S. 20 / Nr. 6 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 54 III 20

6. Entscheid vom 8. Februar 1928 i.S. Schlesinger.


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Regeste:
Setzt die Konkursverwaltung das auf eine im Kollokationsplan zugelassene
Konkursforderung entfallende Konkursbetreffnis (Dividende) in der
Verteilungsliste nicht aus, weil sie es mit einer Gegenforderung verrechnen
will - was nur zulässig ist, wenn die Verrechnung nicht schon bei der
Aufstellung des Kollokationsplanes durch Abweisung der Konkursforderung
vorgenommen werden konnte, oder wenn die Gegenforderung der Konkursmasse als
solcher zusteht -, so muss der Konkursgläubiger während der Auflage der
Verteilungsliste Klage erheben, wenn er die Verrechnung nicht gelten lassen
will.
Lorsque l'administration de la faillite ne porte pas au tableau de
distribution le dividende afférent à une prétention dûment colloquée, dans
l'intention de le compenser alors avec une créance contre celui qui a produit
- ce qui n'est admissible d'ailleurs que dans le cas où la compensation ne
pouvait se faire déjà au moment de l'établissement de l'état de collocation,
ou lorsque la créance contre l'intéressé appartient à la masse comme telle -,
le créancier de la faillite doit ouvrir action pendant le dépôt du tableau de
distribution s'il entend s'opposer à la compensation.
Se l'amministrazione del fallimento, intendendo compensare il dividendo
spettante ad una pretesa regolarmente collocata (il che, del resto, è lecito
solo ove la compensazione non era ammissibile già al momento dell'allestimento
della graduatoria o ove il credito spetti alla massa stessa), non lo porta al
piano di riparto, il creditore, che voglia opporsi alla compensazione, dovrà
farsi attore in giudizio entro il termine di deposito del plano di riparto.

A. - In den zu einem einzigen Verfahren vereinigten Konkursen über Hermann
Parplies und Marie Biallas wurde Max Schlesinger mit einer
grundpfandversicherten Forderung von 1261 Fr. 05 Cts. kolloziert, die durch
den Pfanderlös voll gedeckt wurde. In der Verteilungsliste bemerkte die
Konkursverwaltung zum bezüglichen Betreffnis: «Die Konkursmasse Parplies
beansprucht jedoch durch Kompensation diesen Betrag à conto einer grösseren
Schuld des Max Schlesinger in Zürich», was

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Schlesinger brieflich mitgeteilt wurde. Diese Gegenforderung wird daraus
hergeleitet, dass von dem Pfanderlös, der auf zwei (zufällig die gleiche
Liegenschaft belastende) Eigentümerpfandtitel des Paraplies von zusammen 20000
Fr. entfällt, ein Teilbetrag von 15730 Fr. 20 Cts. an die Zürcher Kantonalbank
zugeteilt werden musste, weil ihr diese Pfandtitel zur Sicherung eines von
Schlesinger aufgenommenen Darlehens verpfändet worden waren.
Schlesinger, der die behauptete Gegenforderung bestreitet, führte Beschwerde
gegen die Verteilungsliste mit dem Antrag, sie sei dahin abzuändern, dass das
ihm zukommende Betreffnis auf 1261 Fr. 05 Cts. festgesetzt, anerkannt und
ausbezahlt werde.
Die Konkursverwaltung trug in erster Linie darauf an, es sei der
Beschwerdeführer mit seinem Rechtsbegehren an die Gerichte zu verweisen und
ihm für die Anhebung der Klage eine angemessene Frist anzusetzen.
B. - Durch Entscheid vom 24. Dezember 1927 ist die Aufsichtsbehörde des
Kantons Zug auf die Beschwerde nicht eingetreten und hat sie dem
Beschwerdeführer eine Frist von zehn Tagen zur Einreichung der gerichtlichen
Klage gegen die Konkursmasse zwecks Erledigung der materiellen Streitfragen
angesetzt.
C. - Gegen diesen Entscheid hat Schlesinger den Rekurs an das Bundesgericht
eingelegt mit dem Antrag, er sei mit dem ihm zukommenden Betreffnis von 1261
Fr. 05 Cts. in die Verteilungsliste aufzunehmen, und dieser Betrag sei an ihn
auszubezahlen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Mit der Beschwerde wurden in erster Linie Fragen des formellen
Konkursrechtes aufgeworfen, ob nämlich die Konkursverwaltung befugt sei, das
dem Beschwerdeführer gemäss dem rechtskräftigen Kollokationsplan zukommende
Konkursbetreffnis mit der von der

