S. 151 / Nr. 30 Prozessrecht (d)

BGE 54 II 151

30. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. März 1928 i.S. Aktienbrauerei Basel
gegen Einwohnergemeinde Basel.

Regeste:
Berufung. Streitwertberechnung bei Klage auf Erfüllung eines
Bürgschaftsversprechens; massgebend ist das ökonomische Interesse des Klägers
an der Zusprechung des Klagebegehrens, und nicht der Betrag der Hauptschuld.
Unzulässigkeit der Berufung wegen Mangels an Anhaltspunkten dafür, dass der
gesetzliche Mindeststreitwert gegeben ist.

A. - Die Beklagte, Aktienbrauerei Basel, erwarb durch Kaufvertrag vom 9.
Oktober 1925 von der Klägerin, Einwohnergemeinde der Stadt Basel, die
Liegenschaft Sektion VI, Parz. 441 an der Eisengasse daselbst, um darauf einen
Neubau zu errichten. Am 9. Juni 1926 wurde auf Grund der von der Beklagten
eingereichten Baupläne die Baupublikation erlassen. Gegen den geplanten Neubau
erhob der Eigentümer der Nachbarparzelle 391, J. Ullmann, Einsprache. In einer
Konferenz vom 24. Juni 1926 beim Vorsteher des Finanzdepartements des Kantons
Basel-Stadt, bei der die Beklagte

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durch ihren Verwaltungsratspräsidenten Dr. Hans Burckhardt und ihren
Direktoren Werenfels vertreten war und an der auch Ullmann teilnahm, wurde
über die Baueinsprache und gleichzeitig über ein Durchgangsrecht über die alte
Helmparzelle zu Gunsten der Liegenschaft der Beklagten, Parzelle 441,
verhandelt. Diese Konferenz führte unter den Beteiligten zu folgender
Einigung:
Ullmann erklärte sich bereit, die alte Helmparzelle 402, belastet mit einer
Durchgangsservitut zu Gunsten der Liegenschaft der Beklagten, Parzelle 441, zu
erwerben und die Baueinsprache fallen zu lassen, falls ihm eine zweite
Hypothek von 200000 Fr., die unter gewissen Bedingungen nur 150000 Fr.
betragen sollte, auf 12 Jahre fest bewilligt werde. Die Klägerin war zur
Gewährung dieser Hypothek bereit, falls die Beklagte sie verbürge. Die
Beklagte ihrerseits verpflichtete sich zur Zahlung eines Betrages von 20000
Fr. für das ihr bewilligte Durchgangsrecht und zur Leistung der Bürgschaft für
die an Ullmann zu gewährende Hypothek.
Am 6. Juli 1926 wurde der Kaufvertrag zwischen der Klägerin und Ullmann über
das Helmareal (Parzelle 402) abgeschlossen. Aus diesem Vertrage sind folgende
Bestimmungen hervorzuheben: (Ziff. 2): «Die Einwohnergemeinde der Stadt Basel
verpflichtet sich, dem Käufer auf den beiden Liegenschaften Sekt. VI Parzelle
391 und 402,vermehrt um die beiden verkauften Allmendstücke, eine Hypothek im
II. Rang von zusammen 200000 Fr. bezw. 150000 Fr. zu bewilligen. Diese
Hypothek ist zu 5½% zu verzinsen und es ist halbjährlich eine Amortisation von
5000 Fr. an das Kapital zu leisten. Bei richtiger Verzinsung und Abzahlung
bleibt diese Hypothek kreditorischerseits 12 Jahre unkündbar.» (Ziff. 2c):
«Beim Verkauf der Liegenschaft bleibt die Hypothek mit der Bürgschaft des
Herrn J. Ullmann bis nach Ablauf der hievor genannten 12 Jahre einem
allfälligen Käufer der Liegenschaft ebenfalls stehen.»

