S. 21 / Nr. 5 Erbrecht (d)

BGE 57 II 21

5. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Februar 1931 i. S. Moser-Brunner und
Käppler-Brunner gegen Brunner.


Seite: 21
Regeste:
Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft abschliesst,
bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form (die auch genügt, wenn die
Erbschaft Liegenschaften umfasst) und beim Abschlusse der Mitwirkung und
Zustimmung des Erblassers in dieser Form (Erw. 1). Die Zustimmung ist nicht
widerruflich (Erw. 2).

A. - Die Parteien sind die Nachkommen des Johann Brunner, der in zwei eigenen
Liegenschaften zunächst allein, seit 1910 in Kollektivgesellschaft mit dem
Beklagten das Volksmagazin in Zug betrieb.
Am 24. Mai 1916 trafen die Parteien und ihre Mutter folgende «Abmachung»:
«Die zukünftigen Erben unseres lieben Vaters Johann Brunner, Kaufmann, Zug:
Frau Brunner, Johann Brunner Sohn, Töchter Martha Käppler-Brunner und Josy
Brunner beschliessen bei Todesfall folgende rechtsgültige Erbverteilung:
1. Die zwei Häuser Neugasse 5 und 7 samt Inventar gehen in den alleinigen
Besitz von unserer 1. Mutter sowie Bruder Johann über. Nach Ableben unserer
lieben Mutter wird unser Bruder Johann ohne weiteres Besitzer der zwei Häuser,
Neugasse 5 und 7 samt Inventar.
2. ...
3. Das Geschäft geht in den Besitz von Bruder Johann mit den gesamten Aktiven
und Passiven nebst den zwei Lebensversicherungspolizen auf Ableben von Vater
und Mutter» (scil. von je 10000 Fr.) «über. Derselbe verpflichtet sich dafür
seinen Schwestern Martha und Josy je 10000 Fr. als Gesamtauszahlung innert
einem Jahre nach Ableben unseres 1. Vaters auszubezahlen.
4. Nach Ableben unserer lieben Mutter verpflichtet sich Bruder Johann aus der
fälligen Lebensversicherung

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jeder der beiden Schwestern höchstens 2000 Fr. auszubezahlen.
Mit diesen Punkten erklären sich einverstanden»: folgen die Unterschriften der
Mutter und der drei Geschwister.
Am 1. Februar 1917 errichtete Vater Johann Brunner ein öffentliches Testament
mit Verfügungen, die sich im wesentlichen mit den Bestimmungen des
vorerwähnten Vertrages deckten. Später vernichtete er jedoch dieses Testament
wieder.
Im Jahre 1919 verkaufte Vater Brunner seine mit 87000 Fr. belasteten
Liegenschaften um diesen Preis an den Beklagten.
Am 15. Mai 1922 schlossen Vater und Sohn Brunner folgenden Vertrag:
«1. Herr J. Brunner-Suter lässt sich als Teilhaber vom Geschäft im
Handelsregister streichen, damit gehen Aktiven und Passiven auf Johann Brunner
Sohn über, inbegriffen die zwei Lebensversicherungspolizen von Vater und
Mutter Brunner.
2. ...
3. Im weitern verpflichtet sich Johann Brunner, nach des Vaters Tode jedem
seiner Schwestern Martha und Josefine je 10000 Fr. als Saldo ihres
Erbschaftsbetreffnisses spätestens innert sieben Jahren vom Tode des Vaters an
gerechnet auszubezahlen und der Mutter, sofern sie nicht bei ihm bleiben will,
monatlich 400 Fr... als Pension auszurichten.»
Diesem Vertrag ist beigefügt: «Frau Regina Brunner-Suter erklärt sich mit
obenstehendem einverstanden und übergibt ihre Lebensversicherung ihrem Sohne
Johann entschädigungslos.» Ausserdem «erklärte und verfügte» Frau Brunner auf
der Polize selbst, dass die Versicherungssumme an den Beklagten zu bezahlen
sei.
Vater Brunner starb am 5. Juli 1926, die Mutter am 5. März 1929, worauf der
Beklagte jeweilen die fällig gewordenen Lebensversicherungssummen einzog.
B. - Mit der vorliegenden, schon vor dem Tode der

