S. 129 / Nr. 26 Obligationenrecht (d)

BGE 54 II 129

26. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. März 1928 i.S. Gentili gegen Sinoni
und Obergericht des Kantons Glarus.

Regeste:
Art. 87 Ziff. 1 OG: Zivilrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der
derogatorischen Kraft des Bundesrechtes. Eine kantonale
Prozessgesetzbestimmung über Verwirkung des Klagerechtes bei nicht
rechtzeitiger Fortsetzung des Prozesses nach Ausstellung des Leitscheines
steht mit den Bestimmungen des OR über die Verjährung nicht im Widerspruch.
Abgrenzung der Souveränität der Kantone auf dem Gebiete des Zivilprozessrechts
gegenüber der Souveränität des Bundes auf dem Gebiete des Privatrechts.
Art. 64
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 64 Forschung - 1 Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30
1    Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30
2    Er kann die Förderung insbesondere davon abhängig machen, dass die Qualitätssicherung und die Koordination sichergestellt sind.31
3    Er kann Forschungsstätten errichten, übernehmen oder betreiben.
BV und 6 ZGB.

A. - Mit Urteil vom 15. Oktober 1926 bestrafte das Polizeigericht des Kantons
Glarus den Beschwerdebeklagten Sinoni, sowie E. Schuler, wegen vorsätzlicher
Körperverletzung, bezw. Misshandlung des Beschwerdeführers. Gentili mit
Geldbussen. Die Entschädigungsforderung des letztern wurde an den Zivilrichter
verwiesen.
Laut Leitschein vom 29. Oktober 1926 setzte Gentili hierauf beim Vermittleramt
Schwanden gegen Sinoni und Schuler das Begehren ans Recht: «Sind nicht die
klägerischen Schadenersatzansprüche von 290 Fr. (die unmittelbaren Folgen
einer Misshandlung durch die Beklagten) gerichtlich zu schützen, unter
Kostenfolge für die Beklagten und unter Vorbehalt weiterer Rechte? Eine
Prozessanmeldung fand jedoch nicht statt, weder binnen der Frist von 3
Monaten, während welcher der Leitschein nach § 95 der glarn. ZPO in Kraft
bleibt,

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noch während der folgenden 3 Monate, mit deren Ablauf gemäss § 96 dieses
Gesetzes «der Anspruch» bei Unterlassung der erneuten Anhängigmachung des
Rechtsstreites «endgültig verwirkt ist».
Am 18. Mai 1927, also nach Verfluss der sechsmonatlichen Frist, verlangte
Gentili neuerdings Vermittlung, aber nur noch gegen Sinoni, mit dem -
abgeänderten - Begehren um Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer
Schadenersatzsumme von 177 Fr. 15 Cts. und einer Genugtuungssumme nach
richterlichem Ermessen. Gestützt auf den ihm erteilten Leitschein meldete er
den Prozess beim Zivilgericht des Kantons Glarus an. Anlässlich der
Hauptverhandlung vom 28. September 1927 warf der Beklagte die Vorfrage auf:
«Ist nicht der Beklagte auf Grund von § 156 ZPO vom einlässlichen Benehmen
vollständig zu entbinden, indem der Kläger innert der Frist, welche §-96 ZPO
feststellt, die Klage nicht neuerdings anhängig gemacht hat?»
Der Kläger machte dieser Einrede gegenüber u.a. geltend, dass nach schweiz.
Obligationenrecht sein Anspruch im Zeitpunkte des zweiten
Vermittlungsvorstandes noch nicht verjährt gewesen sei. An dieser Tatsache
könne § 96 ZPO nichts ändern.
B. - Mit Entscheid vom 28. September 1927 wies das Zivilgericht des Kantons
Glarus die Uneinlässlichkeitseinrede ab. Es äusserte «die grössten Bedenken»,
in Missachtung der Verjährungsfrist des Art. 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
OR eine Verwirkung des
klägerischen Anspruches gemäss § 96 ZPO anzunehmen. Entscheidend stellte es
darauf ab, dass es sich beim zweiten Leitschein nicht um das gleiche
Rechtsbegehren wie im ersten handle.
C. - Auf Rekurs des Sinoni hin hat das Obergericht des Kantons Glarus diesen
Entscheid am 22. November 1927 aufgehoben und das Zivilgericht angewiesen,
«bei nochmaliger Beurteilung des von Sinoni erhobenen
Uneinlässlichkeitsbegehrens die Vorschriften des § 96 ZPO genau zu
beobachten.»

