S. 373 / Nr. 57 Handels- und Gewerbefreiheit (d)

BGE 57 I 373

57. Urteil vom 23. Dezember 1931 i.,S. Schuhhaus Löw A.-G. gegen Zug.

Regeste:
Es ist nach Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV unzulässig, demjenigen, der einen Totalausverkauf
veranstaltet hat, den normalen Weiterbetrieb des Geschäftes polizeilich zu
verbieten.

(Gekürzter Tatbestand:)
A. - Das «Schuhhaus zum Hans Sachs A.-G.» betrieb unter diesem Namen in Zug
ein Detailgeschäft. Im Juni 1931 kam die Gesellschaft beim Regierungsrat des
Kantons Zug um die Bewilligung für einen Totalausverkauf ein, die er mit
Befristung vom 4. Juli - 3. September. gestützt

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auf § 23 des Gesetzes betreffend den unlautern Wettbewerb vom 21. August 1930,
erteilte. Nachdem das Geschäft nach Ablauf der Ausverkaufsfrist geschlossen
worden war, stellte am 16. September das «Schuhhaus Löw A.-G.» an die
Gemeindebehörde von Zug das Gesuch um Bewilligung zum Betrieb eines
Detailgeschäftes am gleichen Orte. Nach verschiedenen Erhebungen über die
Verhältnisse des Schuhhauses zum Hans Sachs A.-G. und des Schuhhauses Löw
A.-G. und ihre Beziehungen zu einander hat der Regierungsrat des Kantons Zug
das Gesuch mit Entscheid vom 21./28. Oktober 1931 abgewiesen. Auf Grund der
gemachten Erhebungen wurde festgestellt, dass die Hans Sachs A.-G. und das
Schuhhaus Löw A.-G. ein und dasselbe Unternehmen der Schuhfabrik Löw A.-G.,
d.h. eine Verkaufs- und Betriebsorganisation derselben seien; durch die
Mittelperson der Hans Sachs A.-G. habe sich die Löw A.-G. einen
Totalausverkauf wegen «Geschäftsaufgabe» bewilligen lassen, dann aber durch
eine andere Mittelperson, das Schuhhaus Löw A.-G., schon 14 Tage nach
Beendigung des Ausverkaufes um eine neue Patentbewilligung nachgesucht; das
neue Geschäft solle im gleichen Lokal betrieben werden, wie das der Hans Sachs
A.-G. Darin liege ein Missbrauch des Totalausverkaufes, und es seien darnach
die Voraussetzungen des § 26 des Gesetzes über unlautern Wettbewerb zum Verbot
der Neugründung oder Weiterführung des Geschäftes während drei Jahren gegeben.
B. - Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt das Schuhhaus Löw A.-G. beim
Bundesgericht, «es sei der regierungsrätliche Entscheid vom 21./28. Oktober
1931 und das darin enthaltene Verbot der Eröffnung eines Detailgeschäftes in
Zug aufzuheben, sowie der Regierungsrat des Kantons Zug zu verhalten, das
nachgesuchte Handelspatent zu erteilen».
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art.
31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV: Die Bestimmung von § 26 des Zuger Gesetzes, auf die sich der
regierungsrätliche

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Entscheid stützt, sei wirtschafts-politischen Erwägungen, der Rücksicht auf
den Schutz des mittelständigen Gewerbes, entsprungen und verstosse gegen den
Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit, wofür auf die Entscheide des
Bundesgerichtes in Sachen Graetz gegen Obwalden, 42 I 25, und in Sachen
Denzler & Cie. gegen Thurgau, 48 I 459, verwiesen wird.
C. - Namens des Regierungsrates von Zug beantragt. die dortige
Staatsanwaltschaft die Abweisung der Beschwerde. Gegenüber der Berufung auf
die bundesgerichtlichen Entscheide in Sachen Graetz und Denzler & Cie. wird
geltend gemacht, dass der Tatbestand im vorliegenden Falle nicht der nämliche
sei: Sowohl der Kanton Obwalden als der Kanton Thurgau hätten keine
gesetzliche Bestimmung, die ihnen das Recht gegeben hätte, die Weiterführung
eines Geschäftes nach Durchführung eines Totalausverkaufes zu verbieten. Mit
einer solchen Bestimmung wolle der zugerische Gesetzgeber den Missbrauch der
Institution des Totalausverkaufes zu unlauterem Wettbewerb verhindern und vor
allem die Konsumenten gegen Täuschungen schützen. Um dem Zweck des
Verfassungsgrundsatzes nachzukommen, habe er vorgesehen, dass beim Vorliegen
besonderer Verhältnisse vom Regierungsrat Ausnahmen bewilligt werden können.
«Die Wiedereröffnung eines Geschäftes gleicher Branche soll überall dort
möglich gemacht werden, wo nicht ein Totalausverkauf zum Zwecke unlauteren
Geschäftsgebahrens vorgenommen wurde und wo die Anwendung des Verbotes,
infolge veränderter Verhältnisse für den Geschäftsinhaber, eine unbillige
Härte darstellen würde. In den letzten Jahren ist leider die Verkaufsart der
Ausverkäufe dazu verwendet worden, durch Täuschung des Publikums unlauteren
Wettbewerb zu betreiben. Das Veranstalten von Totalausverkäufen ist direkt zu
einem Geschäft geworden. Es gibt Leute, die versuchen, von Ort zu Ort zu
ziehen, einige Monate ein Geschäft betreiben, um nachher unter dem Vorwand
eines Totalausverkaufes die Waren möglichst

