S. 192 / Nr. 31 Registersachen (d)

BGE 55 I 192

31. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Oktober 1929 i. S. Leonar A.-G. gegen
Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich.


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Regeste:
Verpflichtung zur Eintragung der tatsächlich eingetretenen Auflösung einer
A.-G. ins Handelsregister.

A. - Die Leonar-Aktiengesellschaft in Zürich ist am 12. Januar 1923 gegründet
und am 30. Januar im Handelsregister Zürich eingetragen worden. Sie bezweckt
den Vertrieb der sämtlichen Fabrikate der Leonar-Werke Arndt und Löwengard in
Wandsbek (Preussen) (Photo-Objektive, Photo-Chemikalien und Photo-Papiere mit
dem Warenzeichen «Leonar») und den Betrieb von Handelsgeschäften aller Art.
Das Aktienkapital beträgt Fr. 60000 in Partialen von je Fr. 1000. Es wurde
voll einbezahlt (SHAB. 1923, Nr. 36 vom 13. Februar 1923, S. 309).
Da sich die Verkaufsorganisation nicht in der gewünschten Weise auswirkte,
wurde der Geschäftsbetrieb stillgelegt. Die geschäftliche Tätigkeit der
Gesellschaft soll sich auf Fusionsbestrebungen mit einer Verkaufsorganisation
der Firma Hauff GmbH. beschränkt haben. Das Aktienkapital wurde nach Angabe
der Rekurrenten den Lenoar-Werken Arndt & Löwengard in Wandsbek «zur Verfügung
gestellt», um dasselbe in der Zwischenzeit «nicht brach liegen zu lassen». Die
Bilanzen der Gesellschaft für die Jahre 1925, 1926, 1927 und 1928 weisen als
einziges Aktivum einen Posten «Schuldkonto der Aktionäre» von 60000 Fr. und
als einziges Passivum das Aktienkapital im nämlichen Betrage aus.
B. - Im Jahre 1926 hat das eidgenössische Amt für das Handelsregister
versucht, die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister zu veranlassen. Der
Aufforderung zur Einreichung einer öffentlichen Urkunde über den Auflösungs-
und Liquidationsbeschluss ihrer Generalversammlung

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ist die Gesellschaft nicht nachgekommen. Die Angelegenheit wurde daraufhin
nicht weiter verfolgt, da nach der damaligen Praxis nach Auffassung der
Handelsregisterbehörden die Voraussetzungen für eine Löschung der Firma von
Amtes wegen nicht erfüllt schienen. Es wurde eine neue Untersuchung der
Angelegenheit für den Fall in Aussicht genommen, dass in einem späteren
Zeitpunkt eine andere Eintragung als diejenige der Auflösung oder Löschung
angemeldet würde.
C. - Am 14. März 1929 beschloss die Generalversammlung der Aktionnäre der
Leonar-Aktiengesellschaft eine Änderung der bisherigen Firmabezeichnung in
«Hauff-Leonar Verkaufs-A.-G.» und liess den Beschluss zur Eintragung im
Handelsregister anmelden. Das eidgenössische Amt für das Handelsregister, dem
die Akten zur Prüfung überwiesen wurden, widersetzte sich der beantragten
Eintragung mit der Begründung, die Leonar-Aktiengesellschaft sei schon im
Jahre 1925 liquidiert worden und könne nicht unter Umgehung der Vorschriften
über die Gründung von Aktiengesellschaften neu ins Leben gerufen werden.
Vielmehr sei ihre Auflösung und Löschung im Handelsregister einzutragen.
Die Gesellschaft wurde auf Veranlassung der eidgenössischen Registerbehörde
erneut zur Anmeldung ihrer Auflösung aufgefordert. Auf ihre Weigerung hin
verpflichtete die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich durch Verfügung
vom 16. Mai 1929 Herrn Dr. Adolf Kiefer in Zürich, als einziges
Verwaltungsratsmitglied, zur Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft und zur
Veranlassung der Löschung im Handelsregister innert Monatsfrist unter
Androhung einer Ordnungsbusse nach Art. 864
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 864 - 1 Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
1    Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
2    Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen.
3    Die Genossenschaft bleibt indessen auch ohne statutarische Bestimmung hierüber berechtigt, die Rückzahlung bis auf drei Jahre hinauszuschieben, sofern ihr durch diese Zahlung ein erheblicher Schaden erwachsen oder ihr Fortbestand gefährdet würde. Ein allfälliger Anspruch der Genossenschaft auf Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
4    Die Ansprüche des Ausscheidenden oder seiner Erben verjähren in drei Jahren vom Zeitpunkt an gerechnet, auf den die Auszahlung verlangt werden kann.
, Abs. 1 OR. Sie bestätigte die
Verfügung am 18. Juni 1929. Gleichzeitig erstreckte sie die Anmeldungsfrist
auf den 18. Juli und verwies die Gesellschaft auf die verwaltungsgerichtliche
Beschwerde an das Bundesgericht. Am 24. Juli 1929 wurde die Frist zur
Anmeldung der Auflösung endgültig auf den 15. August 1929 festgesetzt.

