75 Versicherungsverirag. N° 15.

paratorischer Natur hat denn auch das Bundesgericht wiederholt den
Charakter von Hanpturteilen abgesprochen, so in einem Falle, wo ein
Begehren um Sicherstellung des Frauengutes im Streite lag, mit der
Begründung, dass durch eine solche Massnahme lediglich die künftige
Realisierung des materiellen Anspruches, nämlich der Frauengutsfordernng
gesichert werden solle, und weiter auch einem Entscheide über die
Anordnung eines Erbschaftsinventars, da es sich dabei bloss um eine
vorbereitende Verkehr für einen allfälligen Erhteilungsstreit handle
(vgl. BGE 38 II 381 f.; 40 II 106). Aus ähnlichen Gründen hat es auch
die Berufung gegen Entscheide über die Löschung vorläufig eingetragener
Bauhandwerkerpfandrechte als unzulässig erklärt (vgl. BGE 43 II 458).

stellt sich darnach aber die angefochtene Entscheidung nicht als
Haupturteil dar, so kann auf die Berufung nicht eingetreten werden. '

V. vERsicHERUNGSVERTRAG

CONTRAT D'ASSURANCE

15. Urteil der II. Zivilahteilung vom 17. Februar 1927 i. S. Basler
Lebensversiche sgesellschaft gegen Ehegatten Pfenningerrtmann.

A n i w e r t u n g der in Mark bestimmten, jedoch zum schWeizerischen
Versicherungsbestande gehörenden Leihrentenvers icherungsforderungen an
einer schweizerischen Versicherungsgesellschaft.

A. Am 5. April 1904 und am 11. Januar 1905 sehloss der in
Mülhausen wohnende Vater der Zweitklägerin Während vorübergehender
Aufenthalte in Basel am dortigen Geschäftssitze der Beklagten mit
dieserVersicherungsvertrag. N° 15. . :

je zwei Leibrentenverträge zugunsten der Zweitklägerin, seiner Tochter,
ab, und zwar heidernale über vom Jahre 1915 bezw. 1916 an lebenslänglich
zahlbare J ahresrenten von je 400 Mk. und 500 Fr., gegen sofortige
Entrichtung der Prämien, welche für die beiden Markrenten 5319 Mk.
44 bezw. 5196 Mk, 95 und für die beiden Frankenrenten 6566 Fr. 85
Cts. bezw. 6331 Fr. 90 Cts. betrugen. Den Conditions générales der
bezüglichen Polizen ist zu entnehmen :

ART. 5. cc Le paiement des arrérages de rente s'effectue à la Caisse
générale de la Compagnie, a Bäle .....

Von 1915 bis und mit 1923 zahlte die Beklagte die (allein streitigen)
Markrenten jeweilen durch Hingabe von Papiermark. Von 1924 an
verweigerten die Zweitklägerin und ihr Ehemann, der Erstkläger, die
unter dem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft des ZGB stehen,
die Annahme von Papiermarkzahlungen, und im Jahre 1925 erhoben sie die
vorliegende Klage mit den Anträgen :

1. Es sei die Beklagte zu verurteilen zur Zahlung an Kläger l oder
nach ihrer Wahl an beide Kläger gemeinsam von 1975 Fr. 36 Cfs. (= 1600
Mk. Gold) nebst Zins zu 5% ab 987 Fr. 68 Cts. seit 15. April 1924 und
ab 98? Fr. 68 Cts. seit 15. April 1925. Eventuell sei die Währung und
der Betrag der Leistung der Beklagten nach richterliche-In Ermessen
festzusetzen.

2. Es sei festzustellen, dass die Beklagte an Kläger sub I oder
nach ihrer Wahl an beide Kläger gemeinsam aus den näher bezeichneten
-Leibrentenverträgen eine jährliche Rente von 493 Fr. 84 cts. (= 400 Mk.
Gold) pro Polize zu bezahlen hat. Eventuell sei die Währung und der
Betrag der jährlichen Leistung nach richterlichem Ermessen festzusetzen '

B. Durch Urteil vom 30. November 1926 hat das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt zur Zahlung an

78 Versicherungsvertra 3. N° 15.

Kläger l oder nach ihrer Wahl an beide Kläger gemeinsam von 1600
Reichsmark (eventuell 1975 Fr. 36 Cts.) nebst 5% Zins ab 800 Reichsmark
(eventuell 987 Fr. 68 Cts.) seit 15. April 1924 und ab 800 Reichsmark
(eventuell 987 Fr. 68 cts.) seit 15. April 1925.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte an Klägerin ] oder nach
ihrer Wahl an beide Kläger gemeinsam aus den näher bezeichneten
-Leibrentenverträgen eine jährliche Rente von 400 Reichsmark (eventuell
493 Fr. 84 Cts. pro Polize) zu bezahlen hat.

C. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
eingelegt mit den schon der Klage entgegengestellteu -Anträgen :

Es sei die Klage gänzlich abzuweisen.

Eventuell sei die Rente der Kläger nur so weit aufzuwerten, als deutsche
Versicherte der Beklagten mit gleichartigen Rentenversicherungen nach
Durchführung des Aufwertungsverfahrens zugesprochen erhalten, oder es
sei die Rente nach richterliehem Ermessen auf einen niedrigen Markbetrag
festzusetzen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. _ (Anwendung des schweizerischen Rechtes).

Mit Recht haben die Verinstanzen die streitigen Leibrentenverträge
zum schweizerischen Versicherungsbestande der Beklagten gerechnet,
entsprechend dem schweizerischen Erfüllungsorte und ungeachtet der
Wahl der deutschen Landeswährung zur Bestimmung des Gegenstandes
der gegenseitigen Leistungen (vgl. Art. 2 Ziff. 1 des Bundesgesetzes
über die Kautionen der Ver-sieherungsgeselisehaften von 1919). Die
Beklagte hat dies übrigens dadurch anerkannt, dass sie nicht geltend
machte, weder seien die streitigen Verträge der deutschen Aufsicht
unterstellt, noch tatsächlich in das deutsche Verfahren zur Aufwertung
von Versicherungsansprüchen einbezogen worden.

2. (Bestimmung des Leistungsgegenstandes.)

Versicherungsvertrag. N° 15. 79

3. Zwar ist davon auszugehen, dass sich der vereinbarte
Leistungsgegenstand gegenwärtig in jährlich je 400 Papiermark
erschöpft. Nichtsdestoweniger muss den Klägern zugestanden werden, dass
sie in Ausübung ihrer durch die Leibrentenverträge begründeten Rechte
nach Treu und Glauben handeln, wenn sie sich nicht mit einer Leistung
begnügen, die so gering ist, dass zur Zeit des Abschlusses der Verträge
gar kein Geldzeichen bestund, durch dessen Hingabe sie hätte entrichtet
werden können, und der Beklagten muss entgegengehalten werden, dass sie
nicht nach Treu und Glauben handelt, wenn sie in Erfüllung der durch
die Leibrentenverträge eingegangenen Pflichten Leistungen entrichten
will, die zum Gegenstand von Leibrentenverträgen zu machen sie wegen
deren Geringfügigkeit jederzeit mit Entschiedenheit abgelehnt haben
würde. Dies gilt vor allem im Falle, dass die vom Vater der Klägerin
seinerzeit entrichteten Leistungen in den Händen der Beklagten nicht
von der Entwertung der Mark betroffen worden sind, weil diese sie,
besonders im Umfang der Prämienreserve, nicht in deutschen oder
überhaupt nicht in summenmässig bestimmten Vermögenswerten angelegt
hat. Die Vorinstanz hat ersteres angenommen, indem sie den Beweis für
die Anlage der Prämienreserve in deutschen Werten nicht als geleistet,
ja nicht einmal als genügend angetreten erachtete. Hiegegen vermag die
Beklagte zunächst nicht mit dem blossen Hinweis darauf aufzukommen, dass
ein Grundsatz der Versicherungstechnik die Anlage der Prämienreserve in
deutschen Werten geboten habe. so unverrückbar, dass sich die Beklagte
nicht ss hätte herausnehmen dürfen, davon abzuweichen, ohne sich dem
Vorwurf unsolider Geschäftsführung auszusetzen, stand dieser Grundsatz
vor dem Weit-kriege nicht fest, wie sich daraus ergibt, dass die deutsche
Versicherungsaufsichtsgesetzgebung die Anlage der Prämienreserve in
deutscher Währung forderte ohne Rücksicht auf die zur Bestimmung der

