S. 103 / Nr. 25 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 56 III 103

25. Entscheid vom 2. Juni 1930 i. S. Beerli.


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Regeste:
Kollokationsverfahren im Konkurs.
Pflicht der Konkursverwaltung, die im Kollokationsprozess rechtskräftig
geschützte Forderung des Gläubigers ohne Einschränkung zuzulassen;
Verwirkung aller Einreden, die im Kollokationsprozess gegen die Zulassung der
Forderung hätten erhoben werden können, aber aus irgend einem Grund nicht
vorgebracht wurden, ins. besondere Unzulässigkeit, solche Einreden
nachträglich durch Neuauflage eines abgeänderten Kollokationsplanes oder im
Verteilungsverfahren geltend zu machen.
Procédure de collocation dans la faillite.
L'administration de la faillite doit colloquer sans restriction la créance qui
a été reconnue par un jugement rendu - et passé en force - dans l'action en
contestation de l'état de collocation.
Toutes les exceptions qui auraient pu être opposées au créancier dans ledit
procès mais qui, pour une raison quelconque, n'ont pas été soulevées, sont
périmées. On ne saurait notamment les faire revivre après coup par le dépôt
d'un nouveau plan de collocation modifié, ni dans la procédure de
distribution.
Collocazione nel fallimento.
L'amministrazione fallimentare deve iscrivere a graduatoria senza restrizione,
il credito determinato da sentenza, cresciuta in forza, in causa di
contestazione della graduatoria.

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Tutte le eccezioni che avrebbero potuto essere opposte al creditore, ma che
non furono sollevate, per qual motivo, poco importa, sono perente. Tra altro
non sarebbe lecito farle rivivere deponendo una nuova graduatoria o
sollevandole nel procedimento di riparto.

A. - Beim Konkursamt Kriegstetten ist die konkursamtliche Liquidation des
Nachlasses Ferdinand Beerli anhängig. In diesem Verfahren haben die heutigen
Rekurrenten eine gemeinsame Forderung von über 30000 Fr. als erbrechtlichen
Ausgleichungsanspruch eingegeben, wurden jedoch von der Konkursverwaltung
abgewiesen. In dem die Abweisung begründenden Schreiben der Konkursverwaltung
vom 13. April 1928 wurde unter Ziff. 3 noch bemerkt, «dass die mitfordernden
Gläubiger Werner Beerli und August Köchli der Konkursmasse selber grössere
Beträge schulden, wofür Verlustscheine in unseren Händen liegen und dass hier
schliesslich auch das Recht der Verrechnung geltend gemacht werden könnte». Im
darauffolgenden Kollokationsprozess hat das Amtsgericht
Bucheggberg-Kriegstetten mit Urteil vom 7. März 1930 erkannt: «Die Kläger sind
im Konkurs über den Nachlass des Ferdinand Beerli sel. mit einer Forderung von
11483 Fr. 40 Cts. zu kollozieren und der Kollokationsplan in diesem Sinn
abzuändern». Dieses Urteil wurde von keiner Partei weitergezogen und erwuchs
daher in Rechtskraft.
In einem vom 12. März 1930 datierten «Nachtrag zum Kollokationsplan» stellte
das Konkursamt fest, dass sich der vom Gericht geschützte Betrag wie folgt
unter die Kläger verteile:
Werner Beerli Fr. 2241.40
Frau Hubmann Fr. 3138.-
Frau Köchli Fr. 3138.-
Norberta Beerli Fr. 2466.-
Div. Gläubiger Fr. 500.-
Fr. 11.483.-

