Urteilskopf

139 V 6

2. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_276/2012 vom 14. Dezember 2012

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 6

BGE 139 V 6 S. 6

A. Nachdem seine erste Ehefrau am 29. April 2000 verstorben war, sprach die Ausgleichskasse des Kantons Bern (nachfolgend: Ausgleichskasse) dem 1964 geborenen S. ab Mai 2000 eine ordentliche Witwerrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung zu (Verfügung vom 14. Juni 2000). Im Zusammenhang mit einer Abgleichung der Zivilstandsdaten aus dem zentralen Rentenregister der AHV/IV mit denjenigen des Informatisierten Standesregisters erfuhr die Ausgleichskasse im September 2011, dass sich der Versicherte bereits am 2. April 2004 wieder verheiratet hatte. Darauf verfügte die Kasse am 27. September 2011 (sinngemäss) die rückwirkende
BGE 139 V 6 S. 7

Aufhebung der Witwerrente ab Mai 2004 und forderte gleichzeitig sämtliche unrechtmässig bezogenen Rentenbetreffnisse im Gesamtbetrag von Fr. 103'434.- von S. zurück. Auf dessen Einsprache hin reduzierte die Ausgleichskasse den Rückerstattungsbetrag auf Fr. 70'890.-, was den ab Oktober 2006 zu Unrecht ausgerichteten Witwerrenten entspricht (Einspracheentscheid vom 22. November 2011).
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 6. März 2012 ab, soweit es darauf eintrat.
C. S. führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, eine Rückerstattungspflicht sei gänzlich zu verneinen. Überdies lässt er um unentgeltliche Rechtspflege (unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung) im letztinstanzlichen Verfahren ersuchen. Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten (Art. 25 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
erster Satz ATSG [SR 830.1]). Gemäss Art. 25 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
erster Satz ATSG erlischt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei den genannten Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen (BGE 138 V 74 E. 4.1 S. 77 mit Hinweisen).
3. Das kantonale Gericht hat zutreffend festgestellt, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf die bisher bezogene Witwerrente mit dessen Wiederverheiratung vom 2. April 2004 erloschen ist (Art. 23 Abs. 4 lit. a
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 23 Witwen- und Witwerrente - 1 Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben.
1    Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben.
2    Kindern von Witwen oder Witwern sind gleichgestellt:
a  Kinder des verstorbenen Ehegatten, die im Zeitpunkt der Verwitwung mit der Witwe oder dem Witwer im gemeinsamen Haushalt leben und von ihr oder ihm als Pflegekinder im Sinne von Artikel 25 Absatz 3 aufgenommen werden;
b  Pflegekinder im Sinne von Artikel 25 Absatz 3, die im Zeitpunkt der Verwitwung mit der Witwe oder dem Witwer im gemeinsamen Haushalt leben und von ihr oder ihm adoptiert werden.
3    Der Anspruch auf die Witwen- oder Witwerrente entsteht am ersten Tag des dem Tod des Ehemannes oder der Ehefrau folgenden Monats, im Falle der Adoption eines Pflegekindes gemäss Absatz 2 Buchstabe b am ersten Tag des der Adoption folgenden Monats.
4    Der Anspruch erlischt:
a  mit der Wiederverheiratung;
b  mit dem Tode der Witwe oder des Witwers.
5    Der Anspruch lebt auf, wenn die neue Ehe geschieden oder ungültig erklärt wird. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.
AHVG) und die in der Folge unrechtmässig bezogenen Leistungen - unabhängig von einer Meldepflichtverletzung - grundsätzlich zurückzuerstatten sind (Art. 25 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
erster Satz ATSG; vgl. BGE 122 V 134). Nachfolgend zu prüfen ist, ob der Rückforderungsanspruch der Verwaltung verwirkt ist, weil - wie in der Beschwerde geltend gemacht - die hievor angeführte einjährige relative Verwirkungsfrist gemäss Art. 25 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
ATSG bereits abgelaufen war, als die Ausgleichskasse ihre Rückerstattungsverfügung vom 27. September 2011 erliess. Nicht mehr im Streite liegt, dass selbst bei Verneinung dieser Frage nur die ab Oktober 2006
BGE 139 V 6 S. 8

geleisteten Rentenbetreffnisse im Gesamtbetrag von Fr. 70'890.- zurückgefordert werden können, wogegen die von Mai 2004 bis September 2006 zu Unrecht bezogenen Witwerrenten zufolge Ablaufs der fünfjährigen absoluten Verwirkungsfrist nicht zurückzuerstatten sind.
4.

