S. 203 / Nr. 43 Obligationenrecht (d)

BGE 55 II 203

43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. September 1929 i. S. Alimenta gegen
Lechner.

Regeste:
Art. 879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR begründet keinen materiell-rechtlichen Exhibitionsanspruch,
sondern nur einen Anspruch auf Herausgabe in einem schwebenden Prozess.
OR Art. 330 Abs. 2, 877, 879.

A. - Hans Lechner, Weingrosshändler in Bolzano, stand mit einem Enrico
Battistel und Johann Vigl im

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Geschäftsverkehr und kam auf diese Weise in den Besitz von zwei Akzepten des
Battistel, für die er diesen belangte. Dabei wurden Ansprüche mit Arrest
belegt, welche Battistel an die heute in Liquidation befindliche
Genossenschaft Alimenta in St. Gallen besessen haben soll. Diese wurden im
Verwertungsverfahren am 1. Februar 1929 gemäss Art. 151 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 151 - 1 Wer für eine durch Pfand (Art. 37) gesicherte Forderung Betreibung einleitet, hat im Betreibungsbegehren zusätzlich zu den in Artikel 67 aufgezählten Angaben den Pfandgegenstand zu bezeichnen. Ferner sind im Begehren gegebenenfalls anzugeben:
1    Wer für eine durch Pfand (Art. 37) gesicherte Forderung Betreibung einleitet, hat im Betreibungsbegehren zusätzlich zu den in Artikel 67 aufgezählten Angaben den Pfandgegenstand zu bezeichnen. Ferner sind im Begehren gegebenenfalls anzugeben:
a  der Name des Dritten, der das Pfand bestellt oder den Pfandgegenstand zu Eigentum erworben hat;
b  die Verwendung des verpfändeten Grundstücks als Familienwohnung (Art. 169 ZGB297) oder als gemeinsame Wohnung (Art. 14 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004298) des Schuldners oder des Dritten.
2    Betreibt ein Gläubiger aufgrund eines Faustpfandes, an dem ein Dritter ein nachgehendes Pfandrecht hat (Art. 886 ZGB), so muss er diesen von der Einleitung der Betreibung benachrichtigen.
SchKG bis zum
Betrage von 4800 Fr. an Lechner abgetreten. Die Alimenta bestritt jedoch, dem
Battistel noch irgendetwas schuldig zu sein, worauf Lechner beim
Handelsgericht des Kantons St. Gallen Klage einleitete mit dem Begehren: «1.
Es sei die Beklagte gerichtlich zu veranlassen, dem Kläger Aus- und Abrechnung
über ihr Rechnungsverhältnis mit Enrico Battistel, früher Meran, und als
Belege dafür die erforderlichen Bücher, Aufschriebe und Korrespondenzen zu
unterbreiten, unter Kostenfolge. 2. Für den Fall, dass dem Enrico Battistel
auf Grund der Abrechnung oder der Bücher und Belege Ansprüche gegen die
Beklagte zustehen, oder falls dem Genannten am 1. Februar 1929 solche
Ansprüche zustanden und zur Zeit des Urteilsspruches durch schuldhaftes
Verhalten der Beklagten nicht mehr zustehen sollten, habe die Beklagte dem
Kläger den Betrag des gegenwärtigen oder damaligen Anspruches bis zur Höhe von
4800 Fr. nebst Zins zu 5% seit 1. Februar 1929, oder einen Betrag nach
richterlichem Ermessen auszuzahlen, unter Kostenfolge.»
B. - Mit Urteil vom 15. Juli 1929 hat das Handelsgericht des Kantons St.
Gallen Ziffer 1 der Klage in dem Sinne geschützt, dass es die Beklagte
verpflichtete, dem Kläger das Konto Battistel, oder einen beglaubigten Auszug
davon vorzuweisen. Auf Ziffer 2 der Klage ist das Gericht nicht eingetreten,
weil es sich hiebei um eine Feststellungsklage handle, der das
Feststellungsinteresse fehle.
C. - Hiegegen hat die Beklagte am 15. August 1929 die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Begehren, es sei in Aufhebung des angefochtenen
Entscheides die Klage abzuweisen.