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Im Anschluss an diesen Kaufvertrag berichtete Dr. Hans Burckhardt dem
Finanzdepartement mit Schreiben vom G. Juli 1926 was folgt: «Hiemit bestätige
ich Ihnen, dass der Verwaltungsrat der Aktienbrauerei Basel in seiner
gestrigen Sitzung folgende Beschlüsse gefasst hat:
1. (Vergütung von 20000 Fr. für die Bewilligung des Durchgangsrechtes).
2. Die Aktienbrauerei Basel verpflichtet sich, die in dem gleichen Kaufvertrag
erwähnte zweite Hypothek von 200000 Fr. auf die Liegenschaften Parzellen 391
und 402 unter Vorgang von Maximum 450000 Fr. zu verbürgen. Mit den übrigen
Bedingungen der Hypothek, wie sie in dem Kaufvertrag Einwohnergemeinde der
Stadt Basel/J. Ullmann stipuliert sind, erklärt sich die Aktienbrauerei Basel
einverstanden.»
In der Folge wurden die im Kaufvertrag mit Ullmann beschriebenen und der
Beklagten zugesicherten Servituten auf Parzelle 402 zu Gunsten der Parzelle
441 errichtet und die Beklagte leistete die versprochene Zahlung von 20000 Fr.
B. - Mit Vertrag vom 25. Februar 1927 verkaufte Ullmann seine Parzelle 404,
die durch Vereinigung mehrerer Parzellen und Abschnitte, zu denen auch die
Parzelle 402 gehört, entstanden war, an die Liand A.-G. Auf Begehren dieser
Gesellschaft und des Ullmann leistete hierauf die Klägerin die im Kaufvertrag
mit Ullmann vereinbarte II. Hypothek von 150000 Fr. zu den dort vorgesehenen
Bedingungen, unter Vorgang eines Baukredites von 350000 Fr. und solidarischer
Verbürgung durch Ullmann. Die Klägerin wollte bei Ausfertigung des
Hypothekartitels auch die Bürgschaftserklärung der Beklagten einholen. Diese
verweigerte jedoch ihre Unterschrift.
C. - Da die Aufforderungen der Klägerin, die versprochene Bürgschaft zu
leisten, erfolglos blieben, hob sie am 24. Juni 1927 Klage an, mit dem
Rechtsbegehren:

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«Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin eine Forderung im Betrage von
150000 Fr., welche diese an die Liand A.-G. in Basel, zu stellen hat,
verzinslich zu 5½% vom 4. April 1927 an gerechnet, mit Pfandrecht II. Ranges
auf Sektion VI, Parzelle 404, hinter einem Vorgang von 350000 Fr. Baukredit,
als Nachbürgin hinter Isidor Ullmann-Wolf zu verbürgen.»
D. - Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt.
E. - Mit Urteil vom 21. November 1927 hat das Zivilgericht des Kantons
Basel-Stadt die Klage gutgeheissen.
F. - Auf Appellation der Beklagten hin wurde dieses Urteil unterm 7. Februar
1928 vom Appellationsgericht Basel-Stadt bestätigt.
G. - Gegen das Urteil des Appellationsgerichtes hat die Beklagte die Berufung
an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrage, die Klage sei gänzlich
abzuweisen.
In der Berufungsschrift wird bezüglich des Streitwertes bemerkt, derselbe
betrage 150000 Fr., wie dies auch in den Urteilsgebühren der Vorinstanzen zum
Ausdruck komme.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Mit der vorliegenden Klage fordert die Klägerin von der Beklagten, dass sie,
in Ausführung ihres Bürgschaftsversprechens, für die Hypothekarschuld der
Liand A.-G. von 150000 Fr. in der Weise Bürgschaft leiste, dass sie sich als
Nachbürgin im Sinne von Art. 498 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 498 - 1 Der Nachbürge, der sich dem Gläubiger für die Erfüllung der von den Vorbürgen übernommenen Verbindlichkeit verpflichtet hat, haftet neben diesem in gleicher Weise wie der einfache Bürge neben dem Hauptschuldner.
1    Der Nachbürge, der sich dem Gläubiger für die Erfüllung der von den Vorbürgen übernommenen Verbindlichkeit verpflichtet hat, haftet neben diesem in gleicher Weise wie der einfache Bürge neben dem Hauptschuldner.
2    Der Rückbürge ist verpflichtet, dem zahlenden Bürgen für den Rückgriff einzustehen, der diesem gegen den Hauptschuldner zusteht.
OR für die Erfüllung der vom Vorbürgen
Ullmann übernommenen Verbindlichkeit verpflichte.
Der Streitgegenstand besteht also nicht in der Zahlung einer bestimmten
Geldsumme, des Betrages der Hauptschuld, sondern im Abschluss des
Bürgschaftsvertrages als solchen mittelst Unterzeichnung der
Nachbürgschaftsverpflichtung durch die Beklagte. Daraus folgt, dass auch der
Streitwert sich nicht ohne weiteres mit dem Betrage der Hypothekarschuld der
Liand A.-G. deckt;

