S. 47 / Nr. 9 Obligationenrecht (d)

BGE 58 II 47

9. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. März 1932 i. S. Ruson
Rohprodukten-Handelsgesellschaft m. b. E. gegen Küng.


Seite: 47
Regeste:
Klagloses Differenzgeschäft. OR Art. 513 Abs. 2. Ausdrückliche mündliche
Vereinbarung, dass Recht und Pflicht wirklicher Lieferung und Abnahme des
Getreides ausgeschlossen seien. Ein bestärkendes Indiz liegt namentlich in der
gleichzeitigen Spekulation à la hausse und à la baisse.

A. - Am 16. April 1930 wurde im Handelsregister die Getreide-Termin-A.-G.
(GETAG) eingetragen, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich und einem voll
einbezahlten Aktienkapital von 50000 Fr., welche die Vermittlung von
Getreidetermingeschäften an sämtlichen Börsen zum Zweck haben sollte.
Anlässlich einer Sitzung der Getreidebörse, die jeden Dienstag im «Raben» in
Luzern stattfindet, trat der Direktor und einzige Verwaltungsrat der GETAG in
Verbindung mit dem Beklagten, Josef Küng, Bäckermeister in Emmenbrücke. Am 10.
Juli 1930 bestätigte die GETAG dem Beklagten, durch Vermittlung der Firma Ross
T. Smith & Co. Ltd. Liverpool für ihn an der Börse von Winnipeg 5000 Bushels
Weizen zu $ 100 (Kontrakt Nr. 94) gekauft zu haben; sie fügte bei: «Lieferung
versteht sich in effektiver Ware» und verlangte sofortige Einzahlung von 1300
Fr. zur Margendeckung. Der Beklagte entrichtete die 1300 Fr. der GETAG am 18.
Juli 1930. Am 19. Juli 1930 bestätigte die GETAG dem Beklagten, für ihn an der
gleichen Börse und durch Vermittlung des gleichen Hauses 5000 Bushels Weizen
gekauft zu haben, lieferbar zu $ 101 118 (Kontrakt Nr. 98) im Oktober 1930,
«Lieferung versteht sich in effektiver Ware». Die GETAG verlangte wiederum
eine Zahlung von 1300 Fr. für die Deckung der Marge, und der Beklagte leistete
die Summe am 26. Juli 1930. Am 30. Juli 1930 forderte die GETAG Küng auf,
seine

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Deckung unverzüglich um 2500 Fr. zu erhöhen; Küng entrichtete auch diesen
Betrag am 6. August 1930. Am 3. September gelangte die GETAG neuerdings an den
Beklagten und verlangte als Margenzahlung weitere 4000 Fr. Als dieser nicht
antwortete, wiederholte sie ihr Begehren am 8. August 1930 und setzte ihm eine
Frist bis nachmittags 3 Uhr des folgenden Tages, ansonst sie zur sofortigen
Liquidation seiner Position schreiten und unverzügliche Differenzauszahlung
verlangen werde. Als Küng der Aufforderung trotzdem nicht nachkam, einigte
sich die GETAG am 15. September 1930 telephonisch mit ihm, dass er einen
Wechsel per 15. Dezember an ihre Order auf den Betrag von 5287 Fr. 80 Cts.
ausstelle, zum Ausgleich ihres Guthabens über die Kontrakte Nr. 94 und 98, 94
a und 98 a. Die GETAG indossierte den Wechsel der Zürcher Kantonalbank und
diese ging bei Verfall gegen Küng vor und erhielt provisorische Rechtsöffnung.
Am 17. Oktober 1930 sandte die Klägerin, RUSON, Rohprodukten
Handels-Gesellschaft m. b. H. in Berlin dem Beklagten unter Nr. 274 und 275
zwei Schlussscheine im Doppel, damit er die von ihr nicht unterzeichneten
Exemplare durch ihn unterzeichnet zurücksende. Die für seine Unterschrift
bestimmten Doppel lauteten auf Kauf, wenn das Original der Klägerin auf
Verkauf lautete, und umgekehrt. Durch das Bordereau Nr. 274 bestätigte die
Ruson, von ihm als Selbstkontrahent 5000 Bushels neuen Weizen, lieferbar zu $
83 in Chicago im Mai, gekauft zu haben, die Kommission betrage $ 50, die
Kabelspesen $ 5, massgebend seien die Börsenbedingungen von Chicago, mit
Ausnahme der fünf auf der Rückseite des Bordereau-Formulars abgedruckten
Abweichungen. Ausserdem schrieb ihm die Ruson: «Wir gewähren Ihnen auf die bei
uns laufenden Abschlüsse einen jederzeit widerruflichen Margenkredit von
insgesamt $ 500, jedoch nicht mehr als $ 250 per Kontrakt, bei dessen
Überschreitung durch