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schnell abzustossen. Nach Beendigung des Ausverkaufes gehen sie an einen
benachbarten Ort und beginnen den Trick von neuem. Das Publikum aber wird über
die Eigenschaft der gekauften Ware als Liquidationsware getäuscht und die
loyalen Geschäftsleute kommen in schweren Schaden.» In letzter Zeit sei man
sogar dazu übergegangen, diesen «Totalausverkaufsschwindel» am Orte selber zu
betreiben. Eine allfällige Busse wegen falschen Angaben bei Einreichung des
Totalausverkaufsgesuches werde leicht in den Kauf genommen.
D. - Am 16. November teilte das Schuhhaus Löw A.-G. dem Regierungsrat von Zug
mit, dass es trotz des Entscheides vom 21./28. Oktober das Geschäft in Zug
eröffnen werde. Daraufhin beschloss der Regierungsrat des Kantons Zug am
21./23. November: «Die Schuhhaus Löw A.-G. wird angewiesen, das neueröffnete
Zweiggeschäft in Zug von Mittwoch, den 25. dies an geschlossen zu halten.»
Diesem Beschluss unterzog sich die Schuhhaus Löw A.-G., erhob aber
gleichzeitig dagegen eine neue Beschwerde wegen Verletzung von Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV, in
der Antrag und Begründung der frühern Beschwerde aufgenommen wird.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. - Das Bundesgericht hat in den von der Beschwerdeführerin angerufenen
Entscheiden in Sachen Graetz gegen Obwalden und Denzler & Cie. gegen Thurgau
erklärt, dass es dem in Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV niedergelegten Grundsatz der Handels- und
Gewerbefreiheit widerspreche, wenn einem Handeltreibenden, dem eine
Bewilligung zum Totalausverkauf erteilt worden ist, die Fortführung des
Geschäftes nach Ablauf der Ausverkaufsfrist behördlich verboten werden wolle,
weil der Missbrauch der Verkaufsbewilligung einen so tiefen Eingriff in den an
sich erlaubten Gewerbebetrieb nicht rechtfertige. Wenn hieran festgehalten
wird, so muss auch im vorliegenden Falle die Beschwerde gutgeheissen und das
Verbot des Weiterbetriebes des Geschäftes

