S. 165 / Nr. 39 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 55 III 165

39. Auszug aus dem Entscheid vom 5. Dezember 1929 i. S. Erben Erismann.


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Regeste:
Nichtigkeit einer Pfändung, die von einem örtlich nicht zuständigen
Betreibungsamt vorgenommen wurde.
SchKG Art. 89, VZG Art. 24.
Nullité de la saisie opérée par un office incompétent ratione loci. Art. 89
LP, 24 Ord. réal. im.
Nullità del pignoramento eseguito da ufficio incompetente ratione loci. - Art.
89 LEF, 24 RRF.

Als Grundlage für das Verwertungsbegehren vom Juli 1929 kommt nur die Pfändung
vom 16. Januar 1929 in Betracht. Dieselbe ist jedoch von der Vorinstanz mit
Recht als nichtig erklärt worden, weil das Betreibungsamt Oberurdorf hierfür
örtlich nicht zuständig war. Das fragliche Pfandobjekt liegt
unbestrittenermassen im Gemeindebann Ruswil. Gemäss Art. 24
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 24 - 1 Liegt das zu pfändende Grundstück in einem andern Betreibungskreis, so hat das Betreibungsamt den Beamten dieses Kreises, und wenn es in mehreren Kreisen liegt, denjenigen Beamten, in dessen Kreis der wertvollere Teil liegt, mit dem Vollzug der Pfändung zu beauftragen (Art. 89 SchKG), indem es ihm den Betrag, für den zu pfänden ist, mitteilt.
1    Liegt das zu pfändende Grundstück in einem andern Betreibungskreis, so hat das Betreibungsamt den Beamten dieses Kreises, und wenn es in mehreren Kreisen liegt, denjenigen Beamten, in dessen Kreis der wertvollere Teil liegt, mit dem Vollzug der Pfändung zu beauftragen (Art. 89 SchKG), indem es ihm den Betrag, für den zu pfänden ist, mitteilt.
2    Das beauftragte Amt vollzieht die Pfändung unter Beobachtung der Vorschriften der Artikel 89 und 90 SchKG und der Artikel 8, 9, 11, 14 und 15 hiervor und übermittelt die Pfändungsurkunde, von der es eine Abschrift als Beleg aufbewahrt, dem ersuchenden Amt, unter Beilegung des Ausweises über die erfolgte Anmeldung einer Verfügungsbeschränkung im Grundbuch. Das ersuchende Amt trägt den Inhalt der Pfändungsurkunde in seine Originalpfändungsurkunde ein, versendet die Abschriften der letzteren an die Parteien (Art. 114 SchKG) und besorgt allfällige Fristansetzungen.48
3    Die Verwaltung und Bewirtschaftung der Liegenschaft (Art. 16-21 hiervor) ist ausschliesslich Sache des beauftragten Amtes, dem auch die Verteilung der Erträgnisse an die Gläubiger gemäss Artikel 22 hiervor übertragen werden kann.
VZG hätte daher
die Pfändung auf Ersuchen des Betreibungsamtes Oberurdorf durch das
Betreibungsamt Ruswil als Amt der gelegenen Sache vollzogen werden müssen.
Durch die genannte, auf Art. 89
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 89 - Unterliegt der Schuldner der Betreibung auf Pfändung, so hat das Betreibungsamt nach Empfang des Fortsetzungsbegehrens unverzüglich die Pfändung zu vollziehen oder durch das Betreibungsamt des Ortes, wo die zu pfändenden Vermögensstücke liegen, vollziehen zu lassen.
SchKG beruhende Vorschrift wird die Befugnis
des Betreibungsbeamten zur Vornahme von Pfändungen auf die in seinem
Betreibungsbezirk gelegenen Objekte eingeschränkt und zwar, da die
Beschränkung als im öffentlichen Interesse erfolgt zu betrachten ist, in der
Weise, dass eine entgegen diesen Vorschriften ausserhalb des
Betreibungskreises vollzogene Pfändung nicht nur anfechtbar, sondern nichtig
ist: Würde die Pfändung von Objekten, die in einem andern Betreibungskreis
liegen, zugelassen oder nur als durch Beschwerde anfechtbar erklärt, so
bestünde erfahrungsgemäss die Gefahr, dass Pfändungen auf Distanz vorgenommen
würden, d. h. ohne dass der Beamte sich an Ort und Stelle vom Vorhandensein
des Pfandgegenstandes überzeugt und den Schätzungswert desselben auf Grund
eigener

