120 Ia 179
26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. August 1994 i.S. M. L. gegen S. Kantonalbank und Obergericht des Kantons Schaffhausen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Zur Prüfung der Voraussetzung der Bedürftigkeit ist die gesamte finanzielle Situation des Gesuchstellers im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches zu berücksichtigen. Er hat seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich zu belegen (E. 3a).
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; assistance judiciaire; indigence.
- Pour déterminer l'indigence, il convient de prendre en considération l'ensemble de la situation financière du requérant au moment où la demande est présentée. Il appartient à celui-ci d'indiquer de manière complète et, autant que faire se peut, d'établir ses revenus et sa situation de fortune (consid. 3a).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; assistenza giudiziaria; bisogno.
- Per stabilire lo stato di bisogno occorre prendere in considerazione l'intera situazione finanziaria dell'istante al momento della presentazione della domanda. Il richiedente deve indicare in modo completo e, nella misura del possibile, giustificare i suoi redditi e la sua situazione patrimoniale (consid. 3a).
Sachverhalt ab Seite 180
BGE 120 Ia 179 S. 180
Mit Beschluss vom 23. November 1993 wies das Kantonsgericht das Gesuch von M. L. um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab (Ziffer 1); gleichzeitig verpflichtete es den Gesuchsteller, für fünf hängige Aberkennungsprozesse Sicherstellung der voraussichtlichen Gerichts- und Parteikosten in Höhe von insgesamt Fr. 92'000.-- zu leisten (Ziffer 2). Im anschliessenden Rekursverfahren bestätigte das Obergericht den angefochtenen Beschluss hinsichtlich der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege, hob hingegen in teilweiser Gutheissung des Rekurses Ziffer 2 des Beschlusses auf und setzte die zu leistende Sicherstellung auf insgesamt Fr. 82'000.-- fest. Mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt M. L., der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben. Der Beschwerdeführer rügt, die kantonalen Instanzen hätten seine Bedürftigkeit zu Unrecht als nicht ausgewiesen erachtet, und zudem sei die mehrfach angebotene persönliche Einvernahme zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht durchgeführt worden. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege wird durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon greifen die direkt auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
BGE 120 Ia 179 S. 181
nicht, das Obergericht habe das massgebende kantonale Recht willkürlich angewendet. Er macht ausschliesslich geltend, die bundesrechtlichen Minimalgarantien nach Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 120 Ia 179 S. 182
Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (FAVRE, L'assistance judiciaire gratuite en droit Suisse, Diss. Lausanne 1989, S. 54 f.). Dabei dürfen umso höhere Anforderungen an eine umfassende und klare Darstellung der finanziellen Situation durch den Gesuchsteller selbst gestellt werden, je komplexer diese Verhältnisse sind. Verweigert ein Gesuchsteller die zur Beurteilung seiner aktuellen Gesamtsituation erforderlichen Angaben oder Belege, so kann die Bedürftigkeit ohne Verletzung von Art. 4
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BGE 120 Ia 179 S. 183
keineswegs, die Bedürftigkeit als ausgewiesen zu erachten. Selbst wenn das Schreiben der Militärverwaltung belegt, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1989 und 1990 kein Einkommen erzielte, und wenn ein Auszug aus dem Betreibungsregister, dessen Einholung von Amtes wegen der Beschwerdeführer beantragt, überdies ergeben würde, dass erhebliche Forderungen gegen ihn in Betreibung gesetzt sind, so fehlt in jedem Fall der erforderliche umfassende Einblick in die aktuelle finanzielle Situation des Beschwerdeführers. Dass das Bedürftigkeitszeugnis des Fürsorgeamtes der Stadt S. keine Aussage über die Bedürftigkeit erlaubt, ist darin selbst vermerkt und wird im übrigen vom Beschwerdeführer auch nicht ernsthaft in Frage gestellt. Inwiefern schliesslich der provisorischen Veranlagung für die Staats- und Gemeindesteuern 1993 irgendwelche zusätzlichen Angaben entnommen werden könnten, ist nicht ersichtlich und auch nicht dargetan. c) Der anwaltlich vertretene und geschäftserfahrene Beschwerdeführer behauptet nicht, er sei sich der Anforderungen an den Nachweis seiner gegenwärtigen finanziellen Situation nicht bewusst gewesen. Er behauptet vielmehr, der erforderliche Nachweis seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sei ihm unmöglich, weil seine Geschäfte von Dritten und namentlich von der Beschwerdegegnerin geführt worden seien. Unter diesen Umständen durfte das Obergericht ohne Willkür annehmen, die vom Beschwerdeführer beantragte persönliche Befragung werde zur Sache nichts beitragen - zumal eine derartige Befragung zum Nachweis der Vermögens- und Einkommensverhältnisse selbst an sich nicht geeignet ist und höchstens dazu dienen könnte, die Art des Nachweises der Bedürftigkeit zu besprechen. Wie es sich im übrigen verhalten würde, wenn tatsächlich Unterlagen für den Gesuchsteller nicht zugänglich wären, die zur Darstellung oder zum Beleg seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich sind, kann offenbleiben. Denn der Beschwerdeführer behauptet nicht und weist erst recht nicht nach, dass er die Herausgabe derartiger Unterlagen vergeblich verlangt hätte. Das Obergericht hat im angefochtenen Urteil Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |