130 III 734
100. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Zug (Berufung) 5C.171/2004 vom 1. November 2004
Regeste (de):
- Art. 397f ZGB; fürsorgerische Freiheitsentziehung; kantonales Verfahren vor Gericht.
- Im kantonalen Verfahren der gerichtlichen Beurteilung gilt von Bundesrechts wegen die Untersuchungsmaxime (E. 2.2).
Regeste (fr):
- Art. 397f CC; privation de liberté à des fins d'assistance; procédure cantonale devant le juge.
- En vertu du droit fédéral, la maxime inquisitoire est applicable dans la procédure de contrôle judiciaire cantonale (consid. 2.2).
Regesto (it):
- Art. 397f CC; privazione della libertà a scopo di assistenza; procedura cantonale davanti al giudice.
- In virtù del diritto federale, nella procedura giudiziaria cantonale vige la massima inquisitoria (consid. 2.2).
Sachverhalt ab Seite 734
BGE 130 III 734 S. 734
Im Rahmen fürsorgerischer Freiheitsentziehung wurde X. am 3. Juli 2003 in die Psychiatrische Klinik A. eingewiesen. Ihr Gesuch um Entlassung vom 16. Dezember 2003 wurde am 18. Juni 2004 kantonal letztinstanzlich abgewiesen. Die von ihr dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde (5P.317/2004) blieb erfolglos. Die gleichzeitig eingelegte Berufung weist das Bundesgericht ebenfalls ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.2 Die Berufungsklägerin hält dafür, die Ablehnung ihrer Anträge auf Beizug bestimmter Akten verstosse gegen Art. 397f Abs. 1 ZGB, weil das Gericht unter der Herrschaft der Untersuchungsmaxime verpflichtet sei, die notwendigen Beweise zu erheben.
2.2.1 Gemäss Art. 397f Abs. 1 ZGB entscheidet das Gericht in einem einfachen und raschen Verfahren. Zur Untersuchungsmaxime sagt diese Bestimmung - ihrem Wortlaut nach - nichts, doch nehmen Lehre und Rechtsprechung an, im kantonalen Verfahren der gerichtlichen Beurteilung gelte von Bundesrechts wegen die Untersuchungsmaxime, d.h. der Sachverhalt müsse von Amtes wegen festgestellt werden. Begründet - wenn überhaupt - wird diese Auffassung teils unter Hinweis auf die Materialien, teils aber auch mit dem Wesen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung (aus der
BGE 130 III 734 S. 735
Rechtsprechung: BGE 107 II 314 E. 2 S. 316/317; Urteil 5P.476/2000 vom 30. Januar 2001, E. 3c; aus der Lehre: GEISER, Basler Kommentar, 2002, N. 2 Abs. 3, und SPIRIG, Zürcher Kommentar, 1995, N. 8, je zu Art. 397e ZGB; RAEMY, Verfahrensrechtliche Aspekte der fürsorgerischen Freiheitsentziehung im Kanton Freiburg, Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung 1993 S. 256, 262; IMHOF, Der formelle Rechtsschutz, insbesondere die gerichtliche Beurteilung, bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, Diss. Freiburg i.Ue. 1999, Bern 1999, S. 210, mit Hinweisen).
2.2.2 Die verwiesenen Stellen in der bundesrätlichen Botschaft (BBl 1977 III 1) sind nicht schlüssig: In der Erläuterung der Bestimmung über den Rechtsbeistand wird das "Offizialprinzip" vorausgesetzt, dessen Geltung aber nicht begründet (a.a.O., S. 40 Ziff. 243.4), und im Zusammenhang mit dem einfachen und raschen Verfahren findet sich zwar ein Hinweis auf die Untersuchungsmaxime in Arbeitsstreitigkeiten (Art. 343 Abs. 4
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto CO Art. 343 |
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 27 - 1 Nessuno può rinunciare, neppure in parte, alla capacità civile. |
|
1 | Nessuno può rinunciare, neppure in parte, alla capacità civile. |
2 | Nessuno può alienare la propria libertà, né assoggettarsi nell'uso della medesima ad una limitazione incompatibile col diritto o con la morale. |
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 373 - 1 Ognuna delle persone vicine al paziente può adire per scritto l'autorità di protezione degli adulti facendo valere che: |
|
1 | Ognuna delle persone vicine al paziente può adire per scritto l'autorità di protezione degli adulti facendo valere che: |
1 | non è stato ottemperato alle direttive del paziente; |
2 | gli interessi del paziente incapace di discernimento sono esposti a pericolo o non sono più salvaguardati; |
3 | le direttive del paziente non esprimono la sua libera volontà. |
2 | La disposizione sull'intervento dell'autorità di protezione degli adulti in caso di mandato precauzionale si applica per analogia. |
2.2.3 Die Untersuchungsmaxime schliesst eine vorweggenommene Beweiswürdigung nicht aus. Verfügt das Gericht über genügende Grundlagen für eine sachgerechte Entscheidung, kann es auf weitere Beweiserhebungen verzichten (z.B. BGE 114 II 200 E. 2b S. 201; Urteil 5C.167/1999 vom 18. Oktober 1999, E. 1b nicht publ. in BGE 125 III 401; Urteil 5C.299/2001 vom 7. Februar 2002, E. 2b/aa nicht publ. in BGE 128 III 161; Urteil 5C.153/2002 vom 16. Oktober 2002, E. 3.1.1, zusammengefasst in: ZVW 2003 S. 153).
BGE 130 III 734 S. 736
Die verwaltungsgerichtliche Abweisung der von der Berufungsklägerin gestellten Editionsbegehren beruht auf vorweggenommener Beweiswürdigung. Die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde musste abgewiesen werden, soweit darauf eingetreten werden konnte (vgl. E. 3.3 des Beschwerdeurteils 5P.317/2004). Die Untersuchungsmaxime ist daher nicht verletzt.