4.1 Laut bereits angeführtem (E. 2 hievor) Art. 25 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
erster Satz ATSG verwirkt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, "nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat". Unter dieser Wendung ist der Zeitpunkt zu verstehen, in welchem die Verwaltung bei Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung bestehen (SVR 2011 BVG Nr. 25 S. 93, 9C_611/2010 E. 3; vgl. BGE 124 V 380 E. 1 S. 382; BGE 122 V 270 E. 5a S. 274; je mit Hinweisen). Ist für die Leistungsfestsetzung (oder die Rückforderung) das Zusammenwirken mehrerer mit der Durchführung der Versicherung betrauter Behörden notwendig, genügt es für den Beginn des Fristenlaufs, dass die nach der Rechtsprechung erforderliche Kenntnis bei einer der zuständigen Verwaltungsstellen vorhanden ist (BGE 119 V 431 E. 3a S. 433; BGE 112 V 180 E. 4c S. 182; ZAK 1989 S. 558, H 212/88 E. 4b in fine; Urteile 9C_534/2009 vom 4. Februar 2010 E. 3.2.2 und 9C_1057/2008 vom 4. Mai 2009 E. 4.1.2).

4.2 Die Durchführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung erfolgt unter der Aufsicht des Bundes durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Verbandsausgleichskassen, kantonale Ausgleichskassen, Ausgleichskassen des Bundes und eine zentrale Ausgleichsstelle (Art. 49
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 49 Grundsatz - Die Durchführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung erfolgt unter der Aufsicht des Bundes (Art. 76 ATSG240) durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie durch die Verbandsausgleichskassen, kantonalen Ausgleichskassen, Ausgleichskassen des Bundes und eine zentrale Ausgleichsstelle (Durchführungsstellen).
AHVG). Gemäss Art. 61 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 61 Kantonale Erlasse - 1 Jeder Kanton errichtet durch einen Erlass eine kantonale Ausgleichskasse als selbstständige kantonale öffentlich-rechtliche Anstalt. Vorbehalten bleibt Absatz 1bis.319
1    Jeder Kanton errichtet durch einen Erlass eine kantonale Ausgleichskasse als selbstständige kantonale öffentlich-rechtliche Anstalt. Vorbehalten bleibt Absatz 1bis.319
1bis    Die kantonale Ausgleichskasse kann einer kantonalen Sozialversicherungsanstalt angeschlossen sein, sofern diese als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt ausgestaltet ist und über eine vom Kanton unabhängige Verwaltungskommission verfügt.320
2    Der kantonale Erlass bedarf der Genehmigung des Bundes321 und muss Bestimmungen enthalten über:
a  die Aufgaben und Befugnisse des Kassenleiters;
b  die interne Kassenorganisation;
c  ...
d  die Grundsätze, nach welchen die Verwaltungskostenbeiträge erhoben werden;
dbis  die Wahl der Revisionsstelle;
e  die Arbeitgeberkontrolle;
f  die Genehmigung von Jahresrechnung und Geschäftsbericht der Ausgleichskasse;
g  die Errichtung der Verwaltungskommission und über deren Grösse, Zusammensetzung und Zuständigkeiten.
AHVG werden die kantonalen Ausgleichskassen von den Kantonen als selbständige öffentliche Anstalten errichtet. Diese unterhalten in der Regel für jede Gemeinde eine Zweigstelle; wo die Verhältnisse es rechtfertigen, kann für mehrere Gemeinden eine gemeinsame Zweigstelle errichtet werden (Art. 65 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 65 Zweigstellen - 1 Die Verbandsausgleichskassen können in einzelnen Sprachgebieten oder in Kantonen, in denen sich eine grössere Zahl ihnen angeschlossener Arbeitgeber und Selbständigerwerbender befindet, Zweigstellen errichten. Sofern in einem Sprachgebiet oder einem Kanton eine grössere Anzahl der Ausgleichskasse angeschlossener Arbeitgeber und Selbständigerwerbender dies verlangt, ist daselbst eine Zweigstelle zu errichten.
1    Die Verbandsausgleichskassen können in einzelnen Sprachgebieten oder in Kantonen, in denen sich eine grössere Zahl ihnen angeschlossener Arbeitgeber und Selbständigerwerbender befindet, Zweigstellen errichten. Sofern in einem Sprachgebiet oder einem Kanton eine grössere Anzahl der Ausgleichskasse angeschlossener Arbeitgeber und Selbständigerwerbender dies verlangt, ist daselbst eine Zweigstelle zu errichten.
2    Die kantonalen Ausgleichskassen können Zweigstellen errichten.351
3    Die Kantonsregierungen sind befugt, für das Personal der kantonalen Verwaltungen und Betriebe sowie für die Angestellten und Arbeiter der Gemeinden Zweigstellen der kantonalen Ausgleichskasse zu errichten.
AHVG). Laut Art. 116 Abs. 1
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 116 Aufgaben der Zweigstellen - 1 Errichten Kantone Zweigstellen kantonaler Ausgleichskassen, so regeln sie deren Aufgaben im kantonalen Erlass nach Artikel 61 Absatz 1 AHVG.382
1    Errichten Kantone Zweigstellen kantonaler Ausgleichskassen, so regeln sie deren Aufgaben im kantonalen Erlass nach Artikel 61 Absatz 1 AHVG.382
2    Errichten Verbandsausgleichskassen Zweigstellen, so regeln sie deren Aufgaben im Kassenreglement.383
3    Wird einer Zweigstelle die Befugnis zum Erlass von Kassenverfügungen übertragen, so kann die Ausgleichskasse die Zustellung eines Doppels verlangen, die Verfügungen überprüfen und nötigenfalls berichtigen.
der bundesrätlichen Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV; SR 831.101) haben die Gemeindezweigstellen der kantonalen Ausgleichskassen in allen Fällen u.a. folgende Aufgaben zu übernehmen: Auskunftserteilung (lit. a); Entgegennahme und Weiterleitung von Korrespondenzen (lit. b); Abgabe der Formulare und der einschlägigen Vorschriften (lit. c) sowie Mitwirkung bei der Erfassung aller Beitragspflichtigen (lit. g); den Gemeindezweigstellen können weitere Aufgaben übertragen werden.
BGE 139 V 6 S. 9

