S. 407 / Nr. 62 Obligationenrecht (d)

BGE 57 II 407

62. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Juli 1931 i. S.
Konkursmasse Wolfensberger & Widmer A.-G. gegen Steffen.

Regeste:
Ein klagloses Differenzgeschäft nach OR Art. 513 liegt nur vor, wenn nach
übereinstimmender ausdrücklicher oder stillschweigender Willenseinigung der
Parteien Recht und Pflicht wirklicher Lieferung und Abnahme der verkauften
oder gekauften Wertpapiere ausgeschlossen sind, so dass überhaupt bloss die
Differenz den Gegenstand des Vertrages bildet.
Einzelne Differenzumstände.

Aus den Erwägungen:
1. - In Übereinstimmung mit dem Obergericht ist zuerst die Spieleinrede zu
prüfen.
Nach Art. 513
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 513 - 1 Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
1    Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
2    Dasselbe gilt von Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spieles oder der Wette gemacht werden, sowie von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette haben.
OR entsteht aus Spiel und Wette keine klagbare Forderung;
dasselbe gilt von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über
Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette
haben. Nach der feststehenden Praxis des Bundesgerichtes liegt ein klagloses
Differenzgeschäft vor, wenn nach übereinstimmender ausdrücklicher oder
stillschweigender Willenseinigung der Parteien Recht und Pflicht wirklicher
Lieferung und Abnahme der gekauften oder verkauften Waren oder Börsenpapiere
ausgeschlossen sind, so

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dass überhaupt bloss die Kursdifferenz den Gegenstand des Vertrages bildet
(BGE 39 II S. 644; 40 II S. 545). Ähnlich wird der Differenzcharakter eines
Geschäftes im Schrifttum umschrieben (Hermann FISCH, Verträge mit
Spielcharakter S. 104, vgl. auch BGB § 764). Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtes gilt demnach nicht jedes spekulative Börsentermingeschäft als
Spiel, und auch die blosse Absicht einer Partei, ein solches Geschäft durch
ein Gegengeschäft oder Deckungsgeschäft zu liquidieren, genügt nicht, selbst
wenn sie der Gegenpartei bekannt ist, um dem Geschäft Spielcharakter zu
verleihen; vielmehr ist, wie schon gesagt wurde, erforderlich, dass nach der
Parteimeinung beider Teile Recht und Pflicht der effektiven Abnahme oder
Lieferung schlechthin ausgeschlossen sind (BGE 31 II S. 615; 44 II S. 157).
Nach dieser bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung sind nur die eigentlichen
Differenzgeschäfte klaglos, nicht aber die uneigentlichen, bei denen immerhin
eine Effektiverfüllung stattfinden soll, aber unter andern Parteien (FISCH
a.a.O. S. 106 und 118 ff.)
Der Ausschluss wirklicher Abnahme und Lieferung der Waren oder Wertschriften
wird regelmässig nicht ausdrücklich vereinbart. Auch hier fehlt es sowohl an
einer schriftlichen Abmachung einer solchen Bestimmung, als auch an der
Behauptung des Beklagten, dass mündlich Entsprechendes vereinbart worden sei.
Es kann sich demnach nur fragen, ob eine stillschweigende Willenseinigung
anzunehmen sei, wonach beide Vertragsteile von einer Pflicht und einem Recht
zur Abnahme der Papiere nichts wissen wollten. Die Beweislast hiefür trifft
den Beklagten, denn er ist es, der die Einrede erhoben hat (ZGB Art. 8).
Für das Bundesgericht als Berufungsinstanz ist dabei Tatfrage, ob die
Tatsachen, aus denen die Vorinstanz ihre Schlüsse gezogen hat, gegeben seien
und ob ihre tatsächlichen Schlussfolgerungen in Bezug auf den wirklichen
Willen der Kontrahenten zutreffen, Rechtsfrage dagegen, wie der Wille
auszulegen sei.

