S. 473 / Nr. 89 Prozessrecht (d)

BGE 54 II 473

89. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Dezember 1928 i.S. M. gegen E.

Regeste:
Indizienbeweis: Der Entscheid des kantonalen Richters darüber, ob Indizien von
hinreichendem Gewichte für die zu erweisenden, entscheidenden Tatsachen
vorhanden seien, entzieht sich der Nachprüfung des Bundesgerichts, und zwar
auch insoweit, als die Tatsachenfeststellung auf allgemein logischen
Schlussfolgerungen beruht.


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A. - Im Herbst 1926 erteilte die Genossenschaft «Alte Post» in Zürich durch
ihren Bevollmächtigten, E. Schneebeli, dem Agenten Rosenthal in Zürich den
Auftrag, die ihr gehörende Liegenschaft Bahnhofstrasse 26, in Zürich, zu
verkaufen. Die Provision wurde auf 2% des Verkaufspreises bestimmt. Im Oktober
1926 gab Rosenthal diesen Auftrag an den Beklagten E. weiter, laut
schriftlicher Bestätigung vom 10. November 1926 mit dem Versprechen, ihm die
Hälfte der Provision zu überlassen, wenn ein Vertrag mit einem von ihm
zugeführten Käufer zustandekomme.
Anfangs November 1926 (das genaue Datum steht nicht fest) fragte der Beklagte
den Kläger M., den er damals regelmässig beim Mittagskaffee im St. Annahof in
Zürich traf, ob er einen Käufer für ein Haus an der Bahnhofstrasse kenne. Über
den weitern Verlauf der Unterredung gehen die Darstellungen der Parteien
auseinander. Am 11. November 1926 schrieb der Beklagte an Rosenthal: «...
beehre mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich die Liegenschaft Bahnhofstrasse 26,
in Zürich 1, durch Herrn M.... der Schweizerischen Kreditanstalt offeriert
habe. Ich bitte Sie, davon Vormerk zu nehmen. Die Verhandlungen werden
voraussichtlich durch die Schweizerische Bodenkreditanstalt geführt. Indessen
bitte ich Sie auf Wunsch des Herrn M., weder mit der Kreditanstalt, noch mit
der Bodenkreditanstalt einstweilen direkt in Verhandlungen einzutreten.»
Rosenthal gab Schneebeli von diesem Schreiben gleichen Tages Kenntnis.
Im Dezember 1926 kam dann mit der Schweiz. Kreditanstalt ein Vertrag zustande,
wonach diese die Anteile der Genossenschaft «Alte Post» zum Preise von Fr.
2000,000 kaufte. Die Anteilscheine wurden ihr am 1. April 1927 übergeben.
Mittlerweile waren zwischen den Parteien Differenzen wegen der Provision
entstanden. Am 31. März 1927 schrieb Schneebeli dem Kläger u.a.: «Wenige Tage

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später, nachdem ich mit Ihnen Fühlung genommen hatte, wies ich gleich bei
Beginn der Verhandlungen darauf hin, dass Sie sich mit Herrn E. bezüglich
Provisionsanteil zu verständigen hätten. Aus Ihren damaligen Äusserungen
konnte ich entnehmen, dass Ihnen mindestens die Hälfte der an E.
zugesprochenen Provision zukommen würde... Ich ersuche Sie deshalb, sich mit
Herrn E. zu verständigen, damit der Ihnen zukommende Provisionsanteil
definitiv formuliert werde, worauf jeder der Herren seine Zuweisung separat
empfangen sollte.» Diesen Brief liess der Kläger am 8. April dem Beklagten
zustellen, der daraufhin gleichen Tages an Schneebeli schrieb:
«Die Behauptungen des Herrn M. sind unrichtig und widersprechen dem, was
zwischen uns vorliegt. Ich will im Interesse des Herrn M. nicht weiter darauf
eingehen. Dagegen musste ich dagegen protestieren, wenn Sie, in Unkenntnis der
Sachlage und auf die einseitige Darstellung des Herrn M., den Kuchen verteilen
würden. Sie haben m.W. eine Abmachung mit Herrn Rosenthal und ich meinerseits
eine solche mit dem letztern. Die Bereinigung der Beziehungen mit Herrn M. ist
lediglich meine Sache...»
Eine Kopie dieses Briefes stellte der Beklagte am 8. April 1927 dem Kläger zu,
wobei er im Begleitschreiben u.a. ausführte: «Sie erklärten mir s. Zt., dass
Sie die Provision, welche Ihnen von der Käuferschaft direkt zugesichert war,
mit einem Interessenten teilen müssten, verweigerten mir aber die nähere
Auskunft und verschanzten sich hinter Ihr Ehrenwort. Auf mein neuerliches
Befragen um offene Aussprache, wozu ich berechtigt war, nachdem Sie mir die
widersprechendsten und in ihrem Zusammenhang einfach unmöglichen Angaben
gemacht hatten, erklärten Sie dann endgültig vor einem Zeugen: Sie verzichten
auf alles, mehr könne man doch nicht tun.»
In seiner Antwort vom 23. April 1927 beharrte der

