BGE-138-V-86
Urteilskopf
138 V 86
12. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Pensionskasse Basel-Stadt gegen B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_73/2011 vom 17. Januar 2012
Regeste (de):
- Art. 20a Abs. 1 lit. a
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen:
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
- Auslegung der für den Anspruch auf eine Lebenspartnerrente zulässigerweise (E. 4.2) statuierten Voraussetzungen der gemeinsamen Haushaltung (E. 5.1 und 5.1.1) und der gegenseitigen Unterstützungspflicht (E. 5.2.1).
- Das Fehlen eines gemeinsamen Wohnsitzes führt zur Verneinung der Voraussetzung der gemeinsamen Haushaltung im Sinne des § 38 Abs. 1 lit. b PKG (E. 5.1.2 und 5.1.3). Selbst wenn die Voraussetzung erfüllt wäre, besteht kein Anlass für weitere Abklärungen im Sinne einer Rückweisung an die Vorinstanz zwecks Überprüfung der zusätzlichen Voraussetzung der gegenseitigen Unterstützungspflicht wegen diesbezüglich nicht rechtsgenüglicher Substanziierung und ungenügender Beweisführung im kantonalen Verfahren (E. 5.2.2 und 5.2.3).
- Frage offengelassen, ob es sich bei der Voraussetzung des § 38 Abs. 1 lit. c PKG um ein rein formelles Erfordernis ohne konstitutive Wirkung handelt (E. 5.3).
Regeste (fr):
- Art. 20a al. 1 let. a et art. 73 al. 2 LPP; § 38 al. 1 let. b et c de la loi cantonale sur la Caisse de pension du canton de Bâle-Ville (PKG); ménage commun et obligation d'entretien réciproque (let. b) ainsi que communication du bénéficiaire de la rente du vivant de l'assuré (let. c) comme conditions du droit aux prestations pour survivants sous la forme d'une rente de partenaire; exigences en matière de procédure d'action (motivation des allégations et fardeau de la preuve).
- Admissibilité (consid. 4.2) et interprétation des conditions, requises pour le droit à une rente de partenaire, du ménage commun (consid. 5.1 et 5.1.1) et de l'obligation d'entretien réciproque (consid. 5.2.1).
- L'absence d'un domicile commun conduit à nier la condition relative au ménage commun au sens du § 38 al. 1 let. b PKG (consid. 5.1.2 et 5.1.3). Même si la condition était remplie, il ne se justifierait pas de renvoyer la cause à l'instance précédente pour examen de la condition supplémentaire de l'obligation d'entretien réciproque, faute pour l'intimée d'avoir suffisamment motivé sa demande et présenté une offre de preuves suffisante sur ce point en procédure cantonale (consid. 5.2.2 et 5.2.3).
- Question laissée ouverte de savoir si la condition définie au § 38 al. 1 let. c PKG constitue une simple exigence de forme sans effet constitutif (consid. 5.3).
Regesto (it):
- Art. 20a cpv. 1 lett. a e art. 73 cpv. 2 LPP; § 38 cpv. 1 lett. b e c della legge cantonale sulla Cassa pensioni di Basilea-Città (PKG); comunione domestica e obbligo di assistenza e mantenimento reciproco (lett. b) nonché comunicazione in vita del(la) partner avente diritto (lett. c) quali condizioni del diritto a prestazioni per superstiti sotto forma di una rendita del partner; esigenze alla procedura di azione (obbligo di sostanziare e onere della prova).
- Interpretazione delle condizioni stabilite ammissibilmente (consid. 4.2) per il riconoscimento del diritto a una rendita del partner della comunione domestica (consid. 5.1 e 5.1.1) e dell'obbligo di assistenza e mantenimento reciproco (consid. 5.2.1).
- L'assenza di un domicilio comune conduce a negare l'adempimento della condizione della comunione domestica nel senso del § 38 cpv. 1 lett. b PKG (consid. 5.1.2 e 5.1.3). Anche se la condizione fosse soddisfatta, non vi è motivo per ulteriori accertamenti nel senso di un rinvio all'istanza precedente per complemento istruttorio riguardo all'ulteriore condizione dell'obbligo di assistenza e mantenimento reciproco per difetto di una sufficiente motivazione e di una sufficiente amministrazione delle prove su questo punto di procedura cantonale (consid. 5.2.2 e 5.2.3).
- Lasciata aperta la questione di sapere se la condizione di cui al § 38 cpv. 1 lett. c PKG costituisce un requisito meramente formale, senza effetto costitutivo (consid. 5.3).
Sachverhalt ab Seite 88
BGE 138 V 86 S. 88
A. Die 1957 geborene N. war seit dem 1. August 1983 bei der Pensionskasse Basel-Stadt (nachfolgend: Pensionskasse) vorsorgeversichert. Am 31. Juli 2007 liessen sie und die 1961 geborene B. ihre Partnerschaft im schweizerischen Zivilstandsregister eintragen, worüber N. die Pensionskasse informierte. Ab 1. Oktober 2008 bezog N. von der Pensionskasse eine ganze Invalidenrente. Am 29. Juli 2009 verstarb sie. Auf Grund des Todesfalles sprach die Pensionskasse B. am 18. August 2009 eine einmalige Abfindung von Fr. 72'723.60 (drei Ehegatten-Jahresrenten) zu. Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente bestehe nicht, da die eingetragene Partnerschaft keine fünf Jahre gedauert habe. Mit Einspracheentscheid vom 25. November 2009 bestätigte der Verwaltungsrat der Pensionskasse die Verfügung vom 18. August 2009. Zur Begründung führte er an, dass mangels eines gemeinsamen Wohnsitzes die Voraussetzung einer mindestens fünf Jahre dauernden, ununterbrochenen gemeinsamen Haushaltung nicht erfüllt sei.
B. Am 23. Juni 2010 reichte B. Klage beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ein. Sie beantragte im Wesentlichen, die Pensionskasse sei zu verpflichten, ihr rückwirkend ab 1. August 2009 eine Hinterbliebenenrente von jährlich Fr. 24'241.20, eventuell eine obligatorische BVG-Witwenrente von monatlich wenigstens Fr. 905.60, auszurichten (zuzüglich 5 % Zins ab Klageeinreichung). Mit Entscheid vom 7. Dezember 2010 hiess das kantonale Sozialversicherungsgericht die Klage gut. Es sprach B. unter Anrechnung der bereits erhaltenen einmaligen Abfindung von Fr. 72'723.60 ab 1. August 2009 eine Rente von monatlich Fr. 2'020.10 zu, zuzüglich 5 % Zins auf den bereits fällig gewordenen Rentenbetreffnissen seit 23. Juni 2010.
C. Dagegen erhebt die Pensionskasse Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.
BGE 138 V 86 S. 89
B. schliesst auf Abweisung der Beschwerde, eventualiter auf Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht zur Abklärung des massgeblichen Sachverhalts und zur Neubeurteilung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen und das kantonale Gericht verzichten auf eine Vernehmlassung.
D. Das Bundesgericht hat am 17. Januar 2012 eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Gemäss Art. 19 Abs. 1