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Konkursverwaltung behaupteten Gegenforderung zu verrechnen, trotzdem der
Beschwerdeführer diese Gegenforderung bestreitet und auch nicht gelten lässt,
dass sie durch die zwischen den Parteien geführten Prozesse irgendwie
festgestellt worden sei, - namentlich ob die Konkursverwaltung das dem
Beschwerdeführer zukommende Konkursbetreffnis zurückbehalten dürfe, ohne
gleichzeitig Klage auf Feststellung der behaupteten Gegenforderung zu erheben.
Die Entscheidung der Vorinstanz, dass nicht die Konkursverwaltung, sondern der
Beschwerdefahrer binnen einer ihm angesetzten Frist Klage zu erheben habe,
läuft auf die Bejahung dieser Fragen hinaus. Insofern ist also die Vorinstanz
auf die Beschwerde eingetreten und hat sie abgewiesen. Nicht einzutreten war
nur auf die in der Beschwerde ebenfalls erörterte, dem materiellen Zivilrecht
angehörende Frage nach dem Bestande der von der Konkursverwaltung behaupteten
Gegenforderung.
2.- Für die Verrechnung seitens der Konkursverwaltung hat die Rechtsprechung
die Regel aufgestellt, dass die Konkursverwaltung Konkursforderungen nur
vermittelst entsprechender Abweisung des Konkursgläubigers im Kollokationsplan
mit Gegenforderungen des Gemeinschuldners verrechnen kann und mit derartiger
Verrechnung ausgeschlossen ist, sofern sie zur Verrechnungserklärung nicht von
diesem Mittel Gebrauch gemacht hat (BGE 40 III S. 106 ff. Erw. 4; 39 I S. 675
ff. = Sep.-Ausg. 16 S. 334 ff.). Besteht jedoch im Zeitpunkte der Aufstellung
des Kollokationsplanes noch gar keine Gegenforderung und ist es daher der
Konkursverwaltung nicht möglich, vermittelst Abweisung des Konkursgläubigers
im Kollokationsplan dessen Konkursforderung zu verrechnen, wie es hier zutraf,
so lässt es sich nicht rechtfertigen, an die Zulassung im Kollokationsplan die
Verwirkung des Verrechnungsrechtes der Konkursverwaltung zu knüpfen. Hievon
abgesehen ist die behauptete Gegenforderung, wenn sie existiert, nicht

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als dem Gemeinschuldner, sondern als der Konkursmasse selbst zustehend zu
erachten. Dies folgt freilich noch nicht ohne weiteres daraus, dass sie nicht
schon vor der Konkurseröffnung entstanden ist, wie denn ja Art. 213 Ziff. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 213 - 1 Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
1    Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
2    Die Verrechnung ist jedoch ausgeschlossen:
1  wenn ein Schuldner des Konkursiten erst nach der Konkurseröffnung dessen Gläubiger wird, es sei denn, er habe eine vorher eingegangene Verpflichtung erfüllt oder eine für die Schuld des Schuldners als Pfand haftende Sache eingelöst, an der ihm das Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht zusteht (Art. 110 Ziff. 1 OR382);
2  wenn ein Gläubiger des Schuldners erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Konkursmasse wird.
3  ...
3    Die Verrechnung mit Forderungen aus Inhaberpapieren ist zulässig, wenn und soweit der Gläubiger nachweist, dass er sie in gutem Glauben vor der Konkurseröffnung erworben hat.384
4    Im Konkurs einer Kommanditgesellschaft, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditaktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft können nicht voll einbezahlte Beträge der Kommanditsumme oder des Gesellschaftskapitals sowie statutarische Beiträge an die Genossenschaft nicht verrechnet werden.385 386