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Kursschwankungen unter Anrechnung unserer Provision Sie verpflichtet sind, auf
Aufforderung einen sofortigen Einschuss in der Höhe des sich ergebenden
Debetsaldos zu leisten. Bei Nichtzahlung innerhalb 24 Stunden nach erfolgter
Aufforderung sind wir berechtigt, Ihre sämtlichen laufenden Abschlüsse sofort
oder innerhalb der nächsten vier Börsentage in unserer Wahl glattzustellen und
abzurechnen, wobei sich zu Ihren Lasten ergebende Beträge sofort zahlbar sind.
Dieser Vertrag ist verbindlich gültig mit Schlusschein Nr. 275 n. Durch dieses
andere Bordereau Nr. 275 bestätigte die Ruson dem Küng, ihm als
Selbstkontrahent 5000 Bushels Weizen, lieferbar im Mai in Winnipeg, zu $ 77
3/4 (Kommission $ 50, Kabel $ 5) zu den gleichen Bedingungen wie bei Kontrakt
274 verkauft zu haben. Am 20. November 1930 sandte die Klägerin dem Beklagten
ein neues Bordereau Nr. 437 auf dem gleichen Formular wie 274 und im Doppel
über einen Kauf von ihm von 5000 Bushels Weizen, lieferbar im Mai in Chicago,
zu $ 75 3/4, Kommission und Kosten wie vorher, Kredit $ 250. Küng sandte
jedoch keines der Doppel unterzeichnet zurück, sodass ihm die Klägerin am 25.
November schrieb: «Auf Grund des Standes Ihres bei uns laufenden Kontrakts vom
22. ds. Mts. baten wir Sie, uns einen Einschuss von $ 500 zu leisten und
nehmen an, dass Zahlung inzwischen erfolgt sei. Aufstellung Ihres Engagements
erlauben wir uns beizulegen.» Diese Aufstellung lautete:
Aufstellung laufenden Kontraktes
17. Oktober Kurs c. 22 XI Debt. Crdt.
Kauf 5000 Maiweizen bush. Winnipeg zu 77 3/4... --
70 7 3/4
17. Oktober
Verkauf 5000 Maiweizen bush. Chicago zu 83...
80 5/8 2 3/8
20. November
Verkauf 5000 Maiweizen bush. Chicago zu 75 3/4...
80 5/8 4 7/8
Verlust: 10 4/4 Punkte $ 512.50
Küng antwortete wieder nicht. Die Kurse fuhren zu fallen fort, während Küng in
der Hauptsache à la hausse spekuliert hatte. Am 28. November 1930 schrieb ihm