80 Versicherungsvertrag N° 15.

Versicherungssurnme verwendete Währung, was ja frei-

lich anderen als versicherungstechnischen Gründen zu_

zuschreiben sein mag, aber nichtsdestoweniger zeigt, dass die Anlage
des Prämicnreservefonds in Werten anderer Währung als derjenigen
der Versicherungssumme nicht als mit solider Geschäftsführung
vollständig unvereinbar angesehen wurde. Ebensowenig erweist
sich die Aktenwidrigkeitsrüge als begründet; denn wieso durch
einen Sachverständigen anders als auf Grund der Bücher der Beklagten
festgestellt werden könnte, dass sie die Prämienreserve für eine bestimmte
Versicherung tatsächlich in schweizerischen oder aber in deutschen Werten
angelegt habe, ist nicht erfindlich; ist aber aus den Büchern nichts
zu ersehen, so folgt daraus eben einfach, dass es der Beklagten nicht
möglich ist, den ihr auferlegten Beweis zu leisten. Indessen ist jene
Feststellung überhaupt nicht schlechthin ausschlaggebend. Einmal besteht
zwischen Versicherungsleistung und Prämienreserve keinerlei rechtlicher
Zusammenhang, kraft dessen die erstere nach der letzteren bemessen
werden könnte. Sodann würde die Rentenzahlung in entwerteter Papierrnark
Treu und Glauben selbst dann wiedersprechen, wenn die Prämienreserve iu
Papiermark angelegt und infolgedessen ebenfalls entwertet worden wäre,
weil die Beklagte durch die Aufwertung dieser Vermögensanlagen ja einen
Teil des Verlustes wieder einbringt. ss

Anderseits vermag die Anlage der Prämienreserve in schweizerischen
Werten doch deswegen nicht eine Aufwertung auf den vollen Kurswert zu
rechtfertigen, weil die Beklagte infolge dieser Art und Weise der Anlage
das Risiko einer allfälligen Entwertung des Schweizerfrankens getragen
hat, was die Vorinstanzen vollständig ausser acht gelassen haben. Aus
dieser letzteren Überlegung folgt, dass für die Aufwertung nicht allein
der Gesichtspunkt der Bereicherung massgebendv sein darf, ganz abgesehen
davon, dass eine Bereicherung-'

Versicherungsvertrag. N° 15. 81

nicht als ungerechtfertigt im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann,
wenn sie ihre Begründung in der Münzgesetzgebung findet. Vielmehr muss
sich die Beklagte zu einer Aufwertung der Renten deswegen herbeilassen,
weil es mit Treu und Glauben nicht vereinbar ist, dass sie das Risiko der
Entwertung der deutschen Währung von den Klägern allein getragen wissen
will. Dass der Gläubiger der Geldentwertung ausgesetzt ist -und zwar in
ungleich höherem Masse als der Schuldner der Erhöhung des Geldwertes ,
kommt einzig daher, dass für die Bewertung des Geldes dessen Nennwert als
massgebend bezeichnet werden musste, um die moderne Geldwirtschaft von den
Unzuträglichkeiten der Kurswertberechnung zu befreien. Ein innerer Grund,
aus welchem es gerechtfertigt wäre, dass der Gläubiger dieses Risiko bis
auf nahezu den vollen (Kurs-) Wert des Geldes allein trage, ist nicht
ersichtlich, zumal wenn, wie es hier zutrifft, der Schuldner ein Gewerbe
betreibt, welches ohne die Grundlage der modernen Geldwirtschaft überhaupt
undankbar wäre, ja wenn geradezu dessen Existenz erst durch die moderne
Geldwirtschaft ermöglicht worden ist. Hiebei macht es keinen Unterschied
aus, ob die Geldschuld in inländischer oder irgend einer ausländischen,
zur Zeit des Vertragsschlusses soliden Währung bestimmt worden ist ;
übrigens vermag die Beklagte aus der Wahl einer ausländischen Währung
zur Bestimmung der Prämie und der Rentenleistungen nichts weiteres mehr
herzuleiten, da sie ja ohne Vorbehalt in dieser Währung kontrahiert
hat. Nachdem durch das deutsche Münzgesetz vom 30. August 1924 eine
neue Währung auf Grund der Reichsmark eingeführt und hiebei eine
Billion Mark bisheriger Währung einer Reichsmark gleichgesetzt werden
ist, lässt sich die aus der Entwertung der bisherigen Währung für den
Gläubiger entstandene Einbusse nun auch endgültig feststellen und kann
daher der Aufwertung nicht mehr entgegengehalten werden, aus einer
allfälligen Erholung

AS 53 II 1927 6

82 Versicherungsvertrag. N° 15.

der Währung könnte nur der Gläubiger nachträglich noch Nutzen ziehen.

Frägt sich, in welchem Masse der Verlust aus der Entwertung der
Mark auf die Rentengläubiger einerseits und den Rentenschuldner
anderseits zu verlegen sei, so muss von der Heranziehung der deutschen
Aufwertungsgesetzgebung abgesehen werden. Die die Aufwertung von
Versicherungsansprüchen der streitigen Art regelnden §§ 59 61
des deutschen Aufwertungsgesetzes vom 16. Juli 1925 gehen von der
Voraussetzung aus, dass die Prämienreserven in deutschen Werten
gebildet worden seien, die auch ihrerseits zwar aufgewertet werden,
aber gleichwohl zusammen mit dem übrigen Vermögen des Versicherers nicht
zur Befriedigung der Versicherungsansprüche auszureichen vermöchten,
wenn diese auf 100% ' des Goldmarkbetrages aufgewertet würden. Daher
müssen jene Vorschriften entgegen dem erstinstanzlichen Urteil da ausser
Betracht fallen, wo ganz andere Voraussetzungen zutreffen, nämlich die
Prämienreserven aus schweizerischen Werten bestehen und daher für sich
allein schon zur Deckung der auf 100% des Goldmarkbetrages aufgewerteten
Versicherungsansprüche hinreichen, und infolgedessen auch das Ergebnis
ihrer Anwendung ein ganz anderes wäre, nämlich dass selbst ohne Zuschuss
aus dem übrigen Vermögen des Versicherers eine Aufwertung auf 100 %
des Goldmarkbetrages stattfinden könnte. Anderseits kann der Beklagten
eine höhere Aufwertung zugemutet werden, als wenn davon ausgegangen
würde, dass die Prämienreserven oder gar alles Vermögen der Beklagten in
deutschen Werten angelegt worden seien. Freilich hat auch die Beklagte
aus der Entwertung der bisherigen deutschen Währung Einbussen erlitten,
da sie die Prämienreserven für ihren deutschen Versicherungsbestand in
deutschen Werten hatte anlegen müssen und nach dem von der Vorinstanz
beim Eidgenössischen Versicherungsamt eingehalten Bericht auch darüber

Versicherungsvertrag. N° 15. ' 83

hinaus noch deutsche Werte besass. Allein die Akten bieten keine
Anhaltspunkte dafür, dass letztere nicht bloss einen verhältnismässig
geringen Teil des Vermögens der Beklagten ausgemacht haben, und den
deutschen Versicherungsbestand wird die Beklagte dank den erwähnten
deutschen Aufwertungsvorschriften im wesentlichen durch Preisgabe der
zur Bildung der Prämienreserven gemachten deutschen Vermögensanlagen
liquidieren können, ohne aus dem übrigen Vermögen eine Summe zuschiessen
zu müssen, deren Verlust ihr finanzielles Gleichgewicht ernstlich zu
gefährden vermöchte. Auch darf angenommen werden die Beklagte hat nichts
gegenteiliges dartun können , dass der schweizerische Versicherungsbestand
der Beklagten nur verhältnismässig wenige Polizen mit Versicherungssummen
in ausländischer, zumal bisheriger deutscher Währung aufweise, und dass
daher deren Aufwertung, auch wenn sie in weitgehendem Masse zugestanden
wird, nicht eine Gefährdung der übrigen Verpflichtungen der Beklagten zur
Folge haben oder von ihr sonstwie als drückend empfunden werde. Endlich
darf berücksichtigt werden, dass es im eigenen geschäftlichen Interesse
der Beklagten wie überhaupt im allgemeinen Interesse liegt, wenn
die Rentenversicherung, zumal bei verhältnismässig geringer Höhe der
Rentenbeträge, nicht dadurch der Ungunst des Publikums ausgesetzt wird,
dass bei ihrer Aufwertung zu sehr zurückgehalten wird. Auf Seite der
Kläger liegt nichts vor, was für eine besonders weitgehende Aufwertung
sprechen würde, weder im Hinblick auf den mit dem Vertrag verfolgten
Zweck, noch auf ihre finanzielle Lage, indem sie nicht geltend gemacht
haben, sie bedürfen der Rentenleistungen zu ihrem Unterhalt. Gleichwohl
darf aus den erörterten Gründen der finanzkräftigen Beklagten eine
grössere Anteilnahme an dem durch die Entwertung der bisherigen deutschen
Währung herbeigeführten Verlust der Kläger auf den rückständigen und
den künftig fällig werdenden

84 Eisenbahnhaftpfliehi. N° 16.

Rentenbeträgen zugemutet werden, nämlich im Umfange von 70 %.

4

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird dahin teilweise begründet erklärt, dass in Abänderung
des Urteiles des Appellationsgerichtes des Kantons Basel-Stadt vom
30. November 1926 die Summen, welche die Beklagte an die Kläger zu
bezahlen hat, je auf 70% der dort genannten Beträge herabgesetzt werden.