Im Kanton Bern errichten die Einwohnergemeinden Zweigstellen der kantonalen Ausgleichskasse; mehrere Einwohnergemeinden können eine Zweigstelle gemeinsam führen (Art. 7 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 7 3. Globallöhne - Der Bundesrat kann für mitarbeitende Familienmitglieder in der Landwirtschaft Globallöhne festsetzen.
und 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 7 3. Globallöhne - Der Bundesrat kann für mitarbeitende Familienmitglieder in der Landwirtschaft Globallöhne festsetzen.
des kantonalen Einführungsgesetzes vom 23. Juni 1993 zum AHVG [EG AHVG; BSG 841.11]). Nach Abs. 5 der letztgenannten Gesetzesbestimmung werden die Aufgaben und Befugnisse der Zweigstellen durch Verordnung des Regierungsrates geregelt. Gestützt darauf hat der Regierungsrat des Kantons Bern als weitere Aufgaben im Sinne von Art. 116 Abs. 1
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 116 Aufgaben der Zweigstellen - 1 Errichten Kantone Zweigstellen kantonaler Ausgleichskassen, so regeln sie deren Aufgaben im kantonalen Erlass nach Artikel 61 Absatz 1 AHVG.382
1    Errichten Kantone Zweigstellen kantonaler Ausgleichskassen, so regeln sie deren Aufgaben im kantonalen Erlass nach Artikel 61 Absatz 1 AHVG.382
2    Errichten Verbandsausgleichskassen Zweigstellen, so regeln sie deren Aufgaben im Kassenreglement.383
3    Wird einer Zweigstelle die Befugnis zum Erlass von Kassenverfügungen übertragen, so kann die Ausgleichskasse die Zustellung eines Doppels verlangen, die Verfügungen überprüfen und nötigenfalls berichtigen.
in fine AHVV die Entgegennahme von Anmeldungen und Leistungsgesuchen, die Weiterleitung der überprüften Unterlagen sowie die laufende Meldung aller erheblichen Veränderungen den Gemeindezweigstellen übertragen (Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung vom 4. November 1998 über die kantonale Ausgleichskasse und ihre Zweigstellen [AKBV; BSG 841.111]). Überdies wirken die Zweigstellen nach Art. 10 Abs. 2 AKBV u.a. mit bei der Überprüfung von Leistungsansprüchen (lit. d) und von Arbeitgebern, die nicht der Arbeitgeberkontrolle unterstehen (lit. e).
5.

