S. 346 / Nr. 58 Registersachen (d)

BGE 55 I 346

58. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1929 i. S. Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement gegen Contex-Textilhandels-A.-G. und Ausschuss des
Kantonsgerichtes Graubünden.

Regeste:
Löschungspflicht einer A.-G. im Handelsregister?
Eine A.-G. ist nicht als tatsächlich aufgelöst zu betrachten, wenn ihr Betrieb
nur vorübergehend eingestellt, ihr Vermögen nicht vollständig liquidiert, sie
selbst von den Beteiligten in Wirklichkeit nicht aufgegeben und die
Geschäftstätigkeit im Rahmen der ursprünglichen Gesellschaftszwecke wieder
aufgenommen wurde.


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A. - Die Contex-Textilhandels-A.-G. hat ihren Sitz in Chur. Nach den Statuten
besteht ihr Gesellschaftszweck im Handel mit Textilwaren und in der
Beteiligung an andern Unternehmungen als Holdinggesellschaft. In den Jahren
1925-1927 lag ihr Geschäftsbetrieb still, nach ihrer Angabe, weil die
schweizerische Aufenthaltsbewilligung für ihren ausländischen Direktor nicht
mehr erneuert worden war. Das Aktienkapital von 200000 Fr. wurde an die
Aktionäre ausbezahlt und in den Bilanzen dieser Jahre als unverzinsliches
Darlehen an die Aktionäre verbucht. Die Bilanz per 31. Dezember 1925 weist auf
der Aktivseite ausser diesen Darlehen noch Debitoren- und Bankguthaben von
5763 Fr. 81 Cts. und auf der Passivseite ausser dem Aktienkapital einen
Reservefonds und transitorische Passiven auf; die Gewinn- und Verlustrechnung
dieses Jahres schliesst mit einem Reingewinn von 909 Fr. 56. In der Bilanz des
folgenden Jahres haben sich die Debitorenguthaben gegenüber 1925 von 5353 Fr.
81 Cts. auf 4554 Fr. 53 Cts. vermindert, die Bankguthaben sind verschwunden,
und der Gewinn beträgt 532 Fr. 08 Cts.; 1927 endlich figurieren nur noch 3487
Fr. 93 Cts. als Debitorenguthaben neben den Darlehen an die Aktionäre in der
Bilanz, und die Gewinn- und Verlustrechnung weist einen Verlust von 534 Fr. 32
Cts. infolge der Unkosten von 1066 Fr. 60 Cts. auf. Im Jahre 1928 nahm die
Contex-Textilhandels-A.-G. ihren Betrieb wieder auf, widmete sich aber nicht
mehr dem Textilhandel, sondern ausschliesslich der Beteiligung an andern
Unternehmungen In der Bilanz von 1928 ist unter den Aktiven der Betrag von
200000 Fr. für Darlehen an die Aktionäre verschwunden und sind an seine Stelle
ausser den Debitoren die Beteiligungen getreten.
Am 4. März 1929 antwortete Rechtsanwalt Dr. Mettier, bei dem die
Beschwerdegegnerin domiziliert ist, auf eine Anfrage der eidg.
Steuerverwaltung über den Posten «200000 Fr. Darlehen» in der eben
eingereichten Bilanz von 1927 wie folgt:

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«Das unter den Aktiven figurierende Darlehen von 200000 Fr. repräsentiert den
Gegenwert für das Aktienkapital. Da die Gesellschaft ihre Tätigkeit
eingestellt hat, ist das einbezahlte Aktienkapital den Gesellschaftern wieder
zur Verfügung gestellt worden. Besondere Bedingungen wurden dabei nicht
vereinbart. Zinsen werden nicht bezahlt.»
In dem der Bilanz von 1927 beigelegten Bericht des Verwaltungsrates heisst es:
«Die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ruht vollständig. Die Kontrollstelle
prüfte die Bücher und berichtete in einem Sonderbericht über die Aufstellung
der Bilanz. Der Verlust von 532 Fr. 52 Cts. ergibt sich durch die Unkosten,
die die Gesellschaft trotz des Ruhens der Geschäfte zu tragen hat.»
Die eidg. Steuerverwaltung frug die Beschwerdegegnerin weiter an, ob sie ihre
Tätigkeit je wieder aufnehmen werde. Darauf antwortete die Beschwerdegegnerin
am 8. April 1929:
«Zu Ihrer Frage bezüglich der künftigen Geschäftstätigkeit unserer
Gesellschaft teilen wir ergebenst mit, dass sich unsere Gesellschaft in
Zukunft nur noch als Holdingsgesellschaft betätigen wird. Eine Liquidierung
ist nicht beabsichtigt. Die Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für das
Geschäftsjahr 1928 ist noch nicht fertiggestellt. Nach Genehmigung durch die
Generalversammlung werden wir ein Exemplar unterschrieben unverzüglich
überreichen.»
B. - Aufmerksam gemacht durch die eidg. Steuerverwaltung, erblickte das eidg.
Amt für das Handelsregister in der Einstellung der Geschäftstätigkeit und
Rückzahlung des Aktienkapitals der Contex-Textilhandels-A.-G. eine
tatsächliche Auflösung der Gesellschaft und beauftragte das Handelsregisteramt
des Kantons Graubünden, die Gesellschaft im Handelsregister zu löschen. Die
Beschwerdegegnerin stellte jedoch bei der kantonalen Aufsichtsbehörde das
Gesuch, die Löschung zu unterlassen,

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da sie ihre Geschäftstätigkeit nur vorübergehend eingestellt und nun wieder
aufgenommen habe. Der Ausschuss des Kantonsgerichtes von Graubünden als
kantonale Aufsichtsbehörde über das Handelsregister hiess das Gesuch am 26.
September 1929 gut und verfügte, dass die Beschwerdegegnerin die Löschung
nicht anzumelden habe.
Gegen diesen Entscheid hat das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ergriffen und den
Antrag gestellt, es sei die kantonale Verfügung aufzuheben und die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihre Löschung im Handelsregister eintragen
zu lassen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 9 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die eidg. Verwaltungs- und
Disziplinarrechtspflege ist das eidg. Justiz- und Polizeidepartement zur
Erhebung dieser Beschwerde befugt. Da die angefochtene Verfügung am 2. Oktober
1923 mitgeteilt und die Beschwerde am 28. Oktober 1929 erhoben wurde, ist sie
rechtzeitig eingereicht worden.
2.- Dem von der beschwerdeführenden Partei angerufenen Entscheid des
Bundesrates in Sachen Pharmex S. A. vom 9. März 1928 (vgl. Zeitschr. d. bern.
Jur. V.-Bd. 64 S. 374 ff.) lag ein anderer Tatbestand zu Grunde. Dort hatte
der Bundesrat zu entscheiden, ob die Generalversammlung einer
Aktiengesellschaft auf ihren Beschluss, die Gesellschaft aufzulösen,
zurückkommen und die Fortsetzung beschliessen könne. Er kam zum Ergebnis dass
die einmal beschlossene Auflösung unwiderruflich sei denn der
Auflösungsbeschluss habe die Wirkung, dass die Gesellschaftsorgane, also auch
die Generalversammlung, nach dem Beschluss nur noch die eine Zuständigkeit
haben, für die vollständige Liquidation zu sorgen. Ein Widerruf der erfolgten
Auflösung gehe ultra vires der Gesellschaftsorgane. Im vorliegenden Fall ist
aber nie ein förmlicher Auflösungsbeschluss gefasst worden. Es ist auch nicht
zu

