Urteilskopf

150 III 97

11. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_33/2023 vom 20. Dezember 2023

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 98

BGE 150 III 97 S. 98

A.

A.a A.A. (geb. 1964; Beschwerdeführer) und B.A. (geb. 1984; Beschwerdegegnerin) heirateten im Jahr 2009. Sie sind die Eltern der beiden Kinder C.A. (geb. 2009) und D.A. (geb. 2013) und leben seit längerem getrennt. Das Bezirksgericht Zürich regelte das Getrenntleben mit Urteil vom 8. Dezember 2017.
A.b Am 28. Januar 2019 klagte B.A. beim Bezirksgericht auf Scheidung der Ehe. Dieses holte einen Bericht des Beistands der Kinder ein, hörte die Kinder an und bestellte ihnen, nachdem eine Mediation gescheitert war, eine Vertreterin. Am 13. Juli 2021 ging beim Gericht ein psychologisches Gutachten zur Betreuungs- und Erziehungsfähigkeit der Eltern ein. In der Folge konnten diese sich mit Ausnahme der elterlichen Sorge im Wesentlichen auf die Scheidungsnebenfolgen einigen und schlossen am 29. Oktober 2021 eine entsprechende Teilvereinbarung. Dabei nahmen sie die wechselnde Betreuung der Kinder bei gemeinsamer Obhut in Aussicht. Mit Urteil vom 13. Mai 2022 schied das Bezirksgericht die Ehe und genehmigte die Teilvereinbarung vom 29. Oktober 2021. Im Weiteren traf es die folgenden Anordnungen: "2. [B.A.] wird die alleinige elterliche Sorge für die Kinder C.A. [...] und D.A. [...] übertragen. Vorbehalten bleibt Dispositiv-Ziffer 3 dieses Urteils. 3. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder C.A. [...] und D.A. [...] steht den Parteien weiterhin gemeinsam zu. 4. Die Obhut für die Kinder C.A. [...] und D.A. [...] wird beiden Parteien mit wechselnder Betreuung übertragen. Der zivilrechtliche Wohnsitz der Kinder ist bei [B.A.]."
B. Soweit die elterliche Sorge und den Wohnsitz der Kinder betreffend erhob A.A. Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich.
BGE 150 III 97 S. 99

Dieses wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 28. November 2022 unter Kostenfolge ab und bestätigte die Anordnungen des Bezirksgerichts.
C. A.A. gelangt am 11. Januar 2023 mit Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht und beantragt, es sei den Eltern in teilweiser Aufhebung des Urteils des Obergerichts die elterliche Sorge gemeinsam zu belassen und der zivilrechtliche Wohnsitz der Kinder beim Vater festzulegen. Eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen. Bereits am 9. Januar 2023 hatte sich C.A. an das Bundesgericht gewandt und erklärt, er wünsche die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung und die Kindesvertreterin äussert sich nicht zur Sache. B.A. schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht hebt in teilweiser Gutheissung der Beschwerde das angefochtene Urteil teilweise auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. (...)