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2. - Vor der Prüfung des vorliegenden Falles nach den eben gekennzeichneten
Kritierien und Beweisregeln ist dem Beklagten noch einzuräumen, dass die von
der Klägerin behaupteten Anerkennungen der Konto-Korrent-Saldi und die damit
verbundenen Neuerungen der Spieleinrede für die einzelnen Posten, aus denen
die Saldi gezogen worden sind, nicht entgegenstehen und dass diesbezüglich
Schwierigkeiten nur hätten entstehen können, wenn nur ein Teil der Posten mit
der Einrede behaftet gewesen wäre (vgl. BGE 44 II S. 156 und dort zitierte
Literatur).
Da Gegenkontrahentin des Beklagten eine Aktiengesellschaft war und da
Prozesspartei heute nicht diese Aktiengesellschaft, sondern die Konkursmasse
ist, konnte das Bezirksgericht Arlesheim dem Beweisantrag der Klägerin
entsprechen und die Direktoren der Bank, Wolfensberger und Widmer, als Zeugen
einvernehmen. Beide kantonalen Gerichte haben dann in einem gewissen Mass auf
die beiden Zeugenaussagen gebaut und die Meinung dieser Vertreter der
Gegenpartei hinsichtlich des Ausschlusses der Abnahme- und Lieferungspflicht
beiden Parteien als Vertragsmeinung unterstellt.
Wolfensberger hat deponiert: «Bei den Transaktionen mit Steffen wurde nie an
reale Erfüllung gedacht. Eine Abmachung dieser Art ist zwar nie
vorausgegangen. Zweck war nur die Kursdifferenz. Wenn ein Privatmann in
Devisen handelt, so ist klar, dass er diese nicht abnehmen und liefern will.
Die Überlegung: Sind wir verpflichtet, die Devisen herauszugeben, wenn sie von
Steffen verlangt werden, haben wir nie angestellt. Wir hätten aber so viel als
möglich geliefert, wenn dieser Fall eingetreten wäre. Allerdings haben wir
über Bestände in der gehandelten Höhe nie verfügt. Der einzige Weg wäre
gewesen, Steffen einen Check auszustellen. Steffen hatte nur einen Anspruch,
über die von ihm gekauften Effekten zu verfügen, soweit er erfüllt hätte.
Deshalb machten wir auch nie Abrechnungen mit Nummernverzeichnis

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der gehandelten Aktien und Obligationen. Grundsätzlich wäre ich verpflichtet
gewesen, dem Kunden die Titel herauszugeben. Tatsächlich aber kam das nicht in
Frage, weil Steffen diesen Betrag nicht hätte zahlen können. Praktisch war
reale Erfüllung wegen der Höhe der gehandelten Summen gar nicht möglich. Es
kam vor, dass die Bank Contre-partie machte, je nachdem sie lag. Bei allen
diesen Konti handelte es sich nur um den Differenzsaldo, der am Ende des
Jahres übrig blieb. Auch bei den Baissespekulationen Steffens dachte man nie
an effektive Erfüllung, weil diese nicht in Frage kommen konnte. Bei
Transaktionen in Wertpapieren und Devisen, bei denen die Bank selbst die
Contre-partie übernahm, hätte die Bank die Wertpapiere und Devisen zuerst
kaufen müssen, um zu erfüllen, wenn Steffen seinerseits Erfüllung angeboten
hätte.»
Widmer hat ausgesagt: «In einzelnen Fällen war unsere Bank selbst
Contre-partie, in andern Fällen wieder nicht. Die Beträge waren viel zu gross,
als dass wir hätten denken können, Steffen wolle die Transaktionen tatsächlich
erfüllen. Es handelte sich offensichtlich um Spekulationen. Wir wussten, dass
Steffen die Devisen nicht brauchte, um Waren im Auslande zu kaufen. Eine
ausdrückliche Abmachung über reale Lieferung oder Nichtlieferung wurde nie
getroffen. Wir mussten aber aus der Art des Geschäftes annehmen, dass Steffen
effektive Lieferung nie verlangen werde. Wir mussten erwarten, dass Steffen
das, was er kaufte, wieder verkaufen werde. Lieferung gegen Zahlung kam meiner
Auffassung nach nicht in Frage. Die Möglichkeit zu liefern war m. E.
ausgeschlossen in Anbetracht der Höhe der Beträge. Die Depot des
Wertschriftenkontos wurden in buchhalterischem Sinne als Stückkonto und als
buchhalterische Kontrolle aufgefasst. In einzelnen Fällen trat die Bank als
Selbstkontrahentin auf. Eine effektive Ausscheidung der Titel wurde nicht
vorgenommen. Die Buchung im Wertschriftenkonto diente lediglich zur Kontrolle
über