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die Klägerin: «Auf Grund des Schlusskurses vom 28. November stellt sich Ihr
Engagement bei uns wie folgt:
17. Oktober zu Kurs Debt. Credt.
Kauf 5000 Maiweizen bush. Winnipeg...
77 3/4 64 1/2 13 1/4
Verkauf 5000 Maiweizen bush. Chicago...
83 73 1/2 4 1/2
Verkauf 5000 Maiweizen bush. Chicago...
73 3/4 79 1/2 3 3/4
Debet 12 1/2 $ 625.--
Wir baten Sie daher telegraphisch, uns bis Montag den Betrag von $ 625 bei der
Schweizerischen Kreditanstalt Zürich zur Verfügung zu stellen und nehmen an,
dass dieses geschehen ist.» Küng hatte den Betrag jedoch nicht einbezahlt,
sodass ihm die Klägerin am 3. Dezember 1930 telegraphierte: «Falls durch GETAG
angeforderte Dollars siebenhundert bis vierten vorbörslich nicht eingehen
glattstellen Engagement vierten Schlusskurs.» Durch Brief vom gleichen Tag
bestätigte sie das Telegramm und fügte bei: «Diese Massnahme müssen wir leider
ergreifen, da Sie auf unsere wiederholten Aufforderungen nicht reagierten. Ihr
Engagement stellt sich auf Grund der Schlusskurse vom 2. Dezember 1930 wie
folgt: (Es folgt eine weitere Aufstellung mit einem Debetsaldo von 15 1/2
Punkten) $ 775. Wir sehen also dem umgehenden Eingang der angeforderten $ 700
bis zum 4. ds. Mts. 12 Uhr entgegen.» Als Küng neuerdings Stillschweigen
bewahrte, sandte ihm die Klägerin am 5. Dezember eine Abrechnung 234 mit
folgendem
«Ihr Kauf:
17.10.30 5000 Bushels Weizen Mai Winipeg
77 1/4 3887.50
4.12.30 5000 Bushels Weizen Mai (neu) Chicago
81 3/4 4068.75
4.12.30 5000 Bushels Weizen Mai Chicago
80 5/8 4031.25 11987.50
Ihr Verkauf:
4.12.30 5000 Bushels Weizen Mai Winipeg
64 7/8 3243.75
17.10.30 5000 Bushels Weizen Mai (neu) Chicago
83 4150.--
20.11.30 5000 Bushels Weizen Mai Chicago
75 3/4 3787.50 11181.25
Kommission... $ 150.-- $ 806.25
Kabelspesen...$ 15.--
Stempelspesen $ 3.75 $ 168.75
Zu Ihren Lasten 975.--
$ 975 à 5.16 Schw. Fr. 5031.-- I. v.»

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Gleichzeitig forderte die Klägerin den Beklagten auf, diese Summe auf ihre
Rechnung bei der Schweizerische Kreditanstalt in Zürich bis zum 10. Dezember
1930 einzubezahlen, ansonst sie gegen ihn Klage erheben werde. Ebenfalls am 5.
Dezember 1930 sandte sie ihm drei neue Bordereaux vom vorhergehenden Tag:
a) ein Bordereau Nr. 552 im Doppel auf dem gleichen Formular wie Nr. 275,
durch welches ein Verkauf «in Kompensation» von 5000 Bushels Maiweizen (neuer
Kontrakt) in Chicago zu 81 3/8 bestätigt wurde,
b) ein Bordereau Nr. 553 im Doppel über einen Kompensationsverkauf von 5000
Bushels, lieferbar im Mai in Winnipeg zu 80 5/8 (auf dem gleichen Formular wie
Nr. 275),
c) ein Bordereau Nr. 554 im Doppel auf dem gleichen Formular wie Nr. 274 und
437, über einen Kompensationskauf von 5000 Bushels, lieferbar im Mai in
Winnipeg zu 64 7/8.
Küng sandte auch diese Doppel nicht unterzeichnet zurück. Ebenso unterliess er
die geforderte Einzahlung.
B. - Am 9. Januar 1931 hat die Ruson, Rohprodukten-Handelsgesellschaft m. b.
H. Berlin gegen Josef Küng Klage auf Bezahlung von 5031 Fr. nebst 5% Zins seit
22. Dezember 1930 erhoben.
C...
D. - Auf Appellation der Klägerin hin hat am 4. Dezember 1931 auch das
Obergericht des Kantons Luzern die Klage abgewiesen.
E. - Gegen diesen Entscheid hat die Klägerin rechtzeitig und in der
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen und den
Antrag auf Gutheissung der Klage gestellt.
F. - Der Beklagte hat in der schriftlichen Berufungsbeantwortung um Abweisung
der Berufung ersucht.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- (Unzuständigkeitseinrede wegen einer Schiedsklausel.)

