S. 9 / Nr. 3 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 9

3. Entscheid vom 19. Januar 1931 i. S. Grädel.


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Regeste:
Ansprüche an eine private Pensionskasse oder die von einer solchen
ausbezahlten Versicherungsleistungen sind gemäss Art. 93 SchKG pfändbar, auch
wenn die Statuten der betreffenden Kasse mit Genehmigung des Bundesrates die
Unpfändbarkeit vorschreiben. Art. 92 Ziff. 9 und 10 , Art. 93 SchKG.
Les prétentions contre une caisse de retraite privée ainsi que les prestations
effectuées par une telle caisse sont saisissables même si, avec l'approbation
du Conseil fédéral, les statuts dé la caisse prévoient le contraire. Art. 92
ch. 9 et 10, art. 93 LP.
Le pretese contro una cassa pensioni privata e le prestazioni accordate da
essa sono pignorabili anche quando gli statuti della cassa, approvati dal
Consiglio federale, prevedono il contrario Art. 92 cifra 9 e 10 art. 93 LEF.

A. - Der Rekurrent bezieht als ehemaliger Bahnmeister der Berner
Alpenbahn-Gesellschaft eine Pension von 470 Fr. monatlich. Hievon pfändete das
Betreibungsamt Bilten am 30. Juni 1930 für eine Forderung des Rekursgegners
von 64 Fr. 20 Cts. mangels anderer pfändbarer Aktiven einen Betrag von 35 Fr.
pro Monat, wogegen der Rekurrent Beschwerde führte mit der Begründung, seine
Pension sei gemäss Art. 92 Ziff. 9 und 10 SchKG und den Statuten der
Pensionskasse unpfändbar.
B. - Beide kantonalen Instanzen haben die Beschwerde abgewiesen, worauf der
Rekurrent an das Bundesgericht gelangte unter Wiederholung seines Antrages auf
Aufhebung der Pfändung.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Zu Unrecht beruft sich der Rekurrent zunächst auf Art. 92 Ziff. 9 SchKG.
Das Bundesgericht hat schon wiederholt erklärt, dass diese Bestimmung sich nur
auf einmalige oder doch nur vorübergehende Unterstützungen, nicht aber auch
auf Renten von Versicherungs- und Alterskassen

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beziehe (BGE 37 I 606 = Sep.-Ausg. 14 S. 386 und dortige Zitate). Auch Ziff.
10 von Art. 92 kann nicht zur Anwendung gelangen, denn der Rekurrent hat
selbst nirgends behauptet, dass die in Frage stehende Pension ihm als
Entschädigung für Körperverletzung oder Gesundheitsstörung ausbezahlt werde.
Es muss daher davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Alterspension im
Sinn von Art. 93 SchKG handelt. Daran ändert die Bezeichnung als
«Invalidenpension» (vgl. Art. 24 der Statuten der Pensions- und Hülfskasse für
die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Berner Alpenbahn-Gesellschaft)
nichts. Gemäss Art. 93 SchKG ist diese Pension unter Vorbehalt des
Existenzminimums pfändbar.
2. Nun bestimmt allerdings Art. 3 der genannten Statuten, dass «die Ansprüche
auf Versicherungsleistungen, sowie die als Versicherungsleistungen bezogenen
Gelder... weder gepfändet, noch mit Arrest belogt, noch in eine Konkursmasse
einbezogen werden» dürfen und dass «jede Abtretung oder Verpfändung der
Ansprüche auf Versicherungsleistungen ungültig» sei. Es fragt sich jedoch, ob
diese Bestimmung vor Art. 93 SchKG Geltung beanspruchen könne. Die Frage muss
verneint werden:
Zwar hat das Bundesgericht schon wiederholt entschieden, dass die
Versicherungsleistungen der Pensions- und Hülfskasse der Schweizerischen
Bundesbahnen absolut unpfändbar seien, und zwar auf Grund der Bestimmung von
Art. 3 der Statuten der SBB-Pensionskasse, welcher mit dem erwähnten Passus
der Statuten der Berner Alpenbahn-Pensionskasse übereinstimmt. Allein diese
Bestimmung der SBB-Statuten muss, wie in BGE 37 I 604 näher auseinandergesetzt
wurde, als Vorschrift des eidgenössischen öffentlichen Rechtes betrachtet
werden, die, weil sie erst nach Inkrafttreten des SchKG erlassen wurde, vor
Art. 93 SchKG zur Anwendung gelangen muss. Anders verhält es sich dagegen mit
den Statuten der Berner Alpenbahn-Pensionskasse.
Wohl sind die schweizerischen Nebenbahnen von

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Bundesrechts wegen (Betriebskonzession, vgl. das Konzessionsschema auf S. 49
f. der Sammlung der Eisenbahngesetzgebung des Bundes, von OETIKER, ferner das
Bundesgesetz betreffend die Hülfskassen der Eisenbahn- und
Dampfschiffahrtsgesellschaften, vom 8. Juni 1889) verpflichtet, für ihr
Personal Pensions- und Hülfskassen zu schaffen. Damit wurde aber lediglich
dafür gesorgt, dass Pensionsansprüche des Personals zur Entstehung gelangen,
während eine von Art. 93 SchKG abweichende Behandlung dieser Ansprüche im
Betreibungsfall von Bundesrechts wegen in diesem Zusammenhang nicht
vorgeschrieben ist. Hätte der Bundesgesetzgeber die Ansprüche der Funktionäre
der Nebenbahnen als absolut unpfändbar behandelt wissen wollen, so hätte er
dies, als er es für sein eigenes Bahnpersonal vorsah, in allgemeiner, auch zu
Gunsten der Nebenbahnen wirkender Weise anordnen müssen. Dies ist jedoch nicht
geschehen. Anderseits kann aus dem Umstand allein, dass die Schaffung von
Pensionskassen vom Bund vorgeschrieben wurde, noch nicht gefolgert werden,
dass die Statuten dieser Kassen Bestandteil des Bundesrechtes seien.
Bundesrecht kann nur durch die dazu berufenen Organe des Bundes (bezw. auf dem
hier in Betracht fallenden Gebiet: auch durch die zuständigen Organe der
Kantone, vgl. BGE 56 III 195) geschaffen oder abgeändert werden. Die Berner
Alpenbahn-Gesellschaft ist jedoch ein privates, von Bund oder Kanton
unabhängiges Unternehmen. Die Statuten ihrer - nicht verselbständigten,
sondern gemäss ihrem eigenen Art. 2 einen Bestandteil der Unternehmung
bildenden - Pensionskasse haben infolgedessen lediglich privatrechtlichen
Charakter und sind daher auch nicht imstande, Bestimmungen des eidgenössischen
Betreibungsrechtes ausser Kraft zu setzen. Daran vermag es nichts zu ändern,
dass diese Statuten vom eidgenössischen Eisenbahndepartement genehmigt wurden.
Diese Genehmigung war kein gesetzgeberischer Akt, sondern eine reine
Verwaltungshandlung (vgl. BGE 42 I 348) und konnte schon aus diesem Grunde
jene Statuten

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nicht zu einem Bestandteil der Bundesgesetzgebung erheben.
Das Personal der Berner Alpenbahn-Gesellschaft muss sich daher wie dasjenige
aller andern privaten Unternehmungen mit der relativen Pfändbarkeit seiner
Pensionen gemäss Art. 93 SchKG abfinden. Der Umstand, dass es sich hier um das
Personal einer grossen Bahnunternehmung handelt, kann nicht zur Preisgabe des
Grundsatzes führen, dass ein Bundesgesetz nur vom Bundesgesetzgeber oder mit
dessen Ermächtigung abgeändert werden darf.
3. Die Festsetzung des Existenzminimums ist eine Ermessensangelegenheit,
welche einer Überprüfung durch das Bundesgericht nicht unterliegt (Art. 19
SchKG). Der Rekurrent hat übrigens die Bemessung der pfändbaren Pensionsquote
auf 35 Fr. pro Monat nicht angefochten.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 57 III 9
Data : 01. gennaio 1931
Pubblicato : 19. gennaio 1931
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 57 III 9
Ramo giuridico : DTF - Diritto delle esecuzioni e del fallimento
Oggetto : Ansprüche an eine private Pensionskasse oder die von einer solchen ausbezahlten...


Registro di legislazione
LEF: 19  92  93
Registro DTF
37-I-603 • 42-I-346 • 56-III-193 • 57-III-9
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
autorizzazione o approvazione • calcolo • carattere • casale • citazione letterale • consiglio federale • coscienza • costituzione di un diritto reale • direttiva • direttiva • diritto delle esecuzioni e del fallimento • entrata in vigore • esecuzione in via di pignoramento • ffs • lavoratore • massa fallimentare • mese • minimo vitale • moneta • motivazione della decisione • parte costitutiva • quesito • raccolta • rimedio di diritto cantonale • ripetizione • trattario • tribunale federale • ufficio d'esecuzione