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 19 Überlebender Ehegatte - 1 Der überlebende Ehegatte hat Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente, wenn er beim Tod des Ehegatten: |

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 19a Überlebende eingetragene Partnerin, überlebender eingetragener Partner - Artikel 19 gilt für die überlebende eingetragene Partnerin oder den überlebenden eingetragenen Partner sinngemäss. |

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 19a Überlebende eingetragene Partnerin, überlebender eingetragener Partner - Artikel 19 gilt für die überlebende eingetragene Partnerin oder den überlebenden eingetragenen Partner sinngemäss. |
2.2 Art. 20a Abs. 1 lit. a

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen: |
BGE 138 V 86 S. 90
Gemäss § 38 Abs. 1 PKG wird die überlebende Lebenspartnerin bzw. der überlebende Lebenspartner gleichen oder verschiedenen Geschlechts hinsichtlich Anspruchsberechtigung und Höhe der Leistungen der überlebenden Ehegattin bzw. dem überlebenden Ehegatten gleichgestellt, sofern zusätzlich beide Partner unverheiratet waren und zwischen ihnen keine Verwandtschaft im Sinne von Art. 95

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.172 |
3. Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (nicht publ. E. 1) und im Übrigen unbestritten ist, hatten die Beschwerdegegnerin und die Versicherte keinen gemeinsamen Wohnsitz. Uneinigkeit besteht unter den Parteien in der Frage, ob die Anspruchsvoraussetzung von § 38 lit. b PKG ("gemeinsame Haushaltung und gegenseitige Unterstützungspflicht") bereits aus diesem Grunde zu verneinen ist.
3.1 Das kantonale Gericht ist zum Schluss gekommen, dass der Anspruch auf eine Hinterlassenenrente gemäss § 38 Abs. 3 (recte: Abs. 1) PKG lediglich eine ununterbrochene Lebenspartnerschaft von bestimmter Dauer bedinge, wobei ein gemeinsamer Wohnsitz nicht Voraussetzung sei. Vielmehr sei für das Vorliegen der Lebensgemeinschaft mit "gemeinsamer Haushaltung und gegenseitiger Unterstützungspflicht" allein entscheidend, ob die beiden Partner bereit seien, einander Beistand und Unterstützung zu leisten. Der Nachweis hierfür (Art. 22 Abs. 1 Reglement) könne mit sämtlichen tauglichen Mitteln erbracht werden. Das kantonale Gericht verwies auf den Ratschlag und Entwurf des Regierungsrates des Kantons
BGE 138 V 86 S. 91
Basel-Stadt vom 29. August 2006 zur Totalrevision des Pensionskassengesetzes vom 20. März 1980, wonach der Nachweis für eine ununterbrochene eheähnliche Gemeinschaft (Zweierbeziehung) nur in der Regel durch den gemeinsamen Wohnsitz erbracht werde. Ausserdem zog es das übergeordnete Recht, d.h. Art. 20a

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen: |
3.2 Die Pensionskasse beruft sich in der Beschwerde vorab auf den klaren Wortlaut von § 38 Abs. 1 lit. b PKG, der die Leistungspflicht unmissverständlich an die gemeinsame Haushaltung binde. Diese setze begrifflich eine gemeinsame örtliche Wohnsituation voraus. Die Voraussetzung einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Haushaltung trage zudem dem Zweckgedanken der beruflichen Vorsorge Rechnung, nämlich der Deckung eines Versorgerschadens. Die Ausweitung des Begriffs der Lebensgemeinschaft auf nicht zusammenlebende, nicht finanziell voneinander abhängige Lebenspartner entspreche nicht dem Grundkonzept der beruflichen Vorsorge. Nebst einem gemeinsamen Haushalt verlange § 38 Abs. 1 lit. b PKG auch eine gegenseitige Unterstützungspflicht. Der diesbezüglich treffendste Beweis liege in der schriftlichen Dokumentation resp. in der Abfassung eines gegenseitigen Unterstützungsvertrags. Da ein solcher nicht nachgewiesen und auch keine Begünstigung erfolgt sei, dürfe die Periode vor der eingetragenen Partnerschaft auch aus diesem Grund nicht angerechnet werden. Gestützt auf eine Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelangt die Beschwerdeführerin schliesslich zur Auffassung, Art. 20a

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen: |
3.3 Die Beschwerdegegnerin bringt im Wesentlichen vor, die Versicherte und sie hätten nicht nur in ökonomischer Hinsicht einen gemeinsamen Haushalt geführt, indem sie gemeinsam eingekauft, zusammen gegessen und geputzt sowie sich die weiteren
BGE 138 V 86 S. 92
Haushaltsarbeiten geteilt hätten. Sie habe die Versicherte auch während ihrer Krebserkrankung bis zu ihrem Tod im Jahre 2009 gepflegt. Auf der anderen Seite sei sie von der Versicherten finanziell unterstützt worden. Die Existenz der gemeinsamen Haushaltung könne nicht bereits deshalb abgelehnt werden, weil sie und die Versicherte während der gesamten Partnerschaft zwei Objekte gemietet hätten, wobei die Wohnung an der Strasse X. nur zum Arbeiten und für gelegentliches Übernachten genutzt worden sei. Der Begriff der gemeinsamen Haushaltung dürfe nicht mit demjenigen des gemeinsamen Wohnsitzes gleichgesetzt werden. Letzterer habe nur deklarative Wirkung. So gelte auch im Eherecht nicht der gemeinsame Wohnsitz, sondern der gemeinsame Haushalt als Anknüpfungspunkt. Für den Nachweis einer Lebenspartnerschaft mit gemeinsamer Haushaltführung oder mit Unterstützungspflicht kämen sämtliche sachdienlichen Unterlagen in Betracht. Art. 22 Reglement schreibe keine besonderen Beweismittel vor.
4.
4.1 Das Bundesgericht hat den Begriff der Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 20a Abs. 1 lit. a