4.2 Die gemeinsame elterliche Sorge von Vater und Mutter bildet auch im Kontext der Ehescheidung den Grundsatz (Art. 133 Abs. 1 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 133 - 1 Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es:
1    Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es:
1  die elterliche Sorge;
2  die Obhut;
3  den persönlichen Verkehr (Art. 273) oder die Betreuungsanteile; und
4  den Unterhaltsbeitrag.
2    Es beachtet alle für das Kindeswohl wichtigen Umstände. Es berücksichtigt einen gemeinsamen Antrag der Eltern und, soweit tunlich, die Meinung des Kindes.
3    Es kann den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festlegen.
i.V.m. Art. 296 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 296 - 1 Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
1    Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
2    Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter.
3    Minderjährigen Eltern sowie Eltern unter umfassender Beistandschaft steht keine elterliche Sorge zu. Werden die Eltern volljährig, so kommt ihnen die elterliche Sorge zu. Wird die umfassende Beistandschaft aufgehoben, so entscheidet die Kindesschutzbehörde entsprechend dem Kindeswohl über die Zuteilung der elterlichen Sorge.
ZGB), von dem nur dann abgewichen werden soll, wenn eine andere Lösung die Interessen des Kindes ausnahmsweise besser wahrt (BGE 143 III 361 E. 7.3.2). Die Zuteilung der elterlichen Sorge an einen Elternteil allein muss deshalb eine eng begrenzte Ausnahme bleiben (BGE 141 III 472 E. 4), die namentlich in Betracht fällt, wenn die Eltern in einem schwerwiegenden Dauerkonflikt stehen oder in Kinderbelangen anhaltend kommunikationsunfähig sind (BGE 142 III 197 E. 3.5). Vorausgesetzt ist weiter, dass sich die Probleme zwischen den Eltern auf die Kinderbelange als Ganzes beziehen und das Kindeswohl konkret beeinträchtigen (vgl. Art. 298 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298 - 1 In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
1    In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
2    Es kann sich auch auf eine Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken, wenn keine Aussicht besteht, dass sich die Eltern diesbezüglich einigen.
2bis    Es berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.376
2ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft es im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.377
3    Es fordert die Kindesschutzbehörde auf, dem Kind einen Vormund zu bestellen, wenn weder die Mutter noch der Vater für die Übernahme der elterlichen Sorge in Frage kommt.
ZGB). Erforderlich ist die konkrete Feststellung, in welcher Hinsicht das Kindeswohl beeinträchtigt ist (Urteil 5A_377/2021 vom 21. Februar 2022 E. 3.1). Schliesslich ist eine Abweichung vom Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge nur dort am Platz, wo Aussicht darauf besteht, mit der Zuteilung der elterlichen Sorge an einen Elternteil allein eine Entlastung der Situation herbeizuführen (BGE 142 III 197 E. 3.7).
BGE 150 III 97 S. 100