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D. - Mit Eingabe vom 15. August 1929 beschwert sich die
Leonar-Aktiengesellschaft gegen die erwähnte Verfügung vom 16. Mai 1929. Sie
beantragt Aufhebung derselben und Feststellung, dass die
Leonar-Aktiengesellschaft mit allen ihren Rechten und Pflichten als im
Handelsregister eingetragene Gesellschaft bestehen bleibe. Sie macht geltend,
die Leonar-Aktiengesellschaft sei nicht aufgelöst worden und in Liquidation
getreten, sondern habe sich nach Einstellung der ursprünglich beabsichtigten
Geschäftstätigkeit mit schwierigen und langwierigen Fusionsverhandlungen mit
der Firma Hauff GmbH. abgegeben. In der Leonar-Aktiengesellschaft seien heute
noch, auch nach der zur Eintragung angemeldeten Änderung, das frühere Kapital
tätig und die nämlichen Personen wie bisher. Letztere seien lediglich um
einige Herren der früheren Hauff GmbH. vermehrt worden, was indessen
unerheblich sei. Von einem unzulässigen Verkauf des Aktienmantels der von der
eidgenössischen Registerbehörde vermutet werde, könne nicht die Rede sein. Die
Leonar-Aktiengesellschaft habe die Rechtspersönlichkeit s. Z. durch Gründung
und Eintragung im Handelsregister erworben. Diese könne ihr nicht willkürlich
entzogen werden.
Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich verzichtet auf die Stellung
eines Antrages, da sie nach Weisung der eidgenössischen Registerbehörde nicht
nach freier Entschliessung gehandelt habe.
Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt Abweisung der
Beschwerde. Die Frage, ob die Beschwerde rechtzeitig eingereicht worden ist,
wird offen gelassen. Die massgebende Verfügung sei am 16. Mai getroffen und am
18. Juni 1929 bestätigt worden. Diese zweite Verfügung enthalte die
erforderliche Rechtsmittelbelehrung. Die Beschwerde sei aber nur rechtzeitig
im Hinblick auf eine dritte Verfügung, die am 24. Juli erlassen worden ist und
sich nicht ausdrücklich mit der Rechtsfrage befasst.

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Materiell liege der Fall analog dem der Comptoir International de Réassurances
S. A., der vom Bundesgericht am 2. Juli 1929 beurteilt worden ist. Laut
eigener Angabe habe die Rekurrentin seit 1924 keine wirtschaftliche Tätigkeit
mehr entfaltet. Sie sei seit Jahren tatsächlich aufgelöst und liquidiert.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Es mag unerörtert bleiben, gegen welche der drei Verfügungen, die die
Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich in der vorliegenden Streitsache
erlassen hat, die Beschwerde gerichtet ist. Wie das eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement mit Recht feststellt, besteht vor allem eine gewisse
Unklarheit über den Inhalt und die Tragweite der dritten in Frage stehenden
Verfügung vom 24. Juli 1929. Im Ergebnis ist indessen ohne wesentliche
Bedeutung, ob die Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde, da sie sich ohnehin
als sachlich unbegründet erweist.
2.- Nach der bisherigen Praxis des Bundesrates, an der festzuhalten ist,
besteht die Verpflichtung zur Eintragung einer tatsächlich eingetretenen
Auflösung einer Aktiengesellschaft, auch wenn ein förmlicher
Auflösungsbeschluss der Generalversammlung im Sinne von Art. 664
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 864 - 1 Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
1    Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
2    Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen.
3    Die Genossenschaft bleibt indessen auch ohne statutarische Bestimmung hierüber berechtigt, die Rückzahlung bis auf drei Jahre hinauszuschieben, sofern ihr durch diese Zahlung ein erheblicher Schaden erwachsen oder ihr Fortbestand gefährdet würde. Ein allfälliger Anspruch der Genossenschaft auf Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
4    Die Ansprüche des Ausscheidenden oder seiner Erben verjähren in drei Jahren vom Zeitpunkt an gerechnet, auf den die Auszahlung verlangt werden kann.
, Ziff. 2 OR
nicht vorliegt, die Gesellschaft aber während längerer Zeit keine
wirtschaftliche Betätigung mehr entfaltet hat und von den Beteiligten in
Wirklichkeit aufgegeben ist (BGE 55 I S. 134 f.). Dies trifft hier zu.
Nach den amtlichen Berichten der eidgenössischen Steuerverwaltung und des
eidgenössischen Amtes für das Handelsregister, wie auch nach eigenem
Zugeständnis, hat die Beschwerdeführerin seit dem Jahre 1925 keinerlei
Tätigkeit im Sinne ihres Gründungszweckes (Verkaufsbetätigung) mehr ausgeübt.
Sie macht keine Geschäfte mehr und führt dementsprechend in ihren Bilanzen für
die Jahre 1926, 1926, 1927 und 1928 unverändert einerseits