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen: |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 159 - 1 Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
BGE 138 V 86 S. 93
Patientinnenverfügungen, zwei Erklärungen über die Ernennung zur Vormundin bzw. zum Beistand sowie von zwei Generalvollmachten als erbracht.
4.2 § 38 Abs. 1 lit. b PKG bedingt unmissverständlich den Nachweis einer "gemeinsamen Haushaltung und gegenseitigen Unterstützungspflicht". Er macht somit die Begünstigung der Beschwerdegegnerin von einschränkenderen Voraussetzungen als den im Gesetz genannten abhängig. Dies ist, wie das Bundesgericht unlängst in einem Grundsatzurteil erkannt hat, prinzipiell zulässig (BGE 137 V 383 E. 3.2 S. 387 f.). In jenem Fall war der Anspruch auf eine Partnerrente bei einem Konkubinatsverhältnis streitig, welcher unter anderem voraussetzte, dass unmittelbar vor dem Tod während mindestens fünf Jahren ununterbrochen ein gemeinsamer Haushalt geführt wurde. Die hier statuierte Einschränkung unterscheidet sich insoweit davon, als sie nicht nur eine gemeinsame Haushaltung, sondern darüber hinaus eine gegenseitige Unterstützungspflicht fordert. Dieses zusätzliche Element allein ist indessen kein Grund, im vorliegenden Fall die Gestaltungsfreiheit der Vorsorgeeinrichtung, welche vor allem im überobligatorischen Bereich zum Tragen kommt (vgl. Art. 49

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 49 Selbstständigkeitsbereich - 1 Die Vorsorgeeinrichtungen sind im Rahmen dieses Gesetzes in der Gestaltung ihrer Leistungen, in deren Finanzierung und in ihrer Organisation frei. Sie können im Reglement vorsehen, dass Leistungen, die über die gesetzlichen Mindestbestimmungen hinausgehen, nur bis zum Erreichen des Referenzalters ausgerichtet werden. |