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Mutter erhobenen (reduzierten) Klage verlangen die Klägerinnen Verurteilung
des Beklagten zur Zahlung von je 12000 Fr. nebst 5% Zins seit dem
Friedensrichtervorstand, eventuell von je 10000 Fr. (nebst 5% Zins seit
Fälligkeit) innert 7 Jahren seit dem Tode des Vaters Brunner, d. h. bis
spätestens 5. Juli 1933.
C. - Das Obergericht des Kantons Zug hat am 11. Juni 1930 den Beklagten «nur
pflichtig erklärt, den Klägerinnen je 10000 Fr. bis spätestens zum 5. Juli
1933 als Schuld anzuerkennen und zu bezahlen».
D. - Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen die Berufung an das
Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, «dass der Beklagte den Klägerinnen
je 12000 Fr. zu bezahlen habe nebst Zins zu 5% seit dem
Friedensrichtervorstand, d. h. seit 7. Februar 1927, und mit Fälligkeit von je
10000 Fr. beim Tode des Vaters und von je 2000 Fr. beim Tode der Mutter
Brunner».
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Der Beklagte hat die Entscheidung der Vorinstanz, dass er aus dem
Vertrage von 1922 verpflichtet sei, sieben Jahre nach dem Tode des Vaters an
jede seiner Schwestern 10000 Fr. zu bezahlen, nicht angefochten. Anderseits
haben die Klägerinnen in der heutigen Verhandlung nicht mehr versucht, einen
frühern Zahlungstermin aus des Vaters Testament von 1917 herzuleiten - mit
Recht, weil die Vorinstanz in für das Bundesgericht verbindlicher Weise
festgestellt hat, dass der Vater die in seinen Händen gebliebene
Originalurkunde vernichtet hat, und zwar nicht etwa nur zufällig. Aber auch
aus der Abmachung von 1916 können die Klägerinnen keinen früheren
Zahlungstermin herleiten. Sie ist bezüglich der streitigen zweimal 10000 Fr.
ein Vertrag, den die Präsumtiverben des Vaters miteinander über dessen noch
nicht angefallene Erbschaft haben schliessen wollen, der aber gemäss Art. 636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.

ZGB, weil «ohne Mitwirkung und Zustimmung

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des Erblassers» («sans le concours et l'assentiment de celui dont l'héridité a
fait l'objet de la convention», «senza l'intervento ed il consenso di quegli
della cui eredità si tratta») abgeschlossen, «nicht verbindlich» ist («nul et
de nul effet», «nulla e di nessun effetto»). Freilich wird diese Vorschrift
von HUBER, Zum Schweizerischen Sachenrecht S. 94 Anm. 3, und, ihm folgend, von
LEEMANN, Schweizerische Juristenzeitung 12 S. 148, dahin ausgelegt, dass nur
entweder Mitwirkung oder Zustimmung des Erblassers erforderlich sei, welche
Meinung schon bei der Gesetzesberatung in der Bundesversammlung von Ständerat
HOFFMANN unzweideutig, vor ihm vielleicht schon, zwar nicht eindeutig, von
Nationalrat GOTTOFREY geäussert worden war (vgl. Stenographisches Bulletin der
Bundesversammlung 16 S. 504 bezw. 385). Allein diese Auslegung ist abzulehnen,
weil sie sich allzusehr in Widerspruch setzt mit der Textgeschichte, aus der
sich ergibt, dass der Vorentwurf (Art. 640) die «Mitwirkung» des Erblassers
gefordert hatte und von der Expertenkommission unverändert angenommen worden
war, der Entwurf des Bundesrates (Art. 630) sich dann zwar mit der
«Zustimmung» des Erblassers hatte begnügen wollen (während die Botschaft des
Bundesrates immerhin von Mitwirkung sprach), dagegen die
Nationalratskommission auf die ursprüngliche Fassung zurückkam und sie mit
derjenigen des bundesrätlichen Entwurfes im Sinne der Kumulation beider
Erfordernisse kombinierte. Deren französischer Referent wollte von diesem
doppelten Erfordernis, namentlich demjenigen der Mitwirkung, kaum abweichen,
als er die Ausnahme vom Verbot des Vertrages über die Erbschaft einer noch
lebenden Person dahin umschrieb, «lorsque la personne dont l'hérédité fait
l'objet de la convention intervient dans le contrat passé par son héritier
présomptif soit avec un cohéritier, soit avec un tiers», dann aber beifügte:
«Il nous a paru que si le principal intéressé acquise à ce contrat il n'existe
plus de motif suffisant pour le prohiber. Moyennant cette

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condition le pacte sur succession future est sanctionné par le projet.» Und
wenn der Referent der Ständeratskommission statt dem «und» ein «oder»
aussprach, so war dies entweder ein unbeachtliches Versehen oder aber ein
ebenfalls unbeachtlicher Widerspruch zum formulierten Nationalratsbeschluss,
dem die Ständeratskommission beizutreten beantragte. Übrigens berauben HUBER
und LEEMANN die von der Bundesversammlung beschlossene Abänderung des
Bundesratsentwurfes jeglicher Bedeutung, wenn sie als (nach ihnen nur
alternativ erforderliche) Mitwirkung des Erblassers beim Vertragsschluss nur
den Abschluss eines eigentlichen Erbvertrages gelten lassen wollen; denn dies
wäre ohnehin selbstverständlich gewesen, auch wenn es beim Bundesratsentwurfe
das Bewenden gehabt hätte, ja im Gegenteil lässt sich eine derartige
vertragliche Verfügung des Erblassers über den Verbleib seines Vermögens
eigentlich gar nicht mehr unter die von Art. 636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.
ZGB geordnete vertragliche
Verfügung des Erben über seine künftige Erbschaft subsumieren. Dass die blosse
nachträgliche Zustimmung genüge, m. a. W. dass es sich um einen heilbaren
Mangel handle, darf auch nicht etwa aus der Verwendung des (von aOR Art. 18
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 18 - Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen.
,
24
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
, 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
= revOR Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
, 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
, 29
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 29 - 1 Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
1    Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
2    Wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so kann er auf Unterlassung dieser Anmassung sowie bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen.
her geläufigen) Ausdruckes «nicht verbindlich»
geschlossen werden, der gegenteils im ZGB gerade die Nichtigkeit bezeichnen
will (Art. 242 Abs. 3, 812 Abs. 1) oder doch mitumfasst (Art. 974 Abs. 2), die
denn auch von den romanischen Texten des Art. 636 kategorisch ausgesprochen
wird. Zuzugeben ist ja freilich, dass der Grund, aus welchem Verträge der in
Rede stehenden Art nicht hinter dem Rücken des Erblassers sollen abgeschlossen
werden dürfen, nämlich die Gefahr der Pietätswidrigkeit, entfällt, sobald der
Erblasser auch nur nachträglich zustimmt. Allein diese Einsicht berechtigt den
Richter nicht, den Wortlaut des Gesetzes in sein Gegenteil umzukehren und die
blosse Zustimmung des Erblassers, auch ohne seine Mitwirkung beim
Vertragsabschlusse, genügen zu lassen.