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Kläger auf der Zuweisung der Hälfte der Provision von Fr. 20000, die der
Beklagte von Rosenthal erhalte.
B. - Mit der vorliegenden Klage belangt M. den Beklagten E. auf Bezahlung
dieses Provisionsanteils von Fr. 10000 nebst 5% Zins seit 30. April 1927. Zur
Begründung machte er im wesentlichen geltend: Der Beklagte habe ihn bei der
ersten Unterredung im November 1926 gefragt, ob er nicht einen Käufer für ein
Haus an der Bahnhofstrasse finden könnte, und ihm das Objekt bezeichnet, unter
Kenntnisgabe des von Rosenthal erhaltenen Auftrages. Der Kläger habe die
Hälfte der Provision beansprucht, womit E. einverstanden gewesen sei. Am
folgenden Tage habe sich der Kläger zu Direktor Schulthess von der
Bodenkreditanstalt begeben, der ihn an die Schweizerische Kreditanstalt als
allfälligen Interessenten verwiesen habe, mit welcher dann nach schwierigen
und zähen Unterhandlungen ein Kaufsabschluss zustandegekommen sei. Direktor
Jöhr von der Kreditanstalt gegenüber sei er als Mandatar des Verkäufers
aufgetreten; ebenso habe er Dr. Schulthess und Schneebeli erklärt, er erhalte
eine Provision vom Beklagten. Dieser habe auch, als er ihm den
Vertragsabschluss meldete und beifügte, er rechne auf die Hälfte der
Provision, in zustimmendem Sinne geantwortet.
Laut seiner Zugabe in der persönlichen Befragung hat der Kläger von Schneebeli
eine Vergütung von Fr. 15000 erhalten, wovon er Fr. 7000 für sich behalten und
den Rest an Dritte weitergegeben haben will. Ausserdem hat ihm die Schweiz.
Kreditanstalt Fr. 5000 zukommen lassen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, indem er bestritt, dem Kläger
einen Verkaufsauftrag erteilt zu haben. M. habe sich im Oktober 1926 im St.
Annahof einmal geäussert, er suche für einen erstklassigen Käufer ein Haus an
der Bahnhofstrasse, woraufhin ein gemeinsamer Bekannter, Giroud, erklärt habe,
sein Associé habe ein solches zu verkaufen. Es sei dann

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aber nicht weiter verhandelt worden, weil weder Giroud das Objekt, noch der
Kläger den Käufer bezeichnen wollte. Nach Erhalt des Auftrages von Rosenthal
habe der Beklagte den Kläger am 11. November 1926 im St. Annahof gefragt, ob
er immer noch ein Haus an der Bahnhofstrasse suche. Auf dessen bejahende
Antwort und die Bemerkung hin, dass er von der Käuferschaft 2% Provision
bekomme, habe ihm der Beklagte die Liegenschaft und seinen Mandanten,
Rosenthal, genannt, woraufhin der Kläger die Schweiz. Kreditanstalt als seine
Auftraggeberin bezeichnet und darum gebeten habe, dass weder Rosenthal, noch
E. mit der Bank in Verkehr treten sollten. Dieser Instruktion gemäss sei in
der Folge jede Einmischung in die Kaufsverhandlungen unterblieben. Kurze Zeit
vor Abschluss des Geschäftes habe dann der Kläger in Gegenwart des Sohnes des
Beklagten erklärt, er erhalte von der Käuferschaft nichts. Als sich E.
anerboten habe, für ihn zu intervenieren, habe er sich geäussert, er verzichte
auf alles, mehr könne er ja nicht tun. Aus dem Schreiben Schneebeli's vom 31.
März 1927 gehe hervor, dass bis zu diesem Zeitpunkte ein Provisionsanspruch
des Klägers gegenüber dem Beklagten nicht bestanden habe. Der Umstand, dass M.
keinen schriftlichen Provisionsschein vorlegen könne, spreche gegen seine
Darstellung.
C. - Das Bezirksgericht Horgen schützte die Klage vollumfänglich, das
Obergericht des Kantons Zürich dagegen wies sie mit Urteil vom 31. August 1928
ab.
D. - Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Begehren um Gutheissung der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Klage gründet sich auf die Behauptung, dass der Beklagte den Kläger
mündlich mit dem Verkaufe der Liegenschaft Bahnhofstrasse Nr. 26, in Zürich,
beauftragt habe, unter Zusicherung der Hälfte der von

