131 IV 97
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Y. sowie Kantonsgericht von Graubünden (Staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde ) 6P.18/2005 / 6S.54/2005 vom 4. Mai 2005
Regeste (de):
- Art. 177
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234
1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 2 Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. 3 Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. 2 Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. 3 Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. 4 Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. - Das Tatgeschehen ist für einen gültigen Strafantrag ausreichend umschrieben, wenn unter Schilderung der näheren Umstände ausgeführt wird, der Antragsteller sei vom Verletzen beschimpft worden. Die Aufzählung der einzelnen Schimpfwörter ist nicht notwendig (E. 3.3).
Regeste (fr):
- Art. 177 et 28 CP; injure, plainte.
- Le déroulement des faits est décrit de manière suffisante pour que la plainte soit valable lorsque l'affirmation du plaignant selon laquelle il a été injurié repose sur un exposé détaillé des circonstances concrètes. L'énumération des divers termes injurieux n'est pas nécessaire (consid. 3.3).
Regesto (it):
- Art. 177 e 28 CP; ingiuria, querela penale.
- Lo svolgimento dei fatti è descritto in maniera sufficiente, perché la querela sia valida, quando il querelante espone le circostanze concrete per cui si ritiene ingiuriato. L'enumerazione dei singoli termini ingiuriosi non è necessaria (consid. 3.3).
Sachverhalt ab Seite 97
BGE 131 IV 97 S. 97
A. X. betreibt in Z. eine Pizzeria. Am Abend des 11. Februar 2003 kehrten Y. und A. dort ein. In der Folge kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Y. und dem Pizzaiolo, worauf A. die Polizei verständigte. Kurz darauf erschien X. in seinem Restaurant und forderte Y. und A. auf, das Lokal zu verlassen und draussen zu warten. Anschliessend schloss er das Restaurant ab. Zusammen warteten die drei auf die Ankunft der Polizei. In dieser Zeit und auch noch als die Polizei vor Ort war, sollen Y. und A. X. aufs Übelste beschimpft haben.
B. Auf Strafantrag von X. sprach der Bezirksgerichtsausschuss Prättigau/Davos Y. mit Urteil vom 10. Juni 2004 wegen
BGE 131 IV 97 S. 98
Beschimpfung gemäss Art. 177 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
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1 | Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
2 | Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. |
3 | Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. |
C. X. führt sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit denen er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, die Streitsache zur neuen Entscheidung zurückzuweisen und das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Prättigau/Davos zu bestätigen. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
I. Nichtigkeitsbeschwerde
3.
3.1 Nach der Praxis des Bundesgerichts liegt ein gültiger Strafantrag im Sinne von Art. 28
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
3.2 Der Beschwerdeführer reichte zwei Tage nach dem Vorfall vom 11. Februar 2003 beim Kreisamt Davos Strafanzeige ein,
BGE 131 IV 97 S. 99
wobei er ausführte, dass die Gäste ihn "andauernd beschimpft und bedroht" hätten. Nach durchgeführter Sühneverhandlung und noch innert der Antragsfrist ergänzte er seine Klage, wobei er ausführte, dass die beiden sehr ausfallend gewesen seien und ihn auf "übelste Art" beschimpft hätten; "huerä Usländer" und "Arschloch" seien nur einige der benutzten Ausdrücke gewesen. Die vom Kreisamt Davos am 26. Juni 2003 befragten beiden Polizisten, die beim Vorfall zugegen waren, erklärten, dass der Beschwerdeführer mit Schimpfwörtern aus der untersten Schublade bedacht worden sei. Konkret erinnerten sie sich an den häufigen Gebrauch des Wortes "Wichser", das Standardausdruck der beiden gewesen sei. Sie vermochten sich aber nicht mehr mit Bestimmtheit an die anderen Schimpfwörter zu erinnern. Dementsprechend erliess das Kreisamt Davos am 6. November 2003 die Anklageverfügung, mit welcher dem Beschwerdegegner vorgeworfen wurde, den Beschwerdeführer als "Wichser" bezeichnet zu haben. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, für das Wort "Wichser" liege kein gültiger Strafantrag vor, denn der Antragsteller habe nur in allgemeiner Weise wegen Beschimpfung Strafantrag gestellt und zwei konkrete Schimpfwörter genannt, worunter der besagte Kraftausdruck aber gerade nicht aufgeführt sei.
3.3 Die Vorinstanz geht zunächst richtig davon aus, dass der Richter, der darüber zu entscheiden hat, ob eine bestimmte Aussage ehrverletzend ist, den konkreten Inhalt der Aussage kennen muss. Ebenso trifft zu, dass die rechtliche Würdigung der Aussage Sache des Richters ist. Dass der Richter in seinem Entscheid die Frage zu beurteilen hat, ob die Verwendung bestimmter Ausdrücke den Tatbestand der Beschimpfung gemäss Art. 177
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
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1 | Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
2 | Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. |
3 | Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. |
BGE 131 IV 97 S. 100
bestimmte strafbare Handlung bezieht (RIEDO, a.a.O., S. 400). Wenn sich im weiteren Verfahren nicht jene Wörter erhärten liessen, welche der Antragsteller genannt hat, sondern andere, lässt dies den Strafantrag nicht als inhaltlich unzureichend erscheinen. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass der Antragsteller den Strafantrag auf die beiden Wörter "huerä Usländer" und "Arschloch" hätte beschränkt wissen wollen. Vielmehr hat er diese beiden Wörter explizit lediglich als Beispiele genannt. Die Vorinstanz stellt inhaltlich überspitzte Anforderungen an den Strafantrag.