S. 100 / Nr. 21 Obligationenrecht (d)

BGE 55 II 100

21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Mai 1929 i. S. Mapri
A.-G. gegen Schmid.

Regeste:
Art. 627 Abs. II OR: Erweiterung des Geschäftsbereiches der A.-G. durch
Aufnahme eines verwandten Gegenstandes, i. c. eines Autopostbetriebes durch
eine den Handel mit Rohstoffen, Mineralwassern etc. betreibende
Aktiengesellschaft? (Erw. 1.)

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Art. 627 Abs. III OR: Umfasst auch die bloss teilweise Änderung des
Gesellschaftszweckes. - Ein bezüglicher Statutenänderungsbeschluss ist vor der
Eintragung ins Handelsregister schlechthin unwirksam (Art. 626
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321
OR). Ausschluss
der Berufung auf Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB (Erw. 2).

A. - Die Beklagte, Mapri A.-G., Zezikon, ist im Juli 1926 mit einem
Grundkapital von 20000 Fr. gegründet worden. Als Zweck der Gesellschaft gibt §
1 der Statuten an: «Handel in Rohstoffen und Verarbeitung von solchen;
Beteiligung an Mineralquellen, sowie Vertrieb von Mineral- und Tafelwassern
und sonstigen alkoholfreien Getränken; die Gesellschaft kann sich auch an
andern Unternehmungen ähnlicher Art beteiligen.»
Der Kläger war Mitgründer der A.-G. und gehörte bis Herbst 1927 dem
Verwaltungsrate an. Ab 1. Januar 1927 wurde ihm persönlich von der Eidg.
Postverwaltung die Führung des Autopostkurses Matzingen-Affeltrangen
übertragen, den er von Anfang Januar bis Ende Mai 1927 auf Rechnung der
Beklagten besorgte. Eine Statutenänderung im Sinne der Ausdehnung des
Gesellschaftszweckes auf die Führung dieser Autokurse (Art. 626
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321
OR) ist nicht
erfolgt, und ebensowenig ein Beschluss der Generalversammlung dahingehend,
dass in Erweiterung des statutarischen Geschäftsbereiches (Art. 627
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321
OR) der
Postbetrieb vom Kläger auf Rechnung der Gesellschaft besorgt werde. Als die
Aktionäre der Beklagten Ende Juni 1927 dem Kläger Pflichtvernachlässigung
vorwarfen und sich über die Unrentabilität des Betriebes beklagten, erklärte
der Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 1927, dass er die Kurse fortan auf seine
Rechnung ausführen werde. Daraufhin stellte eine ausserordentliche
Generalversammlung der Beklagten vom 30. Juli 1927 seine «Vertragsbrüchigkeit»
fest und beschloss, ihm den Postkursbetrieb gegen eine Entschädigung von 10000
Fr. und verschiedene weitere Zahlungen zu überlassen. Als der Kläger hierauf
nicht eintrat, schrieb ihm die Beklagte am 5. September 1927, dass er mit
Wirkung ab 10. September 1927 als Postautoführer der Gesellschaft entlassen
sei.

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Gleichzeitig ersuchte sie ihn um Abrechnung für die Monate Juni bis August
1927. In seiner Antwort vom 6. September 1927 wies der Kläger demgegenüber
darauf hin, dass ihm der Autopostbetrieb nicht von der Beklagten, sondern von
der Eidg. Postverwaltung übertragen worden sei. Er sei allerdings anfänglich
damit einverstanden gewesen, dass derselbe für die A.-G. besorgt werde. In der
Folge habe er sich aber davon überzeugt, dass dies nach den
Gesellschaftsstatuten rechtlich nicht möglich sei, weshalb er sich dann stets
auf den Standpunkt gestellt habe, dass die Besorgung von Anfang an auf seine
eigene Rechnung erfolgt sei. Die nachträgliche Übertragung dieses
Geschäftszweiges auf die A.-G. lehne er ab und verweigere auch die verlangte
Rechnungsablage.
B. - Mit im Dezember 1927 beim Bezirksgericht Münchwilen eingereichter Klage
belangte Schmid die Mapri A.-G. auf Bezahlung eines Saldos von 2980 Fr. 25
Cts. Seine Abrechnung beruht auf der Annahme, dass der Postbetrieb von Anfang
an, d. h. ab 1. Januar 1927, vollständig auf seine Rechnung gegangen sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und forderte widerklageweise
einen Saldo von 4537 Fr 45 Cts. aus dem gegenseitigen Abrechnungsverhältnis,
nebst 5% Zins seit 1. September 1927, sowie eine Entschädigung von 15000 Fr.
nebst 5% Zins seit 25. November 1927. Den erstern Forderungsposten hat sie
nachträglich auf 2702 Fr. 15 Cts. und den letztern auf 10000 Fr. reduziert.
Zur Begründung ihrer Schadenersatzforderung machte sie geltend, dass der
Kläger den Autopostkurs Matzingen-Affeltrangen vertragsgemäss auf Rechnung der
A.-G. geführt und bis Juni 1927 monatlich mit der Gesellschaft abgerechnet
habe. Nachher habe er sich den Betrieb widerrechtlich angeeignet; er sei
deshalb für den durch diesen Vertragsbruch verursachten Schaden
ersatzpflichtig.
C. - Die erste Instanz wies die Klage ab, schützte dagegen die Widerklage im
Betrage von 6135 Fr. 15 Cts. nebst 5% Zins seit 2. Dezember 1927.