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2. -Von den übrigen Einreden des Beklagten beurteilt sich jedenfalls die auf
Art. 513
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 513 - 1 Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
1    Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
2    Dasselbe gilt von Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spieles oder der Wette gemacht werden, sowie von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette haben.
OR gestützte Spieleinrede nach schweizerischem Recht; diese
Bestimmung des Bundesrechtes ist um der öffentlichen Ordnung und der guten
Sitten willen aufgestellt worden (BGE 31 II S. 60) und deshalb auf den
vorliegenden Fall anwendbar, auch wenn das Rechtsverhältnis im übrigen dem
ausländischen Recht unterstünde (BGE 31 II S. 60; 40 II S. 236). Wäre die
Spieleinrede zu schützen, so könnte dann dahingestellt bleiben, nach welchem
Recht die andern Einreden des Beklagten zu beurteilen wären.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes, die in einem Entscheid
aus jüngster Zeit fortgesetzt worden ist (BGE 57 II S. 407 ff.), liegt ein
klagloses Differenzgeschäft vor, wenn nach übereinstimmender ausdrücklicher
oder stillschweigender Willenseinigung der Parteien Recht und Pflicht
wirklicher Lieferung und Abnahme ausgeschlossen sind, so dass überhaupt bloss
die Differenz den Gegenstand des Vertrages bildet. Eine ausdrückliche
Vereinbarung in diesem Sinne, abgeschlossen zwischen dem Beklagten und
Peterhans, geht aus den Zeugenaussagen von Helfenstein und Weibel hervor, die
ausgesagt haben, Peterhans habe wiederholt erklärt, die Klausel von der
effektiven Lieferung sei nur Formsache, in Wirklichkeit handle es sich nicht
um ein Effektivgeschäft, sondern um die Kursdifferenz. Wenn die Vorinstanz auf
diese Depositionen der beiden bei den Verhandlungen im «Raben» zugegen
gewesenen Zeugen und nicht auf die anders lautenden Aussagen des Peterhans
abgestellt hat, muss es dabei für das Bundesgericht sein Bewenden haben, denn
dieses hat sich nicht mit der Beweiswürdigung zu belassen. Freilich sind im
Anschluss an die Besprechung des Beklagten mit Peterhans im «Raben» nur die
beiden Geschäfte Nr. 94 und 98 mit der GETAG abgeschlossen worden, die mit der
vorliegenden Klage der Ruson nichts zu tun haben. Diese hat jedoch nicht
bestritten, dass die folgenden Kontrakte des Beklagten,