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Mit der Begründung, dass gegenüber dem Guthaben des Werner Beerli eine
Forderung des Erblassers aus Verlustschein in Höhe von 5638 Fr. 50 Cts.
verrechnet werde, wurde der «Forderungsanspruch des Werner Beerli aus dem
Kollokationsplan weggewiesen» während die Forderungen der übrigen drei
Gläubiger «im Sinn des amtsgerichtlichen Urteils» mit den erwähnten
Einzelbeträgen «kolloziert» wurden. Hievon gab das Konkursamt dem Vertreter
der vier Gläubiger mit Zuschrift vom 12. März 1930 Kenntnis mit der Bemerkung:
«Die Klage- oder Beschwerdefrist nimmt daher mit dem heutigen Tag ihren
Anfang».
B. - Mit rechtzeitig erhobener Beschwerde verlangten die Beschwerdeführer,
dass das Konkursamt verhalten werde, die vom Gericht geschützte Forderung als
ungeteilten Gesamtanspruch der 4 Beschwerdeführer im vollen Umfang und unter
Ablehnung eines Kompensationsrechtes der Masse zu kollozieren und den
Kollokationsplan in diesem Sinn abzuändern. Die Begründung geht dahin, dass
die erforderliche Berichtigung des Kollokationsplanes nicht im
Kollokationsverfahren, sondern im Verteilungsverfahren zu erfolgen habe, dass
also nicht, wie es hier geschehen sei, ein neuer Kollokationsplan unter
Ansetzung einer neuen Klagefrist aufzulegen sei. Die Verfügung des
Konkursamtes sei daher schon aus diesem formellen Grund aufzuheben. Auch
materiell sei sie nicht haltbar, denn eine Verrechnung hätte im
Kollokationsprozess erklärt werden müssen. Hinterher sei dies nicht mehr
zulässig. Zudem seien auch die Voraussetzungen für eine Verrechnung nicht
gegeben.
C. - Hierüber hat die kantonale Aufsichtsbehörde am 24. April 1930 erkannt:
«1. Die Beschwerde des Werner Beerli & Kons. gegen das Konkursamt
Kriegstetten, dahingehend, es sei die Frage, ob die Konkursmasse gegenüber dem
Forderungsanspruch der Beschwerdeführer bezw. des Werner Beerli ein
Kompensationsrecht besitze oder nicht, nicht in einem

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Nachtragskollokationsverfahren, sondern erst im Verteilungsverfahren zu
erledigen, wird als unbegründet abgewiesen.
«2. Auf die weitergehenden Beschwerdebegehren, es sei das Kompensationsrecht
der Konkursmasse Beerli gegenüber dem gerichtlich festgestellten
Forderungsanspruch der Beschwerdeführer bezw. des Werner Beerli zu verneinen
und die ganze Forderung derselben per 11483 Fr. 40 Cts. zu kollozieren... wird
nicht eingetreten.»
Die Vorinstanz führt aus, das Konkursamt habe, da es die Forderung des Werner
Beerli durch Verrechnung tilgen wolle, mit Recht das Kollokationsverfahren in
dem Sinn eingeleitet, dass es dem betroffenen Gläubiger eine Frist zur
Anfechtung der Verrechnung ansetzte. Nur in diesem Sinn, nicht auch zu Gunsten
der übrigen Gläubiger sei eine Neuauflage des Kollokationsplanes erfolgt. Der
Entscheid über die Zulässigkeit der Verrechnung gehöre auch deswegen ins
Kollokationsverfahren, weil die Verlustscheinsforderung, mit welcher das Amt
verrechnen wolle, ein Konkurssubstrat sei und daher noch vor der Verteilung
verwertet werden müsse. Ob die Verrechnung schon im vorausgegangenen
Kollokationsprozess hätte erklärt werden müssen und ob die Voraussetzungen für
eine Verrechnung überhaupt gegeben seien, könne die Aufsichtsbehörde nicht
beurteilen, da es sich dabei um Rechtsfragen handle, die in die Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte fallen.
D. - Diesen den Parteien am 6. Mai 1930 zugestellten Entscheid zogen die
Beschwerdeführer rechtzeitig an das Bundesgericht weiter mit dem Antrag auf
Gutheissung der Beschwerde.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. - In seiner Vernehmlassung vor der Vorinstanz hat das Konkursamt
ausdrücklich den Erlass einer