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen: |

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen: |
5. Die - nach dem Gesagten zulässigerweise statuierten - zusätzlichen materiellen Voraussetzungen bedürfen, weil sie nicht hinreichend bestimmt sind, der Auslegung.
5.1 Das Bundesgericht hat den Begriff des gemeinsamen Haushalts im zitierten Urteil zeitgemäss weit verstanden. Massgebend müsse sein, dass die Lebenspartner den manifesten Willen hätten, ihre
BGE 138 V 86 S. 94
Lebensgemeinschaft, soweit es die Umstände ermöglichten, als ungeteilte Wohngemeinschaft im selben Haushalt zu leben (BGE 137 V 383 E. 3.3 S. 388 f.). Dabei hatte sich die Auslegung grundsätzlich am Vertrauensprinzip zu orientieren, zumal es um eine Reglementsbestimmung einer privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtung ging. Da es sich bei der Beschwerdeführerin um eine öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung handelt (§ 1 Abs. 1 PKG), hat die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des PKG nach den gewöhnlichen Regeln der Gesetzesauslegung zu erfolgen (BGE 134 V 208 E. 2.2 S. 211; BGE 133 V 314 E. 4.1 S. 316 f.). Danach ist das Gesetz in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich von Sinn und Zweck sowie der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (BGE 137 V 167 E. 3.1 S. 169 f.; BGE 135 II 78 E. 2.2 S. 81; BGE 135 V 215 E. 7.1 S. 229 und 249 E. 4.1 S. 252).
5.1.1 Der Begriff der gemeinsamen Haushaltung sagt für sich allein nichts darüber aus, wie das gemeinsame Wohnen gestaltet sein soll. Seine Verbindung mit der Voraussetzung der gegenseitigen Unterstützungspflicht (vgl. dazu E. 5.2) weist dagegen - in systematischer Hinsicht - auf eine eng zu verstehende Wohngemeinschaft hin. In dieselbe Richtung zeigt der historische Wille. Wie aus dem Ratschlag und Entwurf des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt vom 29. August 2006 betreffend die Totalrevision des Pensionskassengesetzes vom 20. März 1980 erhellt, wird zum Nachweis der eheähnlichen Gemeinschaft "in der Regel auf den gemeinsamen Wohnsitz" abgestellt. Wohl lässt diese Formulierung Raum für anderweitige Lebens- oder Wohnmodelle. Sie vermag jedoch nicht zu kaschieren, dass der Gesetzgeber eine klassische Zweierbeziehung vor Augen hatte. Eine solche lag hier - in Anbetracht des getrennten Wohnsitzes - nicht vor.
BGE 138 V 86 S. 95
5.1.2 Auch wenn Sinn und Zweck von § 38 Abs. 1 lit. b PKG gleich wie im Rahmen der Auslegung einer privatrechtlichen Reglementsbestimmung "nur" fordert, dass die Lebenspartner den manifesten Willen hatten, ihre Lebensgemeinschaft, soweit es die Umstände ermöglichten, als ungeteilte Wohngemeinschaft im selben Haushalt zu leben, ist die hier zu beurteilende Partnerschaft nicht von dieser Formel erfasst. Insbesondere sind keine Umstände gegeben, die einen gemeinsamen Wohnsitz erschwert oder verunmöglicht hätten. In der Klage werden rein praktische Gründe angeführt, weshalb zwei Wohnungen gemietet worden seien: Während die - etwas grössere - Wohnung an der Strasse Y. Beziehungsmittelpunkt gewesen sei, habe die (kleinere) Wohnung an der Strasse X. vornehmlich als Arbeitsdomizil und manchmal, nach Arbeitszeiten bis zu später Stunde, zum Übernachten sowie zur Unterbringung von Besucherinnen und Besuchern gedient. Beide Wohnungen befinden sich in Z. Auf die Möglichkeit, Wohnen und Arbeiten gänzlich zu trennen, wurde bewusst verzichtet. Damit hielten sich die Beschwerdegegnerin und die verstorbene Versicherte einen gewissen Freiraum offen. Diese - jederzeit und beliebig wählbare - Rückzugsmöglichkeit lässt nicht den Schluss zu, die beiden hätten den manifesten Willen gehabt, ihre Lebensgemeinschaft als ungeteilte Wohngemeinschaft in derselben Haushaltung zu leben.