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Danach ist Art. 636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.
ZGB keiner anderen Auslegung zugänglich, als dass der
Erblasser sich am Vertragsabschluss beteiligen muss in einer Weise, die keinen
Zweifel darüber aufkommen lässt, dass er mit der Verfügung seines
Präsumtiverben über seine künftige Erbschaft einverstanden ist. Und zwar muss
diese Mitwirkung in schriftlicher Form erfolgen, wie überhaupt der ganze
Vertrag zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form bedarf. Ist die
Schriftlichkeit für den Vertrag über die Teilung der angefallenen Erbschaft
und für den Vertrag über Abtretung angefallener Erbanteile vorgeschrieben
(Art. 634
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 634 - 1 Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
1    Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
2    Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
/5
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 5 - 1 Soweit das Bundesrecht die Geltung kantonalen Rechtes vorbehält, sind die Kantone befugt, zivilrechtliche Bestimmungen aufzustellen oder aufzuheben.
1    Soweit das Bundesrecht die Geltung kantonalen Rechtes vorbehält, sind die Kantone befugt, zivilrechtliche Bestimmungen aufzustellen oder aufzuheben.
2    Wo das Gesetz auf die Übung oder den Ortsgebrauch verweist, gilt das bisherige kantonale Recht als deren Ausdruck, solange nicht eine abweichende Übung nachgewiesen ist.
ZGB), so wäre nicht einzusehen, wieso die Antizipation derartiger
Geschäfte in der Form hätte erleichtert werden wollen. Anderseits genügt die
einfache Schriftlichkeit auch dann, wenn die zu erwartende Erbschaft
Liegenschaften umfasst, und zwar aus den gleichen Gründen wie beim
Teilungsvertrag über eine bereits angefallene Erbschaft (BGE 47 II S. 251).
Also ist auch der über seine künftige Erbschaft verfügende Erbe selbst gar
nicht gebunden, solange der Vertrag nicht auch - im Sinne des
Einverständnisses - vom Erblasser unterzeichnet worden ist (was freilich auch
im Korrespondenzwege geschehen kann). Indessen erweckt diese Erschwerung
derartiger Verträge keine ernstlichen Bedenken (vgl. e contrario betreffend
Art. 177 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
und 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB: BGE 46 II S. 352). Dafür ist jeder unsichere und
pietätswidrige Schwebezustand vermieden und kein Raum für die Streitfragen, ob
die Zustimmung des Erblassers empfangsbedürftig und ob sie widerruflich sei.
Somit erweist sich der Vertrag vom 24. Mai 1916, insoweit er die Erbschaft des
Vaters der Parteien betrifft, als nichtig, indem weder dessen Testament vom 1.
Februar 1917 noch dessen konkludentes Verhalten als Zustimmung genügen
könnten.
2. - Indessen enthält dieser Vertrag nicht nur Bestimmungen über die künftige
Erbschaft des Vaters, sondern auch über diejenige der Mutter der Parteien,
nämlich Ziffer 4, weil die auf deren Leben abgeschlossene Versicherung