4.3 In der hier zu beurteilenden Situation besteht die Besonderheit, dass den Eltern, obgleich das Sorgerecht umstritten ist, die Obhut über die Kinder, mithin deren tägliche Betreuung (BGE 142 III 612 E. 4.1), gestützt auf die im erstinstanzlichen Verfahren geschlossene Teilvereinbarung gemeinsam übertragen wurde (vgl. vorne Bst. A.b). Die Obhutsregelung, die nicht Gegenstand des Verfahrens vor Bundesgericht ist (BGE 142 I 155 E. 4.4.2; BGE 136 II 457 E. 4.2), bleibt nicht ohne Einfluss auf den Entscheid zur elterlichen Sorge:
4.3.1 Bereits nach altem Recht kam eine alternierende Obhut nur bei gemeinsamer elterlicher Sorge in Frage (vgl. zu Art. 133 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 133 - 1 Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es:
1    Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es:
1  die elterliche Sorge;
2  die Obhut;
3  den persönlichen Verkehr (Art. 273) oder die Betreuungsanteile; und
4  den Unterhaltsbeitrag.
2    Es beachtet alle für das Kindeswohl wichtigen Umstände. Es berücksichtigt einen gemeinsamen Antrag der Eltern und, soweit tunlich, die Meinung des Kindes.
3    Es kann den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festlegen.
ZGB in der Fassung vom 26. Juni 1998 [AS 1999 1131] Urteile 5A_69/ 2011 vom 27. Februar 2012 E. 2.1, in: FamPra.ch 2012 S. 817; 5A_645/2008 vom 27. August 2009 E. 6, in: Pra 2010 Nr. 71 S. 515; 5C.42/2001 vom 18. Mai 2001 E. 3b, in: FamPra.ch 2001 S. 823). Dieser Grundsatz hat mit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle zur elterlichen Sorge am 1. Juli 2014 (AS 2014 357) seine Gültigkeit behalten (vgl. Urteile 5A_46/2015 vom 26. Mai 2015 E. 4.4.3, in: FamPra.ch 2015 S. 981; 5A_928/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.3; 5A_345/2014 vom 4. August 2014 E. 4.2; vgl. auch BGE 142 III 612 E. 3.2.3 und 4.2). Seit der Revision des Kindesunterhaltsrechts (AS 2015 4299; in Kraft seit 1. Januar 2017) ist er in Art. 298 Abs. 2ter
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298 - 1 In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
1    In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
2    Es kann sich auch auf eine Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken, wenn keine Aussicht besteht, dass sich die Eltern diesbezüglich einigen.
2bis    Es berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.376
2ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft es im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.377
3    Es fordert die Kindesschutzbehörde auf, dem Kind einen Vormund zu bestellen, wenn weder die Mutter noch der Vater für die Übernahme der elterlichen Sorge in Frage kommt.
ZGB (betreffend verheiratete Eltern) und Art. 298b Abs. 3ter
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298b - 1 Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge abzugeben, so kann der andere Elternteil die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes anrufen.
1    Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge abzugeben, so kann der andere Elternteil die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes anrufen.
2    Die Kindesschutzbehörde verfügt die gemeinsame elterliche Sorge, sofern nicht zur Wahrung des Kindeswohls an der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter festzuhalten oder die alleinige elterliche Sorge dem Vater zu übertragen ist.
3    Zusammen mit dem Entscheid über die elterliche Sorge regelt die Kindesschutzbehörde die übrigen strittigen Punkte. Vorbehalten bleibt die Klage auf Leistung des Unterhalts an das zuständige Gericht; in diesem Fall entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.380
3bis    Die Kindesschutzbehörde berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.381
3ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft sie im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.382
4    Ist die Mutter minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so weist die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge dem Vater zu oder bestellt dem Kind einen Vormund, je nachdem, was zur Wahrung des Kindeswohls besser geeignet ist.
ZGB (betreffend nicht verheiratete Eltern) verankert. Demnach prüft das Gericht bzw. die Kindesschutzbehörde bei gemeinsamer elterlicher Sorge die Möglichkeit einer alternierenden Obhut. Die Einführung der alternierenden Obhut darf daher auch nach geltendem Recht nur im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge erfolgen (ausdrücklich: Botschaft vom 29. November 2013 zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt], BBl 2014 529, 565; vgl. weiter Urteil 5A_794/2017 vom 7. Februar 2018 E. 3.1; vgl. etwa auch Urteile 5A_454/2022 vom 9. November 2022 E. 3.1; 5A_700/2021 vom 16. September 2022 E. 3.1, in: SJ 2023 S. 231; 5A_844/2019 vom 17. September 2020 E. 3.2.1; COTTIER, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2. Aufl. 2024, N. 9 zu Art. 298
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298 - 1 In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
1    In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
2    Es kann sich auch auf eine Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken, wenn keine Aussicht besteht, dass sich die Eltern diesbezüglich einigen.
2bis    Es berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.376
2ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft es im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.377
3    Es fordert die Kindesschutzbehörde auf, dem Kind einen Vormund zu bestellen, wenn weder die Mutter noch der Vater für die Übernahme der elterlichen Sorge in Frage kommt.
ZGB und N. 8 zu Art. 298b
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298b - 1 Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge abzugeben, so kann der andere Elternteil die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes anrufen.
1    Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge abzugeben, so kann der andere Elternteil die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes anrufen.
2    Die Kindesschutzbehörde verfügt die gemeinsame elterliche Sorge, sofern nicht zur Wahrung des Kindeswohls an der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter festzuhalten oder die alleinige elterliche Sorge dem Vater zu übertragen ist.
3    Zusammen mit dem Entscheid über die elterliche Sorge regelt die Kindesschutzbehörde die übrigen strittigen Punkte. Vorbehalten bleibt die Klage auf Leistung des Unterhalts an das zuständige Gericht; in diesem Fall entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.380
3bis    Die Kindesschutzbehörde berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.381
3ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft sie im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.382
4    Ist die Mutter minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so weist die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge dem Vater zu oder bestellt dem Kind einen Vormund, je nachdem, was zur Wahrung des Kindeswohls besser geeignet ist.
ZGB; AFFOLTER-FRINGELI/VOGEL, Berner Kommentar, 2016, N. 49 zu Art. 298
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298 - 1 In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
1    In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
2    Es kann sich auch auf eine Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken, wenn keine Aussicht besteht, dass sich die Eltern diesbezüglich einigen.
2bis    Es berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.376
2ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft es im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.377
3    Es fordert die Kindesschutzbehörde auf, dem Kind einen Vormund zu bestellen, wenn weder die Mutter noch der Vater für die Übernahme der elterlichen Sorge in Frage kommt.
ZGB und N. 17 zu Art. 298b
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298b - 1 Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge abzugeben, so kann der andere Elternteil die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes anrufen.
1    Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge abzugeben, so kann der andere Elternteil die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes anrufen.
2    Die Kindesschutzbehörde verfügt die gemeinsame elterliche Sorge, sofern nicht zur Wahrung des Kindeswohls an der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter festzuhalten oder die alleinige elterliche Sorge dem Vater zu übertragen ist.
3    Zusammen mit dem Entscheid über die elterliche Sorge regelt die Kindesschutzbehörde die übrigen strittigen Punkte. Vorbehalten bleibt die Klage auf Leistung des Unterhalts an das zuständige Gericht; in diesem Fall entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.380
3bis    Die Kindesschutzbehörde berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.381
3ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft sie im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.382
4    Ist die Mutter minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so weist die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge dem Vater zu oder bestellt dem Kind einen Vormund, je nachdem, was zur Wahrung des Kindeswohls besser geeignet ist.
ZGB). Folglich ist es nicht vorgesehen, in Fällen der Ausübung der elterlichen Sorge durch nur einen Elternteil die alternierende Obhut anzuordnen. Das Gesetz eröffnet mit anderen Worten nicht die Möglichkeit, einem Elternteil zwar (gemeinsam mit dem anderen
BGE 150 III 97 S. 101

Elternteil) die Obhut, nicht jedoch auch das Sorgerecht zuzuweisen, wie die Vorinstanz dies möchte. Vielmehr erfordert die Zuteilung der Obhut in jedem Fall die elterliche Sorge des betreffenden Elternteils (BÜCHLER/CLAUSEN, in: Scheidung, Bd. I, 4. Aufl. 2022, N. 5 zu Art. 298
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 298 - 1 In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
1    In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
2    Es kann sich auch auf eine Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken, wenn keine Aussicht besteht, dass sich die Eltern diesbezüglich einigen.
2bis    Es berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.376
2ter    Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft es im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.377
3    Es fordert die Kindesschutzbehörde auf, dem Kind einen Vormund zu bestellen, wenn weder die Mutter noch der Vater für die Übernahme der elterlichen Sorge in Frage kommt.
ZGB).
4.3.2 Zu beachten ist ausserdem, dass eine Übereinkunft der Eltern in Kinderbelangen das Gericht aufgrund des Offizialgrundsatzes (Art. 296 Abs. 3
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 296 Untersuchungs- und Offizialgrundsatz - 1 Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen.
1    Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen.
2    Zur Aufklärung der Abstammung haben Parteien und Dritte an Untersuchungen mitzuwirken, die nötig und ohne Gefahr für die Gesundheit sind. Die Bestimmungen über die Verweigerungsrechte der Parteien und von Dritten sind nicht anwendbar.
3    Das Gericht entscheidet ohne Bindung an die Parteianträge.
ZPO) nicht zu binden vermag. Ihr kommt einzig der Charakter eines gemeinsamen Antrags zu, den das Gericht in seine Entscheidung einfliessen lässt (Art. 285 lit. d
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 285 Eingabe bei umfassender Einigung - Die gemeinsame Eingabe der Ehegatten enthält:
a  die Namen und Adressen der Ehegatten sowie die Bezeichnung allfälliger Vertreterinnen und Vertreter;
b  das gemeinsame Scheidungsbegehren;
c  die vollständige Vereinbarung über die Scheidungsfolgen;
d  die gemeinsamen Anträge hinsichtlich der Kinder;
e  die erforderlichen Belege;
f  das Datum und die Unterschriften.
ZPO und Art. 133 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 133 - 1 Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es:
1    Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es:
1  die elterliche Sorge;
2  die Obhut;
3  den persönlichen Verkehr (Art. 273) oder die Betreuungsanteile; und
4  den Unterhaltsbeitrag.
2    Es beachtet alle für das Kindeswohl wichtigen Umstände. Es berücksichtigt einen gemeinsamen Antrag der Eltern und, soweit tunlich, die Meinung des Kindes.
3    Es kann den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festlegen.
ZGB; BGE 143 III 361 E. 7.3.1; Urteil 5A_1031/2019 vom 26. Juni 2020 E. 2.2, in: FamPra.ch 2020 S. 1016). Dementsprechend hat das Bezirksgericht eine Regelung zur Obhut über die Kinder der Parteien getroffen, obgleich Letztere hierüber eine Vereinbarung geschlossen hatten (vgl. vorne Bst. A.b). Leitender Gedanke beim Entscheid auch über die (alternierende) Obhut ist das Kindeswohl. Entscheidwesentlich ist sodann namentlich die Erziehungsfähigkeit der Eltern sowie deren Fähigkeit und Bereitschaft, in Kinderbelangen miteinander zu kommunizieren und im Hinblick auf die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zu kooperieren (BGE 142 III 612 E. 3.2.3, 4.2 und 4.3). Von diesen Leitlinien musste sich folglich auch das Bezirksgericht in seinem Entscheid über die Obhut leiten lassen.