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D. - Gegen diesen Entscheid hat der Kläger Gentili beim Bundesgericht
zivilrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 87 Ziff. 1 OG erhoben mit dem
Antrag auf Aufhebung desselben und Abweisung der Uneinlässlichkeitseinrede,
eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Zur Begründung macht er im
wesentlichen geltend: Der kantonale Gesetzgeber sei nicht befugt, die
einjährige Verjährungsfrist des Art. 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
OR - innert welcher hier die Klage
unbestrittenermassen eingeleitet worden sei - durch § 96 ZPO auf «zweimal 3
Monate»
abzukürzen. Bei Dahinfallen einer angehobenen Klage nach § 96 ZPO müsse es dem
Kläger freistehen, während der einjährigen Verjährungsfrist erneut zu klagen.
Der Beklagte werde dadurch in seinen Interessen nicht geschädigt, er brauche
vor Vermittleramt ein zweites Mai nicht zu erscheinen. Wohl aber werde der
Kläger in seinen Rechten verkürzt. Darum trete nach andern kantonalen
Prozessordnungen (Bern und Zürich) im gleichen Falle eine Anspruchsverwirkung
nicht ein, sondern es bleibe dem Kläger das Recht gewahrt, innerhalb der
Verjährungsfrist eine neue Klage anzuheben. In einem Prozessgesetz könne
höchstens eine Klageverwirkung festgelegt werden, nicht aber eine
Anspruchsverwirkung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Es fragt sich, ob ein Entscheid in einer Zivilsache im Sinne von Art. 87
Ziff. 1 OG vorliege. Zwar dreht sich der Streit in erster Linie um die
prozessrechtliche Frage der Verwirkung des Klagerechtes. Allein nach der
neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind auch Entscheide über dem
Prozessrecht angehörende Streitfragen als solche in Zivilsachen anzusehen,
wenn das ihnen zugrundeliegende materielle Streitverhältnis zivilrechtlicher
Natur - ist (vgl. BGE 41 II 762 ff.; 45 I 326; 46 II 335; 48 I 233). Das ist
hier der Fall, indem eine Schadenersatz- und

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Genugtuungsforderung aus unerlaubter Handlung eingeklagt wird. Es verschlägt
für die Zulässigkeit der zivilrechtlichen Beschwerde auch nichts, ob der
behauptete Verstoss in der Anwendung kantonalen Zivilrechtes statt des
eidgenössischen bestehen soll, oder ob das kantonale öffentliche Recht zu
Unrecht - an Stelle des eidgenössischen Zivilrechts angewendet wurde, wie das
hier geltend gemacht wird (vgl. BGE 43 II 126 ff.; 51 I 279; 52 II 415 f.).
2.- Art. 64
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 64 Forschung - 1 Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30
1    Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30
2    Er kann die Förderung insbesondere davon abhängig machen, dass die Qualitätssicherung und die Koordination sichergestellt sind.31
3    Er kann Forschungsstätten errichten, übernehmen oder betreiben.
BV statuiert die Befugnis des Bundes zur Gesetzgebung im gesamten
Gebiete des Zivilrechts. Es gilt daher in dieser Hinsicht der Satz:
Bundesrecht bricht kantonales Recht. Die Kantone sind nicht mehr befugt,
zivilrechtliche Normen aufzustellen, es sei denn kraft eines ausdrücklichen
Vorbehaltes des Bundesrechtes (vgl. BGE 43 I 64 f.). Dagegen bestimmt der
Schlussabsatz des cit. Art., dass die Organisation der Gerichte, das
gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung, wie bis anhin, den Kantonen
verbleiben. Und im gleichen Sinne stellt Art. 6
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 6 - 1 Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
1    Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
2    Sie können in den Schranken ihrer Hoheit den Verkehr mit gewissen Arten von Sachen beschränken oder untersagen oder die Rechtsgeschäfte über solche Sachen als ungültig bezeichnen.
ZGB zugunsten der Kantone die
allgemeine Garantie auf, dass sie in ihren öffentlichrechtlichen Befugnissen
durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt werden. Die Kantone sind hiernach
auf dem Gebiete des Zivilprozessrechtes und der Gerichtsorganisation heute
noch grundsätzlich souverän. Immerhin sind im Bundeszivilrecht, insbesondere
im ZGB, eine ganze Reihe von prozessualen Bestimmungen enthalten, die nach der
allgemeinen Regel dem kantonalen Rechte vorgehen, obschon dabei ein gewisser
Widerspruch mit Art. 6
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 6 - 1 Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
1    Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
2    Sie können in den Schranken ihrer Hoheit den Verkehr mit gewissen Arten von Sachen beschränken oder untersagen oder die Rechtsgeschäfte über solche Sachen als ungültig bezeichnen.
ZGB nicht in Abrede zu stellen ist. Soweit aber das
Bundesrecht nicht selber Prozessnormen aufstellt, liegt die
Gesetzgebungskompetenz immer noch auf Seite der Kantone.
Selbstredend dürfen anderseits die kantonalen Prozessbestimmungen dem
Bundesrecht nicht widersprechen. Dafür hat vorab der kantonale Gesetzgeber zu
sorgen. Handelt es sich jedoch um bereits bestehende Gesetze, so hat der mit
der Anwendung des Bundeszivilrechts betraute Richter - und zwar der kantonale
wie der