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beurteilen, ob die Beschwerdegegnerin eine durch Tatsachen begründete
Auflösung der Gesellschaft widerrufen und sich dadurch selbst neues
rechtliches Leben verschaffen konnte, sondern es ist zu untersuchen, ob die
Gesellschaft tatsächlich als aufgelöst zu gelten hat, d. h. ob die von keiner
Partei bestrittenen Tatsachen einem Auflösungsbeschluss gleichzustellen sind.
Aus diesem Grunde ist die erwähnte bundesrätliche Entscheidung ohne Belang für
den vorliegenden Fall.
3.- Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass die Streitfrage weder auf Grund
von Art. 16 der revidierten Verordnung II vom 16. Dezember 1918, noch auf
Grund von Art. 25 der Handelsregisterverordnung vom 6. Mai 1890 gelöst werden
kann. Art. 16 der revidierten Verordnung II vom 16. Dezember 1918, auf den
sich die Aufsichtsbehörde des Kantons Graubünden gestützt hat, ordnet das
Verfahren für die Fälle, in denen die Löschung einzutragen ist und keine
Organe und Vertreter der Gesellschaft in der Schweiz mehr vorhanden sind. Im
vorliegenden Fall sind jedoch noch Organe in der Schweiz nachgewiesen und
eingetragen. Art. 23 der Handelsregisterverordnung vom 6. Mai 1890 wäre zwar,
wie die Rekurrentin richtig ausführt für das von den kantonalen Instanzen
einzuschlagende Verfahren anwendbar, da in der Schweiz Organe der
Rekursbeklagten noch bestehen und diese zur Anmeldung der Löschung
aufgefordert werden müssten, bevor eine Löschung von Amtes wegen statthaft
wäre; allein Streitfrage ist im vorliegenden Beschwerdefall nicht, welches
Verfahren bei der Löschung zu beobachten gewesen wäre, sondern ob die
Beschwerdegegnerin überhaupt zur Löschung verpflichtet sei. Für die
Entscheidung dieser Frage enthalten die verschiedenen
Handelsregisterverordnungen keine ausdrücklichen Vorschriften.
4 - Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesrates und des Bundesgerichtes
besteht die Pflicht zur Eintragung der tatsächlich erfolgten Auflösung einer
Aktiengesellschaft im Handelsregister auch dann, wenn

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ein Auflösungsbeschluss im Sinn des Art. 864 Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 864 - 1 Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
1    Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
2    Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen.
3    Die Genossenschaft bleibt indessen auch ohne statutarische Bestimmung hierüber berechtigt, die Rückzahlung bis auf drei Jahre hinauszuschieben, sofern ihr durch diese Zahlung ein erheblicher Schaden erwachsen oder ihr Fortbestand gefährdet würde. Ein allfälliger Anspruch der Genossenschaft auf Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
4    Die Ansprüche des Ausscheidenden oder seiner Erben verjähren in drei Jahren vom Zeitpunkt an gerechnet, auf den die Auszahlung verlangt werden kann.
OR nicht gefasst wurde,
die A.-G. aber während längerer Zeit keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr
entfaltet hat und von den Beteiligten in Wirklichkeit aufgegeben worden ist
(vgl. die Entscheide der eidg. Justizdepartementes i. S. Rosenverlag vom 13.
Juli 1927, des Bundesrates i. S. Saval A.-G. vom 4. März 1929 und des
Bundesgerichtes i. S. Comptoir International de Réassurances S. A. vom 2. Juli
1929; BGE 55 I S. 134 ff., und i. S. Leonar A.-G. vom 1. Oktober 1929; BGE 55
I S. 192
ff.). An dieser Praxis ist festzuhalten. Im vorliegenden Fall wurde
jedoch die wirtschaftliche Tätigkeit nicht so lange und gänzlich eingestellt,
dass man im Ruhen des Betriebes eine tatsächliche Auflösung der Gesellschaft
erblicken könnte; noch weniger kann angenommen werden, dass die Beteiligten
die Contex-Textilhandels-A.-G. in Wirklichkeit aufgegeben hätten.
Die Einstellung des Geschäftsbetriebes war vorübergehend. Sie hat sich über
die Jahre 1925-1927 erstreckt. Während dieser Zeit war jedoch im Gegensatz zum
Fall des Comptoir International de Réassurances S. A. (BGE 55 I S. 136) ausser
dem angeblichen Darlehen an die Aktionäre durch Rückzahlung des Kapitals noch
ein Vermögen vorhanden. Durch die Bilanzen dieser Zeit werden nicht ganz
unerhebliche und wechselnde Guthaben der Gesellschaft ausgewiesen. Es besteht
kein Grund, die Wahrheit dieser Bilanzen nach dieser Richtung anzuzweifeln.
Die Gesellschaft war also nicht vollständig liquidiert. Im Gegensatz zum
zitierten Fall des Comptoir International de Réassurances S. A. und zum Fall
Leonar A.-G. haben ihre Organe auch nie erklärt, sie sei liquidiert. Sie haben
nur von einem Ruhen der Geschäftstätigkeit gesprochen und damit angedeutet,
dass diese wieder aufleben würde. Jahr für Jahr gab es noch Bewegungen in der
Gewinn- und Verlustrechnung; 1925 und 1926 erscheinen darin kleine
Jahresgewinne, 1927 ein geringer Verlust infolge Unkosten, die trotz des
Ruhens des Betriebes