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Mit Urteil vom 26. Februar 1929 hat das Obergericht des Kantons Thurgau diesen
Entscheid dahin abgeändert, dass es, in Bestätigung der Klageabweisung, die
Widerklageforderung nur für 342 Fr. 90 Cts. nebst 5% Zins seit 2. Dezember
1927 begründet erklärte.
D - Dieses Urteil hat das Bundesgericht, in Abweisung der von der Beklagten
dagegen ergriffenen Berufung bestätigt.
Aus den Erwägungen:
1.- Das Schicksal der von der Beklagten widerklageweise mit 10000 Fr. geltend
gemachten Schadenersatzforderung hängt davon ab, ob eine rechtsgültige
Übernahme des Postkursbetriebes durch die A.-G. stattgefunden habe. Die
Vorinstanz hat diese Frage mit der Begründung verneint, dass weder eine
Statutenänderung mit Bezug auf den Gesellschaftszweck im Sinne von Art. 626
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321

Abs. I OR, noch ein Generalversammlungsbeschluss im Sinne von Art. 627 Abs. II
OR auf Erweiterung des Geschäftsbereiches der Gesellschaft durch Aufnahme
eines verwandten Gegenstandes, mit anschliessendem Handelsregistereintrag,
erfolgt sei. Darüber, ob die Übernahme des Betriebes nach den gegebenen
Umständen eine Umwandlung des Gesellschaftszweckes oder bloss eine Erweiterung
des statutarisch festgelegten Tätigkeitsgebietes der A.-G. bedeutet hätte, hat
sie sich indessen nicht ausgesprochen. Diese Frage ist unbedenklich im Sinne
der erstern Alternative zu entscheiden. § 1 der Statuten der Beklagten
umschreibt den Gesellschaftszweck wie folgt: «Handel in Rohstoffen und
Verarbeitung von solchen; Beteiligung an Mineralquellen, sowie Vertrieb von
Mineral- und Tafelwassern und sonstigen alkoholfreien Getränken», mit dem
Zusatz, dass sich die Gesellschaft auch an andern Unternehmungen «ähnlicher
Art» beteiligen könne. Mit dieser statutarischen Zweckbestimmung kann ein
Autopostbetrieb schlechterdings nicht als «verwandter» oder «ähnlicher»
Gegenstand in Zusammenhang gebracht

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werden. Darauf, ob der neu einzuführende Geschäftszweig die übrigen Branchen
praktisch insofern vorteilhaft ergänzte, als mit diesen bereits ein gewisser
Transportdienst verbunden war, kann nichts ankommen; entscheidend ist
vielmehr, ob er seiner Natur nach von dem in den Statuten angegebenen
«Gegenstand» sachlich umfasst werde. Der mit jener Handelstätigkeit
naturgemäss verbundene Camionnagedienst ist aber rein nebensächlicher Art und
hat mit dem Betriebe eines selbständigen Transportunternehmens nichts in dem
Sinne gemein, dass durch letztern der Gesellschaftszweck noch auf andere Weise
als wie bis anhin gefördert worden wäre. Damit entfällt grundsätzlich die
Anwendbarkeit des Art. 627 Abs. II OR. Die Gleichartigkeit des neuen
Geschäftszweiges mit den statutarisch umschriebenen vorausgesetzt, wäre
übrigens für die Erweiterung des Tätigkeitsgebietes der Beklagten, mangels
einer abweichenden Ordnung in den Statuten, ein an die in zit. Art.
festgelegte Erschwerung geknüpfter Generalversammlungsbeschluss, mit
nachfolgendem Handelsregistereintrag, nötig gewesen.
2.- Gemäss Art. 627 Abs. III OR kann die Umwandlung des Gesellschaftszweckes
der Minderheit durch die Mehrheit nicht aufgenötigt werden. Nun bedeutete zwar
die Übernahme des Autopostbetriebes durch die A.-G. keine vollständige
Umwandlung der statutarischen Zweckbestimmung, indem nichts dafür vorliegt,
dass die Beklagte ihre bisherigen Zwecke zu Gunsten dieses neuen, anders
gearteten aufzugeben beabsichtigte; vielmehr wollte sie sich, neben der
bisherigen, dieser mit dem alten Geschäfte nicht zusammenhängenden neuen
Aufgabe widmen. Eine solche bloss teilweise Änderung des Gesellschaftszweckes
muss aber in gleicher Weise, wie eine vollständige, als unter Art. 627 Abs.
III fallend behandelt werden, zumal dort keine nähere Unterscheidung getroffen
ist, sondern von «Umwandlung» kurzweg gesprochen wird (vgl. STRÄULI, Z. f.
schw. R. n. F. Bd. 14 S. 17 f.). Die Richtigkeit dieser Annahme ergibt sich
auch aus dem

