194 A. Oberste Ziviîgerichhiustanz. l. Materiellrechfliche Entscheidungen.

aurait été requise que de celle de Canard qui en avait opel-é le
retrait. Et dans tous les cas ce fait à. lui seul n'était pas suffisant à
contrebalancer l'effet des renseignements favore.bles que la défenderesse
dit avoir possédés sur Canard; elle doit donc etre admise à prouver
qu'elle possédait de tele renseignements.

En résumé, c'est à tori; que I'instance cantonale a écartéles offres
de preuve formulées par la défendéresse. Il y a. lieu par conséquent,
en application de l'art. 82 OJF, d'annuler l'arrét. attaqué et de
renvoyer lo. cause à la Cour de Justice civile pour statuer à nouveau
après administration de ces preuves. Le nouvel arrét à rendresi devra
mentionner le résultat de l'administratioù des preuves (OJF art. 63 et3)
et, à la diflérence de l'arrèt aujourd'hui annulé, indiquer d'une faqon
complète l'état. de fait servant de base à la décision.

Par ces motifs,

le Tribunal fédéral

prononce :

Le recours est partieliement admis, l'arrét rendu par la Cour de
Justice civile le 18 novembre 1911 est annulé et la cause est renvoyée
à l'instance cantonale pour statuerà nouveau après administration des
preuves dans le sens des motifs.

32. Zian der II. Zivllabteilnug vom 26. Juni 1912 in Sachen Hieitmchet &
Yueff, Bekl. u. Ber.-Kl., gegen Etas & Qu., Kl. U. Ver-Bett

Internationales Privatrecht. Die Frage, ob em. Frachtführer an der
von ihm aus dem Auslande in die Schweiz transportierten Sache ein
Retantionsrecht habe, ist in Bezug auf den gaeezen Tatbestand nach
schweizerischem Recht-e zu beurteilen.

Spedition. Der Frachtführer, der vom Käufer einer Sache den
Auftrag erhalten hat, diese beim Verkäufer in Empfang zu nehmen
und3. Obligxtionenrecht. N° 32. 195

an seinen Wohnort zu transportierea, hat an der ihm vom Verkäufer zum
Transport fibergebenen Sache ein Raianticnsreoht, ohne Rücksicht darauf,
ob diese im Eigentum des Verkäufers geblieben oder in das Eigentum
des Käufers Mergegangen ist; Besitz des Käufers und guter Glaube des
Spediteurs an dessen Verfügungsrecht genügen.

Gutgläubiger Erwerb des Betentionsrechts an fremder Sache ist anzu-nehmen,
sobald der Gläubiger nicht weiss oder nicht wissen sollte, das: der
Schuldner ihm die Sache nicht überlassen darf, indem er dadurch seine
Pflicht gegenüber dem Eigentümer verletzt.

Das konkursreohttiehe Verfolguagsreoht entfällt bei mittelbare":
Besitz des Käufers; das Retehtlonsrecht des Spedito-um geht dem Ver.
folgungrsrecht vor.

Das Bundesgericht hat auf Grund folgender Prozesslagex -

A. Mit Urteil vom 19. Januar 1912 hat das Zivilgerichi des Kantons
Basel-Stadt in vorliegender Streitsache erfannt:

Es wird festgestellt, dass der Beklagten an den ihr von der Klägerin zur
Spedition an die Firma Helfenberger & Cie. in Basel übergebenen und von
ihr zurückbehaltenen 57 Ballen Kassee im Fakturawerte von 7180 Fr. 80
Cis. ein Retentionsrecht nicht zusteht.

Klägerin wird ermächtigt, ben behufs Freigabe der Ware deponierten Betrag
von 6907 Fr. 5 Cfs. zu beziehen-

Das weitergehende Klage-begehren (prinzipielle Verurteilung der Beklagten
zu vollem Schadenersatz) wird zur Zeit abgewiesen

B. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat dieses Urteil am
15. März 1912 auf Appellation der Beklagten bestätigt

C. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen, mit den Anträgen, es sei das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage gänzlich abzuweisen.

D. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter der Beklagteu diese
Anträge erneuert und begründet Der Vertreter der Klägerin hat Abweisung
der Berufung und Bestätigung des appellationsgerichtlichen Urteils
beantragt; --

196 A. Oberste Zivilgerichtsiustanz !. Materielirechiiiche Entscheidungen.

in Erwi'rgung:

1. Die Klägerin verkaufte am 17. März 1911 durch Vermittlung ihres
Basler Agenten H. Himmeln der Finna HelerBerger & Cie. in Basel 57 Sack
Kassee. Die Käufer teilten dem Agenten beim Verkaufsabschluss mit,
dass der Transport der Ware durch die Beklagte zu besorgen sei, die
seit längerer Zeit als Spediteur mir Helfenberger & Cie. in Verkehr
stand. Himmeln unterzeichnete sofort das gedruckte Formular eines
Bezugsscheines (bon d'enlèvement), in dem die Klägerin ersucht wird,
die Ware an die Beklagte, deren Namen im Formularfett gedruckt i, oder
deren Ordre auszuliefern. Diesen Bezugschein sandte Himmer gleichen Tages
der Beklagien mit folgendem Begleitschreihenz Einliegend händigeich
Ihnen für Rechnung der HH. Helfenberger & Cie. dahier Bezugschein
für die Herren Graf & (Sie. in London über 57 Sack Kassee, für deren
Beförderung Sie das Nötige veranlassen wollen. Der Kaffee wird Jhnen
fob (free on board) London gut Verfügunggeftellt werden." Die Veklagte
sandte tagsdarauf (18. März 1911) an Helfeuberger & (Sie. eine Zum
grössten Teil vorgedruckte Posikarte des Inherits: Wir empfingen bestens
'oankend Bezugschein über... 57 S. Kassee durch die Fa. H. Sjimmelr) ab
London... die wir in Empfang nehmen und in vorgeschriebener Weise auf den
Weg bringen werden. Die Beklagte beauftragte gleichen Tages die Firma J. &
R. Grant in London, die Ware von der Klägerin für Rechnung von HelerBerger
& (Sie. in Empfang zu nehmen und an die Filiale der Beklagten in Brüssel
zu spedieixen Diese wurde von der Beilagten aoisiert, die Ware, die sie
für Rechnung von Helsenberger & Cic. erhalten werde, nach Basel weiter
zu spedieren. Der Klägerin übersandte die Beklagte ebenfalls am 18. März
den Bezugschein mit folgendem englischenBegieitschreibem Wir beehren uns,
Ihnen den Bezugschein (delivery order) für Rechnung von Helfenberger &
(Sie. einzusenden. Wir Bitten, die Ware nach den Jnsiruktionen der
HH. J. & R. Grant zu verfrachten und uns den Versrachlavis (shipping
advice) so rasch als möglich zuzusenden. Die Klagerin antwortete darauf
am 20. März, sie habe die Ware gleichen Tages an das Haus der Beilagien
in Brüssel verladen, die Beklagte möge sie an

3. Obligatäonenrccht. N° 32. 197

Helfenberger & Cie. ausliefern. Zugleich übergab die Klägerin der
Beklagten die Faktur und eine blanco girirte Tratte auf Helerberger &:
Cie. über den Kaufpreis. Die Ware reiste von London nach Brüssel mit einem
Konnossernent, das von der Firma J. & R. (Brant als Agentin des Rheders
unterzeichnet ist und in dem die Klägerin als Einladerin und die Brüsseler
Filiale der Beilagten als Empfänger-in bezeichnet find. Bevor die Ware
in Basel ankam, telegraphierte und schrieb die Klägerin am 28. März an
die Beklagte nach Brüssel und Basel, die Ware anzuhalten und nicht an
Helfenberger & Cie. die wegen ihrer finanziellen Schwierigkeiten mit
der Aufhebung des Kaufes einverstanden waren auszuliefern. Die Brüsseler
Filiale antwortete, die Ware sei schon weitergerollt, sie habe daher das
Basler Haus ersucht der Klagerin zu antworten. Das Basler Haus antwortete,
die Beklagie habe selbst Forderungen an Hekfenberger & Cte. zu stellen
und werde daher die Ware zur Geltendmachuug ihres Retentionsrechtes auf
ihren eigenen Namen einlagern. Die Klägerin protestierte dagegen, da der
Kaffee ihr Eigentum sei. Die Beklagte beharrte aber auf ihrem Standpunkt
Als am 6. April 1911 über Helfenberger & (Sie. der Konkurs ausbrach,
meldete die Beklagte die Ware als Konkursaktivum an, unter Vorbehalt
ihres Reimtionsrechtes. Die Konkursverwaltung beschloss jedoch, die
Ware nicht in die Masse einzubeziehen. Dagegen nahm sie die Forderung der
Beklagten für Fracht, Zoll und Spesen dieser Sendung in die 5. Klasse auf.