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Kollokationsverfügung in Abrede gestellt und ausgeführt, es habe mit seiner
Verfügung vom 12. März 1930 nur den auf die Rekurrenten bezüglichen Teil der
Verteilungsliste vorweggenommen, weil eine Anfechtung dieser Verteilung
vorauszusehen gewesen sei und es sich die doppelte Erstellung der ganzen Liste
habe ersparen wollen. - Wenn dies auch wirklich die Absicht des Amtes gewesen
sein sollte (dafür könnte allenfalls sprechen, dass es eine Klage- oder
Beschwerdefrist ansetzte), so ist doch diese Absicht nicht in geeigneter Weise
zum Ausdruck gelangt: Was das Konkursamt gemacht hat, ist ein Nachtrag zum
Kollokationsplan; daran kann nach dem Text auf Seite 29/30 des
Kollokationsplanes kein Zweifel bestehen.
2. - Die Beantwortung der Frage, ob die Verrechnungseinrede schon im
vorausgegangenen Kollokationsprozess hätte geltend gemacht werden sollen,
liegt nicht, wie die Vorinstanz annimmt, in der ausschliesslichen
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Letzten Endes handelt es sich hier um
die Feststellung der Wirkungen, die einem im Kollokationsprozess ergangenen
Urteil für das betreffende Betreibungs- oder Konkursverfahren zukommen; denn
den Gläubiger, der im Kollokationsprozess obgesiegt hat, nachträglich zur
Führung eines zweiten Prozesses darüber, ob jene Forderung nicht doch infolge
Verrechnung untergegangen sei, zu zwingen, heisst im Grund nichts anderes, als
jenes erste Urteil ausser Acht lassen. Ob den Betreibungsorganen dies
gestattet sei, ist jedoch eine rein betreibungsrechtliche Frage und muss daher
von den Aufsichtsbehörden entschieden werden. Und zwar in verneinendem Sinn:
Aus dem Umstand, dass das Gesetz den Entscheid solcher Streitigkeiten den
Gerichten zugewiesen hat, ergibt sich ohne weiteres, dass das Urteil der
letztern für die Betreibungsorgane massgebend sein muss; denn sonst hätte
diese Ausscheidung der Befugnisse keinen Sinn. Aus Gründen der Prozessökonomie
kann es anderseits nicht zugelassen werden, dass bezüglich der

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gleichen Forderung mehrere Prozesse geführt werden müssen. Ebensogut, wie der
Gläubiger nur eine einzige Gelegenheit zum Nachweis seiner Forderung erhält,
muss seine Gegenpartei schon im ersten Prozess alle Einreden geltend machen,
welche gegen die Zulassung dieser Forderung im Kollokationsplan vorgebracht
werden können. Unterlässt sie dies, so kann das Versäumte nicht dadurch
nachgeholt werden, dass ein vom Urteil abweichender Nachtrag zum
Kollokationsplan aufgelegt und dem betreffenden Gläubiger eine neue Klagefrist
angesetzt wird. Dabei kann es keinen Unterschied ausmachen, ob eine
Verrechnungs- oder eine andere Einrede erhoben werden will. Nicht anders kann
auch entschieden werden, wenn die Konkursverwaltung glaubt, nur gegenüber
einem von mehreren gleichberechtigt auftretenden Mitgläubigern verrechnen zu
können. Ob in einem solchen Fall überhaupt eine Verrechnung zulässig sei, ist
vom Richter im Kollokationsprozess zu entscheiden, und da ein einziger Prozess
die Frage der Kollokation endgültig erledigen muss, hätte die
Konkursverwaltung eben auch die nur gegen einen der Kläger gerichtete
Verrechnungseinrede eventuell, für den Fall der ganzen oder teilweisen
Zusprechung der Klage erheben sollen. Dass sie hiezu nicht in der Lage gewesen
sei, kann nicht wohl behauptet werden, nachdem die Konkursverwaltung schon in
der Kollokationsverfügung vom 13. April 1928 auf ihr diesbezügliches Recht
angespielt hat. Dass es dann im Prozess eine Verrechnungserklärung abgegeben
habe, wird vom Konkursamt selbst nicht behauptet.
3. - Aus dem Gesagten folgt, dass die Forderung der Rekurrenten so, wie sie
durch das Amtsgericht rechtskräftig festgestellt wurde, im Konkurs zugelassen
werden muss, d. h. als ungeteilte Gesamthandforderung der vier Kläger in Höhe
von 11483 Fr. 40 Cts. Eine Zerlegung dieser Forderung in Teilforderungen der
einzelnen Kläger ist im amtsgerichtlichen Urteil nicht erfolgt und muss daher
auch im Konkurs unterbleiben. Zwar findet sich

