die Polizei bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen dieses Gesetz zuweist, widerrechtlich verursachen.
1    Der Kanton haftet für den Schaden, den die Beamten und Angestellten, ihre Hilfspersonen, die ausseramtlichen Konkursverwaltungen, die Sachwalter, die Liquidatoren, die Aufsichts- und Gerichtsbehörden sowie die Polizei bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen dieses Gesetz zuweist, widerrechtlich verursachen.
2    Der Geschädigte hat gegenüber dem Fehlbaren keinen Anspruch.
3    Für den Rückgriff des Kantons auf die Personen, die den Schaden verursacht haben, ist das kantonale Recht massgebend.
4    Wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, besteht zudem Anspruch auf Genugtuung.
19 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
107
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1    Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1  eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners;
2  eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten;
3  ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt.
2    Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen.
3    Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss.
4    Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt.
5    Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht.
BGE Register
35-I-480 • 59-III-184
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • betreibungsbeamter • schuldner • verwertungsbegehren • vorinstanz • geld • schaden • bundesgericht • wille • kollokationsplan • schuldbetreibung • wetter • einsprache • richterliche behörde • verteilungsplan • konkursdividende • minderheit • verantwortlichkeitsklage • mais • weiler
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