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D. - Der Kläger hat beantragt, es sei auf die Berufung nicht einzutreten;
eventuell sei diese abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- (Eintretensfrage).
2.- Das heute einzig noch streitige Klagebegehren Ziffer 1 wird vom Kläger auf
Art. 879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR gegründet, wonach diejenigen, die zur Führung von Geschäftsbüchern
verpflichtet sind, bei Streitigkeiten über Rechtsverhältnisse, welche aus dem
Betriebe eines Geschäftes herrühren, zur Vorlegung dieser Bücher angehalten
werden können. Der Kläger erblickt darin einen materiell-rechtlichen
Exhibitionsanspruch, der auch ausserhalb eines schwebenden Prozesses,
selbständig geltend gemacht werden könne. Die Vorinstanz ist ihm in dieser
Auffassung gefolgt, wobei sie in erster Linie darauf hinwies, dass die
fragliche Bestimmung in Art. 37 des früheren deutschen Handelsgesetzbuches,
welche der vorwürfigen Vorschrift als Vorbild gedient, dahin gelautet habe,
dass im Laufe eines Rechtsstreites der Richter die Vorlegung der Handelsbücher
anordnen könne. Wenn nun der schweizerische Gesetzgeber sich nicht an diesen
Wortlaut gehalten, sondern die Worte über die richterliche Befugnis gestrichen
habe, so müsse dies absichtlich geschehen sein, und es sei dies wohl darauf
zurückzuführen, dass der schweizerische Gesetzgeber bei Erlass des
Obligationenrechtes nicht, wie der deutsche Gesetzgeber, ein ausgebildetes
Landrecht habe voraussetzen können, das die privatrechtliche Editionspflicht
geregelt hätte; vielmehr hätten solche Bestimmungen nur in einzelnen Kantonen,
wie z. B. im Kanton Zürich, bestanden. Es habe daher der Aufgabe des
schweizerischen Gesetzgebers entsprochen, eine Vorschrift zu erlassen, die
innerhalb und ausserhalb eines Prozesses allgemeine Anwendung finden könne.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Richtig ist allerdings, dass
nur wenige Kantone das im gemeinen

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Recht entwickelte Institut der privatrechtlichen Exhibitionspflicht in ihre
Gesetzgebung aufgenommen hatten. Allein, wenn dies vom eidgenössischen
Gesetzgeber als ein Mangel empfunden worden wäre, so hätte er zweifellos
anlässlich der Vereinheitlichung des gesamten Zivilrechtes eine den §§ 809 und
810 des deutschen BGB entsprechende, diese Pflicht allgemein statuierende
Bestimmung erlassen. Da dies nicht geschehen, d. h. die privatrechtliche
Exhibitionspflicht als allgemeines Rechtsprinzip nicht anerkannt worden ist,
liegt auch kein Anlass zur Annahme vor, dass der eidgenössische Gesetzgeber
mit Bezug auf die Geschäftsbücher die Statuierung einer solchen Pflicht als
imperatives Bedürfnis empfunden hätte. Gegenteils muss die in der Folge
bekundete grundsätzlich ablehnende Stellungnahme gegenüber diesem
Rechtsinstitut als ein Indiz dafür erachtet werden, dass auch mit der
Vorschrift des Art. 879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR nur die prozessuale Editionspflicht eingeführt
werden wollte. Dem hält die Vorinstanz allerdings entgegen, dass der
eidgenössische Gesetzgeber die Kompetenz zum Erlass zivilprozessualer
Bestimmungen nicht besessen habe. Das ist an sich richtig. Allein hier handelt
es sich um einen Sonderfall, wo sich ein derartiger Eingriff zum Schutz des
materiellen Rechtes geradezu aufdrängte. Der Zweck der einer im
Handelsregister eingetragenen Person obliegenden Buchführungspflicht (Art. 877
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 877 - 1 Sind die Genossenschafter für die Genossenschaftsschulden unbeschränkt oder beschränkt haftbar oder sind sie zu Nachschüssen verpflichtet, so hat die Verwaltung jeden Eintritt oder Austritt eines Genossenschafters innerhalb drei Monaten beim Handelsregisteramt anzumelden.
1    Sind die Genossenschafter für die Genossenschaftsschulden unbeschränkt oder beschränkt haftbar oder sind sie zu Nachschüssen verpflichtet, so hat die Verwaltung jeden Eintritt oder Austritt eines Genossenschafters innerhalb drei Monaten beim Handelsregisteramt anzumelden.
2    Überdies steht jedem austretenden oder ausgeschlossenen Mitgliede sowie den Erben eines Mitgliedes die Befugnis zu, die Eintragung des Austrittes, des Ausschlusses oder des Todesfalles von sich aus vornehmen zu lassen. Das Handelsregisteramt hat der Verwaltung der Genossenschaft von einer solchen Anmeldung sofort Kenntnis zu geben.
3    Die konzessionierten Versicherungsgenossenschaften sind von der Pflicht zur Anmeldung ihrer Mitglieder beim Handelsregisteramt befreit.