Hieran heiraten Graf & Cie. den Klageweg, indem sie Herausgabe der
Ware gegen Vergütung der Frachtund Zollspesen, sowie grundsätzliche
Verurteilung der Beklagten zu vollem Schadenersatz verlangten. Im Lauf
des Prozesses bezahlte die Klägerin die Spesen und deponierte an Stelle
der von der Beklagten freigegebenen Ware den Rest des Fakturawertes
mit 6907 Fr. ö W. Sie änderte ihre Klagebegehren entsprechend ab und
verlangt nunmehr statt der Herausgabe der Ware, es sei festzustellen,
dass der Beklagten daran ein Retentionsrecht nicht zustehe und es sei die
Kiägerin zu ermächtigen, das Depot von 6907 Fr. 5 Cis zu beziehen. Die
Klägerin bestreitet das von der Beklagien beanspruchte Retentionsrecht
deshalb, weil die Beklagte nicht Spediteur

198 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. [. Materiellrechfliche
Entscheidungen.

ihrer Schuldner Helfenberger & Cie., sondern der Klägerin gewesen
sei. Die Beklagte behauptet das Gegenteil. Die Klägerin macht ferner
geltend, dass dem Retentionsrecht die Verpflichtung der Beilagten zur
Auslieferung der Ware an einen Dritten entgegenstehe. Sodann könne
sich die Beklagte nicht auf war 227 berufen, weil ihr bei Übergabe des
Frachtgutes nicht mitgeteilt worden sei, dass es Eigentum von Helsenberger
& Cie. sei. Endlich sei die Beklagte schon durch andere retinierte Waren
der Firma I. Geilinger in London im Wert von 4197 Fr. 90 Cis. und durch
ein retiniertes Depositnm der Firma Schmidt & Cie. in Antwerpen im Betrag
von 5000 Fr. für ihresFordekrung von 8390 Fr85 Cis. an Helfenberger &
Cie. vollständig gedeckt. Auch diese Anbringen werden von der Beklagten
bestritten. Beide lantonalen Instan- zen haben die Klage mit Ausnahme
des Begehren-s um grundsätzliche Verurteilung der Beklagten zu vollem
Schadenersatz begründet erklärt.

2. Nach bekannten Grundsätzen des internationalen Privatrechts beurteilt
sich das streitige Retentionsrecht nach der lex rei sjtæ (vergl. BGE 36 II
Ss., Entw. Anw. u. Einf.-best. z. ZGB vorn 3. März 1905, Art. 1768). Dass
die Parteien sich von Anfang an übereinstimmend auf das schweizerische
Recht berufen haben, ist unbehelslich, da es sich um den Bestand eines
dinglichen Rechtes handelt. Über die Wirkungen eines Vertrages ist dabei
auch präjudiziell nicht zuentscheiden, sondern darüber, ob zwischen den
Parteien überhaupt ein Vertrag zustande gekommen sei-

Für die Frage, ob ein dingliches Recht zu einer bestimmten Zeit
eingetreten sei, ist im Allgemeinen dasjenige Sachstatnt massgebend, das
im Zeitpunkt gilt, wo das behauptete Recht entstanden ist, und es ist ein
nachheriger Statutenwechsel ohne Belang. Nun macht die Betlagte geltend,
dass ihr Recht an der Sache schon mit der Übernahme des Frachtgutes durch
ihren Unterfrachtsührer in England, spätestens aber in Brüssel entstanden
sei. Indessen ist von dem angegebenen Grundsatz für diejenigen Fälle eine
Ausnahme zu machen, wo es sich nicht um die Bestellung eines dinglichen
Rechtes durch einen zeitlich genau bestimmten Bestellungsakt handelt,
sondern wo das Recht an den 3. Obligationenrecht. N° 32. 199

dauernden Zustand des Besitzes der Sache durch den Berechtigten
geknüpft ist (vergl. Zitelmann, Internat. Privatrecht II, 341 f.).
Das trifst beim Retentionsrecht des schweizerischen Rechtes zu. Jm
Augenblick, wo das Frachtgut mit dem Eintritt auf Schweizergebiet dem
schweizerischen Rechte unterstellt war, trat von Gesetzes wegen, ohne
zeitlich konkretisierbaren Besiellungsalt, die Rechtssolge ein. Und zwar
unterliegt dann der ganze Tatbestand, einschliesslich der in England
oder Belgien erfolgten Empfangnahme der-Sache durch die Beklagte, der
Beurteilung nach schweiz. Recht (sog. Konzentration des Tatbestandes;
vet-gl. Zitelmann, op. cit. I, 142 s., II 331).

Ob das alte oder das neue schweiz. OR anzuwenden sei, kann sdahingestellt
bleiben, da sie in den itreitigen Fragen materiell nicht von einander
abweichen. _

3. Der Bestand des streitigen Retentionsrechtes hängt in erster
Linie davon ab, ob die Beklagte Besitzvertreterin von Helfender ger Jc
(Sie. war, gegenüber denen sie retiniert. War sie es nicht, so kann auch
ein Retentionsrecht an fremdem Eigentum im Sinne von aOR 227 nicht in
Frage kommen. Darnach kann ein Retentionsrecht an fremder Sache nur dann
entehen, wenn der Schuldner bei der Übergabe an den Gläubiger den Besitz
der Sache hatte. Aus dem Besitz kann der Gläubiger aus das Verfügungsrecht
des Schuldner-Z schliessen, wenn ihm nichts Gegenteiliges bekannt ist
oder bekannt sein sollte. Der Besitz von Helfenberger & Cie wäre aber
ausgeschlossen, wenn die Beklagte das Frachtgut als Besitzmittlerin der
Klägerin übernommen und besessen hatte. Nun besitzt der Frachtsührer im
Zweifel für denjenigen, der ihm den Auftrag gegeben, d. h. mit ihm den
Frachtvertrag abgeschlossen hat (vergl. bundesrätL Entw. z. ZGB Art. 961
Abs. 2). Es ist also zu untersuchen, wer in Wirklichkeit Mitkontrahent
der Beliagten im Speditionsvertrage ist. Diese Frage ist nicht eine
Tatfrage, wie die Klägerin behauptet, sondern eine Rechtsfrage, da es
sich um Vertragsinterpretation handelt· si

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist zu sagen, dass die
Beklagte den Nachweis rechtsgenüglich erbracht hat, dass Helsenberger &
Cie. Mitkontrahenien, Auftraggeber, Versender

200 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. !. Materiellrechuiche Entscheidungen.

waren, während die Klägerin bloss Drittabliefererin war, die das
Frachtgut lediglich dem vom Empfänger beauftragten Frachtsührer zur
Spedition an den Auftraggeber auszuliefern hatte und daher für das
Besitzverhältnis während des Transportes ausser Betracht fällt. Dass eine
solche Empsangsspedition vorliegt, ergibt sich aus dem der Beklagten am
17. März ausgestellten Bezugsschein, aus dem Begleitschreiben des Agenten
Himmer und aus der Empfangsbeftätigung der Beklagten. Der Bezugschein
(bon d'enlèvement) ist nicht ein Traditionspapier (vergl. BGE 13 S. 312
f.), sondern ein Legitimationspapier, eine Vollmacht des Auftraggebers an
den Frachtführer zur Wegnahme des Frachtgutes bei einem Dritten. Seine
Übergabe an den Spediteur war die blosse Ausführung eines diesem schon
vorher generell erteilten Auftrages zur Spedition sämtlicher (Sitter,
die ihm vom Auftraggeber auf den Bezugscheinformularen speziell zum
Bezuge bezeichnet würden. Diese Formulare übergibt der Spediteur
dem Auftraggeber zum voraus zur Ausfüllung im einzelnen Fall. So
war denn auch in casssu der Bezugschein von der Beklagten als ihr
vorgedrucktes Fortnular anHelfenberger & Cie. die, wie festgestellt,
ihre Kunden waren zum Ausfüllen übergeben worden und kann nur auf diesem
Wege durch Helfenberger & Cie. beim Kaufsabschlnss an den Agenten
Himmeln gelangt sein. Dass er von Himmer und nicht von Helsenberger
& Cie. selber unterzeichnet ist, rührt offenbar davon 'her, dass der
ablieferungspflichtigen Klägerin durch die ihr bekannte Unterschrift ihres
Agenten mehr Garantie für die Richtigkeit der Legitimation geboten werden
wollte. Und dass Himmer den Bezugschein der Beklagten direkt sandte und
nicht zuerst an Helfenberger & Cie., erklärt sich aus dein Bestreben,
Weiterungen zu vermeiden, und erfolgte aus Weisung von Helfenberger &
Cie. Ob Himmer damit die Interessen seines Hauses schlecht gewahrt hat,
ist nicht zu untersuchen; sein äussere-s Auftreten ist hier massgebend,
nicht sein internes Auftragsverhältnis zur Klägerin. Nun geht aus dem
Begleitschreiben Himmelys an die Beklagte unzweideutig hervor, dass der
Bezugschein der Beklagten für Rechnung von Helsenberg er & Cieund nicht
für Rechnung der Klägerin ausgehändigt wurde. Demgemäss bestätigte die
Beklagte den Empfang des Bezugscheines der

3. Obligationenrechi. N° 32. 20!

Firma Helfenberger & Cie. gegenüber und zwar durchaus im Sinn
einer Bestätigung und Verdankung des erteilten Frachtauftrages. Die
Argumentation der Vorinstanzen, damit habe nur verdankt werden wollen,
dass die Betlagte durch Helfenberger & Cie. der Klägerin empfohlen worden
sei, ist mit dem Wortlaut der Empfangsbestätigung der Beklagten nicht
vereinbar. lind es stimmt damit auch die Haltung der Beilagten bei der
Auslieferung des Bezugscheines an die Klägerin durchaus nicht uberetm Die
Beklagte empfiehlt sich nicht der Klägerin zur Ubernahine des Transportes,
sondern sie macht die ihr von Helfenberger & Cie. erteilte Legitimation
zum Bezug der Ware geltend.

Hätte die Klägerin den Speditionsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen,
so bedurfte es der Aushändigung eines Vezugschetnes an den Spediteur
überhaupt nicht und es hatte eine solche Poeration keinen Sinn. Der
Bezugschein soll den Spediteur gegenuber einem Dritten legitimieren. Der
Versender kontrahiert mit dem Spediteur meistens einfach durch Übergabe
der Ware. Wenn Helfenberger & Cie. wirklich nur die Beklagte als den
Spedtteur ihres Vertrauens der Klägerin zum Vertragsschlnkz empfehlen
wollten, wäre dieser Zweck zweifellos auf anderem, einfache-rein und
geeigneterem Wege verfolgt worden. Die Beilagte hat auch sofort und
bevor die Klage-ein durch Übergabe des Frachtgutes in Aktion trat, durch
Weiterleitung des Bezugseheines nach London den Austrag ausgeführt, wobei
sie ausdrücklich für Rechnung von Helfenberger & Cie. austrat und nicht
für Rechnung der Klagerin. Dem Frachtvertrag ist ferner die Vereinbarung
einer Pergutung wesentlich. Eine stillschweigende Vereinbarung ber,
Vergutung ist aber nur mit Helfenberger & Cie. verständlich, mit denen
die Yeklagte seit langem in Verkehr stand, nicht aber mit'derssKlagertn,
auch wenn berücksichtigt wird, dass die Klägerm die Nacht, die
sie der Beklagten schuldig geworden wäre, wieder auf Helienberger &
Cie. hätte abwälzen können, da die Ware auf deren Rechnung reiste. Wenn
sodann die Beklagte den Weisungen der Klagerin gegenüber das Recht der
Einlagerung des Frachtgutes auf ihren eigenen Namen behufs Wahrung ihres
Retenttonsrechtes beanspruchte, so lag darin, entgegen der Auffassung der
Portnstanzem die Ablehnung des Verfügungsrechtes der Klagerin mit aller