5.1.3 Im zu beurteilenden Fall schliesst somit der Umstand des getrennten Wohnsitzes eine gemeinsame Haushaltung aus. Die Beschwerde ist daher bereits wegen Nichterfüllens der ersten in § 38 Abs. 1 lit. b PKG stipulierten Voraussetzung abzuweisen.
5.2 Obwohl bei dieser Rechtslage grundsätzlich offenbleiben kann, ob und inwieweit die (zusätzlich) statuierte Voraussetzung der gegenseitigen Unterstützungspflicht erfüllt ist, rechtfertigt es sich, einige Hinweise zu diesem Erfordernis anzubringen und prozessuale Grundlagen des Klageverfahrens in Erinnerung zu rufen.
5.2.1 Der Terminus "Unterstützungspflicht" als solcher vermag sowohl eine materielle als auch eine immaterielle Komponente zu enthalten. Der Kontext von § 38 Abs. 1 lit. b PKG spricht für den materiellen Aspekt. Die alternative Bedingung, dass ein gemeinsames rentenberechtigtes Kind vorhanden ist, verdeutlicht, dass es primär um den Versorgerschaden geht, der durch den Tod der versicherten Person entsteht. Wie die Ehegattenrente bezweckt auch die Lebenspartnerrente, das Risiko eines finanziellen Nachteils
BGE 138 V 86 S. 96
aufzufangen, den ein hinterlassener Partner erleiden kann. Die gegenseitige moralische Unterstützungspflicht ist jeder eheähnlichen Lebensgemeinschaft immanent (vgl. E. 4.1 Abs. 1 in fine), so dass sie nicht (nochmals) der ausdrücklichen Erwähnung bedarf. Im erwähnten Ratschlag und Entwurf des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt vom 29. August 2006 wird schliesslich zu § 38 Abs. 1 PKG festgehalten: "Die eheähnliche Gemeinschaft (Zweierbeziehung) muss nachweislich während mindestens 5 Jahren ununterbrochen bestanden haben [...] und der Versicherte muss den Lebenspartner unterhalten oder im wesentlichen Umfang unterstützt haben [...]". DieseErläuterung hat unmissverständlich die materielle Seite des verwendeten Begriffs "Unterstützungspflicht" im Visier. Zusammengefasst weisen, abgesehen vom grammatikalischen, sämtliche Auslegungselemente eindeutig auf die materielle Komponente der geforderten gegenseitigen Unterstützungspflicht hin. Es sind somit rechtsgenügliche Gründe gegeben, um dem Wortlaut einen entsprechenden Inhalt zu verleihen.
5.2.2 Die Beschwerdegegnerin bringt vor, die Versicherte und sie hätten einen gemeinsamen Haushalt geführt und die entsprechenden Kosten zusammen getragen. In der Vernehmlassung macht sie erstmals geltend, von der verstorbenen Versicherten finanziell unterstützt worden zu sein. Weder die Behauptung, die Kosten des Zusammenlebens gemeinsam getragen zu haben, noch diejenige, von der verstorbenen Versicherten finanziell unterstützt worden zu sein, sind weiter substanziiert. Es bleiben sowohl die individuellen finanziellen Leistungsmöglichkeiten als auch die effektive Kostenaufteilung im Dunkeln. Abgesehen davon, dass sich daraus nicht zwingend eine gegenseitige Unterstützungspflicht ableiten lässt, impliziert die Behauptung, die Kosten des Zusammenlebens gemeinsam getragen zu haben, höchstens, dass jede der beiden für die Hälfte der Kosten des gemeinsamen Haushalts aufgekommen ist. Ob dies für die Annahme einer gegenseitigen Unterstützungspflicht ausreicht, braucht nicht beantwortet zu werden. Weder diesbezüglich noch bezüglich der behaupteten finanziellen Unterstützung ist ein Nachweis erbracht. Die Beschwerdegegnerin nennt in diesen beiden Punkten keine Zeugen und legt keine Akten auf. Die im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Belege sind nicht geeignet oder zu wenig aussagekräftig, um eine gegenseitige finanzielle Unterstützungspflicht oder eine zumindest
BGE 138 V 86 S. 97
hälftige Kostenteilung nachzuweisen oder die fehlende Substanziierung zu ersetzen.
5.2.3 Mangels rechtsgenüglicher Substanziierung und auf Grund ungenügender Beweisführung besteht - selbst wenn die Voraussetzung der gemeinsamen Haushaltung erfüllt wäre - kein Anlass für weitere Abklärungen im Sinne einer Rückweisung an die Vorinstanz zwecks Ergänzung des Sachverhalts (nicht publ. E. 1.1). Da die Klage nach Art. 73