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den Anspruch Steffens in denjenigen Fällen, in denen es sich um
Comptantgeschäfte handelte, weil Zahlung nicht erfolgt war. Bei
Termingeschäften kam eine reale Ausscheidung überhaupt nicht in Frage, weil es
sich dabei nur um eine zukünftige Leistung handelte.»
Die klägerische Beanstandung der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen kann durch das
Bundesgericht nicht gehört werden, da diese vom kantonalen Prozessrecht
beherrscht wird. Desgleichen muss es bei der tatsächlichen Würdigung des
Zeugenbeweises durch das Obergericht sein Bewenden haben, vorausgesetzt, dass
keine bundesrechtlichen Beweisnormen verletzt worden oder Widersprüche mit den
Akten bei der Wiedergabe der Zeugendepositionen unterlaufen sind, was aber
nicht zutrifft (vgl. BGE 54 II S. 368 und WEISS, Berufung S. 242). Wenn nun
aber das Bezirksgericht in Erwägungen, die das Obergericht als eingehend,
sorgfältig und erschöpfend ohne weiteres übernommen hat, davon ausgegangen
ist, dass die Zeugen das ausgesagt hätten, was nach richtiger Auslegung des
Art. 513
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 513 - 1 Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
1    Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
2    Dasselbe gilt von Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spieles oder der Wette gemacht werden, sowie von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette haben.
OR für die Klagelosigkeit des Differenzgeschäftes genüge, hat es eine
unrichtige rechtliche Auffassung vertreten. Es kommt nicht darauf an, ob
Lieferung und Abnahme dem Beklagten und allenfalls sogar der Bank angesichts
der Höhe der Beträge praktisch unmöglich gewesen wären und ob dies der
Gegenpartei jeweilen erkennbar gewesen sei - das mag nach dem abweichenden
deutschen Recht genügen (§ 764 BGB, FISCH a.a.O. S. 114 ff.; Obst, Geld- Bank-
und Börsenwesen S. 472) - sondern darauf, ob die Erfüllung vertraglich, wenn
auch stillschweigend geradezu ausgeschlossen wurde; das Lieferungsgeschäft
erhält noch nicht dadurch Spielcharakter, dass eine Partei oder beide Parteien
annahmen, es werden die wirkliche Lieferung und die wirkliche Zahlung nicht
erfolgen, und dass sie die Absicht hatten, am Lieferungstage das Verhältnis
durch Differenzausgleichung zum Austrag zu bringen (OSER, Kommentar Ziff. IIc
zu Art. 513
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 513 - 1 Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
1    Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
2    Dasselbe gilt von Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spieles oder der Wette gemacht werden, sowie von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette haben.
OR, FISCH, a.a.O. S. 126/127, BGE 18 S. 539; 22 S. 154).