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eidgenössische - das Recht und die Pflicht, bei Kollisionen im Einzelfalle die
beiden Rechtsgebiete abzugrenzen. Die Ansicht der Vorinstanz, dass der
kantonale Richter in: einem solchen Falle, unbekümmert um den behaupteten
Widerspruch zwischen Bundesrecht und kantonalem Recht, das letztere anzuwenden
und die Lösung des Konfliktes dein Bundesgericht zu überlassen habe, muss als
unzutreffend zurückgewiesen werden (vgl. FLEINER, Bundesstaatsrecht S. 422).
Der Grundsatz des Art. 51 SchlT z. ZGB, wonach mit dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes die zivilrechtlichen Bestimmungen der Kantone aufgehoben sind, gilt
auch für die öffentlichrechtlichen, insbesondere die Prozessvorschriften der
Kantone, soweit sie mit den Vorschriften des Bundeszivilrechtes nicht
übereinstimmen (vgl. BGE 32 I 658; 43 I 64 f.).
3.- Soweit die Vorinstanz vorab annimmt, dass die mit den beiden Leitscheinen
vom 29. Oktober 1926 und 25. Mai 1927 zur Vermittlung gebrachten
Rechtsbegehren als identisch zu betrachten seien, entzieht sich der
angefochtene Entscheid, weil auf der Anwendung kantonalen Prozessrechtes
beruhend, der Nachprüfung des Bundesgerichts.
Was aber den behaupteten Widerspruch zwischen der Vorschrift des § 96 der
glarn. ZPO und den Verjährungsbestimmungen des schweizerischen OR anbetrifft,
so bestimmt zunächst § 95 ZPO, dass der Leitschein, abgesehen vom
beschleunigten Verfahren in Betreibungs- und Konkursstreitigkeiten, 3 Monate
in Kraft bleibe, und § 96 fügt bei: Wenn der Kläger den erwirkten Leitschein
innerhalb dieser Frist zur Anwendung nicht benütze, so verliere er dadurch
seinen Anspruch zwar nicht, müsse aber, sofern ihm nicht ein anderer
gerichtlicher Termin gestellt sei, solchen spätestens innerhalb 3 Monaten nach
Ablauf jener Frist neuerdings anhängig machen und den bezüglichen Rechtsstreit
durchführen. «Unterlässt er dies, so ist der Anspruch

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endgültig verwirkt.» Da nach Art. 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
OR der Anspruch auf Schadenersatz aus
unerlaubter Handlung in einem Jahre verjährt und der Geschädigte hier seit
seiner Verletzung am 23. Mai 1926 Kenntnis vom Schaden und von der Person des
Ersatzpflichtigen hatte, so war im Zeitpunkte der zweiten Ladung zum
Sühneversuch vom 18. Mai 1927 die Verjährungsfrist - ganz abgesehen von der
allfälligen Unterbrechung durch die Ladung zum ersten Vermittlungsversuch -
noch nicht abgelaufen. Wenn dieser Widerspruch einfach nach der allgemeinen
Kollisionsnorm: «Bundesrecht bricht kantonales Recht» sich erledigen würde, so
wäre die Lösung zugunsten der Verjährungsbestimmungen des Bundesrechts
gegeben. Allein diese Lösung würde nach dem oben Ausgeführten der
verfassungsmässigen Abgrenzung der Gebiete des eidgenössischen und des
kantonalen Rechtes nicht gerecht. Auszugehen ist vielmehr von der
Unterscheidung zwischen dem materiellen Anspruch einerseits, dessen Entstehung
und Untergang sich nach dem Privatrechte bestimmt, und dem um dieses
«Anspruches» willen, zu seinem Schutze und zu seiner Verwirklichung
verliehenen prozessualen Klageanspruch oder Klagerecht anderseits, d.h. der
Möglichkeit zur Verfolgung des Anspruches durch selbständige Klage (vgl.
HELLWIG, Anspruch und Klagerecht S. 8, 127 ff.).
Die Verjährungsbestimmungen des OR regeln das Erlöschen des materiellen
Anspruchs infolge Zeitablaufs, d.h. Nichtgeltendmachung binnen einer
bestimmten Frist. In dieser Beziehung ist die Gesetzgebungskompetenz des
Bundes eine absolute, die jede Einmischung der Kantone, sei es durch zivil-
oder prozessrechtliche Bestimmungen, ausschliesst. Dagegen ist es
grundsätzlich Sache des kantonalen Prozessrechtes, die Voraussetzungen
festzulegen, unter denen eine Partei Anspruch auf richterliche Beurteilung
eines Rechtsverhältnisses hat, d.h. den gerichtlichen Schutz für ein
Privatrecht durch ein Urteil bestimmten Inhalts verlangen kann (vgl. BGE 45 II
462
f.). Die gerichtliche