SchKG ausdrücklich den Fall vorsieht, dass ein Gläubiger des Gemeinschuldners
erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Konkursmasse wird.
Allein im Fall einer vom Gemeinschuldner geleisteten Bürgschaft sieht Art. 215
Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 215 - 1 Forderungen aus Bürgschaften des Schuldners können im Konkurse geltend gemacht werden, auch wenn sie noch nicht fällig sind.
1    Forderungen aus Bürgschaften des Schuldners können im Konkurse geltend gemacht werden, auch wenn sie noch nicht fällig sind.
2    Die Konkursmasse tritt für den von ihr bezahlten Betrag in die Rechte des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner und den Mitbürgen ein (Art. 507 OR388). Wenn jedoch auch über den Hauptschuldner oder einen Mitbürgen der Konkurs eröffnet wird, so finden die Artikel 216 und 217 Anwendung.389
SchKG ausdrücklich vor, dass die Konkursmasse für den von ihr bezahlten
Betrag in die Rechte des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner eintritt.
Entsprechendes wird auch unter der gegebenenfalls hier zutreffenden
Voraussetzung der Deckung einer fremden Schuld aus dem Erlöse des vom
Gemeinschuldner aus seinem Vermögen dafür bestellten Pfandes gelten müssen
(vgl. BGE 27 I S. 375 ff. = Sep.-Ausg. 4 S. 139 ff.). Nun erklärt es aber die
ständige Rechtsprechung als statthaft, dass sich die Konkursverwaltung im
Verteilungsstadium einer ihr (nicht dem Gemeinschuldner) zustehenden Forderung
gegen einen Konkursgläubiger bediene, um ihre Dividendenschuld bezw. Schuld an
sonstigem Konkursbetreffnis zu verrechnen (vgl. die bereits zitierten
Entscheide). Durch eine solche Verrechnung wird keineswegs etwa im Widerspruch
zur Rechtskraft des Kollokationsplanes nachträglich der Bestand der
zugelassenen Konkursforderung wieder in Frage gestellt. Sondern die auf Grund
des Kollokationsplanes feststehende Dividendenschuld der Konkursmasse bezw.
ihre Schuld an sonstigem Konkursbetreffnis wird einfach durch Verrechnung mit
einer Gegenforderung der Konkursmasse getilgt. Gleichwie nach schweizerischem
Recht Gegenforderungen zur Verrechnung tauglich sind, ob sie liquid sein mögen
oder nicht, und ob letzterenfalls etwas zur gerichtlichen Geltendmachung der
Gegenforderung getan werde oder nicht, so vermag sich ein Konkursgläubiger der
Verrechnung seines durch

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den Kollokationsplan festgestellten Anspruches auf das Konkursbetreffnis mit
einer Gegenforderung der Konkursmasse nicht einfach dadurch zu entziehen, dass
er diese bestreitet. Es erscheint denn auch durchaus als das Normale, dass
Forderungen, welche der Konkursmasse gegen einen im Kollokationsplan
zugelassenen Konkursgläubiger erwachsen, durch Verrechnung der
Dividendenschuld bezw. des sonstigen an diesen Konkursgläubiger
auszurichtenden Konkursbetreffnisses eingebracht werden, anstatt dass die
Konkursverwaltung solche Forderungen zunächst während des - dadurch in die
Länge gezogenen - Verwertungsstadiums einzieht, um ihren Gegenwert dann im
Verteilungsstadium wieder zurückerstatten zu müssen. Und zum Schutze des
zugelassenen Konkursgläubigers ist es auch gar nicht etwa erforderlich, dass
Streitigkeiten über solche Gegenforderungen vor der Auflegung der
Verteilungsliste ausgetragen werden. Vielmehr werden die Rechte des
Konkursgläubigers genügend gewahrt, wenn ihm durch einen Auszug aus der
Verteilungsliste von der Verrechnung Mitteilung gemacht wird. Bestreitet er
die Gegenforderung und erhebt er noch während der Auflage der Verteilungsliste
Klage, so wird die Konkursverwaltung die Verteilung verschieben, insoweit sie
seine Rechte beeinträchtigen könnte, wie dies ja auch vorliegend geschehen
ist. Freilich ist es gesetzlich nicht vorgesehen, dass die Konkursverwaltung
(oder an ihrer Stelle die Aufsichtsbehörde) einem Konkursgläubiger eine Frist
mit Verwirkungsfolge ansetze, binnen welcher er Klage erheben müsse, wenn er
die von der Konkursmasse behauptete Gegenforderung bestreiten will. Allein
ebensowenig besteht eine gesetzliche Vorschrift, welche die Konkursverwaltung
verpflichten würde, ihrerseits Klage zu erheben, um ihre Gegenforderung
geltend zu machen. Anderseits kann keine Rede davon sein, dass sie die
Verteilung einfach verschieben dürfte, wenn es dem betreffenden Gläubiger
zusagen sollte, mit der Durchführung des Prozesses

