340 . Familienrecht. N° 58.

58. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. November 1918 i. S. Berner.

Art. 433 ZGB. Aufhebung einer Vormundschaft, wenn ein Bevormundungsgrund
nie bestanden hat. Art. 438
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 438 - Auf Massnahmen, die die Bewegungsfreiheit der betroffenen Personen in der Einrichtung einschränken, sind die Bestimmungen über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen sinngemäss anwendbar. Vorbehalten bleibt die Anrufung des Gerichts.
ZGB. Aufhebung einer auf eigenes Begehren
angeordneten Vormundschaft, wenn ,eine unzweideutige schriftlich erteilte
Willenserklärung fehlt, wodurch eine eigentliche Bevormundung verlangt
oder die Zustimmung zu einer solchen gegeben wird.

A. Die Beschwerdeführerin wurde am 18. Juni 1915 vom Gemeinderat
Rupperswil bevormundet, nachdem sie am 17. Juni folgende Erldärung
unterschrieben hatte : Die unterzeichnete ersucht gemäss § 372 ZGB um

Bestellung eines Vormundes zur Ausmittlung ihres Erbes -

an ihrem se]. verstorbenen Ehemanne Friedrich Berner, Infolge zunehmenden
Alters ist es der Unterzeichneten nicht möglich, diese Angelegenheit
selbst zu erledigen. Ihr Ehemann hatte nämlich ausser ihr noch eine
Tochter aus erster Ehe als Erbin hinterlassen. Diese war mit Hans '
Fricker verheiratet, starb aber im Oktober 1915 und wurde von ihrem
Ehemann und einem Kinde beerbt. Der Gemeinderat Rupperswil hatte die
Beschwerdeführerin veranlasst, die erwähnte Erklärung zu unterzeichnen,
weil er der Ansicht war, dass sie gegen eine Übervorteilung durch Frickér
geschützt werden müsse.

B. Im Februar 1918 verlangte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der
Vormundschaft, da ein. Grund für sie von Anfang an fehlte; sie sei zur
Besorgung ihrer täglichen Angelegenheiten durchaus fähig gewesen. Nur
für die verwickelte Erhschaftsteilung habe sie einen sachkundigen Berater
haben wollen ; hiefür hätte aber ein Beirat genügt.

Durch Entscheid vom 27. August 1918 wies der Regierungsrat des
Kantons Aargau das Gesuch zur Zeit ab, indem er annahm, dass die
Beschwerdeführerin, wennFamilienrecht. N° 58. 341

auch der Arzt ihre geistigen Fähigkeiten als normal bezeichnet habe,
nach wie vor nicht imstande sei, die nochnicht durchgeführte Erbteilung
vorzunehmen, ohne Gefahr zu laufen, dabei zu ihrem Nachteil beeinflusst
zu werden.

C. Gegen diesen ihr am 4. September angestellten Entscheid hat Witwe
Berner am 23. September 1918 die zivilrechtliche Beschwerde an das
Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage-, die über sie angeordnete
Vormundschaft sei aufzuheben.

D'. Der Gemeinderat Rupperswil hat die Abweisung der Beschwerde
beantragt. Er führt aus, dass die Beschwerdeführerin nicht nur eines
Vertreters für die Erhteilung bedurit habe, sondern ihr Vermögen allgemein
vor Eingriffen des Fricker habe geschützt werden müssen und hiefür eine
Beiratschaft nicht genügte.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, ist eine
Vormundschaft auch dann aufzuhehen, wenn ein Bevormundungsgrund
überhaupt nie bestanden hat, da in diesem Falle ein solcher auch zur
Zeit des Aufhebungsbegehrens nicht vorhanden ist (AS 42 II S. 96, 43
II S. 752,vergl. auch EGGEB,KOInm. z. ZGB Art. 433
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 433 - 1 Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan.
1    Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die betroffene Person und deren Vertrauensperson über alle Umstände, die im Hinblick auf die in Aussicht genommenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken und Nebenwirkungen, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Der Behandlungsplan wird der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet. Bei einer urteilsunfähigen Person ist eine allfällige Patientenverfügung zu berücksichtigen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
Nr. 1 b). Es fragt
sich danach, ob b e i d e Voraussetzungen des Art. 372
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 372 - 1 Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
1    Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
2    Die Ärztin oder der Arzt entspricht der Patientenverfügung, ausser wenn diese gegen gesetzliche Vorschriften verstösst oder wenn begründete Zweifel bestehen, dass sie auf freiem Willen beruht oder noch dem mutmasslichen Willen der Patientin oder des Patienten entspricht.
3    Die Ärztin oder der Arzt hält im Patientendossier fest, aus welchen Gründen der Patientenverfügung nicht entsprochen wird.
ZGB für eine
Bevormundung auf eigenes Begehren seinerzeit vorlagen, nämlich einerseits
"ein Gesuch um Bevormundung und andrerseits die Unfähigkeit zur gehörigen
Besorgung der Angelegenheiten infolge von Altersschwäche oder andern
Gebrechen oder Uneriahrenhei-t. Nun ergibt sich aus den Akten, dass
jedenfalls die erste Voraussetzung gefehlt hat; denn die Erklärung vom
17. Juni 1915 kann rechtlich nicht als ein auf Bevormundung gerichtetcs
Begehren angesehen werden. Allerdings ersuchie die Beschwerdeführerin um
Bestellung eines Vormundes ,'aber mit einer Einschränkung, die diesem
Worte seine rechtliche Bedeutung nahm. Die