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mangels Begünstigungsklausel zu ihrer Erbschaft gehört. Hiefür liegt aber die
Mitwirkung und Zustimmung der Mutter vor, die sich ja am Vertragsschluss in
gleicher Weise wie die Nachkommen beteiligte. Somit schuldet der Beklagte
jeder seiner Schwestern noch weitere 2000 Fr., und zwar mit Zins von der
Eröffnung der Erbschaft an, da sie schon vorher Klage erhoben hatten. Dass und
wieso er allfällig weniger als je 2000 Fr. zahlen müsste, hat der Beklagte aus
der Verwendung des Ausdruckes «höchstens» nicht hergeleitet. Unbehelflich ist
seine Einwendung, die Mutter habe durch ihre Zustimmung zum späteren Vertrage
vom 15. Mai 1922, namentlich durch die «entschädigungslose» Überlassung ihrer
Lebensversicherungspolize an den Beklagten die seinerzeit erteilte Zustimmung
zum Vertrag vom 24. Mai 1916 widerrufen. Wie bereits angedeutet, ist die
«Mitwirkung und Zustimmung» des Erblassers beim Vertrag des Erben über seine
künftige Erbschaft dem Widerrufe nicht zugänglich, m. a. W. ein solcher
Widerruf ist unbeachtlich. Hat sich der Erblasser einmal unter den beim
Abschlusse des Vertrages gegebenen Umständen dafür entschieden, dass dieser
die ihm geschuldeten Pietätsrücksichten nicht verletze (und ihn namentlich
nicht einer Gefährdung seines Lebens seitens desjenigen Dritten aussetze,
welcher, ohne durch verwandtschaftliche Bande mit ihm verknüpft zu sein, aus
seinem Tode werde Rechte ableiten können), und sich daher zur Mitwirkung und
Zustimmung herbeigelassen, so kann er später nicht mehr einseitig hierauf
zurückkommen, auch wenn er sich nachträglich verletzt fühlen sollte, es wäre
denn, dass er im Fall ist, sich auf einen Willensmangel zu berufen, wovon
jedoch hier keine Rede ist. Mit den allgemeinen Grundsätzen des
Vertragsrechtes wäre es nicht vereinbar, wenn der Erblasser, der beim
Vertragsschlusse mitgewirkt und dem Vertrag zugestimmt hat, die Weitergeltung
des erst dadurch zustande gekommenen Vertrages von seinem Belieben abhängig
machen dürfte. Für die vertragsschliessenden Erben und

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Dritten würde es ein unerträglicher Zustand sein, wenn die durch einen
derartigen Vertrag unter Mitwirkung und mit Zustimmung des Erblassers
begründeten Rechte fortwährend der Wiederaufhebung durch blossen Widerruf der
vom Erblasser erteilten Zustimmung ausgesetzt wären. Dagegen bleibt es dem
Erblasser trotz seiner Mitwirkung und Zustimmung unbenommen, durch Verfügung
von Todes wegen über den vom Vertrage betroffenen Erbteil anderweitig zu
verfügen, soweit dem nicht Pflichtteilsschranken entgegenstehen; aber die für
die Abtretung der künftigen Erbschaft versprochene Gegenleistung bleibt seiner
direkten Einwirkung entrückt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird teilweise dahin begründet erklärt, dass in Abänderung des
Urteils des Obergerichtes des Kantons Zug vom 11. Juni 1930 der Beklagte
verurteilt wird, den Klägerinnen je weitere 2000 Fr. nebst Zins zu 5% seit 5.
März 1929 zu bezahlen, und zwar sofort. Im übrigen wird die Berufung
abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 II 21
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 19. Februar 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 II 21
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft abschliesst, bedürfen zu ihrer...


Gesetzesregister
ZGB: 5 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 5 - 1 Soweit das Bundesrecht die Geltung kantonalen Rechtes vorbehält, sind die Kantone befugt, zivilrechtliche Bestimmungen aufzustellen oder aufzuheben.
1    Soweit das Bundesrecht die Geltung kantonalen Rechtes vorbehält, sind die Kantone befugt, zivilrechtliche Bestimmungen aufzustellen oder aufzuheben.
2    Wo das Gesetz auf die Übung oder den Ortsgebrauch verweist, gilt das bisherige kantonale Recht als deren Ausdruck, solange nicht eine abweichende Übung nachgewiesen ist.
18 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 18 - Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen.
23 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
24 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
26 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
28 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
29 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 29 - 1 Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
1    Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
2    Wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so kann er auf Unterlassung dieser Anmassung sowie bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen.
177 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
634 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 634 - 1 Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
1    Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
2    Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.
BGE Register
46-II-350 • 47-II-251 • 57-II-21
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
brunnen • erblasser • vater • mutter • beklagter • tod • erbe • zins • bundesgericht • weiler • testament • vertragsabschluss • bundesversammlung • nichtigkeit • geschwister • leben • nachkomme • inventar • vorinstanz • referent
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