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in dem bei den Akten liegenden Exemplar des amtsgerichtlichen Urteils am
Schluss ein vom Gerichtspräsidenten und Gerichtsschreiber unterzeichneter
Nachtrag, in welchem die auf die einzelnen Kläger entfallenden Anteile an der
Gesamtforderung ausgerechnet werden. Dieser Nachtrag nimmt jedoch schon
deswegen nicht an der Rechtskraft des Urteils teil, weil er sich nicht im
Dispositiv des letztern findet. Für die Kollokation ist aber nur der im
Dispositiv formulierte und in Rechtskraft erwachsene Entscheid massgebend.
Die mit dem Urteil im Widerspruch stehende Kollokationsverfügung des
Konkursamtes vom 12. März 1930 kann und muss daher durch die Aufsichtsbehörden
aufgehoben werden. Das Amt hat lediglich von der Erledigung des Prozesses im
Kollokationsplan Vormerk zu nehmen (Art. 64 Abs. 2 KV) und im übrigen bei der
Verteilung die gutgeheissene Gesamtforderung der Rekurrenten in Rechnung zu
stellen.
4. - Wollte man noch die Verfügung vom 12. März 1930 als Teil der
Verteilungsliste auffassen, so wäre sie nicht weniger ungesetzlich; denn die
Verteilung hat dem durch das Urteil abgeänderten Kollokationsplan zu
entsprechen. Auf die Kollokation kann im Verteilungsstadium nicht mehr
zurückgekommen werden. Es geht daher nicht an, bei der Verteilung mit
Rücksicht auf eine gegenüber der kollozierten Forderung zu erhebende
Verrechnungseinrede vom massgebenden Kollokationsplan abzuweichen und auf
diesem Umweg einen neuen Kollokationsprozess über die nämliche Forderung zu
veranlassen (vgl. BGE 29 I S. 83 f = Sep. Ausg. 6 S. 17 f). Dem steht nicht
etwa die Praxis entgegen, welche im Verteilungsverfahren die Verrechnung von
Forderungen der Masse mit dem Dividendenanspruch eines Gläubigers zulässt.
Denn hier wird nicht im Widerspruch zur Rechtskraft des Kollokationsplanes
nachträglich der Bestand einer kollozierten Forderung wieder in Frage
gestellt, sondern die auf Grund des Kollokationsplanes feststehende
Dividendenschuld der

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Konkursmasse durch Verrechnung mit einer Forderung der Masse getilgt (vgl. BGE
54 III 22 f.).
Demnach erkennt die Schuldbetreiubngs- und Konkurskammer:
In Gutheissung des Rekurses wird der angefochtene Entscheid aufgehoben und die
Beschwerde im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 56 III 103
Datum : 01. Januar 1930
Publiziert : 02. Juni 1930
Quelle : Bundesgericht
Status : 56 III 103
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Kollokationsverfahren im Konkurs.Pflicht der Konkursverwaltung, die im Kollokationsprozess...


BGE Register
29-I-81 • 54-III-20 • 56-III-103
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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