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Bestellung einer Vormundschaft ist ihrem Wesen nach eine allgemeine
Beschränkung der Handlungsfähigkeit; eine Teilentmündigung für gewisse
Rechtsgeschäfte kann. es auch mit Zustimmung der in Frage stehenden
Person nicht geben. Indem die Beschwerdeführerin sich einen Vormund
zur Erledigung einer bestimmten Angelegenheit erbat, verlangte sie
daher dem_Wortlaut ihrer Erklärung nach etwas rechtlich unmögliches.
ihrem Begehren konnte somit keine Folge gegeben werden. Es war unzulässig,
die von der Beschwerdeführe-

rin dem Gesuch um Bestellung eines Vormundes hinzu gefügte Beschränkung
einfach als überflüssige Beiiügung si' zu behandeln und die Erklärung
damit als eigentliches

Bevormundungsbegehren aufzufassen. Die Beschwerdeführerin hätte sich mit
einer Streichung der Beschränkung voraussichtlich nicht einverstanden
erklärt ; zum mindesten besteht keine Sicherheit darüber, ob sie ihr
Begehren auch ohnedies aufrechtgehalten hätte, und es fehlt daher an
einer unzweidrutigen, schriftlich erteilten Willenserklärung, wodurch eine
eigentliche Bevormundung verlangt oder die Zustimmung zu einer solchen

gegeben wird. Die am 18. Juni 1915 angeordnete Vor.

mundsehaft muss daher aufgehoben werden. Wenn, Wie die
Vormundschaitsbehörde geltend macht, ein Grund zur Entmündigung der
Beschwerdeführerin wegen allgemeiner Unfähigkeit zur Besorgung ihrer
Angelegenheiten vorliegt, so kann ohne ihre Zustimmung das hiefür
erforderliche Verfahren eingeleitet werden; dagegen lässt sich hierauf der
Weiterbestand der ungesetzlichen Vormundschaft nicht gründen. Ebenso ist
es für den vorliegenden Fall bedeutungslos, ob eine blosse Beiratschaft
genügen Würde, die Beschwerdeführer-in einem nachteiligen Einfluss
Frickers zu entziehen.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

ss Die-Beschwerde wird gutgeheissen und die über die Beschwerdeführerin
bestehende VormundSchaft aufgehoben.

Erbrecht. "N° 59. 343

III. ERBRECHT

DRO IT DES SUCCESSIONS

59. Arrét. da, la IIe Section civile du 25 Septembre 1918 dans la cause
Betrisey cont-re Bétrisey.

Conti-at d'entretien viager, mil pour vice de forme; nullité d'une
liberalité faite dans leméme acte et en relation étroite avec 1a
stipulation d'entretien viager.

Le 2 juin 1914, les père et mère des parties ont concln l'acte notarié
suivant avec leurs fils Séraphin demandeur au présent procès -et Damien :

...{-e' A. Conviennent le contrat viager suivant avec leur fils Séraphin
Bétrisey, instituteur, ici present et aeeeptant:

1° Séraphin aura la jouissance. pleine et entiére des biens tant mobiliers
qu'immobiliers leur appartenant, ala condition de les entretenir leur
vie durant comme un bon fils doit le faire.

Cette jouissanee durera pour la totalité des biens jusqu 'au décès des
père et mère ci devant nommés.

2° Les achats faits jusqu 'ici par Séraphin, tant mobiliers qu'immobiliers
figurant en son nom, resteront sa propriété exclusive sans que ce dernier
ait à rendre compte à la succession.

3° Pour le mobilier en entre les inventaires reconnus et signés par
le pere et la mère keront régle et devront étre respeetés par tous
les héritiers.

4o Séraphin aura le droit de prélever le montant des dettes ou notes
qu'il aura payées pour le pére et la mère avant ce jour ou à partir de
maintenant, en ce qui concerne les dettes arriérées.

Pour se eouvrir de ce montant il pourra ehoisir jusqu 'à concurrence de
la valeur lui revenant de ce chef sur les
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 44 II 340
Datum : 06. November 1918
Publiziert : 31. Dezember 1919
Quelle : Bundesgericht
Status : 44 II 340
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 340 . Familienrecht. N° 58. 58. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. November 1918


Gesetzesregister
ZGB: 372 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 372 - 1 Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
1    Ist die Patientin oder der Patient urteilsunfähig und ist nicht bekannt, ob eine Patientenverfügung vorliegt, so klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt dies anhand der Versichertenkarte ab. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle.
2    Die Ärztin oder der Arzt entspricht der Patientenverfügung, ausser wenn diese gegen gesetzliche Vorschriften verstösst oder wenn begründete Zweifel bestehen, dass sie auf freiem Willen beruht oder noch dem mutmasslichen Willen der Patientin oder des Patienten entspricht.
3    Die Ärztin oder der Arzt hält im Patientendossier fest, aus welchen Gründen der Patientenverfügung nicht entsprochen wird.
433 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 433 - 1 Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan.
1    Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die betroffene Person und deren Vertrauensperson über alle Umstände, die im Hinblick auf die in Aussicht genommenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken und Nebenwirkungen, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Der Behandlungsplan wird der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet. Bei einer urteilsunfähigen Person ist eine allfällige Patientenverfügung zu berücksichtigen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
438
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 438 - Auf Massnahmen, die die Bewegungsfreiheit der betroffenen Personen in der Einrichtung einschränken, sind die Bestimmungen über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen sinngemäss anwendbar. Vorbehalten bleibt die Anrufung des Gerichts.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vormund • besteller • bundesgericht • gemeinderat • beiratschaft • erbrecht • biene • entscheid • ehegatte • wirkung • bewilligung oder genehmigung • gesuch an eine behörde • grundrechtseingriff • regierungsrat • ehe • beirat • arzt • frage • not • hinterlassener
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