4.3.3 Nach dem Ausgeführten erweist es sich als gesetzwidrig, trotz alternierender Obhut der Parteien die elterliche Sorge der Beschwerdegegnerin allein zu übertragen (vgl. E. 4.3.1 hiervor; vgl. auch Urteil 5A_685/2019 vom 9. September 2019 E. 5 a.E.). Daran ändert auch das der Vorinstanz in diesem Bereich grundsätzlich zukommende Ermessen nichts (vgl. nicht publ. E. 2.3), da sie bei dessen Ausübung jedenfalls an den gesetzlichen Rahmen gebunden ist (vgl. HRUBESCH-MILLAUER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 327 und 332 zu Art. 4
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen.
ZGB, mit Hinweisen). Gleichzeitig fragt sich, weshalb ein schwerer Elternkonflikt bestehen soll, der die (ausnahmsweise) Anordnung der alleinigen elterlichen Sorge rechtfertigt, obgleich die Parteien nach gerichtlicher Einschätzung ausreichend zusammenarbeiten können, damit eine alternierende Obhut angeordnet werden kann (vgl. E. 4.3.2 hiervor). Dabei ist freilich zu beachten, dass die elterliche Sorge und die Obhut nicht dieselben Bereiche betreffen (vgl. Art. 301 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1    Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1bis    Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1  die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2  der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.392
2    Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
3    Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.
4    Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
und Abs. 1bis ZGB; BGE 147 III 121 E. 3.2.2; BGE 142 III 612 E. 4.1) und keine direkten Schlüsse vom einen auf den
BGE 150 III 97 S. 102