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Feststellung und Durchsetzung dieses Klagerechtes ist daher, soweit nicht die
Gerichtsinstanzen des Bundes zuständig sind, heute noch an die Formen und
Fristen des kantonalen Prozessverfahrens gebunden. Ist der Klageanspruch beim
Richter einmal anhängig gemacht - wie dies hier zutrifft, indem der
Prozessbeginn gemäss § 43 der glarn. ZPO in das Vermittlungsverfahren verlegt
ist - so muss der Kläger das Verfahren nach den Regeln und Formen des
kantonalen Prozesses fortsetzen. Versäumt er eine peremtorische Frist im
Prozesse, deren Nichteinhaltung den Verlust des Klagerechtes nach sich zieht,
so hat er seinen Klageanspruch verwirkt, ohne Rücksicht auf den Ablauf oder
Nichtablauf der Verjährungsfrist für den eingeklagten materiellen Anspruch.
Dieser selbst erlischt zwar nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist, wohl aber
ist dem Kläger der Weg zur gerichtlichen Verfolgung desselben mittelst einer
selbständigen Klage verschlossen. - Dagegen bleibt ihm das Recht gewahrt,
seinen Anspruch allfällig verteidigungsweise durch Erhebung der
Verrechnungseinrede oder einer Widerklage geltend zu machen oder unter
Umständen bei Wegzug des Schuldners in einen andern Kanton durch neue Klage
binnen der Verjährungsfrist zu verfolgen, zumal der kantonale Gesetzgeber nur
über den Anspruch auf Rechtsschutz durch die Gerichte des eigenen Kantons
Vorschriften zu erlassen befugt ist (vgl. BGE 47 I 81 f. und 309 ff.).
Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass § 96 der glarn. ZPO,
der von der Verwirkung des «Anspruchs» schlechthin spreche, den materiellen
Anspruch selbst als verwirkt erkläre, was eine unzulässige Abkürzung der
gesetzlichen Verjährungsfrist bedeute. Indessen ist vernünftigerweise
anzunehmen, dass, wenn in einem Zivilprozessgesetz von «Anspruch» die Rede
ist, darunter in erster Linie der prozessuale Klageanspruch verstanden werden
muss. Sodann aber beschränken die §§ 95 und 96 der glarn. ZPO keineswegs die
Frist für die Geltendmachung eines Anspruchs,