202 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

wünschenswerten Deutlichkeit Anderseits hat die Klägerin nicht behauptet,
dass sie mit der Beklagten eine Vereinbarung geschlossen Babe, des
Inhalts, dass das Frachtgut an Helfenberger & Cie. nicht ausgeliefert
werden solle, bevor die Tratte acceptiert sei. Es kann also aus der
Ubergabe der Tratte an die Beklagte nicht mehr abgeleitet werden, als
dass diese die Tratte mit dem Konnosseinent an die Empfänger auszuliefern
hatten, in der Meinung, dass die Empfänger dann der Klägerin das Accept
einsenden sollten. Endlich ist zu sagen, dass das Retentionsrecht nach
schweizerischem Recht ein selbständiges, von der Verfügung des Schuldners
unabhängiges Recht des Gläubigers ist und dass es daher in casu durch
die Haltung der Konkursmasse von Helsenberger & Cie. nicht beeinflusst
werden konnte.

4. Jst demnach anzunehmen, dass die Beklagte als Frachtführerin von
Helfenberger & Cie. deren Besitzmittlerin war, so braucht weiter nicht
untersucht zu werden, ob diese dadurch auch Eigentümer des Frachtgutes
geworden sind, da für das Retentionsrecht der Beklagten daran nichts
ankommt. Freilich verlangt Art. 227 aOR, dass der Schuldner die
Sachen des Dritten als sein Eigentum- in den Gewahrsam des Gläubiger-s
gegeben habe. Diese Bedingung ist in der Regel nicht erfüllt, wenn der
Spedi: teur die Ware nicht zu prüfen und für den Käuser zu genehmigen
bevollmächtigt ist und der Käufer selbst nicht die Möglichkeit der Prüfung
der Ware hatte, da zum Eigentumserwerbswillen des Käusers der Wille
gehört, die Ware zu behalten. Allein, es wäre eine unzutressende reine
Wortinterpretation, wenn man dem Gläubiger nur dann ein Retentionsrecht an
fremder Sache gewähren wollte, wenn der Schuldner bei der Überlassung der
Sache sich dem Gläubiger gegenüber als Eigentümer gerirt. Art. 227 ist
eine Anwendung des allgemeinen sachenrechtlichen Prinzips: "Hand wahre
Hand-C wie es auch für die Veräusserung und die Verpfändung gilt. Wie
die andern dinglichen Rechte, so soll auch das Retentionsrecht erworben
werden, wenn der Besteller des Rechtes zu dessen Einräumung nicht
berechtigt war: der gute Glaube deckt das Verfügungsrecht (vergl. die
neue Fassung in ZGB 895 Abs. 3, ferner hinsichtlich der Verpfändung
Art. 213 aOR und das Urteil des Bundesgerichtes vom 19. Juni 1912
i. S. Banque3. Obiigationenrecht. N° 32. 203

populaire genevoise contre Bomet Erw. 4'", hinsichtlich der Veräusserung
Hafner, Anm. 4 zu am. 205 aQR, sowie ZGB 933, HGB 366, BGB 932,
und Wieland, Anm. 5 zu Art. 895 SW). Beim Retentiousrecht muss daher
gutgläubiger Erwerb an fremder Sache angenommen werden, sobald der
Gläubiger nicht weiss oder nicht wissen sollte, dass der Schuldner
ihm die Sache nicht überlassen darf, indem er dadurch seine 5Ziflicht
gegenüber dem Eigentümer ver-leer. Hier erfolgte aber die Ubergabe an
den Speditenr mit Wissen und Willen des Eigentümers; dem Übergeben als
Eigentum im Sinne von aOR 227 steht das Übergeben mit Einwilligung des
Eigentümers gleich. Würde das Gegenteil angenommen, so hätte in solchen
Fällen der Spediteur für die Spesen des Transportes keinerlei Deckung.