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während längerer Zeit zuzuwarten. Vielmehr muss sie nach Ablauf der Frist für
die Auflegung der Verteilungsliste zur plangemässen Verteilung des
Konkursergebnisses unter die übrigen Gläubiger schreiten dürfen, sofern die in
der Verteilungsliste vorgenommene Verrechnung inzwischen nicht durch
Klagerhebung in Frage gezogen worden ist. Somit ist das Vorgehen der
Konkursverwaltung, welche dem Rekurrenten durch besonderes Schreiben von der
Auflegung der Verteilungsliste und der Verrechnung seines Konkursbetreffnisses
mit einer höheren Gegenforderung der Konkursmasse Mitteilung gemacht hat,
nicht zu beanstanden. Indessen muss es bei dem von der Konkursverwaltung nicht
angefochtenen Entscheide der Vorinstanz sein Bewenden haben, durch welchen dem
Rekurrenten eine neue Klagefrist angesetzt wurde.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 III 20
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 08. Februar 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 III 20
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Setzt die Konkursverwaltung das auf eine im Kollokationsplan zugelassene Konkursforderung...


Gesetzesregister
SchKG: 213 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 213 - 1 Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
1    Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
2    Die Verrechnung ist jedoch ausgeschlossen:
1  wenn ein Schuldner des Konkursiten erst nach der Konkurseröffnung dessen Gläubiger wird, es sei denn, er habe eine vorher eingegangene Verpflichtung erfüllt oder eine für die Schuld des Schuldners als Pfand haftende Sache eingelöst, an der ihm das Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht zusteht (Art. 110 Ziff. 1 OR382);
2  wenn ein Gläubiger des Schuldners erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Konkursmasse wird.
3  ...
3    Die Verrechnung mit Forderungen aus Inhaberpapieren ist zulässig, wenn und soweit der Gläubiger nachweist, dass er sie in gutem Glauben vor der Konkurseröffnung erworben hat.384
4    Im Konkurs einer Kommanditgesellschaft, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditaktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft können nicht voll einbezahlte Beträge der Kommanditsumme oder des Gesellschaftskapitals sowie statutarische Beiträge an die Genossenschaft nicht verrechnet werden.385 386
215
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 215 - 1 Forderungen aus Bürgschaften des Schuldners können im Konkurse geltend gemacht werden, auch wenn sie noch nicht fällig sind.
1    Forderungen aus Bürgschaften des Schuldners können im Konkurse geltend gemacht werden, auch wenn sie noch nicht fällig sind.
2    Die Konkursmasse tritt für den von ihr bezahlten Betrag in die Rechte des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner und den Mitbürgen ein (Art. 507 OR388). Wenn jedoch auch über den Hauptschuldner oder einen Mitbürgen der Konkurs eröffnet wird, so finden die Artikel 216 und 217 Anwendung.389
BGE Register
27-I-375 • 40-III-99 • 54-III-20
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
konkursverwaltung • konkursmasse • kollokationsplan • konkursforderung • frage • frist • wille • vorinstanz • weiler • schuldbetreibungs- und konkursrecht • einsprache • rechtsbegehren • sicherstellung • dauer • konkursdividende • zugang • veröffentlichung • planauflage • verwirkung • pfand
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