124 V 82
13. Urteil vom 30. Januar 1998 i.S. Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit St. Gallen gegen B. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
Regeste (de):
- Art. 97 und 128 OG; Art. 1 Abs. 3 , Art. 5 Abs. 1 und 2 , Art. 45 Abs. 1 , Art. 55 Abs. 1 und 2 VwVG; Art. 30 Abs. 3 Satz 4 und Art. 103 Abs. 6 AVIG; Art. 97 Abs. 2
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS)
LAVS Art. 97
- - Art. 97 Abs. 2
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS)
LAVS Art. 97
- - Die vom kantonalen Gericht einer Beschwerde gegen eine Verfügung betreffend die Einstellung in der Anspruchsberechtigung gewährte aufschiebende Wirkung bewirkt für die Verwaltung der Arbeitslosenversicherung in jedem Fall einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, weil die Einstelltage bei gerichtlicher Anfechtung aufgrund der gemäss Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG nach sechs Monaten eintretenden Vollstreckungsverwirkung kaum je getilgt werden könnten. Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG schliesst die Gewährung des Suspensiveffekts der Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung aus (Änderung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 97 et 128 OJ; art. 1er al. 3, art. 5 al. 1 et 2, art. 45 al. 1, art. 55 al. 1 et 2 PA; art. 30 al. 3, quatrième phrase, et art. 103 al. 6 LACI; art. 97 al. 2 LAVS.
- - L'art. 97 al. 2 LAVS est applicable par analogie dans le domaine de l'assurance-chômage; aussi, les jugements incidents concernant l'octroi ou le refus de l'effet suspensif rendus dans cette matière sont-ils fondés sur le droit fédéral.
- - L'effet suspensif accordé par une juridiction cantonale à un recours contre une décision concernant la suspension du droit aux prestations entraîne dans tous les cas un préjudice irréparable pour l'administration de l'assurance-chômage, du moment qu'en cas de procès, les jours de suspension ne pourraient pratiquement pas être imputés, la suspension devenant caduque après six mois, aux termes de l'art. 30 al. 3, quatrième phrase, LACI. Cette disposition légale exclut l'octroi de l'effet suspensif en cas de recours contre une décision de suspension du droit à l'indemnité (changement de jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 97 e
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS)
LAVS Art. 97
- - L'art. 97 cpv. 2 LAVS è applicabile per analogia nel campo dell'assicurazione contro la disoccupazione; ne discende che le decisioni incidentali concernenti la concessione o il rifiuto dell'effetto sospensivo emanate in questa materia sono fondate sul diritto federale.
- - L'effetto sospensivo riconosciuto da un'autorità giudiziaria cantonale a un ricorso avverso una decisione in tema di sospensione del diritto a prestazioni cagiona in ogni caso un pregiudizio irreparabile per l'amministrazione dell'assicurazione contro la disoccupazione, dal momento che in caso di processo i giorni di sospensione non possono in pratica più esser computati, la sospensione decadendo dopo sei mesi, conformemente all'art. 30 cpv. 3, quarta frase, LADI. Questo disposto legale esclude il riconoscimento dell'effetto sospensivo nell'ipotesi di ricorso contro una decisione di sospensione del diritto all'indennità (cambiamento di giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 83
BGE 124 V 82 S. 83
A.- Mit Verfügung vom 14. Mai 1996 stellte das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, St. Gallen (KIGA), den 1969 geborenen B. wegen Missachtung einer Weisung betreffend eine ihm zugewiesene Arbeit und den Besuch eines Kurses ab 17. April 1996 für 20 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Mit einer weiteren Verfügung vom 22. November 1996 stellte das KIGA den Versicherten ab 19. Juni 1996 für die Dauer von 45 Tagen in der Bezugsberechtigung ein, weil er einen Integrations- und Weiterbildungskurs, zu dessen Besuch er angewiesen worden sei, ohne entschuldbaren Grund abgebrochen habe.