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Nr. 274, 275 und 437 durch Vermittlung der GETAG zu stande gekommen waren, wie
denn auch aus der Korrespondenz und dem Zeugnis Peterhans hervorgeht. Unter
diesen Umständen durfte Küng bei diesen folgenden Kontrakten mit der Klägerin
davon ausgehen, dass sich in Bezug auf die Pflicht zur effektiven Lieferung
und Abnahme, das heisst in Bezug auf deren Ausschluss, nichts geändert habe,
umsomehr, als die Bordereaux der Klägerin die Klausel «Lieferung versteht sich
in effektiver Ware» nicht mehr enthielten, die in den Scheinen der GETAG zum
Schein noch enthalten gewesen waren. Dass die Vorinstanz den beiden
Zeugenaussagen nur eine nebensächliche Bedeutung beigemessen habe, kann die
Klägerin mit Fug nicht behaupten, da ja das Obergericht in dieser Richtung auf
die Ausführungen des Amtsgerichtes verwiesen hat (vgl. S. 11 des angefochtenen
Urteils).
3.- Der übereinstimmende Wille der Parteien, Recht und Pflicht der wirklichen
Abnahme und Lieferung auszuschliessen, geht überdies auch aus Indizien hervor.
Durch den Kontrakt Nr. 274 spekulierte Küng à la baisse; er verkaufte neuen
Weizen, den er noch gar nicht hatte, zu 83, lieferbar in Chicago im Mai; wenn
der Preis gesunken wäre, hätte er die Differenz gewonnen. Durch den Kontrakt
Nr. 275 dagegen spekulierte er à la hausse: er kaufte im Mai in Winnipeg zu
lieferndes Getreide zu 77 3/3, und wenn der Preis gestiegen wäre, hätte er den
Unterschied eingeheimst. Wenn statt der durch die Geschäfte Nr. 274 und 437
diskontierten Baisse eine Hausse eingetreten wäre, hätte Küng verloren, und
wenn der Verlust $ 250 für jeden Kontrakt überschritten hätte, wäre er zu
einer Deckung, d. h. zu einem sofortigen Einschuss in der Höhe des sich
ergebenden Debetsaldos gehalten gewesen; bei Nichterfüllung dieser Pflicht
hätte die Klägerin das Recht gehabt, alle laufenden Abschlüsse sofort oder
innerhalb der nächsten vier Börsentage, nach ihrer Wahl, glattzustellen und
abzurechnen, wobei der Saldo sofort zahlbar gewesen wäre. Wenn bei Kontrakt

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Nr. 275 eine Baisse eingetreten wäre, hätte Küng nach Überschreitung des
Kredites von $ 250 dieselben Rechtsfolgen getroffen. Ohne Zweifel genügt nun
der spekulative Charakter der drei Getreidetermingeschäfte nicht, um sie als
Spiele im Sinne des Art. 513 ZU betrachten (BGE 57 II S. 408). Ebenso liegt
kein Indiz darin, dass Küng zur Deckung der Verlustmarge verpflichtet wurde,
denn auch wenn effektive Lieferung und Abnahme nicht ausgeschlossen worden
wären, hätte die Klägerin ihre Gründe haben können, den dem Beklagten
gewährten Kredit zu beschränken. Dagegen liegt ein gewisses Indiz in der
Anwendung des Ausdruckes «Debetsaldo», durch die Klägerin: Die Deckung war in
der Höhe des sich ergebenden Debetsaldos geschuldet. Von einem Debetsaldo
konnte man im Moment vor der Liquidation doch wohl nur sprechen, wenn man die
Differenz als Gegenstand des Geschäftes betrachtete. Damit stimmt überein,
dass die Ruson am 28. November 1930 Deckung der Summe von $ 625 verlangte, die
sie als Schuld, Debet des Beklagten bezeichnete und zu der sie gelangt war,
indem sie die Differenz zwischen Preis und Schlusskurs herausgeschrieben
hatte, wobei jeder Punkt Verlust 100 Bushels darstellte und ein «Debet» von 12
1/2 Punkten gleich $ 625 resultierte. Ebenso enthält das Schreiben der
Klägerin vom 3. Dezember 1930 eine Abrechnung mit einem Debet aus den
Geschäften 275 und 437 und einem Credit aus dem Geschäft 274, wobei auf Grund
der Schlusskurse vom 2. Dezember 1930 ein Debet von 15 1/2 Punkten oder $ 775
verblieb. In der ganzen Korrespondenz findet sich kein Wort der Parteien über
eine wirkliche Ausführung der Kaufsgeschäfte (BGE 31 II S. 66).
4.- Ein weiteres Indiz dafür, dass man es hier mit Differenzgeschäften zu tun
hat, liegt darin, dass Küng am 17. Oktober 1930 gleichzeitig à la hausse und à
la baisse spekulierte. Dazu ist auf die erschöpfenden Erwägungen des
bundesgerichtlichen Urteils vom 10. Februar 1905 i. S. Scheffer & Drascher
gegen Konkursmasse