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sondern sie regeln die Fristen für das Verfahren nach Anhängigmachung des
Rechtsstreites und die Wirkungen der Nichtprosequierung einer bereits
angehobenen Klage. Denn nach § 43 leg. cit. ist der Rechtsstreit als anhängig
zu betrachten, «sobald die Vermittlungsvorladung angelegt ist». Die
Streithängigkeit war daher im vorliegenden Falle mit der Vorladung zum ersten
Vermittlungsvorstand vom 29. Oktober 1926 eingetreten. Mit diesem Zeitpunkt
hatte also das Prozessverfahren begonnen und unterstand der Klageanspruch
dessen Regeln und Fristbestimmungen.
Ob die Verstummung einer peremtorischen Frist im Prozesse als Verzicht auf den
Klageanspruch auszulegen ist, wie die Vorinstanz annimmt, mag dahingestellt
bleiben. Entscheidend ist die Tatsache, dass die Kantone nach der
gegenwärtigen Abgrenzung ihrer Gesetzgebungskompetenzen gegenüber dem Bunde
befugt sind, solche Fristen, deren Nichteinhaltung den Verlust des
Klagerechtes zur Folge hat, in ihren Prozessordnungen festzusetzen. Und zwar
ist das Anwendungsgebiet dieser Fristen ein ausgedehntes (Rechtsmittelfristen,
gerichtliche Termine, Kostenversicherungsauflage, Aufforderung zur Klage
etc.). In allen diesen Fällen hat die Versäumnis der gesetzlichen oder
richterlichen Präklusivfrist in der Regel den Verlust des pendenten
Klageanspruches zur Folge, ganz unabhängig von den Verjährungsnormen des
materiellen Rechtes. In diesem Sinne hat denn auch das Bundesgericht in einem
analogen Falle entschieden, wo eine Klage wegen Nichtanhängigmachung binnen
drei Monaten seit dem Vermittlungsvorstand gemäss § 45 der nidwaldn. ZPO vom
kantonalen Gericht als verwirkt erklärt worden war (vgl. BGE 18 S. 4), sowie
wiederholt hinsichtlich der Verwirkung des prozessualen Klagerechts infolge
unbenutzten Ablaufs einer Provokationsfrist (BGE 24 II 656 f.; 47 I 81 f.;
310; vgl. ferner HAFNER, Note 2 zu Art. 146 a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
OR: HELLWIG, System des
deutschen Zivilprozessrechts, I. T. S. 298).

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4.- Wenn die Zivilprozessordnungen der Kantone Bern und Zürich, auf die der
Beschwerdeführer hinweist, eine «Anspruchsverwirkung» im Stadium des
Sühneverfahrens, d.h. durch Nichtgeltendmachung des Leit- oder
Weisungsscheines binnen bestimmter Frist, nicht kennen, so hängt dies mit der
abweichenden Regelung der Streithängigkeit zusammen. In den genannten Kantonen
ist es allerdings zulässig, auch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des
Leitscheines unter gewissen Voraussetzungen neuerdings einen Sühneversuch zu
veranlassen (§ 155 der bern. ZPO und §120 der zürch. ZPO), allein nach diesen
beiden Prozessgesetzen tritt die Streithängigkeit erst nach dem
Vermittlungsversuch ein (in Bern durch Einreichung der Klageschrift beim
zuständigen Richter oder durch Gesuch um Ladung des Beklagten vor denselben, §
160 und 294 ZPO; in Zürich durch Einreichung der Weisung beim Gericht, § 121
ZPO). Die Litiskontestation steht daher einer beliebigen Wiederholung des
Sühneversuches nicht im Wege wie nach dem glarn. Zivilprozessrecht, da der
eigentliche Prozess erst nach dem Vermittlungsversuch einsetzt. Übrigens gibt
es auch andere Kantone, die, wie Glarus, die Litiskontestation mit dem
Aussöhnungsversuch verbinden und im Falle der nicht rechtzeitigen Einlegung
der Weisung beim Gericht den Klageanspruch als verwirkt erklären, so z.B.
Thurgau: §§ 80 u. 85 der bürgerlichen Prozessordnung; St. Gallen: Art. 132 des
Gesetzes betreffend die Zivilrechtspflege.
Dass durch solche Verschiedenheiten des kantonalen Prozessrechtes auch im
Verhältnis zum Bundeszivilrecht abweichende Lösungen sich ergeben können, die
im Interesse der Rechtseinheit zu bedauern sind, ist zuzugeben, indessen,
solange die Kantone das Zivilprozessverfahren selbständig ordnen, nicht zu
vermeiden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 54 II 129
Date : 01. Januar 1927
Published : 06. März 1928
Source : Bundesgericht
Status : 54 II 129
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 87 Ziff. 1 OG: Zivilrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der derogatorischen Kraft des...


Legislation register
BV: 64
OG: 87
OR: 60  146a
ZGB: 6
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24-II-655 • 32-I-654 • 41-II-761 • 43-I-58 • 43-II-124 • 45-I-324 • 45-II-460 • 46-II-333 • 47-I-77 • 48-I-229 • 51-I-272 • 52-II-413 • 54-II-129
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time limit • federal court • defendant • month • forfeiture • cantonal law • lower instance • civil court • within • legal demand • directive • proceeding • civil matter • position • appointment • intermediary • tortuous act • compensation • settlement procedure • abrogation
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