V I. E ISENBAHNHAFTPFL ICHT

RESPONSABILITssÉ CIVILE DES CHEMINS DE FER

16. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Februar
1927 i. S. Eigenmann gegen Politische Gemeinde St. Gallen. Eisenh
ahnhaftpflicht: Zusammenstoss eines in zu raschem Tempo fahrenden
Radfahrers mit einem Tramzug bei der Einmündung einer abschüssigen,
schmalen Seitenstrasse in eine Hauptstrasse, unmittelbar nach einer

erfolgten Tramzugkreuzung. Konkurrenz von selbstverschulden mit erhöhter
Betriebsgefahr. EHG Art. 1 und 5.

Tatbestand :

Am 5. August 1925, kurz vor nachmittags 2 Uhr, fuhr der zwanzigjährige
Ernst Eigenmann in St. Gallen mit seinem Velo die etwas abschüssige
Kanzleistrasse hinunter in der Absicht, sich zu seiner Arbeitsstätte
bei Julius Ochsner, hintere Schützengasse, zu begeben, wo er als
Schreibmaschinenreparateur tätig war. Im Momente, als er in die
St. Leonhardstrasse einbiegen wollte, kam vom Broderbrnnnen her ein
westwärts, nach dem Helvetiaplatz fahrender, aus einem Motorwagen mit
An-Eisenbahnhaftpflicht. N° 16. 85

hänger bestehender Tramzug, nachdem fast gleichzeitig ein in
entgegengesetzter Richtung fahrender T ramzug die Einmündung der
Kanzleistrasse gekreuzt hatte. Eigenmann, der das Herannahen des
eistgenannten Zuges offenbar zu spät bemerkt hatte, fuhr mit diesem
zusammen und wurde mit solcher Wucht zu Boden geschleudert, dass er an
den dadurch erlittenen Verletzungen tags darauf starb.

In der Folge strengten die Eltern des Veruniallten, Karl Eigenmann und
Frau Clementina Eigenmann geb. Studach, gegen die Politische Gemeinde
der Stadt St. Gallen als Eigentümerin der städtischen Tramunternehmnng
auf Grund des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes eine Schadenersatzklage
an, indem sie für die ihnen durch den Unfall entstandenen Kosten, für
entgangene Unterstützung, die ihnen der Verunfailte hätte leisten können,
sowie für Genugtuung insgesamt 12,000 Fr., eventuell einen Betrag nach
richterlichem Ermessen geltend machten.

Mit Urteil vom 5. November 1926 hat das Kantonsgericht von St. Gallen
die Klage (in Abweichung von der ersten Instanz, die den Klägern
einen Betrag von 2500 Fr. zugesprochen hatte)abgewiesen, weil der
Uni-ali ausschliesslich auf das Selbstversehulden des Verunglückten
zurückzuführen sei.

Die von den Klägern hiegegen erhobene Berufung wurde vom Bundesgericht
teilweise gutgeheissen.

Aus den Erwägungen .-

Zu Unrecht hat die Vorinstanz das Vorliegen einer mit dem
Selbstverschulden des Verunglückten konkurrierenden besonderen
Betriebsgefahr verneint. Ihr Hinweis darauf, dass der Unfall auch
dann'sich ereignet hätte, Wenn anstatt des fraglichen Tramzuges im selben
Moment ein anderes Fahrzeug die Einmündung der Kanzleistrasse gekreuzt
hätte, ist nicht schlüssig. Die ,Vorinstanz übersicht, dass infolge des
Gewichtes der
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 53 II 76
Datum : 17. Februar 1927
Publiziert : 31. Dezember 1927
Quelle : Bundesgericht
Status : 53 II 76
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 75 Versicherungsverirag. N° 15. paratorischer Natur hat denn auch das Bundesgericht


Gesetzesregister
EHG: 1
BGE Register
38-II-380 • 40-II-102 • 43-II-457
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
1919 • anlage • ausmass der baute • basel-stadt • bauhandwerkerpfandrecht • begründung des entscheids • beklagter • bereicherung • betriebsgefahr • betrug • bundesgericht • charakter • deckung • ehegatte • ehg • entscheid • erfinder • erholung • ermessen • erste instanz • fahrender • finanzielles gleichgewicht • geld • geldschuld • genugtuung • gewicht • gold • hauptstrasse • kantonsgericht • kurswert • mass • politische gemeinde • provisorisch • realisierung • richtlinie • schuldner • schweizerisches recht • selbstverschulden • sicherstellung • tag • treu und glauben • uhr • umfang • unternehmung • vater • versicherungsbestand • versicherungstechnik • versicherungsvertrag • vertragsabschluss • verurteilter • verurteilung • vorinstanz • weiler • weisung • wert • wille • wissen • zins