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Besichtigung bestimmt. Dem kann nur vorgebeugt werden, indem eine Pfändung
ausserhalb des Betreibungskreises grundsätzlich als nichtig erklärt wird,
gleichgültig, ob der Beamte nun im einzelnen Fall an Ort und Stelle gepfändet
hat oder nicht. Vor allem aber könnten durch eine Missachtung dieser
Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit auch die Rechte Dritter
beeinträchtigt werden, welche hinsichtlich der in Frage kommenden Objekte auf
Grund von Art. 51 Abs. 1 oder 2 am Ort der gelegenen Sache Betreibung auf
Pfandverwertung eingeleitet haben: Wenn nicht der Schuldner selbst die beiden
Betreibungsämter vom Bestand der beiden bis vor das Verwertungsbegehren
geführten Verfahren in Kenntnis setzt - womit nicht unbedingt gerechnet werden
kann -, besteht die Möglichkeit, dass beide Ämter, die ja von dem am andern
Ort geführten Verfahren keine Kenntnis haben, auf gestelltes
Verwertungsbegehren hin die Vorbereitungen zur Verwertung treffen, wodurch zum
Mindesten unnütze Kosten verursacht werden. Mit Bezug auf die Pfändung von
Liegenschaften ist auch darauf hinzuweisen, dass das Grundbuchamt gemäss Art.
17
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 17 - Die Verwaltung und Bewirtschaftung des gepfändeten Grundstückes umfasst alle diejenigen Massnahmen, die zur Erhaltung des Grundstückes und seiner Ertragsfähigkeit sowie zur Gewinnung der Früchte und Erträgnisse nötig sind, wie Anordnung und Bezahlung kleinerer Reparaturen, Besorgung der Anpflanzungen, Abschluss und Erneuerung der üblichen Versicherungen, Kündigung an Mieter, Ausweisung von Mietern, Neuvermietungen, Einbringung und Verwertung der Früchte zur Reifezeit, Bezug der Miet- und Pachtzinse, nötigenfalls auf dem Betreibungswege, Geltendmachung des Retentionsrechts für Mietzinsforderungen, Bezahlung der laufenden Abgaben für Gas, Wasser, Elektrizität u.dgl. Während der Verwaltungsperiode fällig werdende oder vorher fällig gewordene Pfandzinse dürfen dagegen nicht bezahlt werden.
der Grundbuchverordnung die Zuständigkeit des Betreibungsamtes zur
Anmeldung der Verfügungsbeschränkung (Art. 15
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 15 - 1 Das Betreibungsamt hat spätestens am Tage nach Vornahme der (provisorischen oder definitiven) Pfändung:
1    Das Betreibungsamt hat spätestens am Tage nach Vornahme der (provisorischen oder definitiven) Pfändung:
a  beim zuständigen Grundbuchamt eine Verfügungsbeschränkung im Sinne der Artikel 960 ZGB26 und 101 SchKG zur Vormerkung im Grundbuch anzumelden; ebenso ist jeder definitive oder provisorische Anschluss eines neuen Gläubigers an die Pfändung beim Grundbuchamt anzumelden (Art. 101 SchKG);
b  den Grundpfandgläubigern oder ihren im Grundbuch eingetragenen Vertretern sowie gegebenenfalls den Mietern und Pächtern von der Pfändung Kenntnis zu geben, ersteren unter Hinweis auf die Artikel 102 Absatz 1, 94 Absatz 3 SchKG und 806 Absatz 1 und 3 ZGB28, letzteren mit der Anzeige, dass sie inskünftig die Miet-(Pacht-)zinse rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt bezahlen können (Art. 91 Abs. 1 hiernach);
c  wenn eine Schadensversicherung besteht, den Versicherer von der Pfändung zu benachrichtigen und ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er nach Artikel 56 des Bundesgesetzes vom 2. April 190829 über den Versicherungsvertrag, eine allfällige Ersatzleistung bis auf weitere Anzeige gültig nur an das Betreibungsamt ausrichten könne; ebenso ist dem Versicherer, wenn die Pfändung in der Folge dahinfällt, ohne dass es zur Verwertung gekommen wäre (infolge Rückzugs oder Erlöschens der Betreibung, Zahlung usw.), hiervon sofort Anzeige zu machen (Art. 1 und 2 der V vom 10. Mai 191030 betreffend die Pfändung, Arrestierung und Verwertung von Versicherungsansprüchen nach dem Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag; VPAV).
2    Vom Erlass dieser Anzeigen ist in der Pfändungsurkunde Vormerk zu nehmen.
3    In dringlichen Fällen soll die Anmeldung der Verfügungsbeschränkung beim Grundbuchamt (Abs. 1 Bst. a) vor der Aufnahme der Pfändungsurkunde erfolgen.31
VZG) zu untersuchen hat und
dieselbe im Hinblick auf Art. 4
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 4 - Zuständig zur Anmeldung ist dasjenige Amt, welches die der Anmeldung zugrunde liegende Amtshandlung selbst vorgenommen hat, auch wenn es nur als beauftragtes Amt eines andern gehandelt hat. In letzterem Falle hat es jedoch den ihm zukommenden Ausweis über die Anmeldung (Art. 5 hiernach) mit den andern Akten dem ersuchenden Amte zuzustellen.
VZG, welcher die Pfändung durch das Amt der
gelegenen Sache voraussetzt, verneinen müsste; würde die von einem andern Amt
vorgenommene Pfändung nur als anfechtbar betrachtet, so wäre doch damit zu
rechnen, dass das Grundbuchamt die Vormerkung der Verfügungsbeschränkung
mindestens während der Beschwerdefrist verweigert, woraus dem betreibenden
Gläubiger unter Umständen, z. B. infolge einer in der Zwischenzeit erfolgenden
Verfügung des Schuldners über das Pfandobjekt ein Schaden erwachsen könnte.
Endlich erscheint es grundsätzlich mit der Organisation des Betreibungswesens,
insbesondere mit der Schaffung bestimmter Betreibungskreise unvereinbar, die
Vornahme von Amtshandlungen im Kreis eines andern

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Amtes zuzulassen. Soweit daher in der bisherigen Rechtsprechung die
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit für Pfändungen nicht als zwingend
betrachtet worden sein sollten (vgl. BGE 24 I S. 339 = Sep.-Ausg. 1 S. 71; BGE
29 I S. 584 = Sep.-Ausg. 6 S. 308), könnte hieran nicht festgehalten werden.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 55 III 165
Date : 01. Januar 1929
Published : 05. Dezember 1929
Source : Bundesgericht
Status : 55 III 165
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Nichtigkeit einer Pfändung, die von einem örtlich nicht zuständigen Betreibungsamt vorgenommen...


Legislation register
SchKG: 89
VZG: 4  15  17  24
BGE-register
24-I-336 • 55-III-165
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