5.1 Die vorliegenden (Renten-)Akten enthalten keinerlei Anhaltspunkte für den vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand, wonach die Ausgleichskasse oder deren Zweigstelle X. bereits vor der im September 2011 erfolgten Datenabgleichung zwischen zentralem Rentenregister und Informatisiertem Standesregister Kenntnis von der Wiederverheiratung im April 2004 gehabt hätten. Der Beschwerdeführer macht denn auch geltend, "als juristischer Laie" sei er sich "nicht bewusst" gewesen, dass er die Zivilstandsänderung den AHV-Organen hätte melden müssen, "da bisher alles durch die Behörden geregelt" worden sei. Die Wiederverheiratung sei der Zivilstandsbehörde bekannt gewesen und somit auch der AHV-Zweigstelle X. Im Zusammenhang mit dem Down-Syndrom seines Sohnes hätten überdies periodisch Hausbesuche von IV-Abklärungspersonen stattgefunden, welche jeweils (auch) von der zweiten Ehefrau empfangen worden seien. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stellt, das Wissen von Zivilstandsbehörde und IV-Stelle um die neuerliche Heirat sei auch den AHV-Organen zuzurechnen, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. b
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 63 Aufgaben der Ausgleichskassen - 1 Den Ausgleichskassen obliegen insbesondere die folgenden Aufgaben:330
1    Den Ausgleichskassen obliegen insbesondere die folgenden Aufgaben:330
a  die Festsetzung, die Herabsetzung und der Erlass der Beiträge;
b  die Festsetzung der Renten und Hilflosenentschädigungen331;
c  der Bezug der Beiträge sowie die Auszahlung der Renten und Hilflosenentschädigungen;
d  die Abrechnung über die bezogenen Beiträge und die ausbezahlten Renten und Hilflosenentschädigungen333 mit den ihnen angeschlossenen Arbeitgebern, Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen einerseits und mit der Zentralen Ausgleichsstelle anderseits;
e  der Erlass von Veranlagungsverfügungen und die Durchführung des Mahn- und Vollstreckungsverfahrens;
f  die Führung der individuellen Konten334;
g  der Bezug von Verwaltungskostenbeiträgen.
2    Den kantonalen Ausgleichskassen obliegt überdies die Kontrolle über die Erfassung aller Beitragspflichtigen.
3    Der Bundesrat kann den Ausgleichskassen im Rahmen dieses Gesetzes weitere Aufgaben übertragen.335 Er regelt die Zusammenarbeit zwischen den Ausgleichskassen und der Zentralen Ausgleichsstelle.336
4    ...337
5    ...338
und c AHVG obliegt die Festsetzung und die Auszahlung der AHV-Renten (und somit auch die Rückforderung unrechtmässig bezogener Renten) allein den Ausgleichskassen
BGE 139 V 6 S. 10

(vgl. auch die in vorstehender E. 4.2 dargelegte Zuständigkeitsregelung). Offenkundig können weder Zivilstandsbehörde noch IV-Stelle als mit der Durchführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung betraute Behörden im Sinne der angeführten Rechtsprechung gelten (E. 4.1 hievor in fine). Die Kenntnis einer in diesem Lichte unzuständigen Verwaltungsstelle vermag die einjährige Verwirkungsfrist des Art. 25 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
erster Satz ATSG nicht auszulösen. An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, dass die Ausgleichskasse bei einer früheren Abgleichung des zentralen Rentenregisters mit den Daten der Zivilstandsbehörden auch entsprechend früher auf die Wiederverheiratung des Beschwerdeführers gestossen wäre. Anzumerken bleibt, dass dem Zivilstandsregister gegenüber Sozialversicherungsträgern rechtsprechungsgemäss keine (mit dem Handelsregister vergleichbare) Publizitätswirkung beizumessen ist (SVR 2002 IV Nr. 2 S. 5, I 678/00 E. 3b).
5.2 In Verdeutlichung seiner im kantonalen Verfahren vorgetragenen Sachverhaltsdarstellung macht der Beschwerdeführer letztinstanzlich geltend, dass er in den Jahren vor seiner zweiten Eheschliessung Kinderbetreuerinnen angestellt gehabt und für diese AHV-Beiträge abgerechnet habe. In der Folge seien ihm von der AHV-Zweigstelle X. noch mehrmals entsprechende Lohnbescheinigungsformulare zugestellt worden, welche er "jeweils mit dem Vermerk 'Aufgrund Wiederverheiratung hinfällig' retourniert habe". Über diesbezügliche Unterlagen verfügt der Beschwerdeführer selber offenbar nicht (mehr); immerhin findet sich in seinen vorinstanzlich eingereichten Akten die Kopie des Lohnbescheinigungsformulars für das Jahr 2006, welches seine Unterschrift und das Datum vom 15. Oktober 2007 trägt und zudem mit dem handschriftlichen Vermerk "=> keine Personen mehr beschäftigt!" versehen wurde. Der Frage, ob der Beschwerdeführer die (weiter nicht ausgefüllten) Formulare für die Lohnabrechnungen der Jahre 2004 und 2005 sowie allenfalls 2007 ff. tatsächlich mit einem Verweis auf seine neuerliche Eheschliessung an die zuständige AHV-Zweigstelle X. (vgl. E. 4.2 hievor) zurückgesandt hat, ist entscheidwesentliche Bedeutung beizumessen: Art. 25 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
erster Satz ATSG verlangt bloss, dass die Versicherungseinrichtung (hier die Ausgleichskasse) vom Rückforderungsanspruch Kenntnis erhält; auf welchem Wege dies geschieht, spielt grundsätzlich keine Rolle. So hat sich eine Ausgleichskasse das Wissen um einen zur Rentenrückforderung Anlass gebenden Sachverhalt rechtsprechungsgemäss auch dann anrechnen zu lassen, wenn ihr
BGE 139 V 6 S. 11