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Rosenthal versprochenen Provision. Auf den Standpunkt, dass der Beklagte etwa
schon mit Rücksicht auf eine stillschweigende Annahme der Vermittlung
provisionspflichtig sei, hat sich der Kläger nicht gestellt, sondern auch
heute wieder geltend gemacht, dass er lediglich auf Veranlassung des Beklagten
seine Vermittlertätigkeit ausgeübt habe.
Gemäss konstanter Rechtsprechung ist die Frage nach dem Zustandekommen eines
Vertragsschlusses Rechtsfrage insofern, als es dem Bundesgericht zusteht, den
beiderseitigen Parteiwillen zu ermitteln, d.h. nachzuprüfen, welche rechtliche
Bedeutung und Tragweite den von der Vorinstanz als feststehend erachteten
Tatsachen zukomme, ob dieselben die daraus gezogenen rechtlichen
Schlussfolgerungen zu rechtfertigen vermögen, da es sich hiebei um die
Anwendung von Rechtssätzen handelt. Dagegen ist Tatfrage und als solche der
Überprüfung des Bundesgerichts entzogen, welche Erklärungen die Parteien unter
sich und Dritten gegenüber abgegeben haben, welche sonstigen tatsächlichen
Momente, die als Ausdruck rechtsgeschäftlichen Wollens in Betracht kommen,
erwiesen seien, und wie sich überhaupt die Verhältnisse, insbesondere auch aus
Inzichten zu schliessen, gestaltet haben, da es Sache des kantonalen Richters
ist, die Partei- und Zeugenaussagen und die aus den Begleitumständen sich
ergebenden Indizien auf ihre Beweiskraft hin zu würdigen (vgl. WEISS,
Berufung, S. 174, 216 ff.; BGE 33 II 249, 33 II 274; 38 II 199; 40 II 154; 41
II 32
; 50 II 228).
Während nun hier die erste Instanz den dem Kläger obliegenden Beweis für die
Erteilung eines Auftrages durch den Beklagten als erbracht ansieht, bezeichnet
ihn das Obergericht auf Grund der nämlichen Beweismittel und Indizien als
misslungen. Zu dieser Annahme ist aber der Vorderrichter nicht auf dem Wege
der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen unter den Parteien,
des Rechtsschlusses aus Tatsachen,

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sondern der tatsächlichen Schlussfolgerung gelangt. Da nach der eigenen
Darstellung des Klägers nur eine mündliche Abrede in Frage kommt, die von den
Parteien unter vier Augen getroffen worden sein soll, war ein direkter,
unmittelbar auf die für das streitige Rechtsverhältnis entscheidenden
Tatsachen gerichteter Beweis naturgemäss ausgeschlossen, und der Kläger daher
auf die indirekte Beweisführung durch Indizien angewiesen, d.h. auf den
Nachweis von Tatsachen, die selber den Rechtsanspruch nicht zu begründen
vermögen, die aber nach ihrer regel- und erfahrungsmässigen Bedeutung einen
zuverlässigen Schluss auf die Wahrheit der zum Beweise verstellten,
rechtsbegründeten Tatsachen gestatten (vgl. HEUSLER, Grundlagen des
Beweisrechts, Arch. f. ziv. Pr. Bd. 62 S. 228). Auf diesem indirekten Wege,
durch Schlussfolgerung aus gegebenen oder durch Beweisaufnahme, speziell durch
Zeugenabhörung über Äusserungen des Klägers Dritten gegenüber, gewonnenen
Tatsachen auf andere indizierende Tatumstände, ist die Vorinstanz zur
Überzeugung von der Unwahrheit des Beweissatzes gelangt. Dabei beschränkte
sich ihre Tätigkeit ausschliesslich auf die Erforschung dessen, was die
Parteien, aus den indizierenden Tatsachen zu folgern, gesagt und getan haben
müssen, auf Grund welcher Indizienwürdigung dann der Rechtsschluss auf das
Nichtzustandekommen eines Mäklervertrages ohne weiteres gegeben war. So wie
der Fall liegt, hat man es daher einzig mit der vom kantonalen Prozessrecht
beherrschten Frage zu tun, ob Indizien von hinreichendem Gewichte für die zu
erweisenden, entscheidenden Tatsachen vorhanden seien. Die Auffassung des
Vorderrichters hierüber aber entzieht sich der Nachprüfung des Bundesgerichts
auch insoweit, als die Tatsachenfeststellung nicht auf besonderer prozessualer
Beweisführung, sondern auf allgemein logischen Schlussfolgerungen beruht (VB.
WEISS, a.a.O. S. 253). Bundesrechtlich ist die vorinstanzliche
Indizienwürdigung nur im

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beschränkten Rahmen des Art. 81 OG anfechtbar. Indessen liegt nichts dafür
vor, dass sie an einer Aktenwidrigkeit leide, indem keine andere, von der
Vorinstanz nicht berücksichtigte Tatsache feststeht, aus der sich die
Erteilung eines Auftrages durch den Beklagten an den Kläger mit Notwendigkeit
ergäbe; ebensowenig verstösst sie gegen bundesrechtliche Grundsätze über die
Beweislastverteilung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 31. August 1928 bestätigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 54 II 473
Date : 01. Januar 1927
Published : 24. Dezember 1928
Source : Bundesgericht
Status : 54 II 473
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Indizienbeweis: Der Entscheid des kantonalen Richters darüber, ob Indizien von hinreichendem...


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OG: 81
BGE-register
33-II-247 • 33-II-270 • 38-II-194 • 40-II-152 • 41-II-21 • 50-II-225 • 54-II-473
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