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der Beschwerdeführerin als verfassungswidrig aufgehoben werden. Denn
tatbeständlich besteht kein rechtserheblicher Unterschied zwischen dem
vorliegenden und den beiden frühern Fällen. Dass das Verbot in den letztern in
die Form einer Bedingung für die Ausverkaufsbewilligung gekleidet war, während
es sich im vorliegenden Falle auf eine gesetzliche Bestimmung stützt, ist für
die Beantwortung der Frage der Verfassungsmässigkeit desselben gleichgültig,
ebenso wie der Umstand, dass das Zuger Verbot zeitlich beschränkt ist. Auch
die in § 26 des Zuger Gesetzes vorgesehene Möglichkeit, dass der Regierungsrat
in besondern Fällen Ausnahmen machen kann, benimmt dem grundsätzlichen Verbot,
aus dem Gesichtspunkt jener Entscheide betrachtet, nicht die
Verfassungswidrigkeit. Vom Standpunkt des Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV aus ist es vielmehr
gleichgültig, ob ein derartiges Verbot auf einer blossen Verfügung oder einer
der Ausverkaufsbewilligung beigefügten Bedingung oder auf einer gesetzlichen
Vorschrift beruhe. Es mag übrigens beigefügt werden, dass sich schon der
Bundesrat in seinem Entscheid in Sachen Bloch vom 18. August 1903 dahin
ausgesprochen hat: «Würden ihm (dem Rekurrenten) durch das angefochtene
Urteil, sei es ausdrücklich oder stillschweigend, aber offenkundig der fernere
Betrieb eines ständigen Handels nach Abschluss des gänzlichen Ausverkaufs
verwehrt, so müsste hierin allerdings eine Verletzung der Handels- und
Gewerbefreiheit erblickt werden» (BBl. 1903 III S. 948).
3. - Somit kann es sich nur fragen, ob auf die frühere Praxis zurückzukommen
und ein Verbot, wie es § 26 des Zuger Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb
vorsieht, in Zukunft als mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar
anzusehen sei. Eine erneute Prüfung der rechtlichen Seite der Frage führt nun
aber nicht zu einer andern Lösung. Freilich erscheint es bei erster
Betrachtung nahe liegend zu sagen: Durch die Auskündigung eines
Totalausverkaufes werde der beabsichtigte Erfolg eines raschen Absatzes
vorhandener Warenbestände durch die

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durch die Auskündigung hervorgerufene Vorstellung bewirkt oder doch verstärkt,
dass das Geschäft nach Ablauf der Ausverkaufsfrist eingehe; deshalb sei dann
der Ausverkäufer gehalten, diese von ihm hervorgerufene und ausgenutzte
Vorstellung wahr zu machen und das Geschäft aufzugeben. Allein eine
Verpflichtung dies zu tun, die nur eine öffentlichrechtliche sein könnte,
lässt sich daraus, dass jemand eine Ausverkaufsbewilligung missbraucht hat,
sei es, dass er von vorneherein keinen Ausverkauf beabsichtigte, sei es, dass
er von dieser Absicht während des Ausverkaufs zurückgekommen ist, nicht ohne
weiteres herleiten. Das Recht, Handel zu treiben, ist als solches innert der
Schranken, die zum Schutz des öffentlichen Wohles aufgestellt sind, durch die
Verfassung gewährleistet. Eine Erlaubnis zum Betriebe eines Geschäftes, wie es
in Frage steht, ist auch nach Zuger Recht nicht erforderlich. Wenn dort eine
«Bewilligung» zur Eröffnung eines neuen Handelsgeschäftes erforderlich ist,
wie es nach dem eigenen Vorgehen der Beschwerdeführerin der Fall zu sein
scheint, so kann es sich nur um eine Kontrollmassnahme handeln, da materielle
Regeln über die Bewilligung oder Nichtbewilligung eines solchen Betriebes
nicht bestehen. Eine Verpflichtung, ein an sich erlaubtes Geschäft nicht zu
betreiben, kann aber da, wo kein Genehmigungszwang (Erlaubnisvorbehalt)
besteht, nur als Folge eines behördlichen Verbotes aufgefasst werden, durch
das ein rechtswidriges Verhalten geahndet und weitern Rechtswidrigkeiten
vorgebeugt werden soll. Die Verfehlung besteht in einem Fall wie dem
vorliegenden darin, dass eine Totalausverkaufsbewilligung missbraucht wurde,
sei es dass die Aufgabe des Geschäftes gar nicht beabsichtigt war, oder dass
diese Absicht nachher aufgegeben wurde. Die entsprechende Ahndung einer
solchen Verfehlung besteht aber darin, dass der Fehlbare hiefür mit einer
Strafe belegt wird, und nicht darin, dass ihm ein an sich erlaubter
Geschäftsbetrieb durch Verwaltungsverfügung verboten wird. Der Missbrauch
einer Totalausverkaufsbewilligung