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massgebend für dessen Berechnung ist vielmehr das ökonomische Interesse der
Klägerin daran, dass das Klagebegehren zugesprochen, und damit, abgesehen von
der Sicherstellung durch das Unterpfand, die in der Bürgschaft des Ullmann
liegende weitere Sicherheit durch die Nachbürgschaft der Beklagten verstärkt
werde (vgl. BGE 36 II 284 /5 und die dort angeführten Urteile, sowie BGE 49 II
427
/8). Dieses Interesse hängt vom Werte des Unterpfandes und der
Zahlungsfähigkeit der Hauptschuldnerin, sowie des Bürgen Ullmann ab. Hierüber
ist indessen den Akten nichts Näheres zu entnehmen. Es ergibt sich aus
denselben lediglich: a) was die Zahlungsfähigkeit Ullmanns anbetrifft: dass
nach der Auffassung der Beklagten selber die Übernahme einer Bürgschaft für
eine Hypothek, deren Schuldner Ullmann war, so gut wie kein Risiko bedeutete;
b) inbezug auf den Wert des Unterpfandes: die unbestritten gebliebene
Behauptung der Klägerin, dass das Bauprojekt der Liand A.-G. für den Neubau
auf der Parzelle 404 einen Gesamtbetrag von zusammen 615000 Fr. erreichte und
dass ihr dafür die Schweiz. Genossenschaftsbank einen Baukredit von 300000 Fr.
bewilligt hatte, für den üblicherweise das Pfandrecht auf den erhöhten Betrag
von 350000 Fr. gestellt wurde.
Diese Anhaltspunkte genügen zur Ermittlung des Streitwertes nicht; jedenfalls
berechtigen sie nicht zu der Annahme, dass das Interesse der Klägerin an der
Gutheissung der Klage den Betrag von 8000 Fr. erreicht. Dieser Betrag stellt
beim Mangel an einer die Berufung begründenden Rechtsschrift i.S. von Art. 67
Abs. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 498 - 1 Der Nachbürge, der sich dem Gläubiger für die Erfüllung der von den Vorbürgen übernommenen Verbindlichkeit verpflichtet hat, haftet neben diesem in gleicher Weise wie der einfache Bürge neben dem Hauptschuldner.
1    Der Nachbürge, der sich dem Gläubiger für die Erfüllung der von den Vorbürgen übernommenen Verbindlichkeit verpflichtet hat, haftet neben diesem in gleicher Weise wie der einfache Bürge neben dem Hauptschuldner.
2    Der Rückbürge ist verpflichtet, dem zahlenden Bürgen für den Rückgriff einzustehen, der diesem gegen den Hauptschuldner zusteht.
OG den Mindeststreitwert dar, welcher gegeben sein müsste, damit auf
die Berufung eingetreten werden könnte. Daran kann auch die Bemerkung der
Beklagten in der Berufungsschrift, der Streitwert betrage 150000 Fr., nichts
ändern, denn das Bundesgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass es nicht in
der Befugnis des Berufungsklägers liegen könne, durch blosse Angabe

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des vom Gesetze verlangten Streitwertes in der Berufungserklärung den Prozess
in die Kompetenz des Bundesgerichtes zu stellen, wenn die Prüfung der Berufung
auf ihre Zulässigkeit, wie hier, zum Schlusse führt, dass Anhaltspunkte für
eine solche Bemessung des Streitwertes fehlen (BGE 39 II 436; 51 II 536 ff.).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 II 151
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 20. März 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 II 151
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Berufung. Streitwertberechnung bei Klage auf Erfüllung eines Bürgschaftsversprechens; massgebend...


Gesetzesregister
OG: 67
OR: 498
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 498 - 1 Der Nachbürge, der sich dem Gläubiger für die Erfüllung der von den Vorbürgen übernommenen Verbindlichkeit verpflichtet hat, haftet neben diesem in gleicher Weise wie der einfache Bürge neben dem Hauptschuldner.
1    Der Nachbürge, der sich dem Gläubiger für die Erfüllung der von den Vorbürgen übernommenen Verbindlichkeit verpflichtet hat, haftet neben diesem in gleicher Weise wie der einfache Bürge neben dem Hauptschuldner.
2    Der Rückbürge ist verpflichtet, dem zahlenden Bürgen für den Rückgriff einzustehen, der diesem gegen den Hauptschuldner zusteht.
BGE Register
36-II-283 • 39-II-434 • 49-II-426 • 51-II-535 • 54-II-151
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • streitwert • bundesgericht • basel-stadt • bedingung • neubau • baukredit • rechtsbegehren • stelle • hauptschuld • rang • wert • sektion • unterschrift • berechnung • kauf • verfahren • bürgschaft • bewilligung oder genehmigung • begründung des entscheids
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