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das Aktienkapital von 60000 Fr. und anderseits als Gegenposten ein
«Schuldkonto der Aktionäre» im nämlichen Betrage auf.
Aus dieser Art der Bilanzierung darf geschlossen werden, dass das
Aktienkapital an die Aktionäre zurückbezahlt worden ist. Die Rekurrentin
behauptet allerdings es sei nicht an die Aktionäre, sondern an die
Betriebsgesellschaft Leonar-Werke überwiesen worden. Diese Behauptung ist aber
unbelegt und steht im Widerspruch zu der Art der Bilanzierung und zu der
Rechnungsführung der Gesellschaft, aus der hervorgeht, dass die Gesellschaft
seit Jahren die Verwendung des Aktienkapitals für ihre eigenen Zwecke
aufgegeben hat. Die Gesellschaft hat denn auch der eidgenössischen
Steuerverwaltung gegenüber erklärt, die innere Liquidation des bisherigen
Geschäfts sei durchgeführt.
Fusionsverhandlungen mit andern Geschäftsbetrieben als solche können
jedenfalls bei den konkreten Verhältnissen nicht als eine Geschäftstätigkeit
gelten, die geeignet wäre, die tatsächliche Auflösung einer Gesellschaft, die
ihre geschäftliche Betätigung im übrigen aufgegeben hat, zu verhindern. Es
braucht deshalb nicht untersucht zu werden, ob die Behauptung der Rekurrentin,
die Fusionsverhandlungen mit der Hauff GmbH. seien seit Aufgabe des
Verkaufsgeschäftes ohne Unterbrechung geführt worden, den Tatsachen
entspricht.
Massgebend für die Annahme, dass die Auflösung der Leonar-Aktiengesellschaft
wirklich eingetreten ist, ist die während eines gewissen Zeitraumes zu Tage
getretene und bekundete Einstellung in der Betriebsbetätigung; unerheblich
ist, aus welchen Gründen dieser Zustand eintrat, andauerte und in den Bilanzen
zum Ausdruck kam. Dass der Verwaltungsrat beibehalten wurde, ist deshalb ohne
Bedeutung, weil sich dieser Verwaltungsrat inzwischen nicht im Rahmen der
statutarischen Zweckbestimmung zu betätigen hatte.
Bei dieser Sachlage ist die Leonar-Aktiengesellschaft

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tatsächlich als aufgelöst anzusehen. Sie könnte nur im Wege einer Neugründung
wieder errichtet werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 192
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 01. Oktober 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 192
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Verpflichtung zur Eintragung der tatsächlich eingetretenen Auflösung einer A.-G. ins...


Gesetzesregister
OR: 664  864
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 864 - 1 Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
1    Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen.
2    Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen.
3    Die Genossenschaft bleibt indessen auch ohne statutarische Bestimmung hierüber berechtigt, die Rückzahlung bis auf drei Jahre hinauszuschieben, sofern ihr durch diese Zahlung ein erheblicher Schaden erwachsen oder ihr Fortbestand gefährdet würde. Ein allfälliger Anspruch der Genossenschaft auf Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
4    Die Ansprüche des Ausscheidenden oder seiner Erben verjähren in drei Jahren vom Zeitpunkt an gerechnet, auf den die Auszahlung verlangt werden kann.
BGE Register
55-I-134 • 55-I-192
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aktiengesellschaft • aktienkapital • bundesgericht • unternehmung • eidgenössisches amt für das handelsregister • frage • verwaltungsrat • entscheid • angabe • weisung • kauf • akte • auflösung der gesellschaft • dauer • begründung des entscheids • gesuch an eine behörde • eintragung • liquidation • aufhebung • weiler
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