5. Es fragt sich weiter, ob der Klägerin nicht unabhängig vom
Eigentumserwerb der Käuser das konkursrechtliche Verfolgungsrecht des
Art. 203
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 203 - 1 Wenn eine Sache, welche der Schuldner gekauft und noch nicht bezahlt hat, an ihn abgesendet, aber zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht in seinen Besitz übergegangen ist, so kann der Verkäufer die Rückgabe derselben verlangen, sofern nicht die Konkursverwaltung den Kaufpreis bezahlt.
1    Wenn eine Sache, welche der Schuldner gekauft und noch nicht bezahlt hat, an ihn abgesendet, aber zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht in seinen Besitz übergegangen ist, so kann der Verkäufer die Rückgabe derselben verlangen, sofern nicht die Konkursverwaltung den Kaufpreis bezahlt.
2    Das Rücknahmerecht ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Sache vor der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses von einem gutgläubigen Dritten auf Grund eines Frachtbriefes, Konnossements oder Ladescheines zu Eigentum oder Pfand erworben worden ist.
SchKG zustand und ob nicht das Retentionsrecht der Beklagten
vor diesem zurücktreten müsse. Das schweizerische Vetfolgungsrecht (im
Gegensatz zum deutschen, englischen und französischen Rechte) entfällt
jedoch schon dann, wenn der Gemeinschuldner nur mittelbaren Besitz
erlangt hat, während jene Gesetzgebungen das Verfolgungsrecht gewähren,
bis der Gemeinschuldner den unmittelbaren Gewalzrsam erworben hat Dass
das Retentionsrecht des Frachtführers gegenüber dem Verfolgungsrecht
zurückzutreten habe, kann nur gestützt werden auf die bloss persönliche
Natur, die dem Retentionsrecht nach ausländischen Rechten zukommt. Nach
schweiz. Recht besteht es aber grundsätzlich auch Dritten gegenüber, wenn
nur der Gläubiger nicht in bösem Glauben ist. Es ist also verdinglicht
und verselbständigt. Daher kann es dem Gläubiger auch nicht mehr
entzogen werden, wenn der Rechtserwerb durch den Schuldner infolge der
Geltendmachung des Versolgungsrechtes ex tunc rückgängig gemacht wird.

Die Klägerin hat dem Retentionsrecht der Beklagten ferner
entgegengebalten, dass im Augenblick seiner Geltendmachung der Konkurs
über Helfenberger Jc Eie. noch nicht ausgebrochen, das Not-

* Oben S. 159 ff.

204 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

zurückbehaltungsrecht des Art. 226 aOR also noch nicht begründet war,
während das gewöhnliche Retentionsrecht der Verpflichtung der Beklagten
zur Auslieferung des Frachtgutes an Helsenberger & Cie. widersprach. Es
kann dahingestellt bleiben, ob dieser Einwand schon deshalb dahinfällt,
weil Helfenberger & (Sie. Versender und Empfänger zugleich waren. Wäre
die Retention zuerst auch unberechtigt gewesen, so wären daraus höchstens
der Firma Helerberger & Cie. Schadenersatzansprüche aus dem Verzug der
Beklagten erwachsen. Das nach einigen Tagen durch den Konkursausbrnch
entstandene Notretentionsrecht der Beklagten kann aber deswegen nicht
aberkannt werden.

Dagegen ergibt sich aus den Akten, dass die Beklagte die War von Graf &
Cie. erst am 20. März in London durch den Unterfrachtführer in ihren
Besitz erhielt, während sie die Ware des Z. Geilinger in London im
Werte von 4197 Fr. 90 (Età. und die auf 5000 Fr. gewertete Ware von
Schmidt & Cie. in Antwerpen, die beide von der Beklagten in gleicher
Weise retiniert wurden, schon vorher erhalten hatte. Wird daher das
Retentionsrecht der Beklagten an der Ware Geilinger auch anerkannt,
so würde sich ergeben, dass die Beklagte für ihre ganze Forderung
von 8390 Fr. 85 (été. an Helfenberger & Eie. bereits gedeckt war, als
sie den Besitz an der Ware von Graf & (Sie. erwarb. Allein, es steht
aktenmässig nichts darüber fest, dass die Beklagte das Depositum von
5000 Fr. von Schmidt & Cie. auch wirklich erhalten hat. Und es beweist
das Depositum an sich noch keine endgültige Deckung der Beklagten, da
diese möglicherweise der Firma Schmidt & Cie gegenüber zur Herausgabe
des Depositums verhalten werden kann, wie denn auch heute vom Vertreter
der Beklagten geltend gemacht und vom Vertreter der Klägerin nicht
bestritten wurde, dass Schmidt & (Sie. tatsächlich in Antwerpen Klage
auf Herausgabe des Depositums erhoben haben. Also ergibt einstweilen
erst die Retention der Ware von Graf & (Sie. für die Beklagte volle
Deckung. Dass die Beklagte aus eine Überdeckuug keinen Anspruch hat,
ist selbstverständlich und wird auch von ihr ausdrücklich anerkannt.
Alle diese Gründe führen zur Gutheiszung der Berufung und zur Abweisung
der Klage, soweit diese vor Bundesgericht ausrechtgehalten wurde. Das auf
grundsätzliche Verurteilnng der Beklagten3. Obligationem'echt. N° 33. 205