anderen Bereich möglich sind. Demnach erweist die Beschwerde sich soweit die elterliche Sorge betreffend als begründet.
4.4 Damit ist das angefochtene Urteil hinsichtlich der Anordnung der alleinigen elterlichen Sorge der Beschwerdegegnerin aufzuheben. Mit Blick auf die aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die der Beschwerdeführer nicht in Frage zu stellen vermag (vgl. nicht publ. E. 3), ersichtlichen Spannungen zwischen den Eltern, die eine nicht unerhebliche Intensität aufweisen, rechtfertigt es sich indes nicht, entsprechend dem beschwerdeführerischen Hauptantrag die elterliche Sorge ohne Weiteres bei beiden Elternteilen zu belassen. Die Angelegenheit ist vielmehr entsprechend dem in der Beschwerde gestellten Eventualbegehren an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 107 Entscheid - 1 Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen.
1    Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen.
2    Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es kann die Sache auch an die Behörde zurückweisen, die als erste Instanz entschieden hat.
3    Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen oder der internationalen Amtshilfe in Steuersachen als unzulässig, so fällt es den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels. Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist es nicht an diese Frist gebunden, wenn das Auslieferungsverfahren eine Person betrifft, gegen deren Asylgesuch noch kein rechtskräftiger Endentscheid vorliegt.96
4    Über Beschwerden gegen Entscheide des Bundespatentgerichts über die Erteilung einer Lizenz nach Artikel 40d des Patentgesetzes vom 25. Juni 195497 entscheidet das Bundesgericht innerhalb eines Monats nach Anhebung der Beschwerde.98
BGG), damit diese unter Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge prüfe, ob sich allenfalls in Teilbereichen die Übertragung alleiniger Entscheidbefugnisse auf einen Elternteil rechtfertigt (vgl. BGE 141 III 472 E. 4.7; KILDE/STAUB, Kriterien der Zuteilung von elterlicher Sorge und Obhut bei Trennung der Eltern, in: Elterliche Sorge, Betreuungsunterhalt, Vorsorgeausgleich und weitere Herausforderungen, 9. Symposium zum Familienrecht 2017, Jungo/Fountoulakis [Hrsg.], 2018, S. 215 ff., 221; HAUSHEER/GEISER/AEBI-MÜLLER: Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 7. Aufl. 2022, Rz. 1455). Wegleitend sind die in E. 4.2 hiervor aufgezeigten Kriterien. Zu beachten ist, dass die im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittige Obhutsregelung auch nach der Rückweisung der Sache ans Obergericht nicht mehr in Frage gestellt werden kann (vgl. Urteile 5A_125/2020 vom 31. August 2020 E. 3.2; 5A_171/2019 vom 17. April 2019 E. 2.2; 5A_851/2018 vom 26. Februar 2019 E. 1.5 [mit Hinweis auf BGE 143 IV 214 E. 5.3.3; BGE 135 III 334 E. 2]).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 150 III 97
Date : 20. Dezember 2023
Published : 31. Mai 2024
Source : Bundesgericht
Status : 150 III 97
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 133 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Art. 296 Abs. 2 sowie Art. 298 Abs. 1 und 2ter ZGB; Ehescheidung; elterliche...


Legislation register
BGG: 107
ZGB: 4  133  296  298  298b  301
ZPO: 285  296
BGE-register
135-III-334 • 136-II-457 • 141-III-472 • 142-I-155 • 142-III-197 • 142-III-612 • 143-III-361 • 143-IV-214 • 147-III-121 • 150-III-97
Weitere Urteile ab 2000
5A_1031/2019 • 5A_125/2020 • 5A_171/2019 • 5A_33/2023 • 5A_345/2014 • 5A_377/2021 • 5A_454/2022 • 5A_46/2015 • 5A_645/2008 • 5A_685/2019 • 5A_700/2021 • 5A_794/2017 • 5A_844/2019 • 5A_851/2018 • 5A_928/2014 • 5C.42/2001
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AS
AS 2015/4299 • AS 2014/357 • AS 1999/1131
BBl
2014/529
Pra
99 Nr. 71
FamPra
2001 S.823 • 2012 S.817 • 2015 S.981 • 2020 S.1016
SJ
2023 S.231