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Die strenge Anforderung an den Differenzeinwand ist nach den Zeugenaussagen
auch bei der Würdigung, die das Bezirksgericht ihnen widerfahren lässt, nicht
erfüllt; Wolfensberger hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Bank die
Überlegung, ob sie zur wirklichen Erfüllung verpflichtet sei, gar nicht
angestellt habe, dass sie aber nach Möglichkeit erfüllt hätte, wenn Steffen
darauf bestanden hätte.
Des weitern wäre erst noch zu untersuchen gewesen, ob die Meinung der Organe
der Bank im massgebenden Zeitpunkt auch diejenige Steffens gewesen sei. Weil
jedoch das Obergericht am Schluss immerhin entschieden hat, dass den Zeugen
angesichts der andern sogenannten Differenzumstände keine ausschlaggebende
Bedeutung zukomme, braucht der Frage nicht weiter nachgegangen zu werden,
sondern es ist nun auf diese andern Differenzumstände einzutreten.
3. - Die Vorinstanzen haben ihren Schluss zunächst daraus gezogen, dass die
Parteien - retrospektiv betrachtet - die effektive Erfüllung dauernd
unterlassen hätten. Diese Annahme ist tatsächlicher Art, aber in der
vorgeschriebenen Form durch die Klägerin als aktenwidrig gerügt worden (OG
Art. 81), und sie steht denn auch mit den Urkunden, insbesondere mit dem
Gutachten Vögelin, auf welches die kantonalen Gerichte abgestellt haben, in
einem unlösbaren Widerspruch; dieser Widerspruch kann ermittelt werden, ohne
dass es erforderlich und zulässig wäre, auf das Schreiben abzustellen, mit dem
Vögelin auf Begehren der Klägerin seinen Expertenbericht nachträglich
verdeutlicht hat und das nicht als Bestandteil der Expertise betrachtet werden
kann. Nach dem Gutachten hat die Wolfensberger & Widmer A.-G. die Aufträge des
Beklagten in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich in der Weise ausgeführt, dass
sie für ihn Wertpapiere oder Devisen kaufte oder an Dritte verkaufte, was eben
als Erfüllung in dem bei der Natur der Termingeschäfte überhaupt möglichen
Sinn angesehen

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werden muss. In einer Anzahl der Fälle handelte die Bank allerdings als
Selbstkontrahentin, aber auch dann nicht, ohne über den nötigen Devisenvorrat
zu verfügen. Wo sie noch nicht über die nötigen Titel oder Devisen verfügte,
hätte sie sie überdies on call oder im Reportwege leicht beschaffen können. Es
kann demnach nach der Expertise, von der abzuweichen für das Bundesgericht
kein Grund besteht, keine Rede davon sein, dass die wirkliche Erfüllung
dauernd unterlassen worden sei. Dieser Differenzumstand entfällt also, und die
Tatsache, dass im Gegenteil zahlreiche Geschäfte erfüllt worden sind, spricht
sogar gegen den Differenzcharakter der andern.
4. - Das Bundesgericht hat in seinen Entscheidungen einen indizierenden
Umstand darin erblickt, dass auf Seiten einer Vertragspartei ein
offensichtliches Missverhältnis zwischen ihren Mitteln und ihren
Verpflichtungen aus dem Geschäft bestehe oder dass Art und Menge der gekauften
oder verkauften Waren nach den Verhältnissen der Partei mit einem ernsthaften
Lieferungsgeschäft unverträglich seien und dass der Vertragsgegner das wusste
oder hätte erkennen sollen, insbesondere auch dann, wenn der andere Teil
zugleich wusste, dass dem einen die erforderlichen Kenntnisse fehlen. Beim
Vergleich der Mittel einer Partei mit ihren Verpflichtungen aus dem Geschäft
hat das Bundesgericht aber beigefügt, dass auch in Betracht falle, ob der
Betreffende sich solche auf dem Kreditweg voraussichtlich beschaffen konnte
(vgl. den Entscheid vom 17. Mai 1913 i. S. Erben Schnitzer gegen Rutishauser
und Stüssi, Journal des Tribunaux 1914 p. 378 und BGE 40 II S. 547).
Geht man von diesen Merkmalen aus, an denen festzuhalten ist, so fällt zum
vornherein ins Gewicht, dass dem Beklagten die erforderlichen Sachkenntnisse
im Börsenhandel nicht etwa fehlten, sondern dass sie bei ihm in hervorragendem
Masse vereinigt waren, da er kraft seiner beruflichen Stellung und Tätigkeit
als Bankdirektor

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sich eine grosse Erfahrung gesammelt hatte. Dieser Umstand war der
Wolfensberger & Widmer A.-G. bekannt. Wenn die Vorinstanzen sodann gefunden
haben, es habe ein Missverhältnis zwischen den von ihm eingegangenen
Verpflichtungen und seinen Mitteln bestanden - sein Vermögen betrug 18000 Fr.,
sein Einkommen 60000 Fr. im Jahr - so kann ihr auch hierin nicht beigestimmt
werden. Einmal darf nicht etwa auf den Umsatz seiner Spekulationen abgestellt
werden, sondern nur auf den Durchschnitt der einzelnen Geschäfte. Ferner ist
nicht dargetan, dass die Bank von seinem geringen Vermögen ganz bestimmte
Kenntnis hatte, und schliesslich wurde sein kleines Vermögen immerhin durch
ein erhebliches Einkommen und seinen Kredit als Bankdirektor aufgewogen.
Jedenfalls ist diese Indiz überhaupt mit Vorsicht und nur in unzweifelhaften
Fällen zu gebrauchen (FISCH a.a.O. S. 124). Ein solcher unzweifelhafter Fall
liegt hier offenbar nicht vor. Ausserdem genügt ja, dass der Käufer
kapitalkräftig genug ist, eine allfällige Differenz zwischen dem Kaufpreis und
dem Preis, zu dem er die Ware jederzeit weiterverkaufen kann, zu decken; zur
Erfüllung eines reellen Lieferungsgeschäftes gehören nicht mehr Mittel, als
zur Differenzzahlung bei einem spielartigen Geschäft (FISCH a.a.O. S. 124).
5. - Nach dem angefochtenen Urteil sollen die Börsentransaktionen des
Beklagten sodann keinem vernünftigen wirtschaftlichen Zweck gedient haben. Der
Zeuge Widmer habe bestätigen müssen, es sei ihm bekannt gewesen, dass Steffen
die Devisen nicht zur Bezahlung von Wareneinkäufen im Ausland benötige.
Dieses Merkmal erweist sich jedoch bei näherer Untersuchung überhaupt als
unbrauchbar. Auch wer in durchaus zuverlässiger Weise Waren einkauft, um sie
mit Gewinn zu veräussern, erstrebt für sich kein anderes Ziel, als eben den
Gewinn; er handelt also nicht in dem von der Vorinstanz angewendeten Begriff
vernünftig. Es geht aber nicht an, für die Börsengeschäfte Voraussetzungen

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aufzustellen, die sonst nicht für die Gültigkeit privatrechtlicher Geschäfte
gelten. Der Unterschied darf nicht etwa darin gesucht werden, dass hier ein
Handel nicht mit eigentlichen Waren, sondern mit Wertpapieren oder Geld in
Frage steht, denn Wertschriften und fremde Geldsorten sind in diesem
Zusammenhang der Ware gleichzuachten, und von dem Einwand würden übrigens
zahlreiche offenbar nicht spielartige Börsengeschäfte betroffen, was nicht
richtig sein kann.
Es könnte sich also höchstens noch fragen, ob der vernünftige Zweck eines
Börsengeschäftes, den die Parteien nicht erstreben, aber ungewollt erreichen,
in seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung zu erblicken sei (vgl. darüber für
das deutsche Recht, das jedoch eine grundsätzliche andere Ordnung kennt,
MÜLLER-ERZBACH, Handelsrecht, 2. Aufl. S. 595). Allein damit würde kein
brauchbares Kriterium in die Rechtsprechung eingeführt, welche sich
notgedrungen mit den konkreten Fällen zu befassen hat, denn es versteht sich
von selbst, dass die volkswirtschaftliche Nützlichkeit eines Börsengeschäftes
bei Anwendung des Art. 513
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 513 - 1 Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
1    Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
2    Dasselbe gilt von Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spieles oder der Wette gemacht werden, sowie von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette haben.
OR nur dann ein Kriterium bilden könnte, wenn man
diese Nützlichkeit nicht ein- für allemal bejaht, dass dem Richter aber für
die Anwendung im Einzelfall, d. h. im Hinblick auf ein bestimmtes
Termingeschäft, alle Anhaltspunkte fehlen, um über seinen
volkswirtschaftlichen Nutzen zu befinden.
6. - Das Bezirksgericht Arlesheim hat die Spieleinrede auch deshalb
gutgeheissen, weil die Wolfensberger & Widmer A.-G. in vielen Fällen als
Selbstkontrahentin aufgetreten sei, d. h. sie habe sich für ihre
Verpflichtungen aus den Aufträgen des Beklagten nicht eingedeckt oder bei
ihren Kunden Contre-partie gesucht, sie habe die ganze Operation jeweilen auf
dem Konto des Beklagten nur buchmässig durchgeführt. Diese Ausführungen stehen
jedoch, wie schon betont wurde, im Widerspruch mit dem erhobenen Gutachten.
Wenn die Bank selbst Contre-partie ist, wird der Kunde, wenn er kauft, in
laufender