dieser im Zusammenhang mit der beitragsrechtlichen Erfassung des Rentenbezügers als Nichterwerbstätiger zur Kenntnis gelangte (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 26/93 vom 25. Oktober 1995 E. 4d). Dies muss auch gelten, wenn die Kenntnisnahme durch die Kasse im Rahmen der Erfassung des Rentenbezügers als beitragspflichtiger Arbeitgeber erfolgt. Falls die Ausgleichskasse des Kantons Bern oder deren Gemeindezweigstelle X. tatsächlich auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Art und Weise wiederholt von der neuerlichen Heirat vom 2. April 2004 erfahren hat, wäre der Rückforderungsanspruch zufolge Ablaufs der einjährigen Verwirkungsfrist längst erloschen gewesen, als die Kasse am 27. September 2011 die Rückerstattung der unrechtmässig bezogenen Witwerrenten verfügte. Etwas anderes gilt nur für die innerhalb eines Jahres vor Erlass der Rückerstattungsverfügung ausgerichteten Rentenbetreffnisse: Der diesbezügliche Rückforderungsanspruch konnte solange nicht verwirken, als die monatlichen Renten noch gar nicht ausbezahlt waren (BGE 122 V 270 E. 5b/bb S. 276; SVR 2012 IV Nr. 33 S. 131, 9C_363/2010 E. 3.1 und 3.2).
5.3 Die Ausgleichskasse hat in ihrer Vernehmlassung ebenso wenig wie das kantonale Gericht oder das BSV zu den letztinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers Stellung bezogen. Die Kasse hat auch davon abgesehen, die beitragsrechtlichen Akten des Beschwerdeführers nachzureichen. Im Lichte vorstehender Erwägungen ist es jedoch unabdingbar, die Frage nach der Verwirkung der Rückerstattungsforderung nicht nur auf der Grundlage der leistungsbezogenen, sondern auch der beitragsbezogenen Kassenunterlagen zu beantworten. Die Sache wird deshalb zur Einholung sämtlicher den Beschwerdeführer betreffenden Akten der Ausgleichskasse (einschliesslich derjenigen der AHV-Zweigstelle X.) und zu anschliessendem neuen Entscheid über die Rückerstattung der unrechtmässig bezogenen Witwerrenten an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 139 V 6
Date : 14. Dezember 2012
Published : 30. April 2013
Source : Bundesgericht
Status : 139 V 6
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG; Auslösung der Verwirkungsfrist. Eine Ausgleichskasse hat sich das Wissen um einen zur Rentenrückforderung
Classification : Bestätigung der Rechtsprechung


Legislation register
AHVG: 7  23  49  61  63  65
AHVV: 116
ATSG: 25
BGE-register
112-V-180 • 119-V-431 • 122-V-134 • 122-V-270 • 124-V-380 • 138-V-74 • 139-V-6
Weitere Urteile ab 2000
9C_1057/2008 • 9C_276/2012 • 9C_363/2010 • 9C_534/2009 • 9C_611/2010 • H_212/88 • I_26/93 • I_678/00
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