zu vollem Schadenetsatz gerichtete Rechtsbegehren, das erstinstcmzlich
abgewiesen wurde, hat die Klagerin fallen lassen; --

erkannt:

Die Berufung der Beklagten wird begründet erklärt Demgemäss wird das
angefochtene Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 15. März 1912 aufgehoben und die Klage als nnbegründet abgewiesen.

sag Hirten der I. guitar-furm vom es. Juni 1912 in Sachen MMS,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen Www, Kl. u. Ber.-Bekl.

inwiefern ist die Frage, ob eine Zahlung erfolgt sei, Tatfrage7
Art. 103 non.: dia dem Gläubiger den-MeeBeweislast fees-its Meers-easy
einer frihreren periodischen Leistung darf nieht zu formell aufgefasst
werden. Daher ist der Schuldner, trotz der zu seinen Gunsten be-stehenden
Vermutzmg der Zahlung, dem Richter nach Treu und Glauben soweit möglich
Aufkldreueg darüber schuldig, warum er sich für die behaussplete Zahlung
nick! durch Quittemg ausweisen kann, während er für die spätere eine
solche besitzt.

A. Dnrch Urteil vom 26. März 1912 hat der Appellationshoi des Kantons
Bern in vorliegender Streitsache erkannt:

Dein Kläger Spycher wird der Erfüllungseid auferlegt, zu leisten nach
der Formel:

Jch, Gottlieb Spycher, versichere auf meine Ehre und mein ,,Gewissen,
dass ich nach meiner besten Überzeugung für wahr ,,halte, dass, als
dem Beklagten Johann Mathys für den auf ,,20. September 1909 fälligen
Pachtzins quittiert wurde, er noch mit 2 Halbjahrszinsen von zusammen
3000 Fr. im Rückstande war, ohne Gefahr-de

Leistet der Kläger diesen Eid, so ist ihm sein Klagsbegehren im verlangten
Betrage von 2819 Fr. 70 Cis. nebst Zins zu 5 % seit 13. Februar 1911
zugesprochen und der Beklagte ihm gegenüber zu den Kosten des Prozesses
verurteilt.

Verweigert der Kläger den Eid, so ist er mit seinem Mags-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 38 II 194
Datum : 26. Juni 1912
Publiziert : 31. Dezember 1913
Quelle : Bundesgericht
Status : 38 II 194
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 194 A. Oberste Ziviîgerichhiustanz. l. Materiellrechfliche Entscheidungen. aurait


Gesetzesregister
SchKG: 203
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 203 - 1 Wenn eine Sache, welche der Schuldner gekauft und noch nicht bezahlt hat, an ihn abgesendet, aber zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht in seinen Besitz übergegangen ist, so kann der Verkäufer die Rückgabe derselben verlangen, sofern nicht die Konkursverwaltung den Kaufpreis bezahlt.
1    Wenn eine Sache, welche der Schuldner gekauft und noch nicht bezahlt hat, an ihn abgesendet, aber zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht in seinen Besitz übergegangen ist, so kann der Verkäufer die Rückgabe derselben verlangen, sofern nicht die Konkursverwaltung den Kaufpreis bezahlt.
2    Das Rücknahmerecht ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Sache vor der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses von einem gutgläubigen Dritten auf Grund eines Frachtbriefes, Konnossements oder Ladescheines zu Eigentum oder Pfand erworben worden ist.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • retentionsrecht • schuldner • spediteur • eigentum • frage • schweizerisches recht • empfang • fremde sache • bundesgericht • tag • basel-stadt • guter glaube • deckung • wissen • verurteilung • schadenersatz • weiler • bewilligung oder genehmigung • weisung
... Alle anzeigen