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unvermeidlich waren. Wenn die eigentliche, auf die Gesellschaftszwecke
gerichtete Tätigkeit auch eingestellt war, fehlte doch nicht jede
Vermögensverwaltung und wirtschaftliche Tätigkeit. Auch der Umstand, dass
während dieser Zeit noch Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen, sowie
Verwaltungs- und Revisorenberichte dazu ausgefertigt wurden, lässt eher auf
eine vorübergehende Betriebseinstellung schliessen. Selbst die eidg.
Steuerverwaltung scheint eine Wiederaufnahme des Betriebes und damit eine
Nichtauflösung ins Auge gefasst zu haben, als sie sich 1929 bei der
Beschwerdegegnerin darnach erkundigte. Die Tatsache, dass also auch während
der Ruhe des Betriebes ein Vermögen vorhanden war und dass dieses mit seinen
Veränderungen stets verbucht wurde, lässt, wiederum im Gegensatz zu dem
mehrfach zitierten Fall des Comptoir de Réassurances, die Annahme nicht zu,
die Beschwerdegegnerin habe nur noch auf dem Papier existiert.
Es kann auch nicht angenommen werden, die Beteiligten selbst hätten die
Gesellschaft in Wirklichkeit aufgegeben und nur noch zu einer spätern
Verwertung des sogenannten Aktienmantels im Handelsregister stehen lassen. Die
Darstellung der eidg. Steuerverwaltung, die übrigens von der
Beschwerdeführerin nicht aufgenommen wurde, dass vor oder bei der Stillegung
des Betriebes der Beschwerdegegnerin eine Änderung in der Besetzung der Organe
eingetreten sei, ist nicht erwiesen. Bei der Wiederaufnahme des Betriebes im
Jahre 1928 ist die Besetzung nicht geändert worden. Wenn jedoch die
Wiederaufnahme des Betriebes in Wirklichkeit nur die Verwertung des
Aktienmantels einer aufgelösten Gesellschaft durch eine wirtschaftlich neue
Gesellschaft gewesen wäre, wäre dieser Vorgang wohl auch in einem
Personenwechsel zum Ausdruck gekommen. Entscheidend ist, dass nach
Wiederaufnahme des Betriebes der gleiche Gesellschaftszweck verfolgt wurde,
der schon ursprünglich in den Statuten vorgesehen war, die Beteiligung an
andern Unternehmungen

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der Textilindustrie. Es ist zwar zuzugeben, dass dieser Gesellschaftszweck in
den Satzungen der Aktiengesellschaft erst an zweiter Stelle genannt ist und
dass die Beschwerdegegnerin die Verfolgung des vorangestellten und in ihrer
Firmenbezeichnung ausgedrückten Gesellschaftszweckes des Textilhandels bei der
Stillegung des Betriebes endgültig aufgegeben hatte. Es genügt jedoch, dass
der Betrieb im Rahmen der ursprünglich vorgesehenen Zwecke wieder aufgenommen
wurde. Bei der Untersuchung der Löschungspflicht zwischen den einzelnen
vorgesehenen Gesellschaftszwecken nach dem Interesse der Gesellschafter zu
unterscheiden und den Wegfall der einen Zwecke als wesentlich, den der andern
als unwesentlich zu bezeichnen, würde zu weit führen und einen unhaltbaren
Eingriff in die Privatautonomie bedeuten.
Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Antwort daran festgehalten, dass das
Aktienkapital den Aktionären nur vorübergehend und als Darlehen ausbezahlt,
dass es jedoch von den Aktionären nach Wiederbeginn der Geschäftstätigkeit
wieder eingeschossen worden sei. Die Auszahlung sei nur erfolgt, damit die
Aktionäre in Deutschland die Gelder bei der dortigen Kapitalarmut inzwischen
verwerten konnten. Die Wiedereinzahlung ist allerdings nicht erwiesen. Sie
erscheint sogar als zweifelhaft, weil in der Bilanz von 1928 der Posten
«Darlehen» zwar wieder verschwunden ist, anderseits aber der Posten
«Debitoren» um ziemlich genau 200000 Fr. gestiegen ist. Anderseits waren
freilich für die Anschaffung der Beteiligungen neue Kapitalien nötig, welche
möglicherweise durch Wiedereinzahlung des Kapitals beschafft wurden. Wie
jedoch die beschwerdeführende Partei selbst ausführt, ist die spätere
Wiedereinzahlung des ausbezahlten Kapitalbetrages nicht entscheidend für die
Frage, ob die Gesellschaft durch die Stillegung des Geschäftsbetriebes
aufgelöst werden sei.
Die Aufforderung zur Anmeldung der Löschung ist an die
Contex-Textilhandels-A.-G. ergangen, nachdem sie