OR) besteht vorwiegend darin, dass diese Bücher im Prozessfalle als
Beweismittel angerufen und verwendet werden können und zwar sowohl auf
Begehren ihres Inhabers selber, wie auch auf Antrag der Gegenpartei. Nun
hatten aber zur Zeit des Erlasses des Obligationenrechtes, wie übrigens auch
heute noch, nicht alle Kantone die prozessuale Editionspflicht in ihrer
Zivilprozessgesetzgebung eingeführt bezw. genügend ausgebildet. Es bestand
daher für den eidgenössischen Gesetzgeber eine Notwendigkeit, diese Pflicht
mit Bezug auf die Geschäftsbücher von Bundes wegen zu normieren, ansonst es
den Kantonen freigestanden wäre, die durch das Bundesrecht

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eingeführte Buchführungspflicht von vorneherein ihrer Wirksamkeit zu berauben.
Bei dieser Sachlage liegt kein Anlass vor, in dem Umstande, dass die Fassung
des Art. 37
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 37 - 1 Solange das Erlöschen der Vollmacht dem Bevollmächtigten nicht bekannt geworden ist, berechtigt und verpflichtet er den Vollmachtgeber oder dessen Rechtsnachfolger, wie wenn die Vollmacht noch bestehen würde.
1    Solange das Erlöschen der Vollmacht dem Bevollmächtigten nicht bekannt geworden ist, berechtigt und verpflichtet er den Vollmachtgeber oder dessen Rechtsnachfolger, wie wenn die Vollmacht noch bestehen würde.
2    Ausgenommen sind die Fälle, in denen der Dritte vom Erlöschen der Vollmacht Kenntnis hatte.
des früheren deutschen Handelsgesetzbuches nicht wörtlich in den
Art. 879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR herübergenommen wurde, ein Indiz dafür zu erblichen, dass dem Art.
879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR ein von seinem Vorbild abweichender Sinn habe gegeben werden wollen.
Vielmehr handelt es sich bei dieser Verschiedenheit offenbar lediglich um eine
rein redaktionelle Änderung; das ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Art.
879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR selber, der allein und für sich betrachtet keineswegs der Auslegung der
Vorinstanz ruft. Die Vorinstanz gibt selber zu, dass ein sachliches Interesse
an einer solchen Vorlegung nur dann vorhanden sein könne, wenn über den
Anspruch, auf den sich ein Eintrag beziehen soll, eine Differenz bestehe. Dann
wäre es aber, wenn der Gesetzgeber durch Art. 879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR eine privatrechtliche,
von einem schwebenden Prozessverfahren unabhängige Exhibitionspflicht hätte
einführen wollen, nicht notwendig gewesen, besonders hervorzuheben, dass diese
Vorlegung «bei Streitigkeiten» zu erfolgen habe; das spricht dafür, dass der
Gesetzgeber unter Streitigkeiten hängige Prozessverfahren verstanden hat,
besonders, wenn man noch weiter berücksichtigt, dass Art. 879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR von
«Vorlegung» (produire, produzione) spricht, was - zumal nach dem französischen