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wird denn auch aller Regel nach unter die Strafandrohungen wegen unlauteren
Wettbewerbs fallen, wie sie auch das Zuger Gesetz in den §§ 6 ff. und § 30
aufstellt. Dem Missbrauch wird ferner auch vorgebeugt werden können durch
Versagung der Bewilligung, wenn die Auskündigung die Absicht des Missbrauchs
erkennen lässt (so das zürch. Gesetz über das Ausverkaufswesen vom 26. August
1917 § 3 und die Verordnung dazu vom 23. Januar 1924 § 3, wo gesagt ist, die
Bewilligung könne verweigert werden, wenn das Gesuch die Absicht unlauteren
Gebarens erkennen lässt, z.B. wenn den Behörden unwahre, irreführende oder
unvollständige Angaben gemacht werden, wenn an Stelle des eigentlichen
Geschäftsinhabers andere Personen vorgeschoben werden etc.). Wohl kann weiter
dafür gesorgt werden, dass der Fehlbare nicht mehr in die Lage kommt, in
gleicher Weise sich zu verfehlen und das Publikum zu täuschen, in der Weise,
dass ihm und seinen Geschäftsnachfolgern für eine gewisse Zeit keinerlei
Ausverkaufsbewilligung erteilt wird, wie das das Zuger Gesetz ebenfalls in §
25 vorsieht. Auch sind andere Massnahmen, die den Missbrauch einer
Ausverkaufsbewilligung verhindern oder erschweren sollen, wie sie das Zuger
Gesetz in den §§ 14-17 ebenfalls kennt, zulässig. Endlich dürfen umgangene
Gebühren nachgeholt und unter Umständen erhöht werden. Wenn aber wegen eines
missbräuchlichen Ausverkaufs der normale Fortbetrieb eines Geschäftes durch
den Ausverkäufer oder seine Nachfolger während längerer Zeit polizeilich
verboten wird, so geht das über das Mass einer im Interesse der öffentlichen
Ordnung gerechtfertigten Schutzmassnahme weit hinaus. Dass es sich bei § 26
des Gesetzes um eine polizeiliche Beschränkung und nicht um eine Strafe
handelt, ist ohne weiteres klar, zumal da es danach in die Hände des
Regierungsrates gelegt ist, von der gesetzlichen Vorschrift Ausnahmen zu
gewähren, womit die Handhabung dieser Bestimmung einer Verwaltungsbehörde
überlassen ist. Die begangene Unehrlichkeit könnte als Grund für eine solch

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weitgehende polizeiliche Beschränkung in der persönlichen Handelsfreiheit nur
verwendet werden, wenn nach allgemeiner Ordnung die persönliche Ehrlichkeit
die Voraussetzung für den Betrieb eines Handelsgeschäftes wäre. Nirgends aber,
auch in Zug nicht, ist als Regel vorgesehen, dass wegen allgemeiner
Unzuverlässigkeit oder wegen einzelner begangener Verstösse gegen die
Geschäftsehrlichkeit der Betrieb eines nicht dem Genehmigungszwang
unterliegenden Geschäftes gänzlich verboten werden könnte. Man lässt es
vielmehr dabei bewenden, dass solche Verfehlungen als solche wegen unlauteren
Wettbewerbes unter Strafe gestellt werden. So fällt auch in Zug die
Ankündigung eines Totalausverkaufes, der sich als trügerisch erweist,
zweifellos unter die §§ 6 und 7 Ziff. 1 des Gesetzes. Die Ansicht des
Regierungsrates, eine Busse genüge als sichernde und abschreckende Massnahme
nicht, erscheint nicht ohne weiteres als richtig, wenn man die recht
weitgehenden Strafdrohungen beachtet. Zudem ist in § 30 des Gesetzes noch die
Gefängnisstrafe vorgesehen. Daraus folgt, dass die in § 26 vorgesehene
Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit über das Mass der zulässigen
Schranken hinausgeht und als verfassungswidrig erscheint, und dass die
rechtliche Nachprüfung der Frage ein Abgehen von den frühern Entscheiden nicht
verlangt...
4. - Nun macht aber der Regierungsrat geltend, dass sich aus der durch die
bisherige Praxis ergebenden Rechtslage tatsächlich unhaltbare Zustände ergeben
hätten, die eine Änderung der Praxis forderten. Für den Kanton Zug wird dafür
nur auf einen Fall verwiesen, der auch Anlass zu der Aufnahme des § 26 gegeben
haben soll. Es geht aber gewiss nicht an, deshalb, weil einmal eine
Ausverkaufsbewilligung missbraucht worden ist, nun allgemein die strenge Folge
des Verbotes des Weiterbetriebes des Geschäftes anzudrohen, zum mindesten
soweit es sich dabei nicht um eine Strafe, sondern um eine blosse polizeiliche
Massnahme handelt. Die Befürchtung sodann, dass ohne eine solche Bestimmung
die Gefahr bestehe,