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ihren Betrieb wieder aufgenommen hatte. Die Registerbehörden konnten sich also
jedenfalls in diesem Augenblick nicht mehr darauf berufen, dass eine in
Wirklichkeit stillgelegte und aufgelöste Gesellschaft noch im Register
eingetragen sei und dass das Handelsregister nicht dazu da sei, die frühern
Rechtsverhältnisse solcher in Wirklichkeit aufgelöster Gesellschaften
auszuweisen und ein falsches Bild über einen Teil des Wirtschaftslebens zu
geben. Die streitige Aufforderung, trotzdem die Gesellschaft zu löschen und
eine neue zu gründen, erscheint angesichts aller erwähnten Umstände nicht als
durch die Bedürfnisse des Handelsregisters gerechtfertigt. Es kann übrigens
Fälle geben, in denen Gesellschaften zur vorübergehenden Betriebseinstellung
durch wirtschaftliche Verhältnisse gezwungen werden, und in denen noch
deutlicher als hier durch Beibehaltung der Organe, nicht vollständige
Liquidation und verhältnismässig kurze Stillegung zum Ausdruck kommt, dass
keine Auflösung gewollt und durchgeführt ist. In diesen Fällen eine Verwertung
des sogenannten Aktienanteils zu erblicken und Löschung und Neugründung zu
verlangen, wäre nicht statthaft.
5.- Die Beschwerdegegnerin hätte ohne Zweifel auch den von den eidg. Steuer-
und Handelsregisterbehörden geforderten Weg einschlagen und die Gesellschaft
bei der Stillegung löschen, das Vermögen vollständig liquidieren und für die
Wiederaufnahme des Betriebes nach kürzerer oder längerer Zeit eine Neugründung
vorsehen können. Sie hat den andern Weg gewählt, um staatliche Abgaben zu
vermeiden. Allein es ist nicht widerrechtlich und verstösst nicht gegen die
guten Sitten, wenn eine Partei, um bestimmte wirtschaftliche Ziele zu
erreichen, einen andern, an sich erlaubten Weg wählt, als den, der zur
Erhebung einer Steuer führt. Diesen Grundsatz hat das Bundesgericht in anderm
Zusammenhang wiederholt aufgestellt (vgl. BGE 45 II S. 36; 49 II 470; 50 II
145
). Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über das Handelsregister
dürfen auch nicht dadurch beeinflusst werden, dass ein

Seite: 355
fiskalisches Bedürfnis auf vollständige Erfassung derjenigen Steuertatbestände
besteht, die an die Vorgänge im Handelsregister anknüpfen.
6.- Kosten und Parteientschädigung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 346
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 11. Dezember 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 346
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Löschungspflicht einer A.-G. im Handelsregister?Eine A.-G. ist nicht als tatsächlich aufgelöst zu...


Gesetzesregister
OR: 864
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 864 - 1 Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
1    Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
2    Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen.
3    Die Genossenschaft bleibt indessen auch ohne statutarische Bestimmung hierüber berechtigt, die Rückzahlung bis auf drei Jahre hinauszuschieben, sofern ihr durch diese Zahlung ein erheblicher Schaden erwachsen oder ihr Fortbestand gefährdet würde. Ein allfälliger Anspruch der Genossenschaft auf Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
4    Die Ansprüche des Ausscheidenden oder seiner Erben verjähren in drei Jahren vom Zeitpunkt an gerechnet, auf den die Auszahlung verlangt werden kann.
BGE Register
45-II-33 • 49-II-470 • 50-II-142 • 55-I-134 • 55-I-192 • 55-I-346
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
darlehen • bundesgericht • aktienkapital • bundesrat • auflösung der gesellschaft • unternehmung • frage • aktiengesellschaft • handelsregisterverordnung • unkosten • entscheid • aktienmantel • kantonsgericht • bankguthaben • weiler • stelle • bilanz • verordnung • ejpd • gesuch an eine behörde
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