und italienischen Sprachgebrauch - auf eine dem Richter gegenüber bestehende
Editionspflicht hinweist. So wurde auch in Art. 330 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 330 - 1 Übergibt der Arbeitnehmer zur Sicherung seiner Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dem Arbeitgeber eine Kaution, so hat sie dieser von seinem Vermögen getrennt zu halten und ihm dafür Sicherheit zu leisten.
1    Übergibt der Arbeitnehmer zur Sicherung seiner Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dem Arbeitgeber eine Kaution, so hat sie dieser von seinem Vermögen getrennt zu halten und ihm dafür Sicherheit zu leisten.
2    Der Arbeitgeber hat die Kaution spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzugeben, sofern nicht durch schriftliche Abrede der Zeitpunkt der Rückgabe hinausgeschoben ist.
3    Macht der Arbeitgeber Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis geltend und sind diese streitig, so kann er die Kaution bis zum Entscheid darüber insoweit zurückbehalten, muss aber auf Verlangen des Arbeitnehmers den zurückbehaltenen Betrag gerichtlich hinterlegen.
4    Im Konkurs des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer die Rückgabe der von dem Vermögen des Arbeitgebers getrennt gehaltenen Kaution verlangen, unter Vorbehalt der Forderungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis.
OR, der bei
Gewinnanteilsvereinbarung eine Büchereditionspflicht des Dienstherrn seinem
Dienstpflichtigen gegenüber aufstellt, nicht der Ausdruck Pflicht zur
Vorlegung verwendet, sondern die Fassung gewählt, der Dienstherr habe
«Einsicht in die Geschäftsbücher zu gewähren.» Gegen die Auffassung der
Vorinstanz spricht übrigens auch noch die Tatsache, dass bei der Beratung über
die Revision des Art. 879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
OR sowohl der Referent, wie auch sämtliche
Kommissionsmitglieder

Seite: 208
stillschweigend von der Auffassung ausgegangen sind, dass es sich hiebei
lediglich um eine prozessuale Editionspflicht handle (vgl. Protokoll der
Expertenkommission S. 744 f.; ferner BGE 19 S. 300; HEUSLER, Der Zivilprozess
der Schweiz S. 115).
Muss aber dem Kläger ein selbständiger materieller Editionsanspruch
abgesprochen werden, so ist die Klage, nachdem die Vorinstanz auf das
Klagebegehren 2 aus prozessualen Gründen nicht eingetreten ist und sich das
Klagebegehren 1 somit ausschliesslich noch als ein derartiger
privatrechtlicher Anspruch darstellt, abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen und demgemäss in Aufhebung des Urteils des
Handelsgerichtes des Kantons St. Gallen vom 15. Juli 1929 die Klage
abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 203
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 26. September 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 203
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 879 OR begründet keinen materiell-rechtlichen Exhibitionsanspruch, sondern nur einen Anspruch...