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Zusammenhange dieser Bestimmung mit Abs. II zit. Art. insofern, als darnach
eine Erweiterung des Geschäftsbereiches nur dann nicht als Umwandlung des
Gesellschaftszweckes in Betracht fällt, wenn sie in der Aufnahme «verwandter
Gegenstände» besteht. Wenn daher die Beklagte die Führung der von der Eidg.
Postverwaltung dem Kläger persönlich übertragenen Postkurse übernehmen wollte,
so konnte dies nur durch einen einstimmigen Beschluss der Aktionäre auf
Abänderung des statutarischen Gesellschaftszweckes, mit nachfolgender
Eintragung im Handelsregister und Veröffentlichung der Statutenänderung (Art.
626
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321
OR), geschehen. Diese Erfordernisse hat sie aber unbestrittenermassen
nicht erfüllt. Ihr Einwand, dass der Mangel einer formellen Beschlussfassung
durch die im Einverständnis aller Aktionäre tatsächlich auf Rechnung der
Gesellschaft erfolgte Besorgung der Postkurse geheilt worden sei, greift nicht
durch. Abgesehen davon, dass es sich bei der in Art. 626 Abs. III OR
vorgeschriebenen Eintragung eines Statutenänderungsbeschlusses ins
Handelsregister nicht bloss um eine Form der Willenserklärung, sondern um eine
ausserhalb des Rechtsaktes stehende selbständige Voraussetzung seiner.
Wirksamkeit handelt, ist ein solcher Beschluss, wie das Bundesgericht mit
Bezug auf einen Kapitalherabsetzungsbeschluss festgestellt hat, vor der
Eintragung schlechthin rechtsunwirksam, also sowohl nach aussen, den
Gesellschaftsgläubigern gegenüber, als im Verhältnis der Gesellschaft zu den
Aktionären (vgl. BGE 50 II 179 f.). Steht auch hier keine der in Art. 626
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321
Abs.
I OR speziell erwähnten Statutenänderungen (Fortsetzung der Gesellschaft,
Erhöhung und Herabsetzung des Grundkapitals) in Frage, so kann doch nach dem
klaren Wortlaut dieser Vorschrift, die jene Fälle in Verbindung mit jedem
«irgend eine andere Abänderung» der Statuten betreffenden Beschlusse der
Generalversammlung anführt, nicht zweifelhaft sein, dass auch ein die
teilweise Abänderung des Gesellschaftszweckes beschlagender Beschluss - an
dessen

