S. 14 / Nr. 4 Familienrecht (d)

BGE 55 II 14

4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. März 1929 i. S.
Hunziker gegen Gemeinderat Suhr.

Regeste:
Verbeiständung auf eigenes Begehren. Art. 394
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 394 - 1 Eine Vertretungsbeistandschaft wird errichtet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann und deshalb vertreten werden muss.
1    Eine Vertretungsbeistandschaft wird errichtet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann und deshalb vertreten werden muss.
2    Die Erwachsenenschutzbehörde kann die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entsprechend einschränken.
3    Auch wenn die Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, muss die betroffene Person sich die Handlungen des Beistands oder der Beiständin anrechnen oder gefallen lassen.
ZGB.
Unzulässigkeit einer Verbeiständung unter Bedingungen (Erw. 1). Wird der
Beistand zur Vermögenverwaltung verlangt, so ist Voraussetzung, dass der
Gesuchsteller sowohl zur selbständigen Vermögensverwaltung als auch zur
Bestellung eines Vertreters unfähig ist (Art. 393 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB).

Aus dem Tatbestand:
Die Beschwerdeführerin hatte im Jahre 1927 die Bestellung eines
Verwaltungsbeistandes verlangt und sich dabei ausbedungen, dass ihren Wünschen
hinsichtlich der Person des Beistandes entsprochen werde. Das Gesuch hatte sie
damit begründet, sie sei zwar noch imstand, selber einen Vermögensverwalter zu
bezeichnen, ziehe aber einen von der Behörde bestellten Vertreter aus
bestimmten, näher ausgeführten Gründen vor. Die Vormundschaftsbehörde
entsprach dem Gesuch. Der erste Beistand wurde auf Begehren der
Beschwerdeführerin schon nach kurzer Zeit durch den heutigen ersetzt. Als die
Beschwerdeführerin auch mit diesem Differenzen bekam,

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verlangte sie wiederum die Bestellung eines neuen Beistandes, wurde aber mit
diesem Begehren abgewiesen. Hierauf beantragte sie die Aufhebung der
Beistandschaft und wurde vom Bundesgericht geschützt.
Erwägungen:
1.- Der erste Standpunkt der Beschwerdeführerin, dass die Beistandschaft wegen
Nichteinhaltung einer Bedingung, unter der sie freiwillig nachgesucht worden
sei, aufgehoben werden müsse, ist unhaltbar. Eine Verbeiständung kann so wenig
als eine Bevormundung unter Bedingungen erfolgen. Diese Massnahmen dürfen nur
angeordnet werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen; ist
dies aber der Fall, so müssen sie angeordnet werden, gleichgültig, wie sich
der Gesuchsteller dazu stellt. Wenn sich die Behörde hier bereit erklärt hat,
auf die «Bedingung» der Beschwerdeführerin einzugehen, so war das nur als
Zusicherung i. S. von Art. 381
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 381 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde errichtet eine Vertretungsbeistandschaft, wenn keine vertretungsberechtigte Person vorhanden ist oder das Vertretungsrecht ausüben will.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde errichtet eine Vertretungsbeistandschaft, wenn keine vertretungsberechtigte Person vorhanden ist oder das Vertretungsrecht ausüben will.
2    Sie bestimmt die vertretungsberechtigte Person oder errichtet eine Vertretungsbeistandschaft, wenn:
1  unklar ist, wer vertretungsberechtigt ist;
2  die vertretungsberechtigten Personen unterschiedliche Auffassungen haben; oder
3  die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind.
3    Sie handelt auf Antrag der Ärztin oder des Arztes oder einer anderen nahestehenden Person oder von Amtes wegen.
ZGB zu verstehen und kann nur in dieser
Bedeutung rechtserheblich sein, d. h. die Verbeiständete hätte gegen
ungerechtfertigte Nichtberücksichtigung ihres Vorschlages von Fall zu Fall die
Möglichkeit der Beschwerde an die vormundschaftlichen Aufsichtsbehörden.
2.- Bei der Prüfung des weitern Beschwerdegrundes, es sei ein gesetzlicher
Grund zur Verbeiständung von Anfang nicht vorhanden gewesen und auch heute
nicht vorhanden, ist davon auszugehen, dass auch einem Begehren um
Verbeiständung gemäss Art. 394
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 394 - 1 Eine Vertretungsbeistandschaft wird errichtet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann und deshalb vertreten werden muss.
1    Eine Vertretungsbeistandschaft wird errichtet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann und deshalb vertreten werden muss.
2    Die Erwachsenenschutzbehörde kann die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entsprechend einschränken.
3    Auch wenn die Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, muss die betroffene Person sich die Handlungen des Beistands oder der Beiständin anrechnen oder gefallen lassen.
ZGB nicht schon dann entsprochen werden kann,
wenn der Gesuchsteller ausserstande ist, selber seine Vermögensverwaltung zu
besorgen, sondern erst dann, wenn er auch nicht fähig ist, hiefür einen
Bevollmächtigten zu bestellen: Art. 393 Ziff 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
. ZGB. Mit dem Verweis auf Art.
372
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 372 - 1 Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
1    Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
2    Die Ärztin oder der Arzt entspricht der Patientenverfügung, ausser wenn diese gegen gesetzliche Vorschriften verstösst oder wenn begründete Zweifel bestehen, dass sie auf freiem Willen beruht oder noch dem mutmasslichen Willen der Patientin oder des Patienten entspricht.
3    Die Ärztin oder der Arzt hält im Patientendossier fest, aus welchen Gründen der Patientenverfügung nicht entsprochen wird.
ZGB will lediglich der Grund der in Art. 393 Ziff. 2 vorausgesetzten
Unfähigkeit näher bezeichnet werden, der einer Person Anspruch auf
Verbeiständung auf eigenes Begehren gibt (Altersschwäche oder andere
Gebrechen, Unerfahrenheit),