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Rechnung mit dem Kaufpreis belastet, und wenn es sich um Effekten handelt,
gewöhnlich eben wegen seines Anspruches auf Leistung der Effekten, auf dem
sogenannten Stückekonto erkannt; verkauft er sodann, so wird er in laufender
Rechnung mit dem Verkaufspreis erkannt und der Stückekonto wird insoweit
ausgeglichen (NUSSBAUM, Börsengeschäft S. 603). Damit ist aber nicht gesagt,
dass die effektive Lieferung ausgeschlossen oder vertraglich wegbedungen sei.
Der Beklagte konnte diese Lieferung am Termin trotzdem verlangen. In diesem
Fall hätte die Bank das Risiko getragen.
7. - Der Beklagte hat weiter eingewendet, die sogenannte Marge sei nicht
verlangt worden. Die Margedeckung spielt jedoch für die Frage des
Differenzcharakters keine Rolle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes
(BGE 31 II S. 615) ist unerheblich, ob der Auftraggeber sich verpflichtet, die
jeweiligen zu seinen ungunsten entstehenden Kursdifferenzen durch eine
entsprechende Zahlung sofort zu decken. In dem eben zitierten
bundesgerichtlichen Urteil wollte eine Partei übrigens gerade aus dem Umstand,
dass eine sogenannte Margedeckung vereinbart worden war, die Klaglosigkeit der
Geschäfte als Differenzgeschäfte konstruieren.
8. - Entgegen der Ansicht des Bezirksgerichtes kann auch nichts daraus
geschlossen werden, dass Steffen seine Aufträge auf leichtsinnige Art erteilt
habe, indem er keine Aufzeichnungen gemacht habe. Die gerügte Formlosigkeit
ist bei Börsengeschäften üblich.
9. - § 16 Ziff. 6 des Börsengesetzes des Kantons Zürich, auf den sich der
Beklagte schliesslich noch berufen hat, kommt nach der zutreffenden Erwägung
des Bezirksgerichtes in diesem Prozess keine Bedeutung zu (BGE 34 II S. 687),
denn die Bestimmung ist öffentlichrechtlicher Natur und stellt keine
Vorschrift über die Gültigkeit der Privatrechtsgeschäfte auf, da dies
ausschliesslich Sache des Bundesgesetzgebers ist.
10. - (Quantitativ)...
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 II 407
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 14. Juli 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 II 407
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Ein klagloses Differenzgeschäft nach OR Art. 513 liegt nur vor, wenn nach übereinstimmender...


Gesetzesregister
OR: 513
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 513 - 1 Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
1    Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.
2    Dasselbe gilt von Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spieles oder der Wette gemacht werden, sowie von Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spieles oder einer Wette haben.
BGE Register
31-II-607 • 34-II-681 • 39-II-640 • 40-II-543 • 44-II-154 • 54-II-367 • 57-II-407
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • lieferung • bundesgericht • frage • devisen • zeuge • wertpapier • weiler • vorinstanz • zahl • transaktion • richtigkeit • kaufpreis • vertragspartei • geld • aktiengesellschaft • mass • wille • spekulation • konkursmasse
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