Seite: 381
dass das ganze Jahr Scheinausverkäufe abgehalten werden. ist offensichtlich
übertrieben, und was die Behauptung betrifft, dass sich gerade im Anschluss an
die Fälle Graetz und Denzler & Cie. ein Geschäftsgebaren herausgebildet habe,
das unzweifelhaft den Charakter des unlautern Wettbewerbes trägt, sind
schlüssige Beweise hiefür nicht beigebracht worden, indem lediglich erwähnt
wird, dass die Löw A.-G. solche Totalausverkäufe auch in Wohlen und Arbon
veranstaltet habe und dass man deshalb in Zug angefragt habe, wie man sich
dort verhalten habe:. Damit ist ein allgemeiner Notstand, der ein Abgehen von
der grundsätzlich richtigen Lösung dringend erheischen würde, nicht dargetan.
Übrigens sagt der Regierungsrat selber, es handle sich bei der Bestimmung des
§ 26 um die Bekämpfung eines unlauteren Wettbewerbes. Dafür scheinen aber die
übrigen hiefür zur Verfügung stehenden Mittel sowie die Massnahmen, die
insbesondere in Hinsicht auf die Kontrolle der Ausverkäufe getroffen werden
können, hinreichend. Es ist nicht ersichtlich, dass man in Zug (und anderswo)
diese Mittel, insbesondere das Strafverfahren wegen unlautern Wettbewerbs,
erfolglos angewendet habe oder dass diese nicht zulässig gewesen seien.
Endlich mag bemerkt werden, dass, soweit ersichtlich, kein anderer Kanton es
für nötig gefunden hat, so weit zu gehen wie Zug mit § 26 des Gesetzes. Den
diesbezüglichen Hinweisen im Entscheid in Sachen Denzler & Cie. (BGE 48 I 460)
mag beigefügt werden, dass auch die seither erlassenen Gesetze des Kantons
Waadt über die Police du commerce und des Kantons Bern über den unlauteren
Wettbewerb eine solche Vorschrift nicht enthalten. In Deutschland fallen
ebenfalls täuschende Ausverkaufsanzeigen, wozu auch die Auskündigung eines
Ausverkaufs gehört, ohne dass ein solcher beabsichtigt ist, lediglich unter
die Strafvorschriften wegen unlauteren Wettbewerbs (vgl. Kommentar von
ROSENTHAL zum Gesetz über unlauteren Wettbewerb zu § 7 Note 6 und 39 a), haben
aber nicht das Verbot des Weiterbetriebes des Geschäftes zur

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Folge. Auch daraus darf geschlossen werden, dass eine Notwendigkeit, eine neue
polizeiliche Schranke für einen an sich erlaubten Geschäftsbetrieb
aufzurichten, nicht besteht...
Der angefochtene Beschluss des Regierungsrates vom 21./28. Oktober ist darnach
insofern verfassungswidrig, als er der Beschwerdeführerin den normalen Betrieb
eines Schuhgeschäftes in Zug verbieten will, was denn auch die Aufhebung des
Beschlusses des Regierungsrates vom 21./23. November, der eine Bestätigung und
Ausführung jenes Verbotes enthält, nach sich zieht. Dabei sei vorbehalten, ob
nicht ein zeitweises Verbot des Weiterbetriebs eines Geschäftes, wenn es als
Nebenstrafe bei Widerhandlungen gegen die Ausverkaufsvorschriften gesetzlich
vorgesehen und vom Richter verhängt würde, zu schützen wäre.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerden werden im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und demgemäss wird
das in den Entscheiden des Regierungsrates des Kantons Zug vom 28. Oktober und
23. November 1931 enthaltene Verbot des Geschäftsbetriebes der Rekurrentin
aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 I 373
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 23. Dezember 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 I 373
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Es ist nach Art. 31 BV unzulässig, demjenigen, der einen Totalausverkauf veranstaltet hat, den...


Gesetzesregister
BV: 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BGE Register
42-I-22 • 48-I-453 • 57-I-373
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • unlauterer wettbewerb • ausverkauf • bundesgericht • frage • unternehmung • obwalden • thurgau • verhalten • entscheid • weiler • mass • bedingung • busse • richtigkeit • schutzmassnahme • falsche angabe • abweisung • wirtschaftsfreiheit • beginn
... Alle anzeigen
BBl
1903/III/948