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Hofer (BGE 31 II S. 66) zu verweisen, die später durch das Bundesgericht
bestätigt worden sind (BGE 44 S. 158): «Dieses Nebeneinanderbestehen von zwei
nach verschiedenen Richtungen gehenden Spekulationen zeigt am Deutlichsten das
Fehlen jeden Willens auf Güterumsatz und zwar bei beiden Kontrahenten. Es
wurde nicht etwa das im einen Geschäft gekaufte zur Erfüllung des im andern
verkauften angeschafft, sondern am Liquidationstag wurde der Einkauf durch den
besondern ihm entgegenstehenden Verkauf, der Verkauf durch den besondern ihm
entgegenstehenden Einkauf liquidiert. Die Liquidation bildete sonach kein
wahres Surrogat des Güterumsatzes, sondern eine blosse Abrechnung zum
jeweiligen Tageskurse» Im vorliegenden Falle betraf Kontrakt 274 allerdings
neuen Weizen, lieferbar in Chicago, 276 gewöhnlichen Weizen, lieferbar in
Winnipeg; allein die Qualitätsdifferenz ändert nichts daran, dass sich beide
Spekulationen auf im Mai in Nordamerika zu lieferndes Getreide bezogen und
nach verschiedenen Richtungen zielten; überdies bezog sich Kontrakt 437
(Verkauf durch Küng) auf dieselbe Quantität und Qualität, dieselbe
Lieferungszeit und denselben Lieferungsort wie Kontrakt 274 (Kauf durch Küng),
trotzdem hat die Klägerin diese beiden Geschäfte nicht durch Verrechnung
gegeneinander liquidiert, sondern je durch einen entsprechenden Gegenkauf oder
-verkauf. Der Vorwurf, den man gegen die Klägerin erhebt, besteht nicht darin,
dass sie sich nicht effektiv anderswo für das ihr durch Küng verkaufte
Getreide eingedeckt habe, beziehungsweise, dass sie das ihr von Küng
abgekaufte Getreide nicht wirklich an einen andern abgesetzt habe, denn da es
sich um eine Ware mit Börsenpreis handelte, war sie befugt, nach Art. 191 Abs.
3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
und 215 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 215 - 1 Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
1    Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
2    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er ohne einen solchen Verkauf die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Markt- und Börsenpreis zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR vorzugehen (FISCH, Verträge mit Spielcharakter S. 126).
Das Indiz besteht vielmehr darin, dass sie die Liquidation ausserdem in einer
Form abgewickelt habe, die auf Ausschluss der realen Lieferung und Abnahme
schliessen lässt.

Seite: 56
Da die erwiesene ausdrückliche Willensübereinstimmung und die genannten
Indizien zur Annahme des Spielcharakters genügen, braucht auf die von der
Vorinstanz herangezogenen Indizien nicht eingetreten zu werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Luzern von 4. Dezember 1931 wird bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 II 47
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 02. März 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 II 47
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Klagloses Differenzgeschäft. OR Art. 513 Abs. 2. Ausdrückliche mündliche Vereinbarung, dass Recht...


Gesetzesregister
OR: 191 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
215 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 215 - 1 Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
1    Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
2    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er ohne einen solchen Verkauf die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Markt- und Börsenpreis zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
513
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 513 - 1 Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
1    Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
2    Dasselbe gilt von Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spieles oder der Wette gemacht werden, sowie von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette haben.
BGE Register
31-II-55 • 57-II-407 • 58-II-47
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • weizen • lieferung • bundesgericht • getreide • deckung • indiz • vermittler • wille • innerhalb • vorinstanz • spekulation • tag • zeuge • bezogener • uhr • handelsgesellschaft • entscheid • brief • zahlung
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