Gesetzesregister
OR: 37 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 37 - 1 Solange das Erlöschen der Vollmacht dem Bevollmächtigten nicht bekannt geworden ist, berechtigt und verpflichtet er den Vollmachtgeber oder dessen Rechtsnachfolger, wie wenn die Vollmacht noch bestehen würde.
1    Solange das Erlöschen der Vollmacht dem Bevollmächtigten nicht bekannt geworden ist, berechtigt und verpflichtet er den Vollmachtgeber oder dessen Rechtsnachfolger, wie wenn die Vollmacht noch bestehen würde.
2    Ausgenommen sind die Fälle, in denen der Dritte vom Erlöschen der Vollmacht Kenntnis hatte.
330 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 330 - 1 Übergibt der Arbeitnehmer zur Sicherung seiner Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dem Arbeitgeber eine Kaution, so hat sie dieser von seinem Vermögen getrennt zu halten und ihm dafür Sicherheit zu leisten.
1    Übergibt der Arbeitnehmer zur Sicherung seiner Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dem Arbeitgeber eine Kaution, so hat sie dieser von seinem Vermögen getrennt zu halten und ihm dafür Sicherheit zu leisten.
2    Der Arbeitgeber hat die Kaution spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzugeben, sofern nicht durch schriftliche Abrede der Zeitpunkt der Rückgabe hinausgeschoben ist.
3    Macht der Arbeitgeber Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis geltend und sind diese streitig, so kann er die Kaution bis zum Entscheid darüber insoweit zurückbehalten, muss aber auf Verlangen des Arbeitnehmers den zurückbehaltenen Betrag gerichtlich hinterlegen.
4    Im Konkurs des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer die Rückgabe der von dem Vermögen des Arbeitgebers getrennt gehaltenen Kaution verlangen, unter Vorbehalt der Forderungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis.
877 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 877 - 1 Sind die Genossenschafter für die Genossenschaftsschulden unbeschränkt oder beschränkt haftbar oder sind sie zu Nachschüssen verpflichtet, so hat die Verwaltung jeden Eintritt oder Austritt eines Genossenschafters innerhalb drei Monaten beim Handelsregisteramt anzumelden.
1    Sind die Genossenschafter für die Genossenschaftsschulden unbeschränkt oder beschränkt haftbar oder sind sie zu Nachschüssen verpflichtet, so hat die Verwaltung jeden Eintritt oder Austritt eines Genossenschafters innerhalb drei Monaten beim Handelsregisteramt anzumelden.
2    Überdies steht jedem austretenden oder ausgeschlossenen Mitgliede sowie den Erben eines Mitgliedes die Befugnis zu, die Eintragung des Austrittes, des Ausschlusses oder des Todesfalles von sich aus vornehmen zu lassen. Das Handelsregisteramt hat der Verwaltung der Genossenschaft von einer solchen Anmeldung sofort Kenntnis zu geben.
3    Die konzessionierten Versicherungsgenossenschaften sind von der Pflicht zur Anmeldung ihrer Mitglieder beim Handelsregisteramt befreit.
879
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 879 - 1 Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
1    Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle;
2bis  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
3bis  die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;
4  die Entlastung der Verwaltung;
5  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
SchKG: 151
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 151 - 1 Wer für eine durch Pfand (Art. 37) gesicherte Forderung Betreibung einleitet, hat im Betreibungsbegehren zusätzlich zu den in Artikel 67 aufgezählten Angaben den Pfandgegenstand zu bezeichnen. Ferner sind im Begehren gegebenenfalls anzugeben:
1    Wer für eine durch Pfand (Art. 37) gesicherte Forderung Betreibung einleitet, hat im Betreibungsbegehren zusätzlich zu den in Artikel 67 aufgezählten Angaben den Pfandgegenstand zu bezeichnen. Ferner sind im Begehren gegebenenfalls anzugeben:
a  der Name des Dritten, der das Pfand bestellt oder den Pfandgegenstand zu Eigentum erworben hat;
b  die Verwendung des verpfändeten Grundstücks als Familienwohnung (Art. 169 ZGB297) oder als gemeinsame Wohnung (Art. 14 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004298) des Schuldners oder des Dritten.
2    Betreibt ein Gläubiger aufgrund eines Faustpfandes, an dem ein Dritter ein nachgehendes Pfandrecht hat (Art. 886 ZGB), so muss er diesen von der Einleitung der Betreibung benachrichtigen.
BGE Register
55-II-203
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • vorinstanz • vorlegung • editionspflicht • handelsgericht • bundesgericht • indiz • richtigkeit • ausserhalb • bewilligung oder genehmigung • richtlinie • entscheid • rechtsbegehren • unternehmung • richterliche behörde • annahme des antrags • prozessvoraussetzung • autonomie • weisung • feststellungsklage
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