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nicht aber will damit ein in Art. 393 Ziff. 2 aufgestelltes Erfordernis wieder
preisgegeben werden (vgl. BGE 51 II S. 106). Eine wenigstens teilweise
Unfähigkeit zur eigenen Vermögensverwaltung wird von der Beschwerdeführerin
nicht bestritten, dagegen nimmt sie die Fähigkeit in Anspruch, einen Vertreter
zu ernennen, und dass diese Fähigkeit vorhanden ist, kann nicht bezweifelt
werden. Es ist nicht einzusehen, wie die körperliche Gebrechlichkeit, selbst
wenn diese auch bis zur Unfähigkeit, eigenhändig Briefe zu schreiben, ginge,
oder auch eine gewisse geistige Unfähigkeit, die dem Bericht des Bezirksarztes
entnommen werden kann, die Beschwerdeführerin hindern sollte, die
Vermögensverwaltung einem Dritten oder einer Bank zu übertragen, wie sie es ja
schon vor der Verbeiständung getan hat. Das Gesuch ist ja seinerzeit schon mit
Gründen motiviert worden, die mit dieser Unfähigkeit nichts zu tun haben, ist
doch im ersten Schreiben des damaligen Vertreters der Gesuchstellerin noch
ausdrücklich festgestellt worden, dass die Möglichkeit der Bestellung eines
Vertreters durch die Gesuchstellerin gegeben wäre. Unter diesen Umständen
hätte ihrem Gesuch gar nicht entsprochen werden dürfen. In Anwendung von Art.
439 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 439 - 1 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann in folgenden Fällen schriftlich das zuständige Gericht anrufen:
1    Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann in folgenden Fällen schriftlich das zuständige Gericht anrufen:
1  bei ärztlich angeordneter Unterbringung;
2  bei Zurückbehaltung durch die Einrichtung;
3  bei Abweisung eines Entlassungsgesuchs durch die Einrichtung;
4  bei Behandlung einer psychischen Störung ohne Zustimmung;
5  bei Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
2    Die Frist zur Anrufung des Gerichts beträgt zehn Tage seit Mitteilung des Entscheids. Bei Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit kann das Gericht jederzeit angerufen werden.
3    Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Bestimmungen über das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz.
4    Jedes Begehren um gerichtliche Beurteilung ist unverzüglich an das zuständige Gericht weiterzuleiten.
ZGB ist die Beistandschaft daher aufzuheben (vgl. BGE 44 II S.
341
).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 14
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 21. März 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 14
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Verbeiständung auf eigenes Begehren. Art. 394 ZGB.Unzulässigkeit einer Verbeiständung unter...


Gesetzesregister
ZGB: 372 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 372 - 1 Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
1    Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
2    Die Ärztin oder der Arzt entspricht der Patientenverfügung, ausser wenn diese gegen gesetzliche Vorschriften verstösst oder wenn begründete Zweifel bestehen, dass sie auf freiem Willen beruht oder noch dem mutmasslichen Willen der Patientin oder des Patienten entspricht.
3    Die Ärztin oder der Arzt hält im Patientendossier fest, aus welchen Gründen der Patientenverfügung nicht entsprochen wird.
381 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 381 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde errichtet eine Vertretungsbeistandschaft, wenn keine vertretungsberechtigte Person vorhanden ist oder das Vertretungsrecht ausüben will.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde errichtet eine Vertretungsbeistandschaft, wenn keine vertretungsberechtigte Person vorhanden ist oder das Vertretungsrecht ausüben will.
2    Sie bestimmt die vertretungsberechtigte Person oder errichtet eine Vertretungsbeistandschaft, wenn:
1  unklar ist, wer vertretungsberechtigt ist;
2  die vertretungsberechtigten Personen unterschiedliche Auffassungen haben; oder
3  die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind.
3    Sie handelt auf Antrag der Ärztin oder des Arztes oder einer anderen nahestehenden Person oder von Amtes wegen.
393 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
394 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 394 - 1 Eine Vertretungsbeistandschaft wird errichtet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann und deshalb vertreten werden muss.
1    Eine Vertretungsbeistandschaft wird errichtet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann und deshalb vertreten werden muss.
2    Die Erwachsenenschutzbehörde kann die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entsprechend einschränken.
3    Auch wenn die Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, muss die betroffene Person sich die Handlungen des Beistands oder der Beiständin anrechnen oder gefallen lassen.
439
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 439 - 1 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann in folgenden Fällen schriftlich das zuständige Gericht anrufen:
1    Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann in folgenden Fällen schriftlich das zuständige Gericht anrufen:
1  bei ärztlich angeordneter Unterbringung;
2  bei Zurückbehaltung durch die Einrichtung;
3  bei Abweisung eines Entlassungsgesuchs durch die Einrichtung;
4  bei Behandlung einer psychischen Störung ohne Zustimmung;
5  bei Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
2    Die Frist zur Anrufung des Gerichts beträgt zehn Tage seit Mitteilung des Entscheids. Bei Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit kann das Gericht jederzeit angerufen werden.
3    Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Bestimmungen über das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz.
4    Jedes Begehren um gerichtliche Beurteilung ist unverzüglich an das zuständige Gericht weiterzuleiten.
BGE Register
44-II-340 • 51-II-103 • 55-II-14
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
besteller • bedingung • gesuchsteller • wille • prozessvertretung • voraussetzung • gemeinderat • bundesgericht • brief • vormundschaftliche aufsichtsbehörde • beschwerdegrund • zusicherung