B.- B. liess beide Verfügungen beschwerdeweise anfechten mit dem Begehren um deren Aufhebung. In der gegen die Verfügung vom 22. November 1996 gerichteten Beschwerde liess er überdies u.a. beantragen, im Sinne einer vorsorglichen Massnahme sei das KIGA anzuweisen, die seit April 1996 aufgelaufenen und noch nicht abgerechneten Arbeitslosentaggelder umgehend abzurechnen und die ausstehenden Beträge zuzüglich 5% Verzugszins auszuzahlen. Mit Zwischenentscheid vom 5. März 1997 wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen das KIGA an, B. "in Nachachtung der aufschiebenden Wirkung der Rekurse die aufgrund der angefochtenen Einstellungsverfügungen nicht ausgezahlten Taggelder vorderhand auszurichten bzw. deren Ausrichtung zu veranlassen" (Dispositiv-Ziffer 1), während es die übrigen Begehren abwies (Dispositiv-Ziffer 2).
C.- Das KIGA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, Dispositiv-Ziffer 1 des vorinstanzlichen Zwischenentscheides sei aufzuheben. Während B. auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, unterstützt das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (ab 1. Januar 1998: Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit, nachfolgend: BWA) das Rechtsbegehren des KIGA.
BGE 124 V 82 S. 84
D.- Auf Aufforderung des Instruktionsrichters reichte das BWA am 18. August 1997 eine weitere Vernehmlassung ein, in der es u.a. vor dem Hintergrund von Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG am Antrag auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde festhielt.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. a) Die Vorinstanz hat das Gesuch des Versicherten um Anordnung vorsorglicher Massnahmen, d.h. um Ausrichtung der von den Einstellungsverfügungen erfassten Taggelder, unter dem Gesichtswinkel der aufschiebenden Wirkung geprüft. Sie hat festgehalten, die Frage des Suspensiveffekts beurteile sich gemäss Art. 103 Abs. 6 AVIG nach kantonalem Recht; laut Art. 51 des Gesetzes des Kantons St. Gallen über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 habe der Rekurs aufschiebende Wirkung. Das KIGA habe in den beiden angefochtenen Einstellungsverfügungen den Entzug der aufschiebenden Wirkung nicht angeordnet, weshalb das Begehren um Leistungsausrichtung "zur Gewährleistung der aufschiebenden Wirkung" zu schützen sei. Das KIGA macht im wesentlichen geltend, bei den Einstellungsverfügungen handle es sich um negative Verfügungen, welche nach der Rechtsprechung (BGE 123 V 41 Erw. 3, BGE 117 V 185) der aufschiebenden Wirkung nicht zugänglich seien. Dieser Einwand geht fehl. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in einem neuesten Urteil in Sachen S. vom 7. Mai 1997 (SVR 1997 ALV Nr. 106 S. 327) dargelegt hat, stellt der Verwaltungsakt betreffend die Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosentaggelder keine negative Verfügung dar, bei der sich die Frage der aufschiebenden Wirkung von vornherein gar nicht stellen kann. Die entsprechende Verfügung ist vielmehr eine Anordnung, die eine teilweise Verweigerung, eine zeitweilige Einstellung des laufenden Taggeldes zum Gegenstand hat, welche vollstreckt werden muss und daher einem Aufschub durchaus zugänglich ist (vgl. BGE 117 V 188 Erw. 1b). Denn damit kann bei Verfügungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung erreicht werden, dass die im Verfügungs-Dispositiv angeordnete Rechtsfolge vorläufig nicht eintritt, sondern die Taggelder vollumfänglich ausbezahlt werden (vgl. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 241). Mit der Einstellungsverfügung wird somit nicht - wie dies bei einer negativen Verfügung zutrifft (BGE 123 V 41 Erw. 3) - ein Leistungsanspruch verweigert, sondern das dem Versicherten an sich
BGE 124 V 82 S. 85
zustehende Taggeld wird für eine bestimmte Dauer nicht ausgerichtet (SVR 1997 ALV Nr. 106 S. 327). b) Somit ist zu prüfen, ob der kantonale Zwischenentscheid selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann. Der Beschwerdegegner bestreitet dies mit dem Argument, dass sich die vorinstanzliche Verfügung ausschliesslich auf kantonales Recht stütze, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig sei.
2. Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97 , 98
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS) LAVS Art. 97 |
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS) LAVS Art. 97 |
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SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS) LAVS Art. 97 |
3. Im vorliegenden Fall stellt sich zunächst die vom Eidg. Versicherungsgericht in SVR 1997 ALV Nr. 106 S. 328 f. Erw. 3 sowie im unveröffentlichten Urteil M. vom 29. März 1994 offengelassene Frage, ob sich für die im Bereich der Arbeitslosenversicherung ergangenen kantonalen
BGE 124 V 82 S. 86
Zwischenentscheide über die Gewährung oder Verweigerung der aufschiebenden Wirkung eine bundesrechtliche Grundlage finden lässt oder ob sie ausschliesslich auf selbständigem kantonalem Prozessrecht beruhen und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde deshalb unzulässig ist (vgl. BGE 123 I 277 Erw. 2b). a) Gemäss Art. 103 Abs. 6 AVIG bestimmt sich das kantonale Verfahren - unter Vorbehalt der bundesrechtlichen Minimalvorschriften laut Abs. 2 bis 5 - nach kantonalem Recht; für das Verfahren der letzten kantonalen Instanz bleibt Art. 1 Abs. 3 VwVG vorbehalten. Gemäss dieser Bestimmung finden auf Verfahren letzter kantonaler Instanzen, die gestützt auf öffentliches Recht des Bundes nicht endgültig verfügen, nur die Art. 34 bis
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS) LAVS Art. 97 |
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BGE 124 V 82 S. 87
werden, die sich mit dem nicht nur für das einzelne Verfahrensstadium, sondern für den Verfahrensablauf insgesamt geltenden Einfachheitsgebot im Sinne von Art. 103 Abs. 4
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS) LAVS Art. 97 |
4. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine Zwischenverfügung im Sinne von Art. 45
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS) LAVS Art. 97 |
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5. a) Im Urteil S. vom 7. Mai 1997 (SVR 1997 ALV Nr. 106 S. 329 Erw. 4b) hielt das Eidg. Versicherungsgericht dafür, dass die aus der Gewährung der aufschiebenden Wirkung durch die Vorinstanz resultierende vorläufige Auszahlung der mit der verfügten Einstellung in der Anspruchsberechtigung gesperrten Taggelder für die Arbeitslosenkasse keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könne, weil kaum die Gefahr der Uneinbringlichkeit des in Frage stehenden Betrages (rund Fr. 5'380.--) bestehe, zumal die Arbeitslosenkasse gegebenenfalls die Möglichkeit hätte, ihre Rückforderung der zu Unrecht ausbezahlten Arbeitslosenentschädigung
BGE 124 V 82 S. 88
später mit dem laufenden Taggeld zu verrechnen (Art. 94 Abs. 2
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6. a) Nach der Rechtsprechung zu Art. 97 Abs. 2
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BGE 124 V 82 S. 89
der sich aus den vorhandenen Akten ergibt, ohne zeitraubende weitere Erhebungen anzustellen. Bei der Abwägung der Gründe für und gegen die sofortige Vollstreckbarkeit können auch die Aussichten auf den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache ins Gewicht fallen, sie müssen allerdings eindeutig sein. Im übrigen darf die verfügende Behörde die aufschiebende Wirkung nur entziehen, wenn sie hiefür überzeugende Gründe geltend machen kann (BGE 105 V 268 f. Erw. 2 mit Hinweisen). b) Eine solche Interessenabwägung hat zwar grundsätzlich auch Platz zu greifen, wenn über die Frage (des Entzuges) der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung zu entscheiden ist. Dabei hat das Gericht indessen im Hinblick auf die kurze Verwirkungsfrist von sechs Monaten gemäss Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG das Interesse der Verwaltung an der Vollstreckung regelmässig stärker zu gewichten als das Interesse des Versicherten an der vorläufigen Auszahlung der gesperrten Taggelder. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG, wonach die Einstellung in der Anspruchsberechtigung binnen sechs Monaten nach Beginn der Einstellungsfrist zu tilgen ist, als Ausdruck einer gesetzgeberischen Entscheidung verstanden werden muss, die im Bereich der vorsorglichen Massnahmen zu respektieren ist und folglich die Gewährung des Suspensiveffekts der Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung ausschliesst. In diesem Sinne ist die Rechtsprechung gemäss SVR 1997 ALV Nr. 106 S. 327 zu ändern.