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formeller Fassung es übrigens hier gebricht - in gleicher Weise durch den
Handelsregistereintrag öffentlich zur Kenntnis gebracht werden muss, zumal der
«Gegenstand des Unternehmens» gemäss Art. 616 Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 616 - 1 Im Konkurse der Gesellschaft wird das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger verwendet unter Ausschluss der Privatgläubiger der einzelnen Gesellschafter.
1    Im Konkurse der Gesellschaft wird das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger verwendet unter Ausschluss der Privatgläubiger der einzelnen Gesellschafter.
2    Was der Kommanditär auf Rechnung seiner Kommanditsumme an die Gesellschaft geleistet hat, kann er nicht als Forderung anmelden.
und 621 Ziff. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 621 - 1 Das Aktienkapital beträgt mindestens 100 000 Franken.
1    Das Aktienkapital beträgt mindestens 100 000 Franken.
2    Zulässig ist auch ein Aktienkapital in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung. Zum Zeitpunkt der Errichtung muss dieses einem Gegenwert von mindestens 100 000 Franken entsprechen. Lautet das Aktienkapital auf eine ausländische Währung, so haben die Buchführung und die Rechnungslegung in derselben Währung zu erfolgen. Der Bundesrat legt die zulässigen Währungen fest.
3    Die Generalversammlung kann den Wechsel der Währung, auf die das Aktienkapital lautet, auf den Beginn eines Geschäftsjahrs beschliessen. In einem solchen Fall passt der Verwaltungsrat die Statuten an. Er stellt dabei fest, dass die Voraussetzungen von Absatz 2 erfüllt sind, und hält den angewandten Umrechnungskurs fest. Die Beschlüsse der Generalversammlung und des Verwaltungsrats müssen öffentlich beurkundet werden.
OR in
den Statuten anzugeben und zu veröffentlichen ist. Es greift auch hier die im
gedachten Entscheide enthaltene Erwägung Platz, dass es zu unhaltbaren
Zuständen führen müsste, wenn die A.-G. den Gläubigern und den Aktionären
gegenüber unter einem verschiedenen Statut leben könnte. Wenn praktisch
vielfach Statutenänderungsbeschlüsse vor ihrer Eintragung im Handelsregister
vollzogen werden, so ändert das an der Tatsache nichts, dass sie erst mit dem
Eintrag die Bedeutung einer für die Gesellschaft rechtsgültigen Satzung
erlangen. Mit einem Falle dieser Art hat man es übrigens hier nicht zu tun. Es
ist unbestritten, dass die Beklagte den Autopostbetrieb nur unter
gleichzeitiger Erhöhung des Aktienkapitals hätte übernehmen können. Da diese
Kapitalbeschaffung auf Schwierigkeiten stiess, unterblieb in der Folge eine
formelle Beschlussfassung der Generalversammlung über erstern Gegenstand, und
es klagt denn auch heute die Widerklägerin nicht auf Überlassung des
Autopostbetriebes, sondern auf Schadenersatzleistung durch den Kläger. Hiefür
fehlt aber nach dem Gesagten jede rechtliche Grundlage. Die Beklagte kann sich
auch nicht auf Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB berufen. Abgesehen davon, dass es ihre Sache gewesen
wäre, für die Erfüllung der für die Aufnahme des neuen Geschäftszweiges
erforderlichen gesetzlichen Formalitäten besorgt zu sein, ist Art. 626
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321
OR eine
nicht nur zum Schutze der Aktionäre, sondern vornehmlich auch der
Gesellschaftsgläubiger aufgestellte zwingende Vorschrift.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 100
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 14. Mai 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 100
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 627 Abs. II OR: Erweiterung des Geschäftsbereiches der A.-G. durch Aufnahme eines verwandten...


Gesetzesregister
OR: 616 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 616 - 1 Im Konkurse der Gesellschaft wird das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger verwendet unter Ausschluss der Privatgläubiger der einzelnen Gesellschafter.
1    Im Konkurse der Gesellschaft wird das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger verwendet unter Ausschluss der Privatgläubiger der einzelnen Gesellschafter.
2    Was der Kommanditär auf Rechnung seiner Kommanditsumme an die Gesellschaft geleistet hat, kann er nicht als Forderung anmelden.
621 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 621 - 1 Das Aktienkapital beträgt mindestens 100 000 Franken.
1    Das Aktienkapital beträgt mindestens 100 000 Franken.
2    Zulässig ist auch ein Aktienkapital in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung. Zum Zeitpunkt der Errichtung muss dieses einem Gegenwert von mindestens 100 000 Franken entsprechen. Lautet das Aktienkapital auf eine ausländische Währung, so haben die Buchführung und die Rechnungslegung in derselben Währung zu erfolgen. Der Bundesrat legt die zulässigen Währungen fest.
3    Die Generalversammlung kann den Wechsel der Währung, auf die das Aktienkapital lautet, auf den Beginn eines Geschäftsjahrs beschliessen. In einem solchen Fall passt der Verwaltungsrat die Statuten an. Er stellt dabei fest, dass die Voraussetzungen von Absatz 2 erfüllt sind, und hält den angewandten Umrechnungskurs fest. Die Beschlüsse der Generalversammlung und des Verwaltungsrats müssen öffentlich beurkundet werden.
626 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 626 - 1 Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1    Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über:
1  die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
2  den Zweck der Gesellschaft;
3  die Höhe und die Währung des Aktienkapitals sowie den Betrag der darauf geleisteten Einlagen;
4  Anzahl, Nennwert und Art der Aktien;
2    In einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, müssen die Statuten zudem Bestimmungen enthalten über:
1  die Anzahl der Tätigkeiten, welche die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in vergleichbaren Funktionen bei anderen Unternehmen mit wirtschaftlichem Zweck ausüben dürfen;
2  die maximale Dauer der Verträge, die den Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats zugrunde liegen, und die maximale Kündigungsfrist für unbefristete Verträge (Art. 735b);
3  die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
4  die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.320
3    Nicht als andere Unternehmen nach Absatz 2 Ziffer 1 gelten Unternehmen, die durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die die Gesellschaft kontrollieren.321
627
ZGB: 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
BGE Register
50-II-168 • 55-II-100
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • zins • frage • rohstoff • alkoholfreies getränk • monat • bundesgericht • teilweise änderung • wiese • unternehmung • entscheid • statuten • bewilligung oder genehmigung • kenntnis • erhöhung • verordnung • ptt • begründung des entscheids • berechnung • beendigung
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