S. 1 / Nr. 1 Familienrecht (d)

BGE 57 II 1

1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Februar 1931 i. S.
Clavuot gegen Schorta.


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Regeste:
Eid (Erw. a) und Blutprobe (Erw. b) als Beweismittel im Vaterschaftsprozess,
insbesondere Fassung der Eidesformel.

Ob der Beklagte der Klägerin-Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt
habe, kann als Tatfrage vom Bundesgericht nur auf Aktenwidrigkeit und
Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften nachgeprüft werden (Art. 81
OG).
a) Von Bundesrechts wegen ist gegen den Vaterschaftseid als Beweismittel für
die Beiwohnung nichts einzuwenden (vgl. BGE 46 II S. 349). Unter welchen
Voraussetzungen er geleistet werden darf, wird ausschliesslich durch das
kantonale Zivilprozessrecht bestimmt. In Anwendung dieses und nicht des
eidgenössischen Rechtes hat also die Vorinstanz die hauptsächlich bestrittene
Eidesfähigkeit der Klägerin-Mutter bejaht. Eine bundesrechtliche
Beweisvorschrift, die ihr nicht gestattet hätte, hiebei von dem bezüglichen
psychiatrischen Gutachten abzuweichen, weil sie es nach eigener Befragung der
Klägerin-Mutter nicht als schlüssig erachtete, besteht nicht, insbesondere
nicht etwa nach der Richtung, dass dies nur auf Grund eines Gegengutachtens
hätte geschehen dürfen. Und es macht keine Aktenwidrigkeit im Sinne des Art.
81 OG aus, wenn das kantonale Gericht sich bei seiner Beurteilung deswegen
nicht von Gutachten Sachverständiger leiten lässt, weil es sich nicht von
deren Richtigkeit zu überzeugen vermag.

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Dagegen erweckt Bedenken, dass die Klägerin, gemäss der gesetzlichen
Formulierung des Bestätigungseides in Vaterschaftssachen durch Art. 18 des EG
zum ZGB für den Kanton Graubünden, nicht nur zu schwören hatte, «dass der
Beklagte zu der von mir angegebenen Zeit mit mir fleischlichen Umgang
gepflogen», sondern ausserdem, «dass ich während des Zeitraumes vom 29.
September 1928 bis 25. Januar 1929 mit keinem andern Manne fleischlichen
Umgang hatte.» Die Vaterschaftsklägerin trifft die Beweislast nur für die
Beiwohnung des Beklagten während der Empfängniszeit, nicht auch dafür, dass
ihr damals niemand anders beigewohnt habe. Anderseits wird der Beklagte durch
eine derartige Eidesleistung nicht von der Beweisantretung für erhebliche
Zweifel an seiner Vaterschaft oder unzüchtigen Lebenswandel der
Klägerin-Mutter ausgeschlossen (vgl. BGE 39 II S. 487 /8). Gelingt es ihm,
mindestens den Beweis für anderweitigen verdächtigen Umgang der
Klägerin-Mutter zu führen, so steht dann freilich von Bundesrechts wegen
nichts der Auferlegung des Reinigungseides an die Klägerin-Mutter entgegen,
der jedoch nicht allgemein allen anderweitigen Geschlechtsverkehr umfassen,
sondern nur gerade den Geschlechtsverkehr mit demjenigen Manne betreffen soll,
mit welchem sie sich nach der Beweisführung des Beklagten in verdächtiger
Weise eingelassen hat. Vorliegend fehlte es jedoch an den Voraussetzungen für
eine derartige Eidespflicht der Klägerin-Mutter (wird näher ausgeführt). Somit
ist der Beklagte durch die zu weitgehende Fassung der Eidesformel keinesfalls
benachteiligt worden. Umgekehrt hat die Klägerin-Mutter davon abgesehen, sich
wegen ungerechtfertigter Ausdehnung der Eidespflicht zu beschweren, was sie
mit Fug hätte tun können (vgl. BGE 39 II S. 487/8), jedoch aus leicht
erklärlichen Gründen unterliess.
b) Die Blutprobe, mit welcher der Beklagte dartun will, es sei ausgeschlossen,
dass er der Vater des Kindes sei, ist freilich nichts anderes als eine Art des
auch von der

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Zivilprozessordnung des Kantons Graubünden umfassend vorgesehenen
Expertise-Beweises. Allein die Zuverlässigkeit dieses Beweismittels ist noch
nicht derart über alle Zweifel erhaben, dass es als Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften bezeichnet werden könnte, wenn ein
kantonales Gericht nicht darauf eintreten will mit der Begründung, es würde
sich dadurch doch nicht überzeugen lassen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 II 1
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 06. Februar 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 II 1
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Eid (Erw. a) und Blutprobe (Erw. b) als Beweismittel im Vaterschaftsprozess, insbesondere Fassung...


Gesetzesregister
OG: 81
BGE Register
39-II-485 • 46-II-345 • 57-II-1
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
mutter • beklagter • beweismittel • geschlechtsverkehr • weiler • zweifel • wille • blutprobe • mann • eid • vater • gutachten • vorinstanz • beweislast • leiter • psychiatrisches gutachten • richtigkeit • tatfrage • bundesgericht