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über: |

SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 343 |
5.3 Fällt der Anspruch auf eine Lebenspartnerrente bereits mangels Erfüllens der ersten Anspruchsvoraussetzung (gemeinsame Haushaltung; § 38 Abs. 1 lit. b PKG) ausser Betracht, kann auch offenbleiben, ob es sich bei der Voraussetzung gemäss § 38 Abs. 1 lit. c PKG - die versicherte Person hat zu Lebzeiten der Pensionskasse die anspruchsberechtigte Lebenspartnerin oder den anspruchsberechtigten Lebenspartner schriftlich mitzuteilen - lediglich um ein rein formelles Erfordernis ohne konstitutive Wirkung handelt, wie die Vorinstanz festgehalten hat.
Gesetzesregister
BVG 19
BVG 19 a
BVG 20 a
BVG 49
BVG 73
OR 343
ZGB 95
ZGB 159
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 19 Überlebender Ehegatte - 1 Der überlebende Ehegatte hat Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente, wenn er beim Tod des Ehegatten: |
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 19a Überlebende eingetragene Partnerin, überlebender eingetragener Partner - Artikel 19 gilt für die überlebende eingetragene Partnerin oder den überlebenden eingetragenen Partner sinngemäss. |
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 20a Weitere begünstigte Personen - 1 Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement neben den Anspruchsberechtigten nach den Artikeln 19 und 2058 folgende begünstigte Personen für die Hinterlassenenleistungen vorsehen: |
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 49 Selbstständigkeitsbereich - 1 Die Vorsorgeeinrichtungen sind im Rahmen dieses Gesetzes in der Gestaltung ihrer Leistungen, in deren Finanzierung und in ihrer Organisation frei. Sie können im Reglement vorsehen, dass Leistungen, die über die gesetzlichen Mindestbestimmungen hinausgehen, nur bis zum Erreichen des Referenzalters ausgerichtet werden. |
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über: |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 343